Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes



A. Problem und Ziel

Die Sozialgerichtsbarkeit ist durch die Übertragung der Zuständigkeit für zahlreiche bisher von der Verwaltungsgerichtsbarkeit behandelte Materien (Sozialhilfe, Grundsicherung, Asylbewerberleistungsgesetz) in erheblichem Maße zusätzlich belastet. Hinzu tritt der Umstand, dass in der Sozialgerichtsbarkeit die Berufung lediglich bei geringen Gegenstandswerten durch ein Zulassungserfordernis beschränkt ist ( § 144 des Sozialgerichtsgesetzes), während in der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 124) generell nur die Zulassungsberufung existiert.

Durch den Übergang der genannten Materien auf die Sozialgerichte kommt es damit zu einer deutlichen Ausweitung der Rechtsmittelmöglichkeiten im Vergleich zum bisherigen Zustand. Auch sieht das Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Darüber hinaus enthält das SGG mit § 109 eine Vorschrift, die in keiner anderen Verfahrensordnung vorhanden ist und es den Beteiligten ermöglicht, die Anhörung bestimmter Ärzte neben den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erzwingen, was potentiell zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen kann.

Die Möglichkeit einer Berufung vor dem Landessozialgericht soll zukünftig in allen Fällen davon abhängig gemacht werden, dass das Sozialgericht oder das Landessozialgericht sie zuvor im Urteil oder durch Beschluss zugelassen hat. Daneben sollen die Verfahrensbeteiligten Prozesshandlungen vor dem Landessozialgericht grundsätzlich nur noch durch einen Prozessbevollmächtigten vornehmen können.

Die Berücksichtigung von Erklärungen, Tatsachen und Beweismitteln soll in allen sozialgerichtlichen Verfahren davon abhängig gemacht werden können, dass sie rechtzeitig vorgebracht werden. Schließlich soll die verfahrensverzögernde und systemwidrige Vorschrift des § 109 SGG, die den Beteiligten das Recht gibt, zusätzlich zu den gerichtlichen Sachverständigen eigene hören zu lassen, gestrichen werden.

B. Lösung

Einbringung eines Entwurfes zur Änderung der §§ 63, 73, 73a, 105, 106, 115, 144, 145, 153, 154, 160, 183, Streichung der §§ 109, 143, 151, 152 sowie Einfügung neuer §§ 106a, 157a SGG in den Bundesrat.

Redaktionelle Folgeänderungen in anderen Gesetzen.

C. Alternativen

Beibehaltung der bisherigen Regelung, die zu erheblichen unnötigen Belastungen der Sozial- und insbesondere der Landessozialgerichte führt.

D. Kosten der öffentlichen Hand

1. Haushaltsaufgaben ohne Vollzugsaufwand

Durch die Einführung einer Zulassungsberufung sind Einsparungen zu erwarten, da die Quote der zugelassenen Berufungen in der vergleichbaren Verwaltungsgerichtsbarkeit nur 15 - 20 % beträgt und die Bearbeitung eines Zulassungsantrags erheblich weniger aufwändig ist als die Durchführung eines Berufungsverfahrens.

Durch die Einführung des Vertretungszwangs werden Kläger in der Berufungsinstanz in geringem Umfang vermehrt Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen. Nach momentaner Einschätzung wird es sich aber nur um einen leichten Anstieg handeln, der durch ein Zurückgehen der Zahl der Berufungen sowie durch die im Regelfall bessere Aufbereitung des Sach- und Streitstandes kompensiert wird.

Die Einführung von Präklusionsvorschriften und die Streichung des § 109 SGG ermöglichen eine ökonomischere Verfahrensgestaltung, von der Einsparungen zu erwarten sind.

Eine Bezifferung der zu erwartenden Einsparungen ist derzeit nicht möglich.

2. Vollzugsaufwand

Keiner

E. Sonstige Kosten

Entfällt

Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes


Der Präsident des Senats Hamburg, den 18. Januar 2005
der Freien und Hansestadt Hamburg



An den

Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck


Sehr geehrter Herr Präsident,

der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, dem Bundesrat den in der Anlage beigefügten

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes zu beschließen.

Ich bitte Sie, den Antrag gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
in Vertretung

Senator Dr. Roger Kusch

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Das Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

§ 145

Artikel 2

Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch

ln § 13 Abs. 5 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), das zuletzt durch ...geändert worden ist, wird die Angabe § 73 Abs. 6 Satz 3" durch die Angabe § 73 Abs. 8 Satz 3" ersetzt.

