Punkt 37 der 829. Sitzung des Bundesrates am 15. Dezember 2006
Der Bundesrat möge anstelle der Ausschussempfehlungen zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Der Bundesrat begrüßt den Ansatz Bodenschutz EU-weit zu stärken.
- a. Als langfristiges Ziel sollen für den europäischen Wirtschaftsstandort gleiche Bodenschutzstandards gelten. Diese sollen nicht hinter die deutschen Standards zurückfallen.
- b. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Konzeption der Richtlinie an den Grundzügen des deutschen Bodenschutzrechts orientiert und Artikel 1 den Erhalt der Bodenfunktionen unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen, ökologischen sowie sozialen und kulturellen Aspekten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt.
- c. Der Bundesrat stellt fest, dass auf nationaler Ebene durch das Bundes-Bodenschutzgesetz und durch Verankerung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen ein hoher Standard im vor- und nachsorgenden Bodenschutz erreicht worden ist.
- d. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bereits bestehende, bewährte nationale und regionale Bodenschutzkonzepte nicht in Frage gestellt werden dürfen und der Freiraum der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Bodenschutzpolitik gewahrt bleiben muss.
- e. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, unter Bezug auf seine Stellungnahme in BR-Drucksache 431/02(Beschluss) bei den weiteren Verhandlungen des Vorschlages einer EU-Rahmenrichtlinie auf die strikte Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu achten sowie Doppel- und Überregulierungen entgegenzuwirken.
- f. Der Richtlinienvorschlag enthält eine Reihe von Erfassungs- und Berichtspflichten, Vorgaben zur Aufstellung von SUP-pflichtigen Maßnahmen- und Sanierungsplänen und Anforderungen zur Abgrenzung von Risikogebieten. Diese Aufgaben für die Mitgliedstaaten stehen mit den geltenden nationalen Regelungen nur teilweise im Einklang und führen zu einem erheblichen zusätzlichen Aufwand im Vollzug. Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen dass insbesondere dort, wo nationale Regelungen bereits bestehen, die EU-Regelungen in sehr viel stärkerem Maße diese bestehenden nationalen Regelungen berücksichtigen und auf Berichtspflichten gegenüber der EU und SUP-pflichtige Pläne weitestgehend verzichtet wird. Die Berichtspflichten müssen sich auf die Darstellung der zur Zielerreichung getroffenen Maßnahmen und Instrumente, somit also auf ein Mindestmaß, beschränken.
- g. Der vorliegende Vorschlag legt eine Vielzahl von sehr konkreten und zumeist zu engen Fristen zur Durchführung von Maßnahmen und zur Abgabe von Berichten fest, ohne zuvor die hierbei einzuhaltenden fachlichen und formellen Anforderungen hinreichend genau zu definieren. Es sollten deshalb zunächst präzise Anforderungen und Klassifizierungsschemata für Bewertungen definiert und erst danach Zeitpläne und Fristen für Berichtspflichten, Maßnahmenpläne oder sonstige Verpflichtungen wie Sanierungsverpflichtungen vorgegeben werden.
- h. Es ist darauf hinzuwirken, dass für die in Kapitel II "Risikovermeidung, und -minderung, Wiederherstellung" beschriebenen Anforderungen zur Vorsorge ein sehr weitgehender Abgleich der fachlichen Anforderungen mit denen aus dem Bereich Cross Compliance der Landwirtschaft erfolgt, so dass für den Landwirtschaftsbereich keine darüber hinausgehenden neuen Anforderungen geschaffen werden.
- i. Der im Vorschlag enthaltene Generalverdacht gegenüber IVU- (und anderen) Anlagen wird abgelehnt. Diese dürfen nicht pauschal als potenziell kontaminierte Standorte betrachtet und veröffentlicht werden, da dann die umweltrechtliche Genehmigung einer Anlage dazu führen würde, dass diese Anlage automatisch unter Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung gestellt wird.
- j. Im Zuge der Berichtspflichten zu den Risikogebieten und zum Verzeichnis der verunreinigten Standorte ist eine sehr weit reichende Veröffentlichung personenbezogener Daten vorgesehen. Dies läuft einem effizienten Datenschutz zuwider und birgt die Gefahr einer Verletzung schützenswerter Interessen betroffener Unternehmen.
- k. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei konkreten Maßnahmen, insbesondere soweit diese über die Regelungen der Umweltinformationsrichtlinie hinausgehen ist nicht erforderlich.
- l. Der Bundesrat begrüßt, dass die Öffentlichkeits- und Forschungsarbeit zum Bodenschutz verstärkt sowie eine europaweite Plattform zum Informationsaustausch eingerichtet werden soll.
2. Der Bundesrat sieht in den folgenden Einzelpunkten dringend notwendigen Verbesserungsbedarf:
a. Zu Artikel 1 und 2:
Der Bundesrat stellt fest, dass eindeutige Definitionen zumindest für die Begriffe "Boden" (ohne Gewässerbett), "Verzeichnis der verunreinigten Standorte", "erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit" sowie zu "Sanierungsmaßnahmen" fehlen. Unklar ist, ob Sanierungsmaßnahmen auch Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen sowie "natürliche Schadstoffminderungsprozesse" beinhalten.
b. Zu Artikel 3:
Der Bundesrat begrüßt wie auch in seiner Stellungnahme in BR-Drucksache 431/02(Beschluss) den integrativen Ansatz in Artikel 3, der eine Berücksichtigung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen vorsieht. Der Bundesrat sieht diesen Ansatz in Deutschland schon heute z.B. im Abfall- und Düngerecht sowie in den Regelungen zu Cross Compliance umgesetzt und bittet die Bundesregierung daher, jeglichem Mehraufwand durch formalisierte Verfahren und Veröffentlichungen über das Maß der schon bestehenden Strategischen Umweltprüfung (Richtlinie 2001/42/EG) und Umweltverträglichkeitsprüfung (85/337/EWG) hinaus entgegenzuwirken.
c. Zu Artikel 4:
Der Bundesrat stellt fest, dass die in Artikel 4 geregelte Verpflichtung von Landnutzern zu Vorsorgemaßnahmen gegen nachteilige Auswirkungen auf den Boden in Deutschland bereits durch §§ 7 und 17
BBodSchG umgesetzt wird. Darüber hinausgehende Regelungen werden abgelehnt.
d. Zu Artikel 5:
Der Bundesrat hält Maßnahmen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für notwendig. Die in Artikel 5 vorgesehene Begrenzung der Maßnahmen auf Aspekte der Versiegelung ist hier nicht ausreichend.
e. Zu Artikel 5:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den Aspekt der schonenden und sparsamen Inanspruchnahme von Boden bei der Verhandlung des Vorschlages einer EU-Rahmenrichtlinie einzubringen und darauf hinzuwirken, dass insbesondere das Flächenrecycling berücksichtigt wird.
f. Zu Artikel 6 und 7:
Der Bundesrat stellt fest, dass die Methoden zur Bestimmung der Risikogebiete relativ unbestimmt sind. Es sind grundsätzliche Bestimmungsmethoden und Mindestbewertungsstandards für die Bestimmung der "Risikogebiete" vorzugeben. Die Frist für die Bestimmung der "Risikogebiete" kann erst nach Festlegung dieser Mindeststandards beginnen.
g. Zu Kapitel III:
Der Bundesrat hält die Zuordnung von menschlicher Tätigkeit und Bodenbelastungen zu Standorten im Vollzug für nicht umsetzbar und bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die Bezugsebene definierte Flächen sein müssen.
h. Zu Artikel 10, 11 und 14:
Der Bundesrat hält die dem Kapitel III zu Grunde gelegte Kostenfolgenabschätzung nicht für realistisch und bittet die Bundesregierung, die Fristen für die Umsetzung der Artikel 10, 11 und 14 deutlich zu verlängern.
i. Zu Artikel 11:
Der Bundesrat stellt fest, dass die in Absatz 2 genannten Standorte nicht unmittelbar in das in Artikel 10 Abs. 2 genannte Verzeichnis aufgenommen werden. Bei den genannten Standorten handelt es sich lediglich um eine Erfassung der Standorte, auf denen die in Artikel 10 Abs. 1 genannten Gefährdungen aufgrund menschlicher Tätigkeiten vorkommen können. Erst auf Basis der in Artikel 11 Abs. 3 dargestellten Bewertung der Belastung kann für die in Anhang II genannten Standorte ein Eintrag in das Verzeichnis nach Artikel 10 Abs. 2 erfolgen.
j. Zu Artikel 11:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Beratungen klarzustellen, dass es sich bei dem in Artikel 11 Abs. 3 vorgesehenen Verfahren dem Begriff nach nicht um ein "Messen" der gefährlichen Stoffe im Boden handelt, sondern um eine Gefährdungsabschätzung, die auch auf der Grundlage umfassenderer Untersuchungs- und Bewertungsmethoden erfolgt.
k. Zu Artikel 11:
Der Bundesrat stellt fest, dass bisher keine europaweit einheitlichen Umweltqualitätsmaßstäbe und -standards für die Risikobewertung zu Grunde gelegt werden konnten, die zur Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen führen. Anzustreben wäre in Europa daher ein vergleichbares Niveau des Bodenschutzes. Im Sinne einer europaweiten Harmonisierung wären hierzu einheitliche Mindestmaßstäbe zu entwickeln auf dem Niveau der bereits existierenden Anforderungen und Standards des deutschen Bodenschutzrechts.
l. Zu Artikel 12:
Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich einen Bericht über den Zustand der Böden. Neben einer Information über den "Zustand des Standortes in der Vergangenheit" sollte eine allgemeine Bewertung des Standortes durch einen Sachverständigen erfolgen, wobei auf die Auflistung von chemischen Analysenwerten verzichtet werden sollte. Dementsprechend sollten auch keine Bestimmungsmethoden festgeschrieben werden.
m. Zu Artikel 13:
Der Bundesrat stellt fest, dass hier eine dringende Konkretisierung erfolgen muss, da aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht generell Sanierungen an allen Standorten zu erfolgen haben. Schutz- und
Beschränkungsmaßnahmen sollten neben Sanierungsmaßnahmen explizit als geeignete Maßnahmen aufgeführt werden.
n. Zu Artikel 13:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen darzulegen, dass auch bei Anwendung des Verursacherprinzips nicht nur der Verursacher, sondern auch der Zustandsstörer zur Haftung herangezogen werden kann.
o. Zu Artikel 13:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen darauf hinzuweisen, dass die in der Richtlinie Artikel 13 Abs. 3 genannten Finanzierungsmechanismen national nicht einheitlich sein müssen sondern gemäß dem Subsidiaritätsprinzip in Deutschland in den Ländern zwar unterschiedlich geregelt sind, überall jedoch solche Mechanismen geschaffen worden sind.
p. Zu Artikel 13 und 14:
Der Bundesrat stellt fest, dass auf Grund rund 20- jähriger Erfahrungen in den Ländern bereits umfangreiche Erhebungen von altlastrelevanten Standorten durchgeführt worden sind. Die Vorschriften in Kapitel III (Bodenverunreinigung) entsprechen im Grundsatz dem Vorgehen der Altlastenbearbeitung in Deutschland. Um erneute kostenintensive Erfassungen zu vermeiden, bittet der Bundesrat die Bundesregierung darauf hinzuwirken dass sich die Bestimmung der potenziell Boden verschmutzenden Tätigkeiten gemäß Anhang II auf die in Deutschland als relevant erwiesenen Branchen beschränkt.
q. Zu Artikel 14:
Der Bundesrat stellt fest, dass die Regelungen der BBodSchV die substantiellen Anforderungen einer Sanierungsstrategie völlig erfüllt, nämlich das formalisierte Sicherstellen von Bodensanierungen.
r. Zu Artikel 14:
Der Bundesrat stellt fest, dass die formalen Anforderungen an die Nationale Sanierungsstrategie in Artikel 14 des Richtlinienvorschlags zu detailliert sind. Eine Priorisierung auf der Ebene eines Mitgliedstaates oder auch nur eines Landes wird der notwendigen Einbettung von Sanierungsmaßnahmen in die jeweilige Kommunal- und Regionalentwicklung sowie der erforderlichen Abstimmung mit etwaigen Nachnutzern nicht gerecht.
