Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 122114 - vom 12. Dezember 2008.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 20. November 2008 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. Oktober 2006 über die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der Europäischen Union (KOM (2006) 0574),
- - unter Hinweis auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere die Artikel 99 und 141,
- - unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere das Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache Douglas Harvey Barber vs. Guardian Royal Exchange Assurance Group1,
- - unter Hinweis auf das 1979 von der UN-Vollversammlung angenommene rechtsverbindliche Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), insbesondere Artikel 11 Absatz 1 Buchstaben d und e und Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe c,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 1. März 2006 mit dem Titel "Ein Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010" (KOM (2006) 0092),
- - unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 13. und 14. März 2008 in Brüssel,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 17. Oktober 2007 - Modernisierung des Sozialschutzes im Interesse einer größeren sozialen Gerechtigkeit und eines stärkeren wirtschaftlichen Zusammenhalts: die aktive Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Menschen voranbringen (KOM (2007) 0620),
- - unter Hinweis auf das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Mindestnormen der sozialen Sicherheit von 1952,
- - in Kenntnis des Arbeitsdokuments der Dienststellen der Kommission vom 11. April 2008 zur Umsetzung des Artikels 8 und der damit zusammenhängenden Bestimmungen der Richtlinie 80/987/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in Bezug auf betriebliche oder überbetriebliche Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit (SEK(2008)0475),
- - in Kenntnis der Empfehlungen der europäischen Sozialpartner in dem Bericht vom 18. Oktober 2007 "Wichtigste Herausforderungen für die europäischen Arbeitsmärkte: Eine gemeinsame Analyse der europäischen Sozialpartner",
- - in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission "Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" (KOM (2006) 0708) und unter Hinweis auf seine diesbezügliche Entschließung vom 11. Juli 20072,
- - unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 26. Februar 2007 "Die Soziale Wirklichkeit in Europa - Eine Bestandsaufnahme - Zwischenbericht für die Frühjahrstagung 2007 des Europäischen Rates" (KOM (2007) 0063) und die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. November 2007 zu einer Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit3,
- - unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. Mai 2007 "Die Solidarität zwischen den Generationen fördern" (KOM (2007) 0244) sowie die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 30. Januar 2008 zur demographischen Zukunft Europas4,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und der Stellungnahmen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A6-0409/2008),
A. in der Erwägung, dass soziale Sicherheit
- - geschaffen, geregelt, verwaltet und finanziert wird (in der Regel teilweise) durch den Staat und auch kollektiv über Steuern oder Beiträge, die von den Versicherten getragen werden, wobei der Staat eine öffentliche Verantwortung hat, den Bedürfnissen seiner Bürger im Bereich der sozialen Sicherheit zu entsprechen,
- - gekennzeichnet ist durch Rechenschaftspflicht und die Gewährleistung einer ausreichenden Grundsicherung für jeden,
- - basiert auf dem Grundsatz der Solidarität,
- - sich auf die neun Bereiche des oben genannten Übereinkommens der ILO erstreckt,
- - auf die existenzielle Absicherung in den Bereichen Beschäftigung (Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit), Einkommen (Ruhegehaltszahlung) und Erwerbsfähigkeit (Krankenversicherung) abzielt,
B. in der Erwägung, dass die Gesamtbevölkerung der Europäischen Union bis 2025 voraussichtlich leicht zunehmen, nach 2025 leicht abnehmen, so dass sie 2050 geringfügig kleiner und erheblich älter sein wird,
C. in der Erwägung, dass sich die Zahl der Arbeitskräfte bei konstanter Zuwanderung auf derzeitigem Niveau von 227 Millionen im Jahr 2005 auf 183 Millionen im Jahre 2050 verringern und dass die Beschäftigungsquote im Jahr 2020 auf 70% steigen wird, hauptsächlich infolge einer höheren Erwerbsquote bei Frauen, dass die Gesamtzahl der Erwerbstätigen bis zum Jahre 2017 um 20 Millionen zunehmen wird, dass sie danach jedoch bis zum Jahre 2050 um 30 Millionen abnehmen und das geschätzte Verhältnis von Menschen über 65 zu Menschen im arbeitsfähigen Alter von 1 : 4 im Jahre 2005 auf 1 : 2 im Jahre 2050 steigen wird,
D. in der Erwägung, dass eine allgemeine Anhebung des Rentenalters auf der Grundlage der allgemeinen Tendenz zu einer höheren Lebenserwartung nur unzureichend berücksichtigt, dass es nach wie vor zahlreiche Erwerbszweige gibt, in denen die Lebenserwartung der Arbeitnehmer erheblich niedriger liegt,