Artikel 3

Änderung des Gerichtskostengesetzes

Teil 7 der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) des Gerichtskostengesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), das zuletzt durch ...geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 4

Überleitungsvorschriften

Artikel 5

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.

Begründung

Allgemeiner Teil

I. Vorbemerkungen

Es besteht Übereinstimmung, dass in allen Bereichen der Justiz nach Wegen gesucht werden muss, die Verfahren effektiver zu gestalten und so zu einer Entlastung der Gerichte beizutragen. Diesbezügliche Maßnahmen sollten allerdings nicht mit einer Verschlechterung des Rechtsschutzes einhergehen, sondern vielmehr stets die Sicherung des Justizgewährungsanspruches im Auge behalten. Der Gesetzentwurf erfüllt diese Voraussetzungen, indem er die gerichtliche Arbeit erleichtert, ohne den Rechtsschutz des Bürgers zu beeinträchtigen.

Daneben steht der Entwurf im Lichte der seit langer Zeit bestehenden und gerade auch derzeit wieder aktuellen rechtspolitischen Bestrebungen der Vereinheitlichung der verwaltungsgerichtlichen Verfahrensordnungen (vgl. schon Speyerer Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes von 1969).

II. Ausgangslage

Die Sozialgerichtsbarkeit ist durch die Übertragung der Zuständigkeiten für zahlreiche bisher von der Verwaltungsgerichtsbarkeit behandelte Materien (Sozialhilfe, Grundsicherung, Asylbewerberleistungsgesetz) in erheblichem Maße zusätzlich belastet. Hinzu tritt der Umstand, dass in der Sozialgerichtsbarkeit die Berufung lediglich bei geringen Gegenstandswerten durch ein Zulassungserfordernis beschränkt ist ( § 144 des Sozialgerichtsgesetzes), während in der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 124) generell nur die Zulassungsberufung existiert. Durch den Übergang der genannten Materien auf die Sozialgerichte kommt es damit zu einer deutlichen Ausweitung der Rechtsmittelmöglichkeiten im Vergleich zum bisherigen Zustand. Auch sieht das Sozialgerichtsgesetz (SGG) - anders als die eng verwandte Verwaltungsgerichtsordnung - weder Präklusionsvorschriften noch einen Vertretungszwang in zweiter Instanz vor. Darüber hinaus existiert im SGG mit § 109 eine anderen Verfahrensordnungen fremde, systemwidrige Vorschrift, die es Beteiligten ermöglicht, die gutachterliche Äußerung von ihnen bestimmter Ärzte zusätzlich zu den Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erzwingen; diese Vorschrift wirkt häufig verfahrensverzögernd und ist durch sozial- oder gar rechtsstaatliche Grundsätze nicht vorgegeben.

III. Lösung

Die generelle Einführung einer Zulassungsberufung für das zweitinstanzliche Verfahren vor dem Landessozialgericht könnte die unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten durchaus nicht nötige Ausweitung der Berufungsmöglichkeiten verhindern und darüber hinaus zu einer spürbaren Reduzierung der zweitinstanzlichen Verfahren am Sozialgericht führen. Zudem wird die Einlegung der Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung künftig - wie im Verwaltungsgerichtsverfahren - bei der ersten Instanz, also dem Sozialgericht erfolgen. Da für die Verfahren zukünftig ohnehin Vertretungszwang besteht, ist nicht zu erwarten, dass diese Änderung dazu führt, dass in der Übergangszeit Berufungen bzw. Anträge auf deren Zulassung als unzulässig abgewiesen werden müssen, weil sie beim Landessozialgericht gestellt wurden.

Durch die Einführung des Vertretungszwangs in der zweiten Instanz - entsprechend der Regelung des § 67 VwGO - sollen die Berufungsverfahren versachlicht werden, was bereits für sich genommen einen nicht unerheblichen Entlastungseffekt hätte. Überdies trägt die Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten erfahrungsgemäß dazu bei, dass Berufungen nicht durchgeführt oder außergerichtlich erledigt werden.

Die Schaffung von Präklusionsvorschriften bindet die Beteiligten an ihre Mitwirkungspflicht als Prozessbeteiligte. Sie fördert aber darüber hinaus in erheblichem Maße die Prozessökonomie.

