Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze

Der Bundesrat hat in seiner 884. Sitzung am 17. Juni 2011 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:*

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

2. Zum Gesetzentwurf allgemein

3. Zu Artikel 1 allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Beteiligung der Kommunen bei der Erarbeitung der Bundesfachplanung und im Planfeststellungsverfahren zu stärken.

Begründung:

Nach Artikel 1 § 15 des Gesetzentwurfs ist die Bundesfachplanung, die nach Artikel 1 § 5 Absatz 1 des Gesetzentwurfs die Bundesnetzagentur erstellt, für die folgenden Planfeststellungsverfahren verbindlich und hat Vorrang vor Landesfachplanungen. Nach Artikel 1 § 18 Absatz 3 Satz 1 des Gesetzentwurfs sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Wege der Abwägung zu berücksichtigen. Eine besondere Einbeziehung und Bewertung der Belange der Kommunen sehen weder diese Regelungen noch die in Artikel 1 § 18 Absatz 3 Satz 2 des Gesetzentwurfs einbezogenen Regelungen der §§ 43 ff EnWG vor.

Die Landesplanungsbehörden werden bei den vorgesehenen Bundesfachplanverfahren nach Artikel 1 § 7 des Gesetzentwurfs lediglich beteiligt. Nach Artikel 1 § 7 Absatz 3 Satz 2 des Gesetzentwurfs ist die Bundesnetzagentur an die Vorschläge der Länder nicht gebunden. Durch die Festlegungen der Bundesnetzagentur müssten die Kommunen ihre Planungen entsprechend anpassen, was als Eingriff in die kommunale Planungshoheit zu werten ist. Es kann auch durch diese Fachplanung die bereits bestehende Planung der Kommunen nachhaltig beeinträchtigt und es können auch wegen der Großräumigkeit der Fachplanung wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer Durchsetzung gemeindlicher Planung entzogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.2003 -BVerwG 9 A 40.02).

Diese Eingriffe in die kommunale Planungshoheit sind gravierend und bedürfen einer entsprechenden Abwägungsvorgabe. Vorgesehen sind jedoch lediglich die Beteiligung und die Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen durch die Landesplanungsbehörden in Artikel 1 §§ 9 und 14 des Gesetzentwurfs. Die Einwendungen führen auch nur zu einer Stellungnahme der Bundesnetzagentur, die binnen eines Monats zu erteilen ist. Auch sind in dem der Bundesnetzagentur beigegebenen Bundesfachplanungsrat zwar Vertreter der Länder vorgesehen, nicht jedoch Vertreter der Kommunen. Es kann damit nicht erkannt werden, dass, zumal bei der Größe der Vorhaben, die Bundesnetzagentur in der Lage sein kann, eine hinreichende Abwägung ihrer Planungen mit denen der einzelnen Kommunen vornehmen zu können.

Gleiches gilt auch für die einzelnen Planfeststellungsverfahren und in denen die Träger öffentlicher Belange einschließlich der Landesraumordnungsbehörden lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme nach Artikel 1 § 22 des Gesetzentwurfs erhalten. Die Durchführung von Raumordnungsverfahren anstelle von Planfeststellungsverfahren, z.B. genutzt beim Ausbau von Eisenbahnstrecken, ist ausdrücklich in Artikel 1 § 28 des Gesetzentwurfs ausgeschlossen.

Es kann damit nicht erkannt werden, dass die Interessen und die Planungshoheit der Kommunen mit dem Gesetzentwurf hinreichend berücksichtigt werden.

4. Zu Artikel 1 (§§ 4, 18, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 28, 29, 30, 31, 33 NABEG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die gegenwärtige Konzeption des NABEG, die Durchführung der Planfeststellungsverfahren für die dem NABEG unterfallenden Vorhaben der BNetzA zu übertragen, ist abzulehnen. Die BNetzA verfügt als Regulierungsbehörde - anders als die in den Ländern zumeist zuständigen Bezirksregierungen - über keinerlei Erfahrungen mit Planfeststellungsverfahren und muss diese Kompetenz erst aufbauen. Auch die angestrebte Akzeptanz für den Leitungsbau durch Transparenz des Planungsverfahrens dürfte mit einer Verfahrensführung durch eine ortsferne Bundesbehörde kaum zu erreichen sein. Sie führt außerdem zur Zersplitterung der Zuständigkeiten, denn Planfeststellungen für Hochspannungsleitungen werden künftig möglich sein

Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass die festgestellten Verfahrensverzögerungen in den EnLAG-Vorhaben ihre Ursachen in der Zuständigkeit der Länder haben könnten. Insofern spricht nichts dafür, von der bislang bewährten Zuständigkeitsregelung abzuweichen.