E. in der Erwägung, dass die Sozialpartner im Allgemeinen und in den Erwerbszweigen, in denen die Lebenserwartung der Arbeitnehmer unter dem Durchschnitt liegt, im Besonderen eine hohe Verantwortung in Bezug auf die Fluktuation von Arbeitnehmern haben und bei der Sicherung einer wirksamen altersbewussten Personalpolitik eine wichtige unterstützende Rolle spielen können,
F. in der Erwägung, dass die Ausgaben für Arbeitslosenleistungen aufgrund des niedrigeren Anteils arbeitsloser Menschen bis zum Jahr 2050 um circa 0,6% des BIP sinken werden, ein sehr bescheidener Rückgang, der die hohen Ausgaben in anderen Sektoren nicht ausgleichen wird,
G. in der Erwägung, dass die Europäische Union 27,2% des BIP für sozialen Schutz ausgibt (2008), wobei der Hauptteil auf Altersversorgungsleistungen und Pensionen entfällt (46%),
H. in der Erwägung, dass der Begriff der sozialen Sicherheit nicht die Relation zwischen Ausgaben und Einnahmen bedeutet, sondern vielmehr ein Gesellschaftsvertrag ist, mit dem sowohl für die Bürger als auch für den Staat Rechte und Pflichten einhergehen, die auch als solche verstanden werden sollten; ferner in der Erwägung, dass der haushaltstechnische Aspekt der sozialen Sicherheit dennoch unter keinen Umständen außer Acht gelassen werden darf,
I. in der Erwägung, dass die Alterung der Bevölkerung in den meisten Mitgliedstaaten bis zum Jahre 2050, wenn die derzeitigen politischen Maßnahmen weiterverfolgt werden, voraussichtlich zu mehr öffentlichen Ausgaben führen wird, zumeist für Renten, Gesundheitsfürsorge und Langzeitpflege, wobei der stärkste Anstieg zwischen 2020 und 2040 stattfinden wird,
J. in der Erwägung, dass die Ziele der Lissabon-Strategie in Bezug auf die Beschäftigung von Frauen, jungen und älteren Menschen sowie die Ziele von Barcelona in Bezug auf Kinderbetreuungsdienste von wesentlicher Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Rentensysteme sind,
K. in der Erwägung, dass die UN-Millenniumsentwicklungsziele aus dem Jahr 2000, insbesondere das Ziel Nr. 3, Geschlechtergleichstellung voraussetzen,
L. in der Erwägung, dass die berufliche Laufbahn von Frauen im Allgemeinen weniger homogen und ihre Lohnentwicklung langsamer verläuft, während Männer eher eine kontinuierlichere Karriere mit regelmäßigeren Lohnsteigerungen aufweisen, was zu einem Gefälle bei den Beiträgen zum Rentensystem und einem größeren Armutsrisiko für Frauen führt, welches außerdem aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung längerfristiger ist,
Allgemeine Erwägungen
- 1. fordert die Mitgliedstaaten in Anbetracht der Strategie von Lissabon und der Notwendigkeit der Abdeckung aller sozialen Risiken und zwecks Sicherung der Nachhaltigkeit der Systeme der sozialen Sicherheit und der Rentensysteme sowie der Erhaltung des Kernstücks der europäischen Sozialmodelle nachdrücklich auf, bezüglich der Ausgewogenheit von sozialer Ausgabentätigkeit und sozialer Aktivierung stärkere Fortschritte zu erzielen und ferner mehr Menschen in sichere, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hoher Qualität zu bringen und dort zu halten das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie den Zugang zur Beschäftigung auf der Grundlage besserer Markttransparenz zu fördern, die sozialen Schutzsysteme (z.B. durch stärkere Differenzierung der Leistungsformeln und der Zahlungsmechanismen) zu modernisieren und Investitionen in Humankapital durch Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation und durch bessere allgemeine Bildung und Berufsbildung im Gesamtzusammenhang des lebenslangen Lernens für alle zu erhöhen ;
- 2. fordert die Kommission auf, Reformen der Systeme der sozialen Sicherheit und der Rentensysteme in den Mitgliedstaaten genau zu verfolgen und deren bisherige Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen zu vergleichen und die bewährten Verfahren in den Mittelpunkt zu stellen, die sich insbesondere bei der Verringerung der geschlechtsspezifischen Diskriminierung beim Entgelt und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie herauskristallisiert haben;
- 3. unterstreicht, dass sich die Quellen des Wirtschaftswachstums verändern werden infolge des demographischen Wandels und dass die Steigerung der Arbeitsproduktivität sowie die technologische Innovation zu Quellen des Wirtschaftswachstums werden; erkennt an, dass zur Wahrung eines höheren Produktivitätsniveaus unbedingt mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in bessere Managementmethoden getätigt werden müssen, wobei der Synergie zwischen technologischer und sozialer Innovation absolute Priorität zukommt;