Die Streichung des § 109 trägt zur Verfahrensbeschleunigung bei.

IV. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (das gerichtliche Verfahren) i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG. Die bundesgesetzliche Regelung ist zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich.

V. Kosten

Durch die Einführung einer Zulassungsberufung sind Einsparungen zu erwarten, da die Quote der zugelassenen Berufungen in der vergleichbaren Verwaltungsgerichtsbarkeit nur gering ist (in Hamburg etwa beträgt sie 15-20 %) und die Bearbeitung eines Zulassungsantrags erheblich weniger aufwändig ist als die Durchführung eines Berufungsverfahrens.

Durch die Einführung des Vertretungszwangs werden Kläger in der Berufungsinstanz in geringem Umfang vermehrt Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen. Nach momentaner Einschätzung wird es sich aber nur um einen leichten Anstieg handeln, der durch ein Zurückgehen der Zahl der Berufungen sowie durch die im Regelfall bessere Aufbereitung des Sach- und Streitstandes kompensiert wird.

Die Einführung von Präklusionsvorschriften ermöglicht eine ökonomischere Verfahrensgestaltung, von der Einsparungen zu erwarten sind. Gleiches gilt für die Aufhebung des § 109.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die vorgenommenen Änderungen des Gesetzes.

Zu Nummer 2 (§ 63)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

Zu Nummer 3 (§ 73)

Zu Buchstabe a)

Die Vorschrift entspricht weitgehend § 67 Abs. 1 S. 2 VwGO. Dies dient zum einen dem Gesichtspunkt der Vereinheitlichung von Sozialgerichtsgesetzes und Verwaltungsgerichtsordnung und ist zum anderen deshalb sinnvoll, weil sich die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung in der Praxis bewährt haben. Die Norm führt dabei aber nur die im Sozialgerichtsgesetz bestehenden Rechtsbehelfe an: § 119 SGG kennt anders als § 99 Abs. 2 VwGO keinen Beschluss des Gerichts zur Vorlagepflicht einer Behörde, daher fehlt eine Regelung des Vertretungszwangs für den entsprechenden Rechtsbehelf. Die Beschwerde im Prozeßkostenhilfeverfahren bleibt vom Vertretungszwang befreit.

lm Unterschied zur entsprechenden Regelung in der VwGO ist klargestellt, dass sich der Vertretungszwang auch auf die Einlegung der Beschwerde bezieht; wegen der nicht eindeutigen Formulierung des § 67 VwGO ist diese Frage dort streitig.

Da das SGG den Vertretungszwang in § 166 Abs. 2 SGG bislang nur vor dem Bundessozialgericht vorsah, wird die Regelung im neu gefassten § 73 Abs.1 SGG nur für die Landessozialgerichte formuliert und verweist für den Begriff des Prozessbevollmächtigten auf § 166 Abs. 2 SGG, der den Vertretungszwang in der Revision regelt.

Personell erstreckt sich der Vertretungszwang auf die Beteiligten ( § 69 SGG), also auch auf Beigeladene. Er gilt nicht für Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts bzw. Behörden, Gewerkschaften und bestimmte Verbände, diese haben ein Selbstvertretungsrecht (vgl. BSG 36, 234; BSG 2, 159). Sie sind in der Lage, sich durch einen sachkundigen und erfahrenen Beamten oder Angestellten vertreten zu lassen, was in Absatz 2 nochmals ausdrücklich ausgesprochen wird.

Zu Buchstabe b)

Es handelt sich um eine Folgeregelung zu a), da der Regelungsgehalt der bisherigen Absätze 1 bis 6 erhalten bleiben soll.

Zu Buchstabe c)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 4 (§ 73a Abs. 3)

Zu Buchstabe a)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe b)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. Die Vorschrift ist zu streichen, da sie auf § 109 Bezug nimmt, der seinerseits in Wegfall gerät.

Zu Nummer 5 (§ 105 Abs. 2)

Die Neuregelung passt die Vorschrift an die entsprechende Regelung der VwGO (§ 84 Absatz 2) an. Dies ist notwendige Folge der Einführung der Zulassungsberufung und dient zudem der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen.

