Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 10. Dezember 2009
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage beigefügten Antrag für eine
- Entschließung des Bundesrates zum BAföG-Ausbau: Sozial gerechte und verlässliche Studierendenförderung sicherstellen
einzubringen.
Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 865. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2009 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck
Entschließung des Bundesrates zum BAföG-Ausbau: Sozial gerechte und verlässliche Studierendenförderung sicherstellen
Der Bundesrat möge beschließen:
- I. Der Bundesrat stellt fest:
Deutschland als Industrienation braucht, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, gut ausgebildete junge Menschen. Hierbei ist von zentraler Bedeutung, dass Bildungsreserven mobilisiert werden, indem insbesondere die Studierneigung von Kindern aus einkommensschwächeren Familien gesteigert und eine solide Finanzierung des gesamten Studiums sichergestellt wird. Der geplante Ausbau des Stipendiensystems nach dem von Nordrhein-Westfalen vorgelegten Modell ist dazu nicht geeignet da das Modell weder besondere Begabung noch besondere Bedürftigkeit fordert und - da von Zufälligkeiten abhängig - keine verlässliche Förderung bietet.
Wichtiger ist vielmehr neben einem gebührenfreien Erststudium ein den reformierten Studiengängen und den Lebenshaltungskosten angepasstes Förderungssystem nach dem BAföG. Auf Initiative u.a. von Rheinland-Pfalz erfolgte mit dem 22. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (22. BAföGÄndG) vom Dezember 2007 eine maßgebliche Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge. In einem weiteren Schritt sollen jetzt eine erneute Anpassung von Bedarfssätzen und Einkommensgrenzen sowie weitere Änderungen zur Verbesserung der Studienbedingungen erfolgen um das BAföG als zentrales Förderinstrument für Studierende weiterzuentwickeln.
- II. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung des BAföG vorzulegen mit folgendem Inhalt:
- 1. Anhebung der Bedarfssätze
Durch das 22. BAföGÄndG vom Dezember 2007 wurden die Bedarfssätze ab August 2008 um 10 Prozent erhöht. Nachdem seit der vorhergehenden Erhöhung im April 2001 bereits sieben Jahren vergangen waren, ist diese Erhöhung heute nicht mehr ausreichend, um die seit 2001 gestiegenen Lebenshaltungskosten zu kompensieren.
- 2. Anhebung der Freibeträge vom Einkommen der Eltern
- 3. Einführung einer zweiten Einkommensgrenze
- 4. Anhebung der Kinderfreibeträge
Aufgrund des 22. BAföGÄndG vom Dezember 2007 wurden die Freibeträge vom Einkommen der Eltern um 8 Prozent erhöht. Insbesondere Eltern, deren Jahreseinkommen knapp über den BAföG-Freibeträgen liegt, können das Studium ihrer Kinder aufgrund der inzwischen gestiegenen Lebenshaltungskosten kaum ohne staatliche Unterstützung finanzieren. Familien mit mehreren Kindern, die sich gleichzeitig in Ausbildung befinden, sind besonders hart betroffen.
Abhilfe schafft die Anhebung des Freibetrages vom Einkommen der Eltern und zusätzlich die Einführung einer zweiten Einkommensgrenze, bis zu deren Höhe eine darlehensweise Förderung erfolgt. Überschreitet das Einkommen der Eltern die erste Einkommensgrenze, unterschreitet sie jedoch die zweite Einkommensgrenze, so wird BAföG entweder als nicht verzinsliches Staatsdarlehen oder als (gering) verzinsliches Darlehen gewährt.
Darüber hinaus sind die Anhebung der Kinderfreibeträge sowie die Wiedereinführung von Freibeträgen für die in Ausbildung befindlichen Kinder erforderlich. Der Freibetrag für Kinder in Ausbildung soll die mit der Kinderzahl steigende Belastung der Familie berücksichtigen. In Grenzfällen werden nach derzeitiger Rechtslage gerade Familien mit mehreren Kindern in Ausbildung tendenziell benachteiligt.