- 4. streicht vor dem Hintergrund der derzeitigen demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen und der Vermeidung von Konflikten zwischen Generationen und gesellschaftlichen Gruppen heraus, wie wichtig neue Methoden für eine wirksame und gerechte Verteilung von Kosten und Nutzen unter einer kleineren erwerbstätigen und einer größeren wirtschaftlich inaktiven Bevölkerung sein werden: auf europäischer und nationaler Ebene sollte das Ziel die Wahrung des Gleichgewichts zwischen der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Systeme der sozialen Sicherheit und der Rentensysteme einerseits und der Deckung der sozialen Risiken andererseits sein;
- 5. bekräftigt seine Überzeugung, wonach das gemeinschaftliche Arbeitsrecht zur Förderung eines wirtschaftlich tragfähigen sozialen Schutzsystems unbefristete Arbeitsverträge als die vorherrschende Form der Beschäftigung stärken sollte, in deren Rahmen angemessener Sozial- und Gesundheitsschutz und die Achtung der Grundrechte gewährleistet werden; räumt allerdings ein, dass auch die Rechte derjenigen geschützt werden müssen, die nach anderen Arbeitsmustern tätig sind, einschließlich des Anspruchs auf eine Rente, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht
- 6. erinnert daran, dass der Kernpunkt der europäischen Sozialmodelle der Grundsatz der Solidarität zwischen Generationen und gesellschaftlichen Gruppen ist, überwiegend finanziert durch Erwerbseinkünfte, wie z.B. Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und Besteuerung der Arbeit; verweist jedoch darauf, dass die alternde Bevölkerung die Erwerbstätigen unter erheblichen Druck setzen wird und dass Lösungen für den demographischen Wandel eine politische Priorität sein sollten; unterstreicht dass ansonsten der demographische Wandel den Grundsatz der Solidarität und als Folge daraus die europäischen Sozialmodelle gefährden könnte; unterstreicht auch wie wichtig daher die Stärkung des Solidaritätsprinzips, einschließlich eines fairen Finanzausgleichs, ist;
- 7. weist darauf hin, dass gemäß Artikel 141 des EG-Vertrags positive Maßnahmen zur Verwirklichung des gleichen Entgelts getroffen werden können und dass die gemeinschaftliche Rechtsprechung die Sozialversicherungsbeiträge als einen Bestandteil des Lohnes betrachtet;
- 8. verweist darauf, dass infolge des demographischen Wandels bis zum Jahre 2030 das Verhältnis von Erwerbstätigen und wirtschaftlich inaktiven Menschen voraussichtlich 2:1 sein wird; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, politische Maßnahmen zu konzipieren, um zu gewährleisten, dass Pflegepersonen, von denen viele aufgrund von Betreuungsverpflichtungen gezwungen sind, sich aus dem Arbeitsmarkt zurückzuziehen, nicht durch Rentenunsicherheit benachteiligt werden;
- 9. verweist darauf, dass der Trend zur Individualisierung zur Modernisierung des zweiten und dritten Pfeilers beiträgt, ohne den ersten Pfeiler von Systemen der sozialen Sicherheit in Frage zu stellen, wodurch die Menschen, insbesondere die Frauen und sonstige Risikogruppen, mehr Wahlfreiheit haben und somit unabhängiger und fähig werden sollen, ihre eigenen, zusätzlichen Rentenansprüche zu erwerben;
- 10. ersucht die Kommission, ausführlichere Untersuchungen und Studien zu den Auswirkungen der Individualisierung der Sozialversicherungsansprüche auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern durchzuführen;
- 11. ist der Auffassung, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen eines der Ziele jeder Reform der Systeme der sozialen Sicherheit und der Rentensysteme sein sollte; betont jedoch, dass die diesbezüglichen Ungleichheiten im Wesentlichen indirekte Ungleichheiten sind, die aus den anhaltenden Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt in Bezug auf Lohn und Karriereaussichten und in Bezug auf die ungleiche Verteilung der familiären und häuslichen Pflichten herrühren und die deshalb nur durch globalere Maßnahmen korrigiert werden können;
- 12. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bei (jungen) Erwachsenen das Bewusstsein für die Bedeutung eines rechtzeitigen Erwerbs von Rentenansprüchen zu fördern
Arbeitskräfte
- 13. ist der Überzeugung, dass ein Rückgang der Arbeitskräfte bei Anhalten der jetzigen Situation zu einem Rückgang der Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden führen wird ist der Auffassung, dass zur Umkehr dieses Trends Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitslosenquote und zur Erhöhung der Beschäftigung (in Kombination mit Fortbildung und Umschulung) auch von Menschen mit hohem Beschäftigungsvermögen wie Menschen mit Behinderungen, Frauen und ältere Menschen getroffen werden könnten; unterstreicht, dass die Möglichkeit des flexiblen Rentenantritts auf freiwilliger Basis eingeräumt, eine Änderung der Arbeitsweisen und der intelligente Einsatz der neuen Technologien ermöglicht werden müssen; hält ferner eine Verbesserung unterstützender Dienstleistungen und von Dienstleistungen im Bereich der Betreuung von Kindern und Familienangehörigen für erforderlich, um eine Verringerung der Zahl der freiwilligen Teilzeitarbeiter zu erzielen;