Zu Nummer 6 (§ 106 Abs. 2)

Die Änderung gleicht § 106 Absatz 2 bis 4 SGG dem § 87 VwGO an und regelt, dass der Vorsitzende und der Berichterstatter alternativ oder auch kumulativ für das vorbereitende Verfahren zuständig sind. Dies gilt als verfassungsrechtlich unproblematisch. Ein Vorrang des Vorsitzenden lässt sich auch der VwGO nicht entnehmen. Unterschiedliche oder gar widersprüchliche Anordnungen vom Vorsitzenden und dem Berichterstatter tauchen in der Praxis auch selten auf, da der Vorsitzende ab Bestimmung des Berichterstatters in aller

Regel eigene Vorbereitungshandlungen unterlässt (vgl. Bader et al. - Kuntze, VwGO 2002, § 87 Rn. 5).

Zu Nummer 7 (§ 106a)

Die Vorschrift greift das in nahezu allen anderen Verfahrensordnungen geregelte Institut der Präklusion auf und regelt für das sozialgerichtliche Verfahren, dass auch hier der Beschleunigungsmaxime erhebliche Bedeutung zukommt. Auch wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz (§ § 86 VwGO, 103 SGG) gilt, haben die Beteiligten gewisse Prozessförderungspflichten, die für das sozialgerichtliche Verfahren bislang aber nur rudimentär in den §§ 104,106 SGG zum Ausdruck kamen. Der neu eingeführte § 106a SGG konkretisiert und erweitert diese Pflichten dahingehend, dass die Beteiligten Prozesshandlungen rechtzeitig vornehmen müssen.

Die begründete Zurückweisung eines Vorbringens ist im Sinne einer abgewogenen Entscheidung gegen die Amtsermittlungspflicht zugunsten des Beschleunigungserfordernisses verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl. BVerfG in NJW 1993, 1635; BVerwG in UPR 1996, 386).

Da Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens Ziele des Gesetzes sind, sollten die Vorschriften auch nur dort Anwendung finden, wo die Feststellung ihrer Voraussetzungen keinen besonderen Aufwand erfordert.

Die Vorschriften sind im Wortlaut weitgehend identisch mit § 87b Abs. 1 bis 3 VwGO. In Absatz 1 ist allerdings nicht wie in der VwGO ein Satz 2 enthalten: § 87b Absatz 1 Satz 2 VwGO enthält einen Verweis auf § 82 Absatz 2 Satz 2 VwGO - eine entsprechende Vorschrift gibt es im SGG nicht, der vergleichbare § 92 SGG ist als Sollvorschrift ausgestaltet und sieht keine Fristsetzung vor.

Die Absätze 1 bis 3 enthalten eine Einschränkung des in § 103 SGG festgelegten Amtsermittlungsgrundsatz. Der Anwendungsbereich besteht insbesondere für solche Tatsachen und Beweismittel, die in der persönlichen oder dienstlichen Sphäre eines Beteiligten liegen und dem Gericht nicht sonst zugänglich sind. Er ist aber nicht auf den persönlichen Erfahrungsbereich der Prozessbeteiligten beschränkt (BVerwG in NVwZ-Beil. 2000, 99).

Absatz 1 betrifft nur die klagende Partei. Er gilt nicht für den Fall, dass der ursprünglich und rechtzeitig vorgetragene Lebenssachverhalt zu einem späteren Zeitpunkt vertieft wird. Auch gehört eine Klagebegründung in Form von Rechtsausführungen zumindest im erstinstanzlichen Verfahren nicht zu den Pflichten des Klägers.

Absatz 2 gilt für alle Prozessbeteiligten. Das Gericht muss die Vorgänge, zu denen es einen Parteivortrag verlangt, so klar bezeichnen, dass der Beteiligte ohne weitere Nachforschungen weiß, welcher Sachverhalt gemeint und was vom Gericht gewollt ist.

Absatz 3 regelt die eigentliche Zurückweisung verspäteter Vorträge der Beteiligten. Er gilt für alle Prozessbeteiligten, seine Anwendung ist aber nur zu Lasten des säumigen Beteiligten sinnvoll.

Für die Präklusion nach Absatz 1 bis 3 muss festgestellt werden, dass bei Zulassung des Vorbringens der Rechtsstreit länger dauern würde als im Fall der Zurückweisung (vgl. BGHZ 86, 31). Da die Beurteilung der Prozesssituation dem Gericht obliegt, ist Abs. 3 fakultativ ausgestaltet. Es handelt sich also insgesamt um eine Ermessensentscheidung, ob ein Vortrag als verspätet zurückgewiesen wird (BSG SozSich 01,144). Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. etwa BVerfG 1. Senat, Beschluss vom 5. Mai 1987, Az: 1 BvR 903/85) sind zu beachten.

Zu Nummer 8 (§ 109 alte Fassung)

Diese Vorschrift gibt den Verfahrensbeteiligten das Recht, einen bestimmten Arzt gutachterlich hören zu lassen, obwohl das Gericht das im Rahmen seiner Amtsaufklärung nicht für nötig hält. Die Vorschrift ist geeignet, im Einzelfall erhebliche Verfahrensverzögerungen hervorzurufen, zumal entsprechende Anträge der Beteiligten nur unter äußerst engen Voraussetzungen abgelehnt werden können. Sie stellt zudem eine systemwidrige Durchbrechung des das SGG beherrschenden Amtsaufklärungsgrundsatzes dar. Entsprechende Regelungen finden sich in keiner anderen Verfahrensordnung.

Die Vorschrift soll daher aufgehoben werden. Das ist auch deshalb unbedenklich, weil die Beteiligten selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit haben, Ärzte ihres Vertrauens als Privatgutachter hinzuzuziehen beziehungsweise das von diesen Ärzten erlangte Wissen in anderer Form in den Rechtsstreit einzubringen.

Die Parteien sind zudem durch den Amtsaufklärungsgrundsatz hinreichend geschützt. Erfahrungen der Ziviljustiz in der vergleichbaren Materie des Arzthaftungsrechtes zeigen, dass es einer solchen Vorschrift durchaus nicht bedarf. Dabei ist sogar noch zu beachten, dass im Zivilprozess der Amtsermittlungsgrundsatz nicht gilt (wenngleich die Rechtsprechung für den Bereich der Arzthaftung sehr weitreichende Amtsaufklärungserfordernisse fordert) und zudem die Anforderungen an Darlegung und Nachweis eines ärztlichen Verschuldens in aller Regel deutlich höher sein werden als die Anforderungen an die Begründetheit einer Klage beim Sozialgericht, in der regelhaft kein Verschuldensnachweis zu erbringen ist, sondern es nur auf die Feststellung eines gewissen Gesundheitszustandes ankommt.

Zu Nummer 9 (§ 115)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 10 (§ 143 alte Fassung)

Die Regelung des § 143 SGG wird durch die generelle Einführung einer Zulassungsberufung überflüssig und fällt weg.

Zu Nummer 11 (§§ 144, 145) Zu § 144 Abs. 1 bis 3

Die Vorschriften sind dem § 124 VwGO nachempfunden. Zukünftig soll die Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung zunächst beim Sozialgericht gestellt werden. Dies entspricht der Verfahrensweise im Verwaltungsgerichtsverfahren und ist im Sinne der Entlastung der Landessozialgerichte sowie einer Harmonisierung des Sozialgerichtsgesetzes mit der Verwaltungsgerichtsordnung sinnvoll. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Urteile, also auch etwa auf solche im Sinne des § 130 SGG.

Absatz 2 beschränkt die Zulassung auf die bereits in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle, in denen eine Berufung erforderlich erscheint.

Zu § 144 Abs. 3 alte Fassung

Der Absatz 3 der Vorschrift kann wegfallen, da sein Regelungsgehalt in den neu gefassten § 145 SGG aufgenommen wird.

Zu § 145

Die Vorschrift ist § 124a der Verwaltungsgerichtsordnung nachempfunden. Sie normiert, dass die Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung stets beim Sozialgericht zu stellen ist. Das Sozialgericht wird damit wie im Verwaltungsgerichtsverfahren zur Eingangsstation für das zweitinstanzliche Verfahren. Wie dort leitet es die Akten sodann ohne Verzögerung an das Landessozialgericht weiter; das erspart einen Aktenanforderungsvorgang.

Auch die Fristen zur Berufungsbegründung sind der Verwaltungsgerichtsordnung angeglichen worden.

ln Absatz 4 Satz 5 ist zusätzlich klargestellt, dass die Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung regelmäßig direkt beim Landesozialgericht erfolgen muss, was wiederum einen Übersendungsvorgang erspart. Insofern liegt eine Abweichung zur Regelung der VwGO vor.

Der Regelungsgehalt des § 144 Absatz 3 a.F. wird in § 145 Absatz 1 mit aufgenommen.