Weiterhin lassen sich die zeitlichen Abläufe und die für einzelne Projekte vorzusehenden Finanzmittel nicht längerfristig belastbar planen.
s. Zu Artikel 14:
Der Bundesrat stellt fest, dass Absatz 1 Satz 2 nicht verständlich ist und einer Konkretisierung bedarf.
t. Zu Artikel 16:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass sich aus Artikel 16 kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand und unverhältnismäßige Berichtspflichten ergeben. Die Berichterstattung ist auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken und klar zu formulieren. Eine spätere Konkretisierung der Berichterstattung im Komitologieverfahren (vgl. Artikel 19 Abs. 3) ist abzulehnen.
u. Zu Artikel 18:
Der Bundesrat stellt fest, dass der hier getroffene Ansatz einer nachträglichen Anpassung und Harmonisierung der Anforderungen nicht akzeptiert werden kann, da ansonsten erhebliche Fehlinvestitionen zu befürchten sind. Bevor mit der Risikobewertung bei Bodenverunreinigungen in den einzelnen Mitgliedstaaten begonnen wird, sind seitens der EU konkrete Anforderungen an die hierbei anzuwendenden Methoden festzulegen.
v. Zu Artikel 19:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Änderung des in Artikel 19 genannten Ausschussverfahren hinzuwirken. In diesem Ausschuss muss eine ausreichende Beteiligung aller Stakeholder gewährleistet sein. Dies ist insbesondere deswegen wichtig, weil der Ausschuss u. a. auch die Kriterien für die Risikobewertung bei Bodenkontaminationen festlegen soll.
w. Zu Artikel 23:
Der Bundesrat stellt fest, dass das Verhältnis von Bodenrahmenrichtlinie und Umwelthaftungsrichtlinie durch die Regelung in Artikel 23 nicht hinreichend geklärt wird.
x. Zu Anhang II:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die in Anhang II zur Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten überprüft werden. Insbesondere sind die Nummern 3, 4 und 5 (Flughäfen, Häfen und ehemalige Militärstandorte) so umzuformulieren, dass nicht die Gebiete als Ganzes, sondern nur die potenziell verunreinigten Teilflächen in diesen Gebieten zu erfassen sind.
3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
bei den Verhandlungen auf EUEbene diese Position der Länder zu vertreten und die Länder in den Verhandlungsprozess intensiv einzubeziehen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Europaweite Regelungen zum Bodenschutz dienen nicht nur der Verhinderung weiterer Bodendegradationen innerhalb der EU, sondern sollen dort auch gleiche Wettbewerbsbedingungen sichern.
Auf Initiative der Bundesrepublik Deutschland hat die Kommission die Arbeiten zur Erstellung einer europäischen Bodenschutzstrategie begonnen und am 22. September 2006 sowohl eine Bodenschutzstrategie als auch den hier in Rede stehenden Vorschlag für eine "Bodenschutzrahmenrichtlinie" vorgestellt.
Deshalb ist es folgerichtig, die weitere Entwicklung der Bodenschutzrahmenrichtlinie auf europäischer Ebene konstruktiv mit zu gestalten.
Dazu ist eine intensive Befassung mit den in der Richtlinie angeführten Aufgaben,
Anforderungen und Berichtspflichten angezeigt, die insbesondere berücksichtigt, welche gesetzlichen Pflichten und welche Daten bereits heute bundesweit in den Ländern bestehen bzw. vorliegen und wie Belastungen der betroffenen Behörden sowie der Unternehmen auf ein sachgerechtes Maß beschränkt werden können. Auf dieser Grundlage ist von deutscher Seite im laufenden europäischen Beratungsprozess auf entsprechende Änderungen mit Nachdruck hinzuwirken.