Der Bundesrat hat in seiner 975. Sitzung am 15. März 2019 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst
Anlage
Entschließung des Bundesrates für eine Gesamtstrategie und eine ergänzende Förderung mit dem Ziel einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung in Deutschland
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die Versorgung mit mobilen Sprach- und Datendiensten zu den grundlegenden Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft gehört. Die Versorgung muss deshalb überall sichergestellt werden ohne "weiße Flecken". Wo ein Flächenbezug mit marktwirtschaftlichen Mitteln nicht zu erreichen ist, muss der Staat gegensteuern. Der Ausbau einer leistungsstarken und verfügbaren Mobilfunkinfrastruktur in den urbanen Gebieten sowie in den ländlichen Räumen ist maßgeblich für künftige Anwendungen der Gigabitgesellschaft und entscheidend für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland.
- 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Weiterentwicklung zur Gigabitgesellschaft und der neuen 5G Welt nur erreicht werden kann, wenn der flächendeckende Ausbau mit 4G/LTE und Glasfaser realisiert wird. Deshalb reichen die Vereinbarungen vom Sommer 2018 aus dem Mobilfunkgipfel des Bundes mit einer 99-prozentigen Versorgung aller Haushalte nicht aus.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, eine Gesamtstrategie zum Glasfaserausbau und zur Mobilfunkversorgung zu entwickeln. Dabei ist zu prüfen, wie moderne Mobilfunkstandards unter Wahrnehmung der ausschließlichen grundgesetzlichen Kompetenz des Bundes mit einer flächendeckenden Versorgung umgesetzt werden können. Hierbei muss an die Versorgung der Fläche statt an die Versorgung der Haushalte angeknüpft werden.
- 4. Es sollte ein gemeinsames Verständnis von Bund, Ländern und Kommunen sowie Telekommunikationsunternehmen für "flächendeckend" im Sinne einer flächenbezogenen Versorgung erarbeitet werden. Dabei sind technischphysikalische und topographische Faktoren ebenso zu berücksichtigen wie die besondere Bedeutung einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
- 5. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass bei Verstößen gegen Versorgungsauflagen effektive Sanktionen verhängt werden. Die Mobilfunknetzbetreiber sind in der Pflicht, die Versorgungsauflagen zu erfüllen. Dabei ist eine Differenzierung und Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten für die Bundesnetzagentur vorzunehmen.
- 6. Der Bundesrat erwartet, dass der Bund alle gesetzlichen und finanziellen Aktivitäten prüft, die zur Umsetzung dieser Ziele erforderlich sind sowie geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung in der Fläche einleitet. Zudem ist dabei zu prüfen, wie die "weißen Flecken", in denen ein wirtschaftlicher Ausbau nicht möglich ist, mit Unterstützung des Bundes geschlossen werden können. Ergänzend zum Breitbandförderprogramm des Bundes erscheinen ein Mobilfunkförderprogramm des Bundes oder andere monetäre Anreizsysteme sachdienlich, um diese Ziele zu erreichen.
- 7. Der Bundesrat fordert den flächendeckenden Ausbau mit den für Mobilfunk bereits verfügbaren Frequenzen (u.a. Digitale Dividende II) zu realisieren.
- 8. Die langfristige, national und europäisch koordinierte Frequenzplanung mit ausreichendem und störungsfreiem Frequenzspektrum für Nutzer drahtloser Produktionsmittel in Kultur, Bildung, Forschung, Wissenschaft, Sport und Kirchen muss gewährleistet bleiben.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass einige Länder bereits eigene Mobilfunkförderprogramme betreiben oder planen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, eventuelle Maßnahmen kompatibel mit diesen Programmen auszugestalten, um eine effiziente Förderung des Mobilfunkausbaus sicherstellen zu können.
Begründung:
Zu Ziffer 1 bis 6
Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland umfasst auch die Versorgung mit mobilen Sprach- und Datendiensten. Der Bund gewährleistet gemäß Artikel 87f des Grundgesetzes im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.
Allein durch den marktwirtschaftlichen Ausbau der Mobilfunknetze und die behördlichen Versorgungsauflagen kann der flächendeckende Ausbau nicht umfassend gelingen. Um gleichwertige Lebensverhältnisse bei der Versorgung mit mobilen Telekommunikationsdiensten in ganz Deutschland herzustellen, bedarf es eines Gesamtkonzeptes und eines Förderprogrammes oder anderer monetärer Anreize, wie sie in der Entschließung gefordert werden. Bislang existiert allerdings noch kein gemeinsames Verständnis für "flächendeckend", sodass dieses zunächst von Bund, Ländern und Kommunen sowie Telekommunikationsunternehmen gemeinsam, z.B. im Kontext der geforderten Gesamtstrategie, zu erarbeiten und zu formulieren ist.
Zu Ziffer 7 und 8
Der Rundfunk hat in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Teile seines Frequenzspektrums an den Mobilfunk verloren (800 MHz-Band / Digitale Dividende I und 700 MHz-Band / Digitale Dividende II) . Würde dem Rundfunk weiteres UHF-Spektrum entzogen, wäre das gerade erst eingeführte hochauflösende terrestrische Fernsehen (DVB-T2 HD) in seinem Bestand akut gefährdet.
Der Bund muss seinen Zusagen aus dem Beschluss der Regierungschefinnen und der Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin vom 12. Dezember 2014 nachkommen (Eckpunktepapier). Daher ist im Rahmen der sinnvollen Digitalisierungsstrategie dafür Sorge zu tragen, dass ausreichend Spektrum auch für Einrichtungen zur Verfügung steht, die dem Gemeinwohl dienen, sich in öffentlichrechtlicher Trägerschaft befinden oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Es muss im Sinne des Antrags die Lebensqualität der Menschen und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten (auch in den Bereichen Kreativwirtschaft, Kunst, Kultur, Digitales) unter anderem im ländlichen Raum geben.
Zu Ziffer 9
Im Interesse einer effizienten Förderung des Mobilfunkausbaus und zur Vermeidung von Friktionen durch unterschiedliche Förderkonzepte sollten Maßnahmen des Bundes möglichst kompatibel mit Programmen der Länder ausgestaltet werden.