Zu Nummer 12 (§§ 151, 152 alte Fassung)

Da die Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung künftig beim Sozialgericht zu stellen ist, besteht für die Vorschriften kein Anwendungsbereich mehr. Die Einführung des Vertretungszwangs in der zweiten Instanz macht es überflüssig, dem Kläger die nach bisherigem Recht in § 151 Abs. 1 und 2 SGG bestehende Möglichkeit zu erhalten, die Berufung entweder beim Sozialgericht oder beim Landessozialgericht einzureichen.

Der Regelungsgehalt des § 151 a. F. (Berufungseinlegung, Frist, Form) wird von § 145 Absätze 2 und 3 abgedeckt.

Zu Nummer 13 (§ 153 Abs. 4)

Die Vorschrift regelt die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss. Da sie bisher auf § 105 Absatz 2 a. F. Bezug nimmt, muss sie angepasst werden. Dies wird zum Anlass genommen, die Beschlusszurückweisung in Abweichung zur bisherigen Rechtslage auch dann zuzulassen, wenn in der ersten Instanz durch Gerichtsbescheid entschieden wurde.

Dies entspricht der Rechtslage in der Verwaltungsgerichtsordnung (dort § 130a) und dient der Verfahrensbeschleunigung. Rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehen schon deshalb nicht, weil der Unterlegene in erster Instanz nach Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung beantragen kann und eine mündliche Verhandlung in zweiter Instanz nicht erforderlich ist.

Zu Nummer 14 (§ 154)

Zu Buchstabe a)

Es handelt sich eine Folge der Neuregelung der Zulassungsberufung. Da die Nichtzulassungsbeschwerde komplett entfällt, gibt es keinen Anwendungsbereich mehr für die bisherige aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Andererseits ist es sinnvoll, dem Antrag auf Zulassung aufschiebende Wirkung beizumessen, da ansonsten der Fall eintreten könnte, dass die Vollstreckung zunächst eine Zeitlang zulässig ist, mit Zulassung und Einlegung der Berufung dann aber die aufschiebende Wirkung des § 154 eintritt. Das kann nur vermieden werden, wenn man bereits dem Antrag auf Zulassung der Berufung aufschiebende Wirkung beimisst.

Zu Buchstabe b)

Es handelt sich um eine Folge der Neuregelung der Zulassungsberufung. Auf die Begründung zu Buchstabe a) wird verwiesen.

Zu Nummer 15 (§ 157a)

Es handelt sich um eine Folgevorschrift zum neu gefassten § 106a. Sie regelt die Geltung der Präklusionsvorschriften auch für die Rechtsmittelinstanz, sofern der Beteiligte vom Sozialgericht auf die Folgen verspäteten Vorbringens hingewiesen wurde.

Die Vorschrift gilt über § 165 SGG auch für das Revisionsverfahren.

Zu Nummer 16 (§ 160)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung, bedingt durch die Aufhebung des § 109.

Zu Nummer 17 (§ 183)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung, bedingt durch die Aufhebung des § 109.

Zu Artikel 3

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung, bedingt durch die Änderung des § 73 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zu Artikel 4

Die Änderungen werden durch die Einführung der Zulassungsberufung erforderlich. Es müssen neue Kostentatbestände für den Antrag auf Zulassung der Berufung geschaffen werden; im Gegenzug geraten die Kostentatbestände für die nicht mehr existente Nichtzulassungsbeschwerde in Wegfall. Die Gebührenhöhe für den Antrag auf Zulassung der Berufung entspricht derjenigen für die bisherige Nichtzulassungsbeschwerde, so dass es nicht zu Mehrbelastungen der Rechtssuchenden kommt.

Zu Artikel 4

Hier sind Übergangsvorschriften geregelt. Es wird bestimmt, auf welche Verfahren die neuen Vorschriften über die Zulassungsberufung und den Vertretungszwang Anwendung zu finden haben. Ferner wird klargestellt, dass auch nach Streichung des Hinweises auf § 109 in § 183 SGG bereits gerichtlich angeordnete Kostenübernahmen und Kostenvorschüsse nach § 109 wirksam bleiben; dies ist für Fälle erforderlich, in welchen noch vor Inkrafttreten nach § 109 verfahren wurde, der Rechtsstreit aber noch nicht beendet ist. Hinsichtlich der Präklusionsvorschriften bedurfte es keiner Übergangsregelungen.

Zu Artikel 5

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten.