Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Zivilprozessordnung

In § 495a Satz 1, § 511 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202, 2006 I S. 431, 2007 I. S. 1781), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird jeweils die Zahl "600 " durch die Zahl "1 000" ersetzt.

Artikel 2
Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

Die Ziviljustiz ist hohen Belastungen ausgesetzt, die durch Personalverstärkungen nicht aufgefangen werden können. Es gilt daher, die vorhandenen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Das heißt, dass sie dort zum Einsatz kommen müssen, wo die Justizgewährung unabdingbar ist. Diese Konzentration der knappen Mittel bedeutet aber auch, dass in denjenigen Bereichen Einsparungen erfolgen, in denen sie verfassungsrechtlich und justizpolitisch vertretbar erscheinen. Das ist in Bezug auf die Anhebung der Berufungssumme der Fall.

Die Justizhaushalte werden infolge des Wegfalls der Berufungsverfahren in den Bereichen zwischen 600 und 1 000 Euro durch Verringerung des Personalbedarfs im richterlichen und nachgeordneten Bereich entlastet werden. Im richterlichen Bereich können bundesweit ca. 65 Stellen eingespart werden. Darüber hinaus werden sich die Ausgaben für Prozesskostenhilfe reduzieren, da durch die Gesetzesänderung die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz in dem betroffenen Streitwertbereich entfällt.

Für die Parteien bedeutet die Durchführung eines Berufungsverfahrens bei geringen Streitwerten regelmäßig, dass die Kosten des Rechtsstreits dem Streitwert entsprechen oder ihn sogar übersteigen. Insbesondere derjenigen Partei, die kein Interesse an der Durchführung des Berufungsverfahrens hat, wird daher durch den Berufungsrechtszug ein Risiko auferlegt, dass einzugehen unvernünftig erscheint. Es ist nicht sinnvoll, wenn Rechtsstreitigkeiten nicht wegen der eigentlichen Hauptsache, sondern aus Kosteninteressen geführt werden.

Mit dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) wurde die Berufungssumme von damals 1 500 DM auf 600 Euro herabgesetzt. Damit wurde die Berufungssumme mit der Bagatellgrenze des § 495a ZPO harmonisiert, die es dem Amtsgericht erlaubt, das Verfahren nach billigem Ermessen zu bestimmen. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Wirtschaftlichkeitsargumente, aber auch im Zuge des allgemeinen Preisanstiegs erscheint es nunmehr geboten, diese Grenze jedenfalls für die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit neu zu fassen.

Aus diesen Gründen hat die Justizministerkonferenz am 1. und 2. Juni 2006 beschlossen vorzuschlagen, die Berufungssumme von 600 Euro auf mindestens 1 000 Euro anzuheben und darüber hinaus die Rechtsmittel des arbeitsgerichtlichen und Die Einschränkung der Rechtsmittelmöglichkeiten ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Plenarbeschluss vom 30. April 2005 (BVerfGE 107, 385 <402>) in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen eröffne keinen unbegrenzten Rechtsweg. Der Rechtsweg müsse offen stehen und die Entscheidung eines Gerichts ermöglichen. Grundsätzlich sei von Verfassungs wegen aber die einmalige Möglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung ausreichend. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung der verschiedenen Interessen zu entscheiden, ob mehrere Instanzen bereitgestellt würden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden könnten. Ein Instanzenzug sei nicht garantiert.

Nach der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung kann daher im Regelfall die Möglichkeit, in Fällen geringer Streitwerte ein Rechtsmittel vorzusehen, entfallen. In Sachen von grundsätzlicher Bedeutung bleibt es bei der möglichen Zulassung der Berufung durch das erstinstanzliche Gericht gemäß § 511 Abs. 4 ZPO. Soweit eine Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, aber der Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs versagt worden sein sollte, steht der Partei die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß § 321a ZPO zu.

Auch der Vergleich mit den Verfahrensordnungen anderer Länder legt eine Erhöhung der Berufungssumme nahe. Soweit in anderen europäischen Staaten die Statthaftigkeit der Berufung von der Erreichung einer Berufungssumme abhängig ist, liegt diese stets höher als nach gegenwärtigem deutschem Recht. In den Niederlanden beträgt die Berufungssumme 1 750 Euro, in Frankreich sogar 4 000 Euro. In Italien sind Berufungen gegen Urteile des Friedensrichters grundsätzlich nur ab einer Berufungssumme von 1 100 Euro zulässig. In Österreich sind Berufungen zwar generell möglich. Übersteigt der Wert der Sache jedoch 2 000 Euro nicht, so ist ein vereinfachtes Verfahren mit geringerer Kontrolldichte (Bagatellberufung) vorgesehen.

Der Mindeststreitwert für eine zulässige Berufung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten in arbeitsgerichtlichen Verfahren wird ebenfalls von 600 auf 1 000 Euro erhöht. Damit wird die erstmalig im Jahr 2000 vollzogene Anpassung der Berufungssumme an die der ordentlichen Gerichtsbarkeit beibehalten und der Einheitlichkeit der Prozessordnungen weiterhin Rechnung getragen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu § 495a Satz 1 ZPO

Mit der vorgeschlagenen Berufungssumme soll die Wertgrenze für das Verfahren nach billigem Ermessen ( § 495a ZPO) übereinstimmen, wie dies auf der Basis von 600 Euro auch gegenwärtig der Fall ist.

Zu § 511 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO

Die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wurde durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz von 1 500 DM auf 600 Euro herabgesetzt. Sie soll nunmehr auf 1 000 Euro angehoben werden.

Als Folgeänderung ist auch die Summe in § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO an die geänderte Berufungssumme anzupassen. Diese muss der Berufungssumme entsprechen, weil die Vorschrift des § 511 Abs. 4 ZPO die ausnahmsweise Zulassung von Berufungen in den Fällen regelt, in denen die Berufungssumme nach § 511 Abs. 1 ZPO nicht erreicht wird.

Zu Artikel 2 (Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG)

Mit der Anhebung der Berufungssumme im Arbeitsgerichtsgesetz wird die im Jahr 2000 erstmalig vollzogene Anpassung dieses Wertes an den der ordentlichen Gerichtsbarkeit beibehalten und damit der Einheitlichkeit der Prozessordnungen weiterhin Rechnung getragen. Die Änderung führt im Interesse der Rechtssuchenden darüber hinaus zu einer nennenswerten Verfahrensbeschleunigung in den Verfahren, die nicht die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer existenziell wichtigen Arbeitsverhältnisse und einen hieraus resultierenden Bestandsschutz zum Gegenstand haben.

Zu Nummer 2 (§ 118 - neu - ArbGG)

Für das arbeitsgerichtliche Verfahren wird eine eigenständige Übergangsvorschrift mit dem Regelungsinhalt des Artikels 3 aufgenommen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung)

§ 36 EGZPO-E entspricht der durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-Reformgesetz) vom 27. Juli 2001 in § 26 Nr. 5 EGZPO eingefügten Übergangsbestimmung aus Anlass des in diesem Gesetz geänderten Berufungsrechts. Durch sie ist § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der neuen Fassung auf im Zeitpunkt der Gesetzesänderung anhängige Verfahren nur eingeschränkt anwendbar. Für Verfahren, die zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig sind und in denen die mündliche Verhandlung bereits geschlossen ist oder - in Verfahren ohne mündliche Verhandlung - die vom Gericht gesetzte Frist für schriftliches Vorbringen abgelaufen ist und zum Abschluss der Instanz nur noch ein Urteil ergehen muss, gilt das alte Recht fort. In Fällen, in denen noch keine Entscheidungsreife eingetreten ist, soll das neue Recht mit der höheren Berufungssumme maßgebend sein. Die Zulässigkeit der Berufung soll nicht von der von den Parteien nicht zu beeinflussenden Frage abhängen, wann das Urteil ergeht. Insbesondere wenn ein Verkündungstermin einmal oder mehrfach verschoben wird und so der Termin der Verkündung des Urteils auf einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten des neuen Berufungsrechts hinausgeschoben wird, dürfte es als ungerecht empfunden werden, der unterlegenen Partei die Berufungsmöglichkeit abzuschneiden, allein weil das Gericht das Urteil nicht unmittelbar auf die mündliche Verhandlung sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Die gleichen Grundsätze müssen gelten, wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet und der Verhandlungstermin durch einen Termin ersetzt wird, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Demgegenüber ist es in den Fällen, in denen die Verhandlung noch nicht abgeschlossen ist, den Parteien zuzumuten, dass die Rechtsänderung das von ihnen geführte Verfahren beeinflusst.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Die Vorschriften sollen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.