Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Hinweis: vgl.
Drucksache 781/11 (PDF) = AE-Nr. 111010,
Drucksache 775/13 (PDF) = AE-Nr. 131019 und AE-Nr. 141085
Brüssel, den 28.11.2014
C(2014) 8801 final
Allgemeine ERWÄGUNGEN
- 1. Die Verordnung (EU) Nr. 473/2013 enthält Bestimmungen zur verstärkten Überwachung der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, um sicherzustellen, dass die nationalen Haushaltspläne mit den im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) und des Europäischen Semesters für die wirtschaftspolitische Koordinierung veröffentlichten wirtschaftspolitischen Leitlinien vereinbar sind.
- 2. Nach Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 haben die Mitgliedstaaten der Kommission und der Euro-Gruppe alljährlich bis zum 15. Oktober eine Übersicht über die Haushaltsplanung für das Folgejahr mit den wichtigsten Aspekten der Haushaltslage des Staatssektors und seiner Teilsektoren vorzulegen.
ERWÄGUNGEN zu Deutschland
- 3. Auf der Grundlage der am 10. Oktober 2014 von Deutschland übermittelten Übersicht über die Haushaltsplanung 2015 hat die Kommission in Einklang mit Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 folgende Stellungnahme abgegeben.
- 4. Deutschland unterliegt der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und sollte eine solide Haushaltsposition beibehalten, die die Einhaltung des mittelfristigen Ziels sicherstellt. Da die Schuldenquote 2011 (d.h. in dem Jahr, in dem Deutschland sein übermäßiges Defizit korrigierte) bei 77,6 % des BIP und damit über dem Referenzwert von 60 % des BIP lag, gelten für Deutschland in den drei auf die Korrektur des übermäßigen Defizits folgenden Jahren die Übergangsregelungen hinsichtlich der Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau. In diesem Zeitraum sollte es bis Ende 2014 genügend Fortschritte bei der Einhaltung der Anforderung erzielen. Nach Ablauf des Übergangszeitraums muss Deutschland ab 2015 den Richtwert für den Schuldenabbau einhalten.
- 5. Das der Übersicht über die Haushaltsplanung zugrundeliegende makroökonomische Szenario, das auf der bereits im April veröffentlichten Frühjahrsprojektion der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung basiert, deckt sich im weitgehend mit dem makroökonomischen Szenario des Stabilitätsprogramms. Da nach seiner Veröffentlichung jedoch noch weitere amtliche Statistiken und verschlechterte Konjunkturindikatoren verfügbar geworden sind, beschreibt es einen erheblich optimistischeren Konjunkturausblick für 2014 und 2015 als die Herbstprognose 2014 der Kommission, während die Unterschiede bei den Arbeitsmarktprojektionen deutlich weniger ausgeprägt sind. Neben moderat höheren Potenzialwachstumsschätzungen weicht auch die der Übersicht über die Haushaltsplanung zugrunde gelegte zwar noch negative, aber sich verengende Produktionslücke für 2015 von der Schätzung der Kommission ab, die für das Jahr 2015 von einer weiteren Vergrößerung der Produktionslücke ausgeht.
- 6. Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 muss der Haushaltsplanentwurf auf makroökonomischen Prognosen beruhen, die von einer unabhängigen Einrichtung erstellt oder befürwortet worden sind. Die der Übersicht über die Haushaltsplanung zugrundeliegenden makroökonomischen Projektionen stützen sich auf die eigene Prognose der Bundesregierung, die nicht förmlich von einer unabhängigen Einrichtung befürwortet wurde. Allerdings betrachtet die Bundesregierung die unabhängige Gemeinschaftsdiagnose, die zweimal jährlich von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten herausgegeben wird, als Vergleichsgröße für ihre eigene Prognose.
- 7. Die Übersicht über die Haushaltsplanung bestätigt das Ziel eines ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalts sowohl 2014 als auch 2015 entsprechend den Projektionen des Stabilitätsprogramms. Bei den Gesamteinnahmen und -ausgaben im Verhältnis zum BIP sind 2015 gegenüber dem Stabilitätsprogramm keine signifikanten Veränderungen geplant.
- 8. Die Haushaltsziele für 2014 und 2015 stehen im Großen und Ganzen mit der Herbstprognose 2014 der Kommission in Einklang und erscheinen insgesamt realistisch, auch angesichts weitgehend ähnlicher Projektionen für einen robusten Arbeitsmarkt, der die nachteiligen Einnahmen- und Ausgabenwirkungen des pessimistischeren makroökonomischen Szenarios der Herbstprognose 2014 der Kommission in Grenzen hält.
- 9. Laut Übersicht über die Haushaltsplanung soll die Schuldenquote 2014 und 2015 sinken, was dem ausgeglichenen Haushalt, dem Nennereffekt des BIP-Wachstums und der laufenden Abwicklung von "Bad Banks" zu verdanken ist. Der Schuldenstand soll nunmehr in beiden Jahren 2 % des BIP niedriger sein als im Stabilitätsprogramm geplant, was insbesondere auf statistische Revisionen aufgrund des neuen ESVG 2010-Standards zurückzuführen ist. Die Herbstprognose 2014 der Kommission rechnet im Vergleich zur Übersicht über die Haushaltsplanung mit einem etwas weniger starken Rückgang der Schuldenquote, da sie potenzielle Gewinne aus der Abwicklung von "Bad Banks" nicht einkalkuliert.
- 10. Gegenüber dem Stabilitätsprogramm wird in der Übersicht über die Haushaltsplanung als zusätzliche haushaltspolitische Maßnahme für 2015 nur das Pflegestärkungsgesetz genannt. Dieses soll keine größeren Auswirkungen auf die Gesamteinnahmen und -ausgaben sowie den Haushaltssaldo haben.
- 11. Die Übersicht über die Haushaltsplanung enthält nicht genügend Angaben, um die Einhaltung der Übergangsregelungen für den Schuldenabbau-Richtwert zu bewerten. Allerdings dürfte der Richtwert für den Schuldenabbau nach der Herbstprognose 2014 der Kommission am Ende des Übergangszeitraums 2014 erreicht und voraussichtlich auch 2015 eingehalten werden.
- 12. Deutschland verzeichnete 2013 einen strukturellen Überschuss von 0,6 % des BIP und übertraf damit sein mittelfristiges Ziel eines strukturellen Defizits von maximal 0,5 % des BIP. Nach den in der Übersicht über die Haushaltsplanung enthaltenen Informationen dürfte Deutschland sein mittelfristiges Haushaltsziel auch in den Jahren 2014 und 2015 mit einem strukturellen Überschuss von 0,6 % bzw. 0,5 % des BIP übertreffen, was durch die Herbstprognose 2014 der Kommission bestätigt wird.
- 13. In der Übersicht über die Haushaltplanung werden Reformen der Pflege und der Finanzstruktur der gesetzlichen Krankenversicherung genannt, mit denen der länderspezifischen Empfehlung zur Erhöhung der Kosteneffizienz der öffentlichen Ausgaben für diese Bereiche entsprochen werden soll, doch könnten diese Maßnahmen auch zu einer weiteren Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung führen. Ergänzend hinzugekommen sind Pläne für eine Stärkung öffentlicher Infrastrukturinvestitionen, etwa durch eine Erhöhung der Flexibilität des Mitteleinsatzes und eine Weiterentwicklung öffentlichprivater Partnerschaften, sowie für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei Wissenschaft und Forschung. Jedoch erscheinen diese Vorhaben im jetzigen Stadium nicht hinreichend spezifiziert und ambitioniert angesichts eines zusätzlichen Investitionsbedarfs von jährlich 1/2 bis 1 % des BIP, der bei der eingehenden Überprüfung der deutschen Wirtschaft für die kommenden Jahre im öffentlichen Sektor insgesamt für die Instandhaltung und Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur und die Behebung bestimmter Engpässe ermittelt wurde.
- 14. Alles in allem vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Übersicht über die Haushaltsplanung Deutschlands, das derzeit der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der Übergangsregelung für den Schuldenabbau unterliegt, die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts erfüllt. Allerdings besteht angesichts des beträchtlichen haushaltspolitischen Spielraums, des Investitionsbedarfs und der sehr niedrigen Zinssätze, die eine die Finanzierungskosten weit übertreffende soziale Rendite implizieren, noch Raum zur Erhöhung der öffentlichen Investitionen.
Darüber hinaus sollte Deutschland sicherstellen, dass eine unabhängige Einrichtung mit der Erstellung oder Abnahme der gesamtwirtschaftlichen Projektionen betraut wird.
Die Kommission vertritt außerdem die Auffassung, dass Deutschland im Hinblick auf den strukturellen Teil der im Rahmen des Europäischen Semesters 2014 vom Rat ausgesprochenen haushaltspolitischen Empfehlungen begrenzte Fortschritte erzielt hat, und ruft die Behörden daher zur Beschleunigung der Umsetzung auf.
Geschehen zu Brüssel am 28.11.2014
Für die Kommission Pierre MOSCOVICI
Mitglied der Kommission