Buchstabe a stellt klar, dass die konkrete Trasse eines Leitungsbauvorhabens erst im Planfeststellungsverfahren festgelegt wird, nachdem durch die vorlaufende Bundesfachplanung nur Trassenkorridore bestimmt werden. Des Weiteren wird die Zuständigkeit der Länder für die Durchführung der Planfeststellungsverfahren geregelt. Die weiteren Buchstaben b bis o setzen diese Zuständigkeitsregelung in den Verfahrens- und sonstigen Vorschriften der Abschnitt 3 - 6 des NABEG um.

5. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 4 - neu -, § 28a - neu - NABEG) und zu Artikel 4 ( § 5 Absatz 4 StromNEV)

Begründung:

Durch § 2 Absatz 4 wird klargestellt, dass Gemeinden einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen für die Beeinträchtigung durch Hochspannungsfreileitungen haben, die auf ihrem Gebiet errichtet werden. Die nähere Ausgestaltung wird durch Rechtsverordnung geregelt und folgt den Reglungen des Konzessionsabgabenrechts.

6. Zu Artikel 1 (§ 9 Absatz 2 Satz 3 NABEG)

In Artikel 1 ist § 9 Absatz 2 Satz 3 wie folgt zu fassen:

"Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange sind entsprechend § 73 Absatz 3a Satz 2 VwVfG zu berücksichtigen."

Begründung:

Die Behörde hat als "Wahrer und Hüter des Gemeinwohls" auch nach Fristablauf unter engen Voraussetzungen öffentliche Interessen, die in verspäteten Stellungnahmen vortragen werden, zu berücksichtigen. Das gilt namentlich für solche Belange, die der Behörde bekannt sind oder hätten bekannt sein müssen (vgl. § 73 Absatz 3a Satz 2 VwVfG). Es gilt insoweit der Amtsermittlungsgrundsatz, denn die Behörde hat eine gemeinwohlorientierte Entscheidung zu treffen. Umso mehr gilt dies, wenn sie sich eines "privaten Projektmanagers" bedient, der nicht wie eine Behörde aus amtlicher Tätigkeit über zahlreiche Kenntnisse von öffentlichen Interessen verfügt und nicht per se gemeinwohlorientiert handelt.

7. Zu Artikel 1 (§ 11 Absatz 1 NABEG)

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren zu konkretisieren und enger zu fassen.

Begründung:

Die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren sind sehr großzügig gewählt. Die Kriterien des Absatz 1 Satz 1 ermöglichen das vereinfachte Verfahren, wenn bestehende Leitungen "ersetzt" oder "ausgebaut" werden (Nummer 1), unmittelbar neben einer Trasse eine weiter errichtet wird (Nummer 2) oder innerhalb des ausgewiesenen Trassenkorridors eine Neubau (Nummer 3) erfolgen soll. Auch bei diesen Aus- oder Neubauvorhaben können erhebliche Umweltauswirkungen auftreten, die zusätzlich oder erstmalig sind. Dies gilt auch für Gesundheitsaspekte, etwa wenn der Abstand zur Wohnbebauung nicht mehr eingehalten oder verringert wird. Auch kann die "Aufstockung" einer bestehenden Hochspannungsleitung auf deine Höchstspannungsleitung im Hinblick auf die Umwelt- und Gesundheitsvorsorge qualitativ etwas "Neues" sein.

8. Zu Artikel 1 (§ 11 Absatz 2 und § 14 NABEG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

" § 14 Einvernehmen der Länder

Mit den Ländern, die von Entscheidungen nach § 12 Absatz 2 und 3 betroffen sind, ist das Einvernehmen herzustellen."

Begründung:

Die Änderungen der §§ 11 und 14 stellen sicher, dass die Länder auch in dem der Aufstellung des Bundesbedarfsplanes nachgeschalteten Verfahren der Bundesfachplanung über angemessene Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten verfügen. Hierfür ist vorgesehen, dass die Bundesnetzagentur als künftige zentrale Planungsbehörde für den Ausbau des Übertragungsnetzes für Entscheidungen hinsichtlich bestimmter Trassenkorridore stets das Einvernehmen mit den zuständigen Ländern bzw. Landesbehörden herzustellen hat.

9. Zu Artikel 1 (§ 12 Absatz 2 Satz 3 NABEG)

In Artikel 1 sind in § 12 Absatz 2 Satz 3 die Wörter "ist berechtigt" durch das Wort "soll" zu ersetzen.

Begründung:

Die Bundesnetzagentur ist berechtigt, dem Übertragungsnetzbetreiber eine angemessene Frist zur Antragstellung auf Planfeststellung zu setzen. Aus

Gründen der Verfahrensbeschleunigung und zur Vermeidung einer Blockierung von konkurrierenden Investitionen soll die Fristsetzung seitens der Behörde erfolgen, d.h. in der Regel erfolgt eine Fristsetzung. Die Formulierung "ist berechtigt" ist zu offen und birgt die Gefahr von unnötigen Diskussionen und Rechtstreitigkeiten in der Praxis. Die Ausgestaltung als Regelfristsetzung ist daher erforderlich, um einen rechtsicheren Vollzug zu ermöglichen.

10. Zu Artikel 1 (§ 15 Absatz 2 Satz 1 und 2 NABEG)

In Artikel 1 ist § 15 Absatz 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Geltungsdauer der Ergebnisse der Bundesfachplanung wäre mit zehn Jahren und einer Verlängerungsmöglichkeit um weitere fünf Jahre unangemessen lang, um einen beschleunigten Netzausbau voranzubringen. Sie setzte ungewollt einen Anreiz, auf "Vorrat" zu planen. Wie im Planfeststellungsrecht üblich sind fünf Jahre praxisgerecht und geeignet, um die notwendige Aktualität der Planung zu gewährleisten und einen ausreichenden Geltungszeitraum der Planung einzuräumen. Auch wird so der Zeitraum mit dem der Veränderungssperre harmonisiert. Dieser beträgt fünf Jahre (vgl. § 16 Absatz 1 Satz 2). Darüber hinaus wird eine einmalige Verlängerungsoption um weitere drei Jahre eingeräumt und damit ein Geltungszeitraum von insgesamt acht Jahren ermöglicht.

11. Zu Artikel 1 (§ 16 NABEG)

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu klären, ob eine Entschädigungsregelung für bereits genehmigte Vorhaben notwendig ist und, wenn ja, wer die Entschädigung zu zahlen hat.

Begründung:

Dem Wortlaut des § 16 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 nach erstreckt sich die Veränderungssperre auch auf bereits genehmigte Vorhaben und baulichen Anlagen, die noch nicht realisiert sind und daher nicht mehr verwirklicht werden dürfen. Es stellt sich daher die Frage der Entschädigung seitens der öffentlichen Hand und der Bestimmung, ob ggf. der Bund oder die Länder zur Zahlung verpflichtet wären. Eine Klärung dieser Bestandsschutz- und Entschädigungsfragen ist geboten.

12. Zu Artikel 1 (§ 27 Absatz 1 Satz 3 NABEG)

In Artikel 1 ist in § 27 Absatz 1 Satz 3 nach den Wörtern "Ergebnis durch den" das Wort "bestandskräftigen" einzufügen.

Begründung:

Die Formulierung "...bestätigt wird." am Ende des Satzes 3 ist zu unbestimmt und führt damit zu einer Rechtsunsicherheit. Es wird nicht deutlich, ob die aufschiebende Bedingung, bereits erfüllt ist, sobald der Planfeststellungsbeschluss gefasst wurde, oder ob der Planfeststellungsbeschluss das Stadium der Unangreifbarkeit erreicht haben muss. Da ein Planfeststellungsbeschluss angreifbar ist, ist es möglich, dass ein entsprechender Planfeststellungsbeschluss, der den vorzeitigen Besitzeinweisungsbeschluss bestätigt, noch erfolgreich angegriffen wird, obwohl das Enteignungsverfahren fortgesetzt wird. Aus Gründen der Rechts- und Verfahrenssicherheit ist das Wort "bestandskräftig" einzufügen.

13. Zu Artikel 1 (§ 27 Absatz 2 NABEG)

In Artikel 1 ist § 27 Absatz 2 zu streichen.

Begründung:

Aus der Regelung zum vorzeitigen Enteignungsverfahren in § 27 Absatz 2 des Gesetzentwurfs wird nicht deutlich, welcher zeitliche oder rechtliche Vorteil mit dem vorzeitigen Verfahrensbeginn erreicht wird. Im Gegenteil führt ein erfolgreich angegriffener Planfeststellungsbeschluss sogar dazu, dass die Enteignungsbehörde das vorzeitige Enteignungsverfahren wieder von Anfang an beginnen muss und der zeitliche Vorteil insbesondere für den Vorhabensträger dann zu einem Nachteil wird. Außerdem wird die Enteignungsbehörde durch die im Falle einer erfolgreichen Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses zu wiederholenden Verfahrensschritte des Enteignungsverfahrens einem doppelten Arbeitsaufwand ausgesetzt.

14. Zu Artikel 2 Nummer 7 und 8 (§ 44b Absatz 1a, § 45b EnWG)

In Artikel 2 sind die Nummern 7 und 8 zu streichen.

Begründung:

Eine aufschiebend bedingte Besitzeinweisung vor dem förmlichen Abschluss des tragenden Genehmigungsverfahrens brächte allenfalls Zeitgewinne von wenigen Wochen, da das "Gebotensein" des vorzeitigen Baubeginns nach § 44b Absatz 1 EnWG vor Erlass der Genehmigungsentscheidung fragwürdig ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerwG kann sich ein Enteignungsbetroffener umfassend gegen eine Genehmigungsentscheidung wehren und z.B. auch rügen, dass bei korrekter Anwendung des Naturschutzrechtes die Trasse nicht über sein Grundstück führen würde. Es ist auch kein Abwarten von Auslegungsfristen erforderlich weil der Planfeststellungsbeschluss gegenüber denjenigen, denen die Genehmigungsentscheidung individuell zugestellt wird, was auch in Massenverfahren statthaft ist, sofort mit der Individualzustellung wirksam wird.

Die theoretisch zu erwartende und zudem überschaubare Beschleunigung würde sich in der behördlichen Praxis durch ein wesentlich höheres Konfliktpotenzial, zusätzliche Prozesse und Änderungsverfahren im Enteignungs- und Besitzeinweisungsverfahren in eine faktische Verfahrensverlängerung verkehren. Gerade Maststandorte sind selbst innerhalb eines bereits parzellenscharfen Trassenkorridores örtlich noch relativ gut disponibel, was erhebliches Potenzial für Änderungen der angedachten Genehmigung bietet. Mit der vorgeschlagenen Beschleunigung des vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahrens wird zudem verkannt, dass es auch im Enteignungsrecht rechtsstaatlich unabdingbare Fristen gibt, die mehrfach laufen würden, wenn es noch zu Änderungen käme.

Die angestrebte Akzeptanz und das Rechtsvertrauen der Bürger würden erheblich leiden, wenn bereits vor einer Planfeststellung oder Plangenehmigung vorläufig enteignet werden dürfte.

Die in der Begründung des Gesetzentwurfes zu Artikel 2 Nummer 7 unter Bezug auf die Begründung zu Artikel 1 § 27 bemühte Ähnlichkeit mit dem Parallelverfahren nach § 33 BauGB trägt nicht: Bei § 33 BauGB laufen Bebauungsplanverfahren und Genehmigungsverfahren parallel, ohne dass es um einen enteignungsrelevanten Eingriff in Drittpositionen wie bei der vorzeitigen Besitzeinweisung des Energieversorgers in Rechte des Besitzers ginge.

Auch die Einräumung eines Rechtsanspruchs auf ein paralleles Besitzeinweisungsverfahren des mit Verfahrensrecht und örtlichen Verhältnissen weniger vertrauten Vorhabensträgers ist verfehlt. Wenn es überhaupt ein Parallelverfahren geben kann, muss das im Ermessen der fachkundigen Behörde liegen, die das Verfahren auch gegenüber Betroffenen und Öffentlichkeit zu verantworten hat.

15. Zu Artikel 3 (Inhaltsangabe und § 54 BNatSchG)

Artikel 3 ist zu streichen.

Begründung:

Die Verallgemeinerung der Prüfung durch verwaltungsseitige Vorgaben zur Verträglichkeitsprüfung, Ausnahmeentscheidungen und zu Kohärenzmaßnahmen fällt hinter die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes infolge des EuGH-Verfahrens C-98/03 zurück. In der am 10. Januar 2010 verkündeten Entscheidung hat der EuGH eine gesetzliche Beschränkung auf national einschränkend definierte Projekte als unzureichende Umsetzung des Projektbegriffs beschieden. Mit dem Ermächtigungsvorschlag für § 54 Absatz 10 BNatSchG wird dieser Fehler wiederholt, wenn auch mittelbar über verwaltungsseitige Vorgaben zur Relevanz von Projekten, zur Verträglichkeit von Projekten, zur Bestimmung von Ausnahmen und zu Kohärenzmaßnahmen. Damit werden bestimmte Vorhaben und Maßnahmen als unerhebliche Beeinträchtigung festgeschrieben, ohne noch die unverzichtbare Einzelfallentscheidung zu einem Vorhaben mit Blick auf ein bestimmtes Natura 2000 Gebiet und die darin geschützten konkreten Habitate und Arten treffen zu müssen.

Die erkennbar dem Bundesimmissionsschutzrecht nachgebildete Regelung ist auf den Naturschutz nicht übertragbar. Den naturschutzrechtlichen Tatbeständen fehlt die serielle Ähnlichkeit immissionsrechtlicher Sachverhalte. Für die von der Verwaltungsvorschrift ausgeschlossenen Vorhabentypen wird damit faktisch wieder ein verkürztes Prüf- und Genehmigungsrecht wie vor dem EuGH-Urteil geschaffen. Ein solches Vorgehen widerspricht auch der ständigen EuGH-Rechtsprechung, wonach Richtlinien auf das Niveau des für nationale Regelungen vergleichbaren Normenstandards umgesetzt werden müssen. Für vergleichbare nationale Schutzgebiete werden Genehmigungen und Ausnahmen in einem materiellen Gesetz bzw. Verordnung geregelt und dann im Einzelfallverfahren durch die örtlich zuständige Fachverwaltung und nicht durch generalisierende Verwaltungsvorschrift entschieden. Hier dagegen würde der Bund unabhängig von der speziellen Gefährdung eines Gebiets, der Habitate und Arten eine pauschale Regelung an der gesetzlichen Entscheidung durch Verwaltungsvorschrift vorgeben.

Eine Veränderung landesgesetzlich ausgestalteter Prüf- und Bewilligungsverfahren durch Verwaltungsvorschriften ist auch verfassungsrechtlich unzulässig. Der Verstoß kann auch nicht durch eine Zustimmung des Bundesrates zu den nachgeschalteten Verwaltungsvorschriften geheilt werden.

16. Zu Artikel 5 Nummer 2 (§ 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 ARegV)

In Artikel 5 Nummer 2 ist § 23 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 wie folgt zu fassen:

"6. Erweiterungsinvestitionen zur Errichtung von Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt als Erdkabel, soweit die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Erdkabels die Gesamtkosten der technisch vergleichbaren Freileitung den Faktor 2,75 nicht überschreiten sowie Erdkabel nach § 43 Satz 3 des Energiewirtschaftsgesetzes und § 2 Absatz 1 des Energieleitungsausbaugesetzes. Bei dem Kostenvergleich sind die geschätzten gesamtwirtschaftlichen Mehrkosten aus einer Verzögerung der Inbetriebnahme der Freileitung gegenüber der Inbetriebnahme des Erdkabels zu berücksichtigen."

Begründung:

Die Erhöhung des Vergleichsfaktors von 1,6 auf 2,75 für Erdkabel ist unter den Aspekten des Umweltschutzes, der Herstellung von Akzeptanz und der Beschleunigung von Verfahren zu begrüßen. Als Kosten sind bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung auch die Kosten zu berücksichtigen, die aus einer verzögerten Inbetriebnahme einer Freileitung gegenüber der Inbetriebnahme eines Erdkabels entstehen. Eine derartige gesamtwirtschaftliche Betrachtung ist auf Grund des dringend erforderlichen Leitungsausbaus einerseits und wachsender Akzeptanzprobleme andererseits von steigender Bedeutung. Zwischenzeitlich ist gutachterlich belegt, dass schon ein Jahr Beschleunigung die Mehrkosten des Erdkabels gegenüber einer Freileitung kompensiert.

17. Zu Artikel 5 Nummer 2 (§ 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 ARegV) allgemein

Nach § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 Anreizregulierungsverordnung sind Erweiterungsinvestitionen zur Errichtung von Hochspannungsleitungen als Erdkabel unter bestimmten Voraussetzungen als Investitionsbudget zu genehmigen. Die Genehmigungsfähigkeit setzt nach Artikel 5 Nummer 2 voraus, dass die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Erdkabels die Gesamtkosten der technisch vergleichbaren Freileitung nicht um mehr als den Faktor 2,75 überschreiten. Bei dem Kostenvergleich sind die geschätzten gesamtwirtschaftlichen Mehrkosten aus einer Verzögerung der Inbetriebnahme der Freileitung gegenüber der Inbetriebnahme des Erdkabels zu berücksichtigen. Diese Vorgabe ist erst vollziehbar, wenn Kriterien zur Berechnung dieser verzögerungsbedingten gesamtwirtschaftlichen Mehrkosten entwickelt worden sind. Die Bundesregierung wird daher gebeten, einen entsprechenden Kriterienkatalog zu entwickeln und vorzulegen.

Begründung:

Die Erhöhung des Vergleichsfaktors von 1,6 auf 2,75 für Erdkabel ist unter den Aspekten des Umweltschutzes, der Herstellung von Akzeptanz und der Beschleunigung von Verfahren zu begrüßen. Als Kosten sind bei einer notwendigen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung auch die Kosten zu berücksichtigen, die aus einer verzögerten Inbetriebnahme einer Freileitung gegenüber der Inbetriebnahme eines Erdkabels entstehen. Eine derartige gesamtwirtschaftliche Betrachtung ist auf Grund des dringend erforderlichen Leitungsausbaus einerseits und wachsender Akzeptanzprobleme andererseits von steigender Bedeutung. Gutachterlich ist belegt, dass bereits ein Jahr Beschleunigung die Mehrkosten des Erdkabels gegenüber einer Freileitung kompensiert.

18. Zu Artikel 5 Nummer 2 (§ 23 Absatz 1 ARegV)

In Artikel 5 Nummer 2 ist dem § 23 Absatz 1 Satz 2 folgende Nummer 10 anzufügen:

"10. projektbezogene Innovation, Forschung und Entwicklung neuer Technologien und Netzkonzepte im Zusammenhang mit dem Netzausbau, einschließlich der Kosten für die Durchführung von Pilotprojekten zur Erprobung neuer Technologien."

Begründung:

Die Anreizregulierungsverordnung erkennt bislang Kosten für Innovationen sowie Forschung und Entwicklung nicht an. Auf Grund des in relativ kurzer Zeit zu bewältigenden Netzerweiterungsbedarfs kommt der Innovation, Forschung und Entwicklung neuer Netztechnologien eine steigende Bedeutung zu. Die Anreizregulierungsverordnung ist an die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten anzupassen. Kosten für die entsprechenden Investitionen sind projektbezogen im Rahmen der Investitionsbudgets zu berücksichtigen.