Beispiel: Familie mit drei Kindern in Schul- und Hochschulausbildung
- a) Freibetrag, wenn ein Kind studiert:
1.555 Euro Eltern
470 Euro 2. Kind
470 Euro 3. Kind - b) Freibetrag, wenn drei Kinder studieren: 1.555 Euro Eltern
- a) Freibetrag, wenn ein Kind studiert:
- 5. Beseitigung der Förderungslücken bei Bachelor- und Masterstudiengängen
Nach geltender Rechtslage wird BAföG bis zum Ablauf des Monats geleistet, in dem das letzte Prüfungsteil abgeleistet wurde, denn BAföG-rechtlich ist damit das Studium beendet. Schließt sich ein Master-Studium an, so besteht eine Förderlücke zwischen BAföG-rechtlicher Beendigung des Bachelorstudiums und Beginn des Masterstudiums (BAföG-rechtlich der Vorlesungsbeginn).
Darüber hinaus sollen bei der Förderung von Masterstudiengängen Zeiten einer Berufstätigkeit von bis zu 5 Jahren nach Abschluss des Bachelorstudiums hinsichtlich der Altersgrenze außer Betracht bleiben.
- 6. Einführung der Fördermöglichkeit für Ausbildungen in Teilzeitform
Ausbildungen in Teilzeitform sind bisher nicht förderungsfähig. Teilzeitausbildungen werden im Bereich der Berufsbildenden Schulen als Berufsfachschulausbildungen und Fachschulausbildungen, die zu berufsqualifizierenden Abschlüssen führen, angeboten.
Die Schulausbildung ist häufig so konzipiert, dass junge Eltern Ausbildung und Kindererziehung vereinbaren können. Da eine BAföG-Förderung nach geltendem Recht ausscheidet, können junge Eltern von dieser Option nur profitieren, wenn der Lebensunterhalt der Familie anderweitig gesichert ist. Ebenso ist damit zu rechnen, dass auch im Hochschulbereich in den Ländern zunehmend sowohl BA- als auch MA-Studiengänge in Teilzeitform angeboten werden, u.a. auch im Zuge des Ausbaus der akademischen Weiterbildung. Daher ist eine Regelung erforderlich, die die Gewährung von BAföG bei diesen Ausbildungen in Teilzeitform ermöglicht.
- 7. Ausdehnung der Verlängerung der Förderungshöchstdauer auf Auszubildende, die nahe Angehörige pflegen
Bisher ist die Verlängerung der Förderungshöchstdauer aus persönlichen Gründen nur bei Kindererziehung möglich.
- 8. Aufgabe des Ausbildungsstättenprinzips im Bereich der Schülerförderung
In Schülerbereich gilt das sog. "Ausbildungsstättenprinzip", d.h. die Förderung richtet sich nach den Aufnahmevoraussetzungen der jeweiligen Schulart und nicht nach der individuellen Vorbildung der Schüler. Schüler sind innerhalb einer Klasse förderungsrechtlich gleich zu behandeln, wobei für die Einstufung einer Klasse grundsätzlich die "schwächsten" Aufnahmevoraussetzungen maßgebend sind. Treffen beispielsweise Schüler mit abgeschlossener Berufsausbildung, die einen BAföG-Anspruch haben, in einer Klasse mit Schülern zusammen, die nur im Fall einer auswärtigen Unterbringung anspruchsberechtigt wären, so ist die Förderung für alle Schüler nur bei notwendiger auswärtiger Unterbringung und zu einem niedrigeren Bedarfssatz möglich.
Das Ausbildungsstättenprinzip verhindert somit eine individuell günstigere Förderung aus schulorganisatorischen Gründen.
- 9. Vereinfachung des Verfahrens
Antragstellung und Antragsbearbeitung müssen vereinfacht werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, wo Regelungen mit dem Ziel einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens geändert werden müssen.
- 1. Anhebung der Bedarfssätze
Beispiele:
Anpassung der Vorschriften über die Pflicht zur Vorlage des Leistungsnachweises an die Struktur der Bachelor- und Masterstudiengänge
Vereinfachung der Berechnung des Krankenversicherungszuschlags.
Vereinfachung der Vorschriften hinsichtlich der Staatsangehörigkeit.