- 14. erinnert daran, dass höhere Beschäftigungsquoten in hohem Maße abhängig sind davon dass alle Gruppen, insbesondere diejenigen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, erwerbstätig bleiben; unterstreicht daher, wie wichtig die Bekämpfung der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist und dass Erwerbsfähigen ohne Arbeit Arbeitsplätze angeboten werden; betont ferner die Notwendigkeit, angemessene Voraussetzungen zu schaffen, um eine Erwerbstätigkeit für Menschen mit Behinderungen oder großen gesundheitlichen Problemen zu erleichtern und zu gewährleisten dass Menschen mit Behinderungen oder psychisch Kranke Zugang zur Beschäftigung haben;
- 15. betont daher die Notwendigkeit aktiver beschäftigungspolitischer Maßnahmen für Frauen, junge und ältere Menschen, um Arbeitskräfte und die unternehmerischen Möglichkeiten zweckmäßig einzusetzen und zu gewährleisten, dass u.a. Beiträge zu den Rentensystemen den Menschen im Ruhestand eine angemessene Rente sichern;
- 16. unterstreicht, dass eine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf nationaler Ebene diskutiert werden muss; hält es, unabhängig vom in den Mitgliedsstaaten unterschiedlichen gesetzlichen Renteneintrittsalter für notwendig, dass Arbeitnehmer ermutigt werden sollten, auf freiwilliger Basis und solange es die Verhältnisse zulassen bis zu diesem Alterszeitpunkt oder auch länger tatsächlich erwerbstätig zu bleiben
- 17. fordert die Sozialpartner auf, u.a. anhand der in verschiedenen Sektoren gewonnenen Erfahrungen maßgeschneiderte sektorbezogene Maßnahmen in Bezug auf ältere Arbeitnehmer im Allgemeinen und eine altersbewusste Personalpolitik im Besonderen auszuhandeln
- 18. fordert die Mitgliedstaaten auf, finanzielle und soziale Anreize zu schaffen, um Arbeitnehmer zu bestärken, freiwillig auch nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters weiterzuarbeiten;
- 19. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine aktive Politik zur Verbesserung der Voraussetzungen für ungefährliche Arbeitsverhältnisse zu betreiben, damit das Risiko in bestimmten Berufen verringert und die vorzeitige Verrentung eines hohen Prozentsatzes von Facharbeitnehmern vermieden wird;
- 20. verweist darauf, dass jede zukunftsorientierte wirtschaftliche Migrationspolitik, die sich insbesondere an mögliche Migranten im erwerbsfähigen Alter richtet und qualifizierten Bewerbern eine sofortige Zuwanderung ermöglicht, ergänzt werden müsste durch eine bessere Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft insgesamt; unterstreicht, dass verstärkte Bemühungen um mehr Zuwanderung zu einem Abwandern von hoch qualifizierten Menschen in den Herkunftsländern führen könnte, was negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dieser Länder haben und eine neue Welle unkontrollierter Migration auslösen könnte;
- 21. räumt ein, dass "brain waste" (Vergeudung von Potenzial) auch ein Thema sein kann, sowohl für die Volkswirtschaft insgesamt als auch die betroffenen Einzelpersonen, wenn qualifizierte Wanderarbeitnehmer auf weniger qualifizierten unbesetzten Arbeitsplätzen eingesetzt werden; unterstreicht, dass die Wanderarbeitnehmer Nutzen aus ihren Beiträgen zu Rentensystemen ziehen können müssen;
- 22. fordert die Kommission auf, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um zu gewährleisten dass EU-Bürger, die in einem Aufnahme-Mitgliedstaat arbeiten und wohnen nicht einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Sozialversicherungsansprüche verlieren
- 23. ist der Ansicht, dass die langfristigen Auswirkungen der Zuwanderung auf das Altern der Bevölkerung ungewiss sind, da dies von dem Verlauf der Migrationsströme, der Familienzusammenführung sowie der Geburtenrate der Migranten abhängt; ist der Auffassung, dass die Zuwanderung für ausgewogenere Systeme der sozialen Sicherheit sorgen kann, wenn die Zuwanderer legal beschäftigt werden und somit zu deren Finanzierung beitragen;
Renten
- 24. verweist auf die bestehende Diskriminierung von sämtlichen Risikogruppen in Bezug auf den Zugang zu und die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere der nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, was zu niedrigeren Beschäftigungsquoten und niedrigeren Löhnen und somit weniger Möglichkeiten für diese Gruppen führt, angemessene Rentenansprüche zu erwerben; dringt darauf, gleichwertige Möglichkeiten für alle zu schaffen, und so höhere Beschäftigungsraten, gleiches Entgelt und angemessene Rentenansprüche zu gewährleisten;
- 25. räumt ein, dass gesetzliche Rentensysteme die soziale Solidarität stärken und der Verantwortung der Mitgliedstaaten unterliegen und dass die Sicherung dieser Systeme politischen Vorrang genießen sollte; hält eine stärkere Inanspruchnahme von Alternativen zu staatlich finanzierten Renten, z.B. Zusatzrenten, für eine praktikable Alternative; verweist darauf, dass private Altersversorgung betriebliche Zusatzrentensysteme von Arbeitgebern oder sonstigen Kollektivorganisationen und -vereinigungen und auf Ersparnisse gestützte individuelle Zusatzrenten beinhalten könnte unterstreicht, dass das Bestehen privater Renten die Notwendigkeit einer angemessenen Regulierung privater Rentenfonds, der Übertragbarkeit dieser Renten sowie der Förderung und stetigen Modernisierung (einschließlich mehr Flexibilität) dieser Alternativen erhöhen würde; ist der Auffassung, dass in diesem Rahmen das Risiko berücksichtigt werden müsste, dass Frauen den im Rahmen des staatlichen Rentensystems bestehenden Versicherungsschutz verlieren könnten, falls die private Vorsorge an die Stelle dieses Systems treten sollte, dass dieses Risiko durch Anrechnung von Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub sowie von Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit aus persönlichen Gründen auf die Rentenansprüche verringert werden kann
- 26. fordert die Mitgliedstaaten auf, der Umgestaltung herkömmlicher Rentensysteme, die auf systematischen Risikobewertungen und der Annahme eines typischen durchschnittlichen Lebenslaufs beruhen, ernsthafte Beachtung zu schenken und das System der sozialen Sicherheit im Einklang mit den Reformen der Rentensysteme anzupassen da der vorausgesetzte allgemein übliche Lebenslauf sich rasch ändert und so genannte Patchwork-Biografien immer normaler werden; dies könnte zu einem neuen sozialen Risiko führen, d.h. einer zunehmenden Ungewissheit für viele Menschen und Risikogruppen, insbesondere Zuwanderer, niedrig qualifizierte Arbeitskräfte und allein erziehende Eltern und Menschen mit sonstigen Betreuungsaufgaben; unterstreicht, dass dies zu einem frühen Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt oder zu einer eingeschränkten Arbeitsmarktbeteiligung führen kann; weist darauf hin, dass eine Umgestaltung der Rentensysteme außerdem für die Verwirklichung eines flexiblen Arbeitsmarkts erforderlich ist;
- 27. betont, dass ein nachhaltiges Rentensystem sich an demografische und wirtschaftliche Herausforderungen anpassen muss, und unterstreicht, dass, sofern eine umfassende Verfügbarkeit gegeben ist, eine Drei-Pfeiler-Struktur eine ausgewogene Option darstellt regt an, dass die gesetzlichen Renten (erster Pfeiler) durch umlagefinanzierte betriebliche Rentensysteme (zweiter Pfeiler) und durch individuelle zusätzliche Produkte des dritten Pfeilers ergänzt werden sollten; betont den Wert von Rentensystemen, die Solidarität mit oft hohen Erträgen verbinden, die auf ihre Größenordnung sowie auf langfristige und umsichtige, aber profitable Investitionsstrategien zurückzuführen sind; ersucht die Kommission, einen geeigneten und praktikablen Rahmen für die Regelung und Überwachung europaweiter Rentenprodukte auszuarbeiten; betont, dass ein Binnenmarkt für betriebliche Renten und Renten des dritten Pfeilers es dem Einzelnen ermöglichen würde, von übertragbaren Betriebsrentensystemen zu profitieren, den Wettbewerb fördern und die Kosten im Zusammenhang mit dem Sparen für den Ruhestand verringern würde;
- 28. stellt fest, dass es überwiegend Frauen sind, die freiwillig oder unfreiwillig unter dem Druck von kulturellen Verhaltensmustern und sozialen Normen oder infolge der mangelnden Qualität oder des Fehlens von Kinderbetreuungseinrichtungen und sonstigen Betreuungseinrichtungen (Langzeitpflegestrukturen) die Betreuung der Kinder sowie von älteren, kranken oder behinderten Familienangehörigen übernehmen und daher mehr Unterbrechungen in ihrem Berufsleben aufweisen; unterstreicht, dass die Frauen und Pflegepersonen hierfür einen Ausgleich erhalten und ihnen echte Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Kinderwunsch wie auch in Bezug auf Betreuungsleistungen geboten werden müssen, ohne dass sie mögliche finanzielle Nachteile befürchten und in Bezug auf ihr berufliches Weiterkommen Nachteile erleiden müssen; begrüßt Maßnahmen von Mitgliedstaaten zur Vermeidung und zum Ausgleich dieser Situation, z.B. durch Anrechnung von Kindererziehungs- und Familienpflegezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung;
- 29. fordert die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner und die Vertreter von Frauenorganisationen auf, den möglichen oder tatsächlichen Auswirkungen der Reformen der Rentensysteme auf die Gleichstellung von Männern und Frauen verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen und dafür zu sorgen, dass Korrekturen zur Gewährleistung dieser Gleichstellung vorgesehen werden;
- 30. fordert, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten dringend Maßnahmen ergreifen, die die unmittelbare Diskriminierung in Betriebsrentensystemen verbieten, einschließlich der Praxis, die Höhe von Zahlungen und Beiträgen auf der Grundlage von geschlechtsbezogenen versicherungsmathematischen Faktoren zu berechnen;
- 31. verweist auf seine Entschließung vom 21. Februar 1997 zur Situation der mitarbeitenden Ehepartner von selbständigen Erwerbstätigen5, in der unter anderem gefordert wurde, eine obligatorische individuelle Mitgliedschaft des mitarbeitenden Ehepartners in der Rentenversicherung zu gewährleisten;
- 32. verweist auf seine Entschließung vom 12. März 2008 zur Lage von Frauen in ländlichen Gebieten der EU6 und fordert die Kommission erneut auf, eine Überarbeitung der Richtlinie 086/613/.WG vom 11. Dezember 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit - auch in der Landwirtschaft - ausüben, sowie über den Mutterschutz 7 bis Ende 2008 vorzuschlagen und für unabhängige Sozialversicherungs- und Rentenansprüche für Frauen, die als mithelfende Familienangehörige in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten, zu sorgen;
- 33. verweist auf seine Entschließung vom 11. Juli 2007 zu der Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-20108 und betont die Bedeutung der Entwicklung eines transparenten und flexiblen europäischen Sozialversicherungs- und Rentenmarkts durch den Abbau von Steuerbarrieren und Hindernissen für die Übertragbarkeit von Rentenansprüchen von einem Mitgliedstaat auf einen anderen; ist der Ansicht, dass die Schaffung eines Binnenmarktes für Renten einen europäischen Rahmen für die Regelung der Rentenprodukte voraussetzt;
- 34. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung9 auf der Grundlage von Empfehlungen des Ausschusses für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung in Europa (Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors) und einer gründlichen Folgenabschätzung unverzüglich zu überarbeiten, um eine für solche Einrichtungen für die betriebliche Altersversorgung geeignete solide Solvabilitätsregelung zu schaffen, und dabei Fragen in Bezug auf gleiche Ausgangsbedingungen zu prüfen, die sich durch Unterschiede bei der Berechnung und den bei der Einschätzung von Verbindlichkeiten zugrunde gelegte Annahmen ergeben; betont, dass eine solche Regelung auf einer Ausweitung einiger Aspekte des geänderten Vorschlags der Kommission vom 26. Februar 2008 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)10 basieren könnte, jedoch die Besonderheiten dieser Einrichtungen für betriebliche Altersversorgung wie beispielsweise den langfristigen Charakter ihrer Pensionsregelungen und die Art der Risikodeckung bzw. die durch die Pensionsfonds gebotenen Garantien berücksichtigen muss; ist der Ansicht, dass eine solche spezielle Solvabilitätsregelung die finanzielle Stabilität verbessern und ordnungspolitische Willkür verhindern würde;
- 35. weist darauf hin, dass der Gerichtshof Hindernisse für Steuerbefreiungen für grenzüberschreitende Rentenbeiträge für unzulässig erklärt hat; betont, dass Steuererleichterungen der beste Anreiz für langfristige Geldanlagen sind und dass möglicherweise eine weitere Harmonisierung erforderlich ist, um alle Hindernisse für grenzüberschreitende Beiträge zu Rentenversicherungen zu beseitigen;
- 36. nimmt die derzeit zu beobachtende Tendenz der Abkehr von leistungsdefinierten zu beitragsdefinierten Rentensystemen zur Kenntnis und bringt seine Besorgnis angesichts des Rückgangs der Arbeitgeberbeiträge, der mit diesem Trend offensichtlich einhergeht zum Ausdruck; hält es für notwendig, dass sich die Arbeitnehmer stärker an den bestehenden Rentensystemen beteiligen und ihre Beiträge dazu erhöhen, um angemessene Alterseinkünfte für den Einzelnen zu gewährleisten, und betont die Notwendigkeit anhaltender angemessener Beiträge der Arbeitgeber, insbesondere in Rentensystemen mit festen Beiträgen; ist besorgt, dass die vorgesehene Überarbeitung des Internationalen Rechnungslegungsstandards IAS 19 betreffend Leistungen an Arbeitnehmer, beispielsweise im Fall einer etwaigen Abschaffung des so genannten "Korridoransatzes", bedeutende Änderungen bei den Rentensystemen nach sich ziehen könnte die sorgfältig geprüft werden müssen, insbesondere bezüglich etwaiger nachteiliger Auswirkungen auf die Attraktivität von leistungsdefinierten Rentensystemen;
- 37. stellt fest, dass es zwecks Gewährleistung angemessener Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen und zwecks Vermeidung der "Beihilfen-Falle" notwendig ist, die mit einer Behinderung einhergehenden zusätzlichen Lebenshaltungskosten auszugleichen und die Rentensysteme und politischen Maßnahmen der sozialen Integration gezielt darauf auszurichten;
Finanzielle Tragfähigkeit
- 38. unterstreicht, dass die Mitgliedstaaten eine angemessene Finanzierung für Systeme der sozialen Sicherheit und Rentensysteme aufrechterhalten müssen, dass sie angesichts des verstärkten Wettbewerbs aufgrund der Globalisierung alternative und solide Steuergrundlagen finden müssen; unterstreicht, wie wichtig es ist, die Abhängigkeit von der Besteuerung der Arbeit zu verringern, um die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten zu steigern und mehr Arbeitsanreize zu schaffen räumt ein, wie kompliziert der Übergang zu einer stärker kapitalgestützten Besteuerung ist, aufgrund der niedrigeren Kapitalsteuergrundlagen und der höheren Kapitalmobilität; schlägt vor, dass der Übergang zu neuen Wegen der Besteuerung und/oder anderen Alternativen zur Verbesserung der finanziellen Nachhaltigkeit der Sozialausgaben in Erwägung gezogen werden, die die Steuerlast für Menschen mit niedrigeren Einkommen verringern würden; bekräftigt, dass die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung eine Investition darstellen, da sie letztendlich zur Produktivitätssteigerung beitragen, weswegen die Länder mit hohen Sozialausgaben auch die wettbewerbsfähigsten sind;
- 39. betont, dass sich die Mitgliedstaaten auf die mittel- und langfristigen Ziele des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) konzentrieren und nachhaltige öffentliche Finanzen gewährleisten müssen, um dem zunehmenden Druck durch eine alternde Bevölkerung standhalten zu können; stellt fest, dass der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister auf seiner Informellen Tagung am 5. April 2008 in Brdo übereinkam, dass bei den Sozialausgaben nicht länger das Ausgabenvolumen im Vordergrund stehen sollte, sondern vielmehr das, was erreicht worden ist; empfiehlt, dass der Rat Überlegungen über weitere Verbesserungen am SWP anstellt, beispielsweise darüber, ob bei längerfristigen Investitionen die Verbuchung über einen längeren Zeitraum erfolgen kann;
- 40. unterstreicht, dass die Mitgliedstaaten ihre Finanzpolitik nachhaltig gestalten sollten, indem die Steuerbelastung gerecht auf Arbeitnehmer, Verbraucher, Wirtschaftsunternehmen und Kapitaleinkünfte über die Generationen hinweg verteilt wird
- 41. ist der Auffassung, dass eine Regulierung darauf abzielen sollte, die Solvenz zu sichern und betriebliche Rentensysteme zu schützen, nicht zuletzt im Falle einer Übernahme oder sonstiger bedeutsamer Änderungen der Besitzverhältnisse oder des Managements;
- 42. fordert die Mitgliedstaaten auf, in ihre jährlichen Haushaltspläne einen Fonds für zukünftige Rentenzahlungen einzubeziehen;
- 43. weist auf die Notwendigkeit hin, einen schrittweisen Übergang von umlagefinanzierten zu kapitalgedeckten Vorsorgesystemen zu erörtern;
Gesundheitsfürsorge und Langzeitpflege
- 44. äußert die Überzeugung, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit Investitionen erfordern, was zur Verringerung der Kosten im Zuge der Alterung der Bevölkerung sowie zur Verbesserung der Solidität der Staatsfinanzen beitragen kann; unterstreicht wie wichtig die Wahrung der Werte und Grundsätze ist, auf denen sämtliche Gesundheitsfürsorgesysteme in der Europäischen Union beruhen, die eine allgemeine Deckung, Solidarfinanzierung, gleichberechtigten Zugang und die Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsfürsorge ungeachtet des erforderlichen vernünftigen Umgangs mit knappen Mitteln umfassen; unterstreicht, dass durch eine Verbesserung der Organisation und der Erbringung von Dienstleistungen gemäß dem Subsidiaritätsgrundsatz ein Potenzial für sowohl bessere Qualität als auch mehr finanzielle Effizienz der Gesundheitsdienste vorhanden ist;
- 45. ist in Anbetracht der voraussichtlich höheren Kosten für Gesundheitsfürsorge und Langzeitpflege der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten ihre Finanzierung überdenken und der Tatsache Rechnung tragen sollten, dass angesichts der Möglichkeit, dass aufgrund der Tendenz zu kleineren Familien und einer zunehmenden Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt weniger nichtprofessionelle Pflege verfügbar sein wird, die Zunahme der Langzeitpflege höher als vorgesehen sein könnte;
- 46. betont die Notwendigkeit, Personen, die kostenaufwendige oder langfristige gesundheitliche Versorgung benötigen, Personen und Gruppen mit besonderen Zugangsproblemen, wie ethnische Minderheiten und Niedriglohnempfänger, die Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen und die Entwicklung offener Unterstützungsstrukturen für Rehabilitation, soziale Eingliederung und Unterstützung von Menschen mit physischen oder psychischen Behinderungen oder von alten Menschen ganz besonders zu berücksichtigen, damit die Verwahrung von Menschen in Einrichtungen vermieden und Strukturen für autonomes Leben gefördert werden können;
- 47. stellt fest, dass die öffentliche Finanzierung der Gesundheitsfürsorge zur Absicherung gegen finanzielle Risiken unabhängig vom persönlichen Krankheitsrisiko beiträgt und somit Gleichheit und soziale Sicherheit unterstützt, während dagegen private Beitragsmechanismen eine begrenzte oder gar keine Risikoverteilung beinhalten und in der Regel die Zahlungen an das Krankheitsrisiko und die Zahlungsfähigkeit knüpfen, gleichzeitig aber eine nachhaltige Finanzierung unabhängig vom demographischen Wandel garantieren;
- 48. erkennt die Bedeutung der öffentlichen Finanzierung für die Erreichung des Solidaritätsziels sowie die starken Unterschiede im Niveau der öffentlichen und privaten Finanzierung des Gesundheitswesens in den Mitgliedstaaten; empfiehlt, dass die Kommission Forschungstätigkeiten durchführt, um das Niveau und/oder den Umfang der öffentlichen Finanzierung zu bestimmen, die dem Solidaritätsziel entsprechen sowohl für das System als Ganzes als auch für bestimmte Dienstleistungsbereiche;
- 49. erkennt die wachsende Popularität von marktgestützten Lösungen und der Privatisierung in der Finanzierung des Gesundheitswesens als Allheilmittel für die Kostenexplosion, Ineffizienz und Probleme bei der Qualität der Pflege, insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten; stellt fest, dass sich die Erkenntnis immer weiter ausbreitet, dass die funktionelle Privatisierung sozialer Krankenversicherungssysteme, die Gewinnorientiertheit und der Wettbewerb zwischen Finanzmaklern in der Regel die Verwaltung von Gesundheitssystemen teurer machen, während ihr Nutzen in Form von Kostendämpfung, Effizienz und Pflegequalität zweifelhaft ist; empfiehlt daher, dass die Mitgliedstaaten, in denen ein Einzelzahlermodell besteht, bei diesem Modell bleiben;
- 50. stellt fest, dass Gesundheitsfürsorgesysteme, die überwiegend durch erwerbsgestützte Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden, Nutzen aus einer breiteren Einkommensgrundlage unter Einbeziehung von nicht einkommensbezogenen Einkünften ziehen können;
- 51. weist darauf hin, dass es im Sinne der Dienstleistungsfreiheit und des Rechts der Krankenversicherten, sich für einen Arzt oder eine Einrichtung ihrer Wahl zu entscheiden unzulässig ist, dass Mitgliedstaaten die Erstattung von Kosten für die Behandlung ihrer Bürgerinnen und Bürger im Ausland verweigern, dass die Mitgliedstaaten jedoch (festgelegte) individuelle Obergrenzen für entstandene Kosten ansetzen können und nicht verpflichtet sind, Kosten für Behandlungen zu erstatten, denen sich ihre Staatsangehörigen zuhause nicht hätten unterziehen können;
- 52. fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Einführung einer Reformpolitik, die die Umgestaltung des Rechtsrahmens, der die Basis ihrer jeweiligen nationalen Gesundheitssysteme bildet, zum Ziel hat, einen rein finanziellen Ansatz zu vermeiden;
- 53. ist zutiefst davon überzeugt, dass Ausgangspunkt für jede Reform eine sorgfältige Analyse des bestehenden Gesundheits(finanzierungs)systems sein sollte, um Schwächen und Problembereiche zu ermitteln, verbunden mit dem Verständnis der Hintergrundfaktoren, die zu einer erfolgreichen Reform beitragen oder diese behindern können erwartet, dass sich die Mitgliedstaaten vollauf über die erheblichen Auswirkungen von Gesundheitsreformen auf das Funktionieren, die Kapazität und Effizienz ihrer jeweiligen Gesundheitssysteme und auch über die Risiken im Klaren sind die unzureichend oder unangemessen vorbereitete Reformmaßnahmen für die Qualität und Verfügbarkeit von Pflegediensten, die Gesundheit der Bürger und somit für ihre Beschäftigungsfähigkeit darstellen können;
- 54. fordert die Mitgliedstaaten auf, das gesamte Spektrum der Funktionen und Politikmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsfinanzierung zu berücksichtigen anstatt sich nur auf den Beitragsmechanismus zu konzentrieren; ist überzeugt, dass die Anhebung der beschäftigungsbezogenen Beiträge oder des privaten Beitrags des Patienten zu den Kosten von Gesundheitsdiensten eine verfehlte Politik ist, die katastrophale Folgen haben kann, denn der Zugang der Bürger mit niedrigem Einkommen zur gesamten Palette von Gesundheitsdiensten wird dadurch in inakzeptabler Weise eingeschränkt;
- 55. ist der Überzeugung, dass der Zugang von Bürgern mit niedrigem Einkommen zu Gesundheitsdiensten von hoher Qualität als klare Priorität betrachtet werden sollte, dass er engstens mit den europäischen Werten der Solidarität und gleichen Rechten verbunden ist und eine Vorbedingung für die Erreichung der Vollbeschäftigungsziele von Lissabon ist;
- 56. fordert die Kommission auf, die Aspekte der gleichen Rechte aller Unionsbürger auf Gesundheitssysteme von guter Qualität zu berücksichtigen und die erforderlichen Garantien gegen eine Ungleichbehandlung von Bürgern in Bezug auf die Finanzierung in die Überarbeitung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung oder in jedes neue Gesetzgebungsinstrument betreffend den Zugang zu Gesundheitsdiensten einzubeziehen;
- 57. empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten zur Effizienz und Gerechtigkeit in ihren jeweiligen Gesundheitssystemen dadurch beitragen, dass sie die Zahl der Risikopools begrenzen - oder noch besser - einen einzigen nationalen Pool schaffen, der die strategische Lenkung und Koordinierung im gesamten Gesundheitssystem erleichtern kann;
- 58. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Ausschuss für Beschäftigung, dem Ausschuss für Sozialschutz sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Bewerberländer zu übermitteln.
- 1 Rechtssache C-262/88, Sammlung EuGH [1990], S. I-1889.
- 2 ABl. C 175 E vom 10.7.2008, S. 401.
- 3 ABl. C 282 E vom 3.11.2008, S. 463.
- 4 Angenommene Texte, P6_TA(2008)0066.
- 5 ABl. C 85 vom 17.3.1997, S. 186.
- 6 Angenommene Texte, P6_TA(2008)0094.
- 7 ABl. L 359 vom 19.12.1986, S. 56.
- 8 ABl. C 175 E vom 10.7.2008, S. 392.
- 9 ABl. L 235 vom 23.9.2003, S. 10.
- 10 KOM (2008) 0119