Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft - COM (2016) 596 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird an den Beratungen beteiligt.

Hinweis: vgl.
Drucksache 108/98 = AE-Nr. 980346, AE-Nr. 061279, AE-Nr. 080654, AE-Nr. 131156

Europäische Kommission
Brüssel, den 14.9.2016
COM (2016) 596 final
2016/0278 (COD)

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Text von Bedeutung für den EWR)

Begründung

1. Kontext des Vorschlags

- Gründe und Ziele des Vorschlags

Die vorgeschlagene Richtlinie wird das Unionsrecht mit den internationalen Verpflichtungen der EU aus dem Vertrag von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen zu veröffentlichten Werken (im Folgenden "Vertrag von Marrakesch") in Einklang bringen.

Der Vertrag von Marrakesch wurde im Jahr 2013 im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) mit dem Ziel angenommen, die Bereitstellung und den grenzüberschreitenden Austausch von Büchern und anderem gedruckten Material in barrierefrei zugänglichen Formaten weltweit zu erleichtern. Er wurde von der Union im April 2014 unterzeichnet1. Der Vertrag von Marrakesch verpflichtet die Vertragsparteien, im Urheberrecht und in verwandten Schutzrechten Ausnahmen oder Beschränkungen zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen vorzusehen, und erlaubt es, Kopien von Büchern, einschließlich Hörbüchern, und anderem gedruckten Material in einem besonderen Format zwischen den Ländern, die Vertragsparteien sind, grenzüberschreitend auszutauschen. Die Union ist somit eine politische Verpflichtung zur Umsetzung des Vertrags eingegangen, die seitdem sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament bekräftigt worden ist. Im Oktober 2014 legte die Kommission einen getrennten Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch durch die Union vor. Im Mai 2015 übermittelte der Rat der Kommission eine Aufforderung gemäß Artikel 241 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in der er sein uneingeschränktes Engagement für das zügige Inkrafttreten des Vertrags von Marrakesch betonte und die Kommission bat, unverzüglich einen Legislativvorschlag zur Änderung des Rechtsrahmens der Union entsprechend dem Vertrag vorzulegen.

Die Begünstigten des Vertrags von Marrakesch, d.h. Personen, die blind, sehbehindert oder anderweitig lesebehindert sind (im Folgenden "begünstige Personen"), stoßen auf viele Hindernisse beim Zugang zu Büchern und anderem gedruckten Material, die durch das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geschützt sind. Die Verfügbarkeit von Büchern in Formaten, die für lesebehinderte Personen barrierefrei zugänglich sind, wird auf 7 %2 bis 20 %3 geschätzt, obwohl eine barrierefrei zugängliche Veröffentlichung durch die digitale Technik erheblich vereinfacht wird4.

Zu den zugänglichen Formaten gehören beispielsweise Braille-Schrift, Großdruck, E-Bücher und Hörbücher mit besonderer Navigation, Audiobeschreibung und Hörfunksendungen.

Das Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie ist die Steigerung der Verfügbarkeit von Werken und sonstigen Schutzgegenständen, z.B. Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und anderen Schriftstücken, Notenblättern und anderem gedruckten Material, auch in hörbarer Form, in Formaten, die für begünstigte Personen barrierefrei zugänglich sind. Dazu wird sie gewährleisten, dass sich alle begünstigten Personen und Organisationen, die deren Bedürfnissen auf gemeinnütziger Basis dienen, auf eine verbindliche und harmonisierte Ausnahme vom Urheberrecht und verwandten Schutzrechten in der Union berufen können. Dies wird es ermöglichen, von ansonsten unzugänglichen Werken und sonstigen Schutzgegenständen, die bereits veröffentlicht oder öffentlich zugänglich gemacht wurden, Kopien in einem zugänglichen Format bereitzustellen. Die vorgeschlagene Richtlinie soll den bestehenden Rechtsrahmen der Union entsprechend ändern und dafür sorgen, dass die Kopien in einem zugänglichen Format, die in einem Mitgliedstaat erstellt werden, überall in der Union verbreitet und abgerufen werden können. Hinsichtlich der Verpflichtungen, die der Union aus dem Vertrag von Marrakesch in Bezug auf den grenzüberschreitenden Austausch von Kopien in einem zugänglichen Format zwischen der Union und Drittländern, die Vertragsparteien des Vertrags von Marrakesch sind, erwachsen, wäre diese Richtlinie zusammen mit der Verordnung [...] zu lesen.

Die vorgeschlagene Richtlinie steht auch im Einklang mit den Verpflichtungen der Union aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Folgenden "UNCRPD"). Die EU ist nach dem Beschluss 2010/48/EG des Rates5 seit Januar 2011 an das UNCRPD gebunden. Die Bestimmungen des UNCRPD sind somit zu einem festen Bestandteil der Unionsrechtsordnung geworden. Im UNCRPD sind das Recht auf Zugang zu Informationen sowie das Recht von Menschen mit Behinderungen auf gleichberechtigte Teilnahme am kulturellen Leben verankert. Nach Artikel 30 des UNCRPD müssen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte im Einklang mit dem Völkerrecht unternehmen, um sicherzustellen, dass Gesetze zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums keine ungerechtfertigte oder diskriminierende Barriere für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu kulturellem Material darstellen. In seinen abschließenden Bemerkungen zum ersten Bericht der Europäischen Union6, die am 4. September 2015 angenommen wurden, ermunterte der Ausschuss der Vereinten Nationen zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen die Union, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit der Vertrag von Marrakesch so bald wie möglich umgesetzt wird.

- Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Die Union hat eine Reihe von Richtlinien auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte erlassen, die Rechtssicherheit und ein hohes Schutzniveau für die Rechteinhaber schaffen. Die Rechte, die für die vorgeschlagene Richtlinie von Bedeutung sind, werden gegenwärtig durch die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft7, die Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums8, die Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken9 und die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen10 harmonisiert.

Das Unionsrecht sieht hinsichtlich dieser Rechte eine Reihe von Ausnahmen oder Beschränkungen vor, die es unter bestimmten Voraussetzungen und zur Erreichung bestimmter politischer Ziele erlauben, Inhalte ohne Zustimmung des Rechteinhabers zu nutzen. Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf einen barrierefreien Zugang wurden in diesem Zusammenhang anerkannt und haben insbesondere in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29/EG Eingang gefunden. Diese Bestimmung ermöglicht es den Mitgliedstaaten, im Urheberrecht und in verwandten Schutzrechten Ausnahmen oder Beschränkungen zugunsten von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Lesebehinderungen, in Bezug auf Nutzungsformen einzuführen, die mit der Behinderung unmittelbar in Zusammenhang stehen und nicht kommerzieller Art sind, soweit es die betreffende Behinderung erfordert. In Übereinstimmung mit dem Vertrag von Marrakesch wird die durch die vorgeschlagene Richtlinie eingeführte Ausnahme für die Mitgliedstaaten verbindlich sein; sie wird für Rechte gelten, die auf Unionsebene harmonisiert worden sind und die für die Herstellung und Verbreitung von Kopien in einem zugänglichen Format im Sinne des Vertrags von Marrakesch von Bedeutung sind. Diese Ausnahme ergänzt die bereits bestehende freigestellte Ausnahme oder Beschränkung gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29/EG durch die Einführung einer verbindlichen Ausnahme zugunsten begünstigter Personen, die im gesamten Binnenmarkt gelten wird.

- Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Mit dem Erlass dieser Richtlinie will die Union dafür sorgen, dass alle begünstigten Personen Zugang zu Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und anderen Schriftstücken, Notenblättern und anderem gedruckten Material in im Wesentlichen gleicher Weise wie Personen ohne eine Störung oder Behinderung haben und dass die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll ausgeschöpft werden können, um dies zu erreichen. In dieser Hinsicht steht die vorgeschlagene Richtlinie im Einklang mit anderen Rechtsvorschriften und Initiativen auf EU-Ebene, die "auf die Stärke unseres Binnenmarkts bauen und sein Potenzial in allen Richtungen ausschöpfen"11 sollen, und ergänzt diese. Dazu gehören ein Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen und ein Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (im Folgenden der "europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit"). Insbesondere der europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit sieht Verpflichtungen vor, die gewährleisten sollen dass E-Bücher, die im Binnenmarkt bereitgestellt werden, ab dem ersten Geltungstag bestimmten funktionalen Anforderungen genügen müssen, damit sie ab dem Zeitpunkt ihrer Markteinführung barrierefrei zugänglich sind.

2. Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismässigkeit

- Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag ist Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

- Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Die Union kann im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (AEUV) verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Die vorgeschlagene Richtlinie zielt darauf ab, für begünstige Personen des Vertrags von Marrakesch den Zugang zu bestimmten urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützten Inhalten im Binnenmarkt zu erleichtern, und zwar auf einem Gebiet, das bereits durch Unionsrecht harmonisiert worden ist, sodass auch Änderungen nur durch Unionsrecht vorgenommen werden können. Dieses Ziel könnte von den Mitgliedstaaten ohne ein Tätigwerden der Union nicht erreicht werden. Außerdem kann dieses Ziel wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen auf Unionsebene besser verwirklicht werden.

- Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit des Vorschlags wird gewahrt, denn der Vorschlag geht nicht über das hinaus, was zur Umsetzung der Verpflichtungen der Union aus dem Vertrag von Marrakesch in der Union erforderlich ist.

- Wahl des Instruments

Die Wahl einer Richtlinie steht im Einklang mit den vorherigen Maßnahmen auf diesem Gebiet, vor allem der Richtlinie 2001/29/EG, mit der die Rechte der Urheber und anderer Rechteinhaber harmonisiert wurden und eine freigestellte Ausnahme oder Beschränkung dieser Rechte zugunsten behinderter Personen eingeführt wurde. Die vorgeschlagene Richtlinie würde den bestehenden Rechtsrahmen der Union dahin gehend ändern, dass eine neue verbindliche Ausnahme von den einschlägigen harmonisierten Rechten eingeführt und dafür gesorgt wird, dass Kopien in einem zugänglichen Format, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen dieser Ausnahme erstellt werden, überall in der Union verbreitet und abgerufen werden können. Dadurch sowie durch die Festlegung eindeutiger Begriffsbestimmungen bewirkt sie ein einheitliches Herangehen an die Erfüllung der Verpflichtungen der Union aus dem Vertrag von Marrakesch, was den freien Verkehr von Kopien in einem zugänglichen Format im Binnenmarkt und die Schaffung der nötigen Rechtssicherheit bei der Vornahme der von ihr erfassten Nutzungshandlungen einschließt. Gleichzeitig lässt sie den Mitgliedstaaten einen gewissen Handlungsspielraum bei der Anpassung bestimmter nationaler Rechtsvorschriften, die unmittelbar oder mittelbar von den Vorgaben dieser Richtlinie betroffen sein könnten, beispielsweise auf den Gebieten Bildung, Gesundheitswesen oder Sozialpolitik.

3. Ergebnisse der EX-POST-BEWERTUNG, der Konsultation der Interessenträger und der Folgenabschätzung

- Expost-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie sollen neue internationale Verpflichtungen in Bezug auf das Unionsrecht erfüllt werden. Eine nachträgliche Bewertung des geltenden Unionsrechts in diesem Bereich ist daher nicht zweckmäßig und in diesem Zusammenhang auch nicht nötig. Vorliegende Informationen über einschlägige Rechtsvorschriften der Union wurden aber berücksichtigt, darunter vor allem die Ergebnisse öffentlicher Konsultationen und vorhandene Beiträge von Sachverständigen.

- Konsultation der Interessenträger

Zu der vorgeschlagenen Richtlinie, mit der auf internationaler Ebene geschaffene Bestimmungen umgesetzt werden, wurde keine besondere Konsultation der Interessenträger durchgeführt. Die umfassende öffentliche Konsultation zur Überprüfung des EU-Urheberrechts, die von der Kommission von Dezember 2013 bis März 2014 durchgeführt wurde, enthielt auch einen Abschnitt über Beschränkungen und Ausnahmen zugunsten von Menschen mit Behinderungen und über den Zugang zu Werken in zugänglichen Formaten und deren Verkehr, der sich auch auf den Vertrag von Marrakesch bezog12. Neben anderen Aspekten deuteten die Ansichten, die von Endnutzern, Verbrauchern und institutionellen Nutzern (darunter auch Organisationen, die den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen dienen, und Bibliotheken) geäußert wurden, auf unterschiedliche Geltungsbereiche der nationalen Ausnahmen und Beschränkungen hin, wodurch die Rechtssicherheit bei der Ein- und Ausfuhr von Kopien in einem zugänglichen Format, die aufgrund nationaler Ausnahmen oder Beschränkungen des Urheberrechts erstellt wurden, beeinträchtigt wird. Diese institutionellen Teilnehmer waren einhellig der Ansicht, dass der Vertrag von Marrakesch alle diese Bedenken zufriedenstellend ausräumen würde. Rechteinhaber und Verwertungsgesellschaften meinten im Allgemeinen, dass sich aus der nationalen Umsetzung der im Unionsrecht vorgesehenen freigestellten Ausnahme oder Beschränkung keine Probleme ergeben würden. Außerdem merkten Sie an, dass mit bestehenden Marktmechanismen dem Problem beim Zugang zu Werken für Menschen mit Behinderungen bereits wirksam begegnet werde. Dieser Meinung widersprachen Endnutzer, Verbraucher und institutionelle Nutzer.

- Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Zur Vorbereitung dieses Vorschlags wurde kein besonderes Expertenwissen eingeholt. Die Kommission berücksichtigte eine Untersuchung von 2013 zur Anwendung der Richtlinie 2001/29/EG13, in der u.a. geprüft wurde, wie die freigestellte Ausnahme oder Beschränkung für Menschen mit Behinderungen, die im EU-Recht in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der genannten Richtlinie festgelegt ist, in 11 Mitgliedstaaten angewandt wurde.

- Folgenabschätzung

Die vorgeschlagene Richtlinie dient der Umsetzung des Vertrags von Marrakesch im Binnenmarkt und soll das Unionsrecht diesbezüglich mit dem genannten Vertrag in Einklang bringen. Die Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung14 sehen keine Folgenabschätzung vor, wenn die Kommission in Bezug auf den politischen Inhalt keinen Ermessensspielraum hat.

- Grundrechte

Die vorgeschlagene Richtlinie stützt den Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft, wie er in Artikel 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden die "Charta") niedergelegt ist. In der Richtlinie finden auch die Verpflichtungen der Union aus dem UNCRPD ihren Niederschlag. Das UNCRPD gewährleistet für Menschen mit Behinderungen das Recht auf Zugang zu Informationen sowie das Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Leben. Daher ist es gerechtfertigt, die Eigentumsrechte der Rechteinhaber im Rahmen der Verpflichtungen der Union aus der Charta zu beschränken15. Die vorgeschlagene Richtlinie ist ein wesentlicher erster Schritt, um diesen Zugang zu Informationen und diese Teilnahme am kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Leben zu gewährleisten.

Der Vorschlag hätte nur geringe Auswirkungen auf das Urheberrecht als ein in der Charta anerkanntes Eigentumsrecht (Artikel 17 Absatz 2)16. Die freigestellte Ausnahme oder Beschränkung nach Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29/EG ist bislang von allen Mitgliedstaaten in gewissem Umfang in Anspruch genommen worden. Die Auswirkung der vorgeschlagenen Richtlinie auf das Urheberrecht als Eigentumsrecht wird sich daher auf eine vollständige Harmonisierung der bestehenden, voneinander abweichenden Urheberrechtsausnahmen oder -beschränkungen zugunsten lesebehinderter Personen, die in den Mitgliedstaaten in Kraft sind, beschränken.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Union.

5. Weitere Angaben

Europäischer Wirtschaftsraum

Der vorgeschlagene Rechtsakt ist von Bedeutung für den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und sollte deshalb auf den EWR ausgeweitet werden.

- Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und

Berichterstattungsmodalitäten

Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet sein, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, um dieser Richtlinie spätestens 12 Monate nach ihrer Annahme nachzukommen. Die Mitgliedstaaten werden der Kommission die Vorschriften, die sie erlassen, um dieser Richtlinie nachzukommen, und andere wichtige Rechtsvorschriften, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen, mitzuteilen haben. Die Kommission wird die Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie überwachen und im Einklang mit den Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung frühestens fünf Jahre nach dem Umsetzungstermin eine Bewertung der Richtlinie durchführen und dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss die hauptsächlichen Ergebnisse der Bewertung sowie gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie vorlegen. In gleicher Weise wird sie auch eine Bewertung der Verordnung [...] vornehmen. Des Weiteren wird die Kommission die Verfügbarkeit von anderen, nicht unter diese Richtlinie fallenden Werken und sonstigen Schutzgegenständen in zugänglichen Formaten sowie die Verfügbarkeit von Werken und sonstigen Schutzgegenständen in einem zugänglichen Format für Personen mit anderen Behinderungen in der Union beobachten. Die Kommission wird zwei Jahre nach dem Umsetzungstermin der vorgeschlagenen Richtlinie einen Bericht hierüber vorlegen. Darin wird sie auch darauf eingehen, ob entsprechend den Ergebnissen des Berichts eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie in Erwägung gezogen werden sollte.

- Erläuternde Dokumente

In der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten17 haben die Mitgliedstaaten zugesagt, der Kommission bei der Mitteilung ihrer Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen ihrer nationalen Umsetzungsinstrumente erläutert wird, sofern die Forderung nach solchen zusätzlichen Informationen gerechtfertigt ist. Die erläuternden Dokumente werden helfen, dafür zu sorgen, dass in allen nationalen Rechtssystemen eine verbindliche Ausnahme im Einklang mit dieser Richtlinie und im Hinblick auf die Verpflichtungen der Union aus dem Vertag von Marrakesch geschaffen wird.

- Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

Artikel 1 bestimmt den Gegenstand und den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie. Die vorgeschlagene Richtlinie wird es erleichtern, bestimmte urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Zustimmung des Rechteinhabers zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen zu nutzen.

Artikel 2 enthält die Begriffsbestimmungen für "Werk oder sonstiger Schutzgegenstand", "begünstigte Person", "Kopie in einem zugänglichen Format" und "befugte Stelle", die für die Zwecke der vorgeschlagenen Richtlinie gelten.

Artikel 3 legt eine verbindliche Ausnahme fest und enthält die konkreten zulässigen Formen der Nutzung durch begünstige Personen und befugte Stellen.

Artikel 4 betrifft den freien Verkehr von Kopien in einem zugänglichen Format im Binnenmarkt. Diese Vorschrift soll gewährleisten, dass Kopien in einem zugänglichen Format, die im Rahmen der in Artikel 3 vorgesehenen Ausnahme erstellt werden, in allen Mitgliedstaaten verkehren können oder zugänglich sind.

Artikel 5 enthält einen Verweis auf die geltenden Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten.

Artikel 6 enthält die Änderungen, die an der Richtlinie 2001/29/EG vorzunehmen sind, um deren Vereinbarkeit mit der vorliegenden Richtlinie sicherzustellen.

Artikel 7 sieht vor, dass die Kommission einen Bericht über die Verfügbarkeit im Binnenmarkt von nicht unter diese Richtlinie fallenden Werken und sonstigen Schutzgegenständen in zugänglichen Formaten und für Personen mit anderen als den von dieser Richtlinie erfassten Behinderungen vorlegen soll.

Artikel 8 enthält die Modalitäten für die Bewertung der vorgeschlagenen Richtlinie im Einklang mit den Regeln für eine bessere Rechtsetzung.

Artikel 9 setzt den zeitlichen Rahmen für die Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie durch die Mitgliedstaaten und erlegt den Mitgliedstaaten eine Reihe von Nebenpflichten auf; so müssen diese z.B. der Kommission die wichtigsten Rechtsvorschriften zur Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie in nationales Recht mitteilen.

Artikel 10 legt den Termin des Inkrafttretens der Richtlinie fest, und Artikel 11 gibt an, dass die Richtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtet ist. 2016/0278 (COD) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Text von Bedeutung für den EWR)

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses18, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Richtlinie Erlassen:

Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich

Diese Richtlinie enthält Vorschriften für die Nutzung bestimmter Werke und sonstiger Schutzgegenstände ohne Zustimmung des Rechteinhabers zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

Artikel 3
Zulässige Formen der Nutzung

Artikel 4
Kopien in einem zugänglichen Format im Binnenmarkt

Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine befugte Stelle mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet die in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b genannten Handlungen für eine begünstigte Person oder eine befugte Stelle mit Sitz in einem Mitgliedstaat vornehmen kann. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine begünstige Person oder eine befugte Stelle mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet eine Kopie in einem zugänglichen Format bei einer befugten Stelle mit Sitz in einem Mitgliedstaat beziehen oder abrufen kann.

Artikel 5
Schutz personenbezogener Daten

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Richtlinie erfolgt im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG.

Artikel 6
Änderung der Richtlinie 2001/29/EG

Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29/EG erhält folgende Fassung:

"b) für die Nutzung zugunsten behinderter Personen, wenn die Nutzung mit der Behinderung unmittelbar in Zusammenhang steht und nicht kommerzieller Art ist, soweit es die betreffende Behinderung erfordert und unbeschadet der Pflichten der Mitgliedstaaten, die sich aus der Richtlinie [...] ergeben;"

Artikel 7
Berichterstattung

[Zwei Jahre nach dem Termin der Umsetzung] legt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Verfügbarkeit von anderen als den in Artikel 2 Absatz 1 genannten Werken und sonstigen Schutzgegenständen in zugänglichen Formaten für begünstige Personen und von Werken und sonstigen Schutzgegenständen für Personen mit anderen als den in Artikel 2 Absatz 2 genannten Behinderungen im Binnenmarkt vor. Der Bericht enthält eine Bewertung, ob eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie in Erwägung gezogen werden sollte.

Artikel 8
Überprüfung

Frühestens [fünf Jahre nach dem Termin der Umsetzung] führt die Kommission eine Bewertung dieser Richtlinie durch und legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss die hauptsächlichen Ergebnisse der Bewertung sowie gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie vor.

Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle erforderlichen Angaben zur Ausarbeitung des Bewertungsberichts und des in Artikel 7 genannten Berichts.

Artikel 9
Umsetzung

Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 10
Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 11
Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident Der Präsident