909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013
A
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderung zuzustimmen:
Hauptempfehlung zu Ziffer 4
- 1. Zu § 3
§ 3 ist wie folgt zu fassen:
'§ 3 Kennzeichnungspflichten
- (1) Erstinverkehrbringer haben Mehrweggetränkeverpackungen mit dem Schriftzeichen "Mehrweg" und Einweggetränkeverpackungen mit dem Schriftzeichen "Einweg" und dem Hinweis auf die Höhe des Pfandbetrags zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist für den Endverbraucher gut erkennbar, in Großbuchstaben und einer Schrifthöhe von mindestes fünf Millimetern auf die Getränkeverpackung aufzubringen. Die Kennzeichnung kann Bestandteil einer Bildmarke sein.
- (2) Das Inverkehrbringen von befüllten Getränkeverpackungen, die entgegen Absatz 1 nicht oder nicht richtig gekennzeichnet sind, ist verboten.
- (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Getränkeverpackungen, die nicht im Geltungsbereich dieser Verordnung an den Endverbraucher abgegeben werden.' Folgeänderung:
In § 4 sind die Wörter "entgegen § 3 Absatz 1 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, einen Hinweis nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gibt" durch die Wörter "1. entgegen § 3 Absatz 1 eine Getränkeverpackung nicht oder nicht rechtzeitig kennzeichnet, 2. entgegen § 3 Absatz 2 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 eine nicht oder nicht richtig gekennzeichnete Getränkeverpackung in den Verkehr bringt" zu ersetzen.
Begründung:
Es steht außer Zweifel, dass bei den bepfandeten Getränkeverpackungen eine verbesserte Information der Verbraucherinnen und Verbraucher anzustreben ist. Ein Hinweisschild mag bei der Kaufentscheidung zwar hilfreich sein, ist jedoch nicht ausreichend. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten auf möglichst vielen Wegen, insbesondere auch durch eine Kennzeichnung auf der Verpackung auf die vorzugswürdige Mehrwegeigenschaft hingewiesen werden.
Eine Verpflichtung von rund 125 000 Supermärkten und Discountern, Tankstellen, Kiosken, Imbissen und Bäckereien, künftig im Ladenlokal Hinweistafeln aufzustellen, erscheint darüber hinaus praxisfern und wäre durch die Länderbehörden kaum kontrollierbar. Eine vergleichbare Regelung in § 18 Batteriegesetz hat sich nicht bewährt.
Um es den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erleichtern, sich bewusst für eine Getränkeverpackung zu entscheiden, die ihren ökologischen Ansprüchen entspricht, ist eine klare und eindeutige Kennzeichnung, die den bekannten Irritationen begegnet, auf den Getränkeverpackungen selbst erforderlich.
Angesichts zahlreicher bereits bestehender Kennzeichnungspflichten (z.B. für Lebensmittel, Elektrogeräte oder Fahrzeugreifen) erscheinen EU-rechtliche Bedenken gegen eine solche Kennzeichnungspflicht nicht stichhaltig. Die EU-Kommission selbst bezeichnet es in ihrer Mitteilung "Getränkeverpackungen, Pfandsysteme und freier Warenverkehr" (2009/C 107/01) vom 9. Mai 2009 in Kapitel 3.3.3 "Bewährte Lösungen" als nützlich, Getränke oder Getränkeverpackungen, die einem Pfand- und Rückgabesystem unterliegen, besonders zu kennzeichnen, beispielsweise mit einem einheitlichen Logo, damit der Verbraucher diese Produkte leichter erkennen kann. Die Kommission weist darauf hin, dass dieser Nutzen für den Verbraucher zwar zusätzliche Kosten für den Hersteller oder Händler verursachen könne, da die Kennzeichnung an die spezifischen Anforderungen des nationalen Marktes angepasst werden müsse, und dass eine derartige Vorschrift, die Verpackung zu verändern, unter Umständen ein Handelshemmnis gemäß Artikel 28 EG-Vertrag darstellen könne. Die Kommission spricht sich dennoch nicht gegen entsprechende Kennzeichnungspflichten aus, sondern empfiehlt, zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen, d.h. der Information der Verbraucher und des einfachen Marktzugangs, jegliche Vorschrift zur Kennzeichnung auf das erforderliche Mindestmaß zu begrenzen.
Falls ein Pfandzeichen vorgeschrieben wird, weist die Kommission darauf hin, dass es hilfreich sein könnte, "den Herstellern die Designmerkmale und Druckspezifikationen leicht zugänglich zu machen, um ihnen die Verwendung eines solchen Zeichens zu erleichtern. Zudem könnten für Importeure von kleinen Mengen Aufkleber bereitgestellt werden; dadurch könnten kleine Vertriebsfirmen das ursprüngliche Etikett mit einem zusätzlichen Aufkleber ergänzen, und sie bräuchten nicht das gesamte Etikett auszutauschen."
Die in der Verordnung vorgesehene Hinweispflicht ist unzureichend, eine Kennzeichnungspflicht stellt das erforderliche Mindestmaß dar.
Mit Absatz 1 Satz 1 soll daher der Erstinverkehrbringer von mit flüssigen Lebensmitteln befüllten Getränkeverpackungen verpflichtet werden, diese vor der Abgabe an Dritte zu kennzeichnen. Auf Einweggetränkeverpackungen ist dabei das Wort "Einweg" und auf Mehrweggetränkeverpackungen das Wort "Mehrweg" aufzubringen und die Pfandhöhe anzugeben. Satz 2 bestimmt Schriftgröße und Gestaltung der Angabe. Satz 3 stellt klar, dass die Angabe auch Teil einer Bildmarke sein kann.
Absatz 2 untersagt die Abgabe befüllter Getränkeverpackungen, die entgegen Absatz 1 nicht oder nicht richtig gekennzeichnet sind, auf allen Handelsstufen. Hierdurch sollen die dem Erstinverkehrbringer nachgelagerten Handelsstufen dazu angehalten werden, die an sie gelieferte Ware mit Blick auf die Kennzeichnungspflicht nach Absatz 1 zu prüfen und nicht verordnungskonforme Ware ggf. nicht abzunehmen bzw. nicht weiterzuvertreiben.
Absatz 3 beschränkt den Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 auf Getränkeverpackungen, die im Geltungsbereich der Verordnung an den Endverbraucher abgegeben werden.
Mit der Folgeänderung wird der Ordnungswidrigkeitentatbestand angepasst.
B
- 2. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen.
C
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- 3. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Verpackungsverordnung, einen Anteil von 80 Prozent ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen sicherzustellen.
Er ist der Auffassung, dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn die Regelung für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich, nachvollziehbar und praktikabel ist.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, insbesondere
- - die Pfandpflicht auf die Getränkesegmente Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Gemüsesäfte und Gemüsenektare auszuweiten und weitere nicht nachvollziehbare Ausnahmen der Pfandpflicht, zum Beispiel für diätische Getränke und für unterschiedliche Verpackungsgrößen, abzuschaffen, - die tatsächliche ökologische Vorteilhaftigkeit von Verkaufsverpackungen für Getränke nach einheitlichen Kriterien zu überprüfen,
- - die Konsumentinnen und Konsumenten sowie den Handel über Kennzeichnung und ökologische Vorteilhaftigkeit von Mehrweggetränkeverpackungen zu informieren.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführten Erhebungen zur Entwicklung der Mehrweg- und Einweