Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 14. Juni 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 30. Mai 2007 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 31. Mai 2007 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl. AE-Nr. 912615, AE-Nr. 953646,
Drucksache 144/01 = AE-Nr. 010520,
Drucksache 638/02 = AE-Nr. 022330 und
Drucksache 299/03 (PDF) = AE-Nr. 030818
1. Einleitung
In den letzten 50 Jahren hat sich die Organtransplantation weltweit etabliert und Hunderttausenden von Patienten ungeheuren Nutzen gebracht.
Organspende und -transplantation sind heikle und komplexe Fragen von ethischer Tragweite, deren Ausbau der umfassenden gesellschaftlichen Mitwirkung bedarf. In verschiedenen Aspekten werden diverse Aspekte je nach kulturellen, rechtlichen, administrativen und organisatorischen Gegebenheiten unterschiedlich behandelt.
Die Zahl der Transplantationen menschlicher Organe ist in den letzten Jahrzehnten ständig angestiegen. Mittlerweile stellt die Organtransplantation die kostengünstigste Behandlung bei Nierenversagen im Endstadium dar; bei Leber-, Lungen- und Herzversagen ist sie zurzeit die einzige Behandlungsmöglichkeit.
Durch die hervorragenden Ergebnisse, die mit Transplantationen in Bezug auf gewonnene Lebensjahre und Verbesserung der Lebensqualität erzielt wurden, haben sich die Indikationen dieser Therapien vervielfacht. Transplantationsverfahren werden immer noch weiter entwickelt und können in Zukunft praktische Therapiemöglichkeiten für weitere bisher unbehandelbare Erkrankungen bieten.
Der therapeutische Einsatz von Organen bringt jedoch auch ein Risiko der Krankheitsübertragung mit sich. Jedes Jahr wird eine Reihe von Organen unter den EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht. Grenzübergreifender Austausch bedeutet, dass die Transplantationsverfahren von Krankenhäusern oder Ärzten durchgeführt werden, für die unterschiedliche Rechtsordnungen gelten.
Andererseits beeinträchtigt der Organmangel die Transplantationsprogramme in hohem Maße. Beinahe 40 000 Patienten stehen zurzeit in Europa auf den Wartelisten. Die Sterblichkeitsraten während der Wartezeit für eine Herz-, Leber- oder Lungentransplantation betragen in der Regel zwischen 15 und 30 %. Innerhalb der EU ist die Rate der verstorbenen und lebenden Spender höchst unterschiedlich. Diese Unterschiede sind nicht leicht zu erklären. Selbst in EU-Mitgliedstaaten, die über hoch entwickelte Gesundheitsdienste verfügen, gibt es beträchtliche Unterschiede bei der Organspende und -transplantation, und einige Organisationsmodelle scheinen leistungsfähiger zu sein als andere.
Eine der möglichen Folgen der Organknappheit besteht im illegalen Handel mit menschlichen Organen durch kriminelle Gruppen, die Organe in Entwicklungsländern ausfindig machen und entnehmen, um sie dann an Empfänger in der Europäischen Union zu vermitteln.
Die vorliegende Mitteilung der Kommission über Organspende und -transplantation soll diese Problematik auf der Rechtsgrundlage des Artikels 152 Absatz 4 Buchstabe a EG-Vertrag aufgreifen, dem zufolge das Europäische Parlament und der Rat harmonisierte Gesundheitsschutzmaßnahmen auf der Grundlage des Mitentscheidungsverfahrens gemäß Artikel 251 EG-Vertrag treffen können, um hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe menschlichen Ursprungs festzulegen. In der Mitteilung werden die Maßnahmen dargestellt, welche die Kommission plant, um auf die hauptsächlichen politischen Herausforderungen in Bezug auf Organspende und -transplantation zu reagieren: Sicherstellung der Qualität und Sicherheit von Organen, Erhöhung der Spendenbereitschaft und Bekämpfung des illegalen Organhandels.
2. Organspende und Transplantation: Die aktuelle Problematik
2.1. Transplantationsrisiken
Der therapeutische Einsatz von Organen bringt das Risiko einer Krankheitsübertragung auf den Empfänger mit sich. In der wissenschaftlichen Literatur wurde die Übertragung von HIV, Hepatitis B und C, Bakterien, Pilzen und Parasiten durch die Transplantation beschrieben, ebenso wie die Übertragung verschiedener Krebsarten.
Die Übertragung einer Krankheit durch das Organ eines verstorbenen Spenders kann nicht nur zum Verlust des Transplantats, sondern auch zum Tod des Empfängers führen, dessen Immunreaktion ja unterdrückt wird. Trotz des Mangels an Organen verstorbener Spender muss jedes Organ gründlich geprüft werden.
Jedes Jahr wird eine Reihe von Organen zwischen den EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht. Die Zahl der ausgetauschten Organe macht nur einen kleinen Anteil der gesamten in der EU transplantierten Organe aus, mit Ausnahme der unter internationale Vereinbarungen (Eurotransplant) fallenden Bereiche, in denen der Organaustausch bis zu 20 % der gesamten Organtransplantationen ausmacht. Darüber hinaus lassen sich jedes Jahr eine Reihe von EU-Bürgern in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Heimatland ein Organ transplantieren. Die Zahl der Patienten, die versuchen, in einem anderen Land mit größerer Spendenbereitschaft eine Organspende zu erhalten, ist offenbar im Steigen begriffen. Allerdings gelten in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen1. Die Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus für alle Patienten in ganz Europa stellt daher eine Priorität dar.
2.2. Organmangel
Der gravierende Mangel an Organspendern ist auch weiterhin das Hauptproblem, vor dem die EU-Mitgliedstaaten bei der Organtransplantation stehen.
In Europa sterben täglich beinahe zehn Patienten, die auf ein Organ warten. In allen EU-Mitgliedstaaten werden die Wartelisten immer länger. Selbst in Fällen, in denen die Zahl der Spender stetig angestiegen ist, erweist es sich als sehr schwierig, die Zahl der Patienten auf den Wartelisten und die Wartezeiten zu verringern. Die Nachfrage nach Transplantationen steigt schneller als die Spendenbereitschaft. Dennoch wird die steigende Zahl der Spender dazu beitragen, die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage zu verringern, auch wenn sich die absoluten Zahlen auf den Wartelisten nicht senken lassen.
Für den Mangel an Spendern gibt es verschiedene Gründe2. Auch sind die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen zur Erhöhung der Spendenbereitschaft unterschiedlich erfolgreich. Die Spenderraten variieren erheblich von einem europäischen Land zum anderen: die Rate der verstorbenen Spender reicht von 0,8 bis 35,1 Spendern je Million Einwohner. Diese Unterschiede sind nicht leicht zu erklären. Sie beruhen wahrscheinlich auf einer komplexen Kombination kultureller, historischer und sozialer Faktoren, zusammen mit Aspekten des Gesundheitswesens und der Organisation des Spendenwesens im jeweiligen Land.
2.3. Illegaler Organhandel
Wie bereits erwähnt, ist das Angebot an Organen sehr begrenzt.
Zwar hat die strafrechtliche Verfolgung bisher keine Nachweise erbracht, doch es ist möglich, dass international agierende kriminelle Organisationen die lukrativen Möglichkeiten erkannt haben, die sich aus der Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ergeben, und mehr Druck auf Menschen ausüben, die in extremer Armut leben, damit diese ihre Organe verkaufen.
Das Problem des Organhandels ist nicht neu auf der Welt. In den 80er Jahren wurden Fachleute auf ein Phänomen aufmerksam, das als "Transplantationstourismus" bekannt wurde. Dabei reisten wohlhabende Asiaten nach Indien und in andere Teile Südostasiens, um Organe von in Armut lebenden Spendern zu erhalten. Seither haben sich andere Möglichkeiten eröffnet.
Zwar bewegt sich der Organhandel in Europa nach aktuellen Schätzungen auf relativ bescheidenem Niveau, dennoch gibt die Problematik Anlass zu ernster politischer und ethischer Besorgnis.
3. Der Mehrwert der EU-Massnahmen
In den letzten Jahren hat die Kommission erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Organtransplantation im Rahmen verschiedener Gemeinschaftsprogramme zu unterstützen. Es wurde eine große Zahl von Projekten gefördert3, deren Ergebnisse beträchtliche Mengen an Informationen und Erkenntnissen geliefert haben, welche für die Durchführung von EU-Maßnahmen in diesem Bereich von Nutzen sein können. Es wird nun Zeit, diese Erkenntnisse umzusetzen.
Im Juni 2006 leitete die Kommission eine öffentliche Anhörung zum Thema Organspende und -transplantation ein. Anhand der Ergebnisse dieser Anhörung schlägt die Kommission nun vor, weitere Initiativen auf Gemeinschaftsebene zu treffen, die zur Bewältigung der vor uns liegenden Herausforderungen einen Mehrwert erbringen.
Im Mittelpunkt der Gemeinschaftsmaßnahmen in diesem Bereich steht die Gewährleistung von Qualität und Sicherheit menschlicher Organe, da dieser Aspekt im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Vorrang erhalten hat4. Eine von der italienischen Regierung während ihres EU-Ratsvorsitzes 2003 veranstaltete Expertenkonferenz nannte den Organmangel und den Organhandel als Hauptprioritäten in diesem Bereich und unterstrich, dass Qualitäts- und Sicherheitsaspekte im Rahmen von Organangebot und -nachfrage umfassend zu berücksichtigen sind. Um die genannten Herausforderungen angemessen bewältigen zu können, bedarf es eines integrierten Vorgehens mit drei Aktionen.
3.1. Qualitäts- und Sicherheitsrahmen für Organspende und -transplantation
In jeder Phase des Transplantationsverfahrens lässt sich eine Reihe von Maßnahmen durchführen, um die Qualität und die Sicherheit der Organe zu verbessern.
Ein wesentlicher Bestandteil einer soliden Organtransplantation besteht darin, die potenziellen Spender vor der Transplantation zu untersuchen. Diese Untersuchung muss genügend Informationen liefern, damit das Transplantationsteam eine angemessene Nutzen-Risiko-Analyse erstellen kann. Die Risiken und Merkmale des Organs sind zu ermitteln und zu dokumentieren, damit das Organ einem geeigneten Empfänger zugeteilt werden kann.
Als wesentliche Schritte in Richtung auf Qualität und Sicherheit haben sich Aufzeichnungen über Spender und Qualitätssysteme erwiesen. Es müssen Standardverfahren für die Entnahme und Vorschriften für die Aufbewahrung und den Transport von Organen vorhanden sein.
Sicherzustellen ist ein geeigneter Transport der Organe, der Zeiten ohne Blutversorgung minimiert und Organschädigungen vermeidet. Bei gleichzeitiger Wahrung der medizinischen Vertraulichkeit muss der Organbehälter klar beschriftet werden und die erforderliche Dokumentation enthalten.
Das Transplantationssystem muss sicherstellen, dass die Spur vom Spender zum Empfänger verfolgt werden kann. Das System muss im Falle einer unvorhergesehenen Komplikation warnen können. Zudem muss ein System vorhanden sein, mit dem sich ernste oder unvorhersehbare unerwünschte Zwischenfälle erkennen und untersuchen lassen.
Ein Organspender ist oft auch ein Gewebespender. Die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen für Organe sollten mit dem bestehenden Gemeinschaftssystem für Gewebe und Zellen5 verbunden werden und dieses ergänzen. Eine unerwünschte Reaktion beim Empfänger einer Organspende sollte zurückverfolgt und bei Bedarf über das Gewebevigilanzsystem gemeldet werden.
Es wurde bereits betont, welche Schlüsselrolle die einzelstaatlichen zuständigen Behörden bei der Gewährleistung von Qualität und Sicherheit dieses Verfahrens spielen, und ebenso, wie wichtig es ist, Systeme für die Zulassung von Einrichtungen sowie Programme für Organspende und -entnahme auf der Grundlage gemeinsamer Qualitäts- und Sicherheitskriterien zu schaffen. Dieses System sollte eine vollständige Liste aller zugelassenen Zentren in ganz Europa liefern, auf die sowohl die Öffentlichkeit als auch Angehörige der Gesundheitsberufe Zugriff haben.
Verbindliche Sicherheits- und Qualitätskriterien sollten nicht zur Senkung der Zahl der Spender führen. Es ist wichtig, über das Krankheitsübertragungsrisiko, das mit jedem Fall einhergeht, Klarheit zu gewinnen. Zwar ist eine Risikodefinition anhand des Spenderprofils für eine rationale Entscheidungsfindung entscheidend, doch jede Entscheidung hängt auch von den Merkmalen des Empfängers ab. In jedem Einzelfall sind Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen: das mit dem Organ verbundene Risiko gegen die Folgen, wenn keine Transplantation erfolgt.
3.2. Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
Organmangel ist ein gemeinsames Problem aller Länder Europas, und der Knowhow-Transfer innerhalb der EU hat sich in einigen Ländern zur Erhöhung der Spenderraten bereits als sinnvoll erwiesen.
3.2.1. Organangebot
Einige Mitgliedstaaten haben verschiedene Initiativen eingeführt, in deren Mittelpunkt Organisation und Praxis von Spendesystemen stehen, mit denen nachweislich das Organangebot erhöht werden konnte.
Ein wichtiger Faktor zur Ermittlung von Personen, die zur Spende nach ihrem Tode bereit sind, sobald alle obligatorischen Zustimmungsanforderungen der jeweiligen Mitgliedstaaten erfüllt sind, besteht offenbar darin, ein leistungsfähiges System einzurichten, das verstorbene potenzielle Spender ermittelt und zu tatsächlichen Spendern macht. Es hat sich gezeigt, dass viele Spender verloren gehen, weil keine Überprüfung oder keine Meldung stattfindet oder weil es versäumt wird, den Angehörigen eine Organspende nahezulegen.
In manchen Mitgliedstaaten hat die Fortbildung und Beschäftigung von für die Ermittlung potenzieller verstorbener Organspender und die Organisation des Organspendeverfahrens zuständigen Beschäftigten des Gesundheitswesens die Leistungsfähigkeit der Organbeschaffung erhöht und dazu geführt, dass die Transplantationssysteme besser funktionieren.
Um den Spenderkreis zu erweitern, wäre es wichtig, die Förderung der altruistischen Lebendspende zu erwägen, und zwar auf der Grundlage angemessener Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der lebenden Spender und zur Verhinderung illegalen Organhandels. Lebendspenden liegen in Europa bei 17 % der Nierentransplantationen und bei 5 % der Lebertransplantationen vor. Obgleich lebende Spender immer schon von entscheidender Bedeutung für die Transplantation waren, ist der Einsatz von Lebendspendern in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Der Anstieg der Lebendspenden ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf den Druck durch den Mangel an Spenderorganen von Verstorbenen, auf Fortschritte in der Chirurgie und überzeugende Nachweise günstiger Transplantationsergebnisse und geringer Spenderrisiken. Die Zahl der freiwilligen Lebendspendern ist innerhalb Europas ebenfalls höchst unterschiedlich.
Unter bestimmten Umständen wäre es auch möglich, andere potenzielle Spender (einen "erweiterten Spenderkreis") in Erwägung zu ziehen, die aufgrund einer positiven Serologie, angeborener oder erblicher Gesundheitsstörungen, familiärer Belastung oder anderer Merkmale wie Spenderalter, Bluthochdruck oder Diabetes keine idealen Spender wären.
3.2.2. Das Bewusstsein der Öffentlichkeit
Das Bewusstsein der Öffentlichkeit und die öffentliche Meinung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Verstärkung der Spendenbereitschaft.
Organspende und -transplantation sind therapeutische Maßnahmen, an deren Entwicklung die gesamte Gesellschaft mitwirken muss. In diesem Bereich gibt es viele komplexe und heikle Fragen der Ethik, und es ist deutlich geworden, dass mehrere dieser Aspekte in den verschiedenen Ländern je nach den kulturellen Wertvorstellungen unterschiedlich behandelt werden.
Im Jahre 2006 erklärten sich 56 % der Europäer bereit6, ihre Organe nach dem Tode einem Organspendedienst zur Verfügung zu stellen. Die Antworten auf die Befragung waren je nach Land höchst unterschiedlich.
Die Quoten der Ablehnungen einer Organspende Verstorbener durch die Angehörigen betragen in Europa zwischen 6 % und 42 %. Auch diese Unterschiede sind nicht leicht zu verstehen. Sie ließen sich erklären durch die große Vielfalt der Verfahren zur Einholung der Zustimmung des Spenders - bei lebenden und verstorbenen Spendern - unterschiedliche organisatorische Praxis sowie andere wichtige kulturelle, wirtschaftliche oder soziale Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, wie die Gesellschaft den Nutzen der Organspende wahrnimmt.
Die kostengünstigste Möglichkeit, die Spendenbereitschaft der Öffentlichkeit zu erhöhen, scheint darin zu bestehen, die Beschäftigten im Gesundheitswesen und die Medien besser über Transplantationsfragen zu informieren. Da sowohl positive als auch negative Botschaften die Spendenbereitschaft beeinflussen können, bedarf es einer professionellen Einstellung gegenüber der Spende und der Unterstützung durch Kommunikationsexperten.
Fortgesetzte Aufklärung sollte ein wesentliches Element jeder Kommunikationsstrategie sein. Die Menschen sollten dazu ermutigt werden, über die Organspende zu sprechen und ihren Angehörigen ihre Wünsche mitzuteilen. Nur 41 % der europäischen Bürger haben mit ihren Angehörigen über eine mögliche Organspende gesprochen6. Es besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen der Spendenbereitschaft und der Tatsache, darüber mit seinen Familienangehörigen gesprochen zu haben.
Die Schaffung eines europäischen Spenderausweises, dem zu entnehmen ist, ob der Inhaber zur Organspende bereit ist oder nicht, wird dazu beitragen, die Öffentlichkeit für die Problematik zu sensibilisieren. 81 % der europäischen Bürger sprechen sich für die Verwendung eines Spenderausweises aus, damit leichter ermittelt werden kann, wer bereit ist, nach dem Tode Organe zu spenden. Dennoch haben bisher lediglich 12 % der Europäer einen Spenderausweis.
3.2.3. Organisatorische Aspekte
Ein Vergleich der einzelnen Länder zeigt, dass die Spenderraten nicht immer mit den Prozentsätzen derjenigen übereinstimmen, die zuvor in diesen Ländern ihre Spendenbereitschaft erklärt haben. Dies zeigt deutlich, wie wichtig ein leistungsfähiges Transplantationssystem ist, um sicherzustellen, dass die Organe der spendenbereiten Personen auch zur Verfügung gestellt werden.
Voraussetzung für jegliche Maßnahme in diesem Bereich ist die Schaffung geeigneter Transplantationssysteme auf einzelstaatlicher Ebene. Ein solches System braucht einen angemessenen Rechtsrahmen, einen guten fachlichen Ansatz und organisatorische Unterstützung. Die Rolle der zuständigen Behörden ist entscheidend bei der Organisation. Die Behörden müssen dafür sorgen, dass die grundlegenden Standards eingehalten werden, und sie müssen die Spende- und Transplantationsaktivitäten organisieren.
Die verschiedenen Organisationssysteme in Europa sind das Ergebnis ihrer Ursprünge und ihrer Geschichte. Selbst in den EU-Ländern, die über hoch entwickelte Gesundheitsdienste verfügen, gibt es beträchtliche Unterschiede bei der Organspende und -transplantation, und einige Organisationsmodelle scheinen leistungsfähiger zu sein als andere.
Organtransplantationen unterliegen starkem Zeitdruck. Das Verfahren von der Beschaffung bis zur Transplantation sollte in einigen wenigen Stunden abgeschlossen sein (um das Organ lebensfähig zu erhalten). Zudem muss der Spender zum Empfänger passen, damit ein Organ transplantiert werden kann. Deshalb ist die Organisationsstruktur ein Schlüsselelement der Organspende-/Organtransplantationssysteme.
Als Teil dieser Organisation ist ein wirksames Zuteilungssystem von wesentlicher Bedeutung. Dieses System muss die kurze Zeit berücksichtigen, in der die Organe lebensfähig erhalten werden können, und die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass das Organ nach vorher definierten Kriterien dem geeignetsten Empfänger zugeteilt wird.
Die neuen Mitgliedstaaten stehen vor größeren gesundheitlichen Problemen als die übrige Union, haben jedoch weniger wirtschaftliche Ressourcen zu deren Bewältigung. Ihre Gesundheitssysteme stehen deshalb unter besonderem Druck, insbesondere, was das Verfahren von der Organspende bis zur Transplantation angeht, dessen Komplexität besondere Schwierigkeiten verursachen kann. Dies führt zu enormen Unterschieden zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, was den Zugang zu Transplantationen und die Länge der Wartelisten betrifft. Diese Systeme können besonders von einer Zusammenarbeit auf EU-Ebene profitieren.
Es ist allgemein anerkannt, dass sich Spender und Empfänger umso besser aufeinander abstimmen lassen, je größer der Spenderkreis ist. Dringlichkeitspatienten und Problemempfänger (Kinder, hoch sensible Patienten usw.) können innerhalb einer kleinen Organisation nicht wirksam behandelt werden; dies ist besonders in kleinen Mitgliedstaaten problematisch. Gleichzeitig hat auf der Spenderseite die Beteiligung lokaler Akteure (Krankenhaustransplantationsteams und Transplantationskoordinatoren) am Entscheidungsprozess dazu beigetragen, die betreffenden Berufsgruppen zu motivieren, und bessere Ergebnisse hervorgebracht.
Ein flexibles System, das ein dezentralisiertes Netz aus lokalen Organisationen, die sich hauptsächlich auf die Organbeschaffung und die Förderung der Organspende konzentrieren, mit großen Organisationen verbindet, die sich auf die Förderung des Organaustauschs und der Zusammenarbeit konzentrieren, scheint organisatorisch am effektivsten zu sein.
Das Übereinkommen Nr. 26 des Europarats über den Austausch therapeutischer Substanzen menschlichen Ursprungs von 1958 war der Ausgangspunkt für grenzübergreifende Tätigkeiten in diesem Bereich. Die Arbeit des Europarats, von Eurotransplant, Scandiatransplant, des Europäischen Transplantationsnetzes oder die regelmäßigen Sitzungen der Europäischen Organisationen für Organaustausch sind gute Beispiele für die notwendige europäische Zusammenarbeit7.
3.3. Bekämpfung des Organhandels
Gemäß Artikel 3 der EU-Charta der Grundrechte hat jeder das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Außerdem verbietet die Charta es, den menschlichen Körper und Teile davon zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen. Ferner enthält sie das Verbot des Menschenhandels. Als Teil des allgemeinen Phänomens des Menschenhandels stellt der Handel zum Zwecke der Organentnahme einen gravierenden Verstoß gegen die Freiheit und die körperliche Unversehrtheit seiner Opfer dar.
Der Europarat8 und die Weltgesundheitsorganisation9 haben bereits mehrfach zu Maßnahmen aufgerufen, um den Organhandel zu bekämpfen. Das Verbot des Handels mit menschlichen Organen und Geweben ist bereits durch internationale Rechtsinstrumente in Kraft gesetzt worden, wie das Übereinkommen von Oviedo über die Menschenrechte und Biomedizin sowie sein Zusatzprotokoll über die Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs. Außerdem verpflichtet das Protokoll über die Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, welches das UN-Übereinkommen zur Bekämpfung des internationalen organisierten Verbrechens ergänzt, die Unterzeichnerstaaten, diese Form des Menschenhandels als Verbrechen zu behandeln und verhältnismäßige und abschreckende Strafen zu erlassen.
Die Kommission bezieht sich ständig auf diese wichtigen internationalen Instrumente und wird alle Entwicklungen im Bereich des illegalen Organhandels sowohl in der EU als auch weltweit aufmerksam verfolgen
4. Schlussfolgerungen und Folgemassnahmen
Die Arbeit im Rahmen der verschiedenen Gemeinschaftsprogramme wird in den kommenden Jahren fortgesetzt. Wichtig ist, dass die Ergebnisse dieser Projekte auf politischer Ebene weiterverfolgt und gutgeheißen werden; die Ergebnisse müssen allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.
Die Hauptaktionsschwerpunkte hinsichtlich Organspende und -transplantation sind folgende:
- Verbesserung von Qualität und Sicherheit
Die Kommission wird unter Berücksichtigung des bisherigen Dialogs mit den Mitgliedstaaten den genauen, ausgewogenen Umfang des Rechtsrahmens für Qualität und Sicherheit menschlicher Organe festlegen. Dieser Rahmen muss durch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gestützt werden; dabei sind ausreichende Informationen zusammenzustellen, anhand deren festgelegt werden kann, welche Risiken beim Einsatz erweiterter Spenderkreise und durch die Förderung guter medizinischer Praxis und die Evaluierung der Posttransplantationsergebnisse ("Organvigilanz") vertretbar sind.
- Erhöhung der Organverfügbarkeit
Die Kommission wird die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördern, um Erfahrungen und vorbildliche Verfahren auszutauschen, damit leistungsfähige Systeme für die Organspenderermittlung eingerichtet werden können.
Ferner bedarf es der Zusammenarbeit, um die Schulung von im Gesundheitswesen Beschäftigten anhand modellhafter Erfahrungen zu fördern, die Förderung von Lebendspenden zu erwägen und den Einsatz eines erweiterten Spenderkreises (der aus medizinischer Sicht nur für bestimmte Empfänger unter bestimmten Umständen in Frage kommt) unter Berücksichtigung von Qualitäts- und Sicherheitsaspekten zu bewerten.
Zudem wird es von Bedeutung sein, gemeinsame Bemühungen zu unternehmen und Erfahrungen auszutauschen, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu schärfen. In diesem Zusammenhang ist die Schaffung eines europäischen Organspenderausweises oder dessen Einbeziehung in die bestehende Europäische Krankenversicherungskarte zu erwägen.
- Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Zugänglichkeit der Transplantationssysteme
Wie auch andere Fragen des Zugangs zur gesundheitlichen Versorgung ist diese Frage im Zusammenhang mit anderen einschlägigen Initiativen auf Gemeinschaftsebene zu betrachten.
Die Initiativen werden sich darauf konzentrieren, die leistungsfähigsten Systeme zu ermitteln, Erfahrungen auszutauschen und vorbildliche Verfahren unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten zu fördern. Diejenigen Mitgliedstaaten, deren Transplantationssysteme noch nicht ausreichend entwickelt sind, können in ihren Bemühungen zur Verbesserung der Patientenversorgung unterstützt und angeleitet werden.
Weitere Aktionen werden sich darauf richten, den Bedarf für den Organaustausch zwischen einzelstaatlichen Behörden auf EU-Ebene zu ermitteln. Leitlinien für Verfahren zum Angebot überzähliger Organe an andere Länder können unter besonderer Berücksichtigung des Organaustauschs für Dringlichkeits- und Problempatienten bewertet werden.
Die zunehmende Mobilität der EU-Bürger erfordert es, die Hauptprobleme bei der Patientenmobilität zu ermitteln. Auch wird es wichtig sein, EU-weite Vereinbarungen über alle Fragen zu treffen, die die Transplantationsmedizin für Nicht-EU-Bürger betreffen.
Die Kommission schlägt folgende Maßnahmen vor:
- Aktionsplan zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
Bei der Analyse der Organtransplantationslage in der EU wurden große Unterschiede bei der Rate der verstorbenen und lebenden Spender innerhalb der EU und ebenso große Unterschiede in der Transplantationstätigkeit festgestellt. Diese Unterschiede sind nicht leicht zu erklären, und es ist deutlich geworden, dass einige Modelle leistungsfähiger sind als andere. Der Knowhow-Transfer unter den EU-Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit zwischen den Ländern sind noch ausbaufähig, um die Zahl der Organspenden zu maximieren und gleichen Zugang für alle zur Transplantation zu schaffen. Die Gemeinschaft wird das beste der besten Modelle ermitteln und unter Berücksichtigung der kulturellen und organisatorischen Vielfalt dessen EU-weite Anwendung fördern.
Schon in der vom Rat der Gesundheitsminister 1991 angenommenen Entschließung10 über richtungweisende Entscheidungen in der Gesundheitspolitik hat der Rat die Prüfung eines möglichen Beitrags der Gemeinschaft zur Verfügbarkeit von Transplantationsorganen als eines der Themen genannt, das gemeinsamer Erwägung, regelmäßiger gemeinsamer Erörterung und/oder gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Gesundheitspolitik zu unterstützen. Die wichtigsten europäischen Organaustauschorganisationen haben ebenfalls empfohlen, die besten Initiativen zu ermitteln, um den Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu fördern und organisatorische Aspekte zu verbessern.
Ein Aktionsplan für engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, der speziell auf diesen konkreten Bereich zugeschnitten ist, wird das nötige politische Instrumentarium liefern, damit man sich schrittweise an die Entwicklung einer EU-Politik annähert. Dieser Ansatz sollte auf der Ermittlung und Entwicklung gemeinsamer Ziele, für die anerkanntermaßen ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist, auf vereinbarten quantitativen und qualitativen Indikatoren und Maßstäben, regelmäßiger Berichterstattung sowie der Ermittlung und dem Austausch vorbildlicher Verfahren beruhen.
- EU-Rechtsinstrument über Qualität und Sicherheit von Organspende und -transplantation
Die Gemeinschaft hat bereits Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut11 sowie für Gewebe und Zellen12 erlassen. Eine mögliche europäische Richtlinie zur Festsetzung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe könnte ähnliche Fragen behandeln; allerdings ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis von grundlegender Bedeutung für die Organtransplantation. Wegen des Organmangels und der lebensbedrohlichen Indikationen für Organtransplantationen ist deren Nutzen hoch und es sind mehr Risiken vertretbar als bei den meisten Behandlungen mit Blut, Geweben und Zellen. In diesem Zusammenhang spielt der Arzt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob ein Organ zur Transplantation angenommen wird. Der Vorschlag der Kommission wird diesen Besonderheiten der Organspende und -transplantation Rechnung tragen.
Die Folgenabschätzung im Anhang zu dieser Mitteilung kommt zu dem Schluss, dass ein angemessener und flexibler europäischer Rechtsrahmen auf der Grundlage weiterer Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die geeignete Reaktion der Gemeinschaft auf das Mandat gemäß Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a EGV darstellt.
Das künftige Rechtsinstrument, das auf einer eigenen Folgenabschätzung beruht, könnte Grundsätze umfassen, die für die Schaffung eines grundlegenden Qualitäts- und Sicherheitsrahmens erforderlich sind. Dazu gehören
- - die Errichtung einer oder mehrerer einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden zur Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie;
- - gemeinsame Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Zulassung von Einrichtungen und Programmen für Organspende und -beschaffung sowie für angemessene Konservierung und Beförderung der Organe;
- - die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit und die Meldung etwaiger schwerer unerwünschter Zwischenfälle und Reaktionen;
- - die Einrichtung von Inspektionsstrukturen und Kontrollmaßnahmen;
- - die Sicherstellung einer vollständigen Merkmalbeschreibung des Organs, damit das Transplantationsteam eine angemessene Risikobewertung vornehmen kann.
- 1 http://ec.europa.eu/health/ph_threats/human_substance/documents/organ_survey.pdf .
- 2 Nähere Einzelheiten sind der Folgenabschätzung im Anhang zu dieser Mitteilung zu entnehmen.
- 3 Eine Beschreibung der Projekte ist der Folgenabschätzung im Anhang zu dieser Mitteilung zu entnehmen.
- 4 Seit 1999 ermöglicht Artikel 152 EGV es dem Europäischen Parlament und dem Rat, Gesundheitsschutzmaßnahmen anzunehmen, die hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs, Blut und Blutderivate festlegen. Die Gemeinschaft hat bereits Richtlinien des Parlaments und des Rates für Blut sowie für Gewebe und Zellen festgelegt.
- 5 Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48).
- 6 Eurobarometer-Umfrage 2006.
- 7 Nähere Einzelheiten sind der Folgenabschätzung im Anhang zu dieser Mitteilung zu entnehmen.
- 8 Empfehlung Rec (2004) 7 des Ministerkomitees.
- 9 Entschließung WHA 42.5 zur Verurteilung des Kaufs und Verkaufs von Organen menschlichen Ursprungs.
- 10 Entschließung des Rates und der Gesundheitsminister (ABl. C 304 vom 23.11.1991, S. 5).
- 11 ABl. L 33 vom 8.2.2003, S. 30.
- 12 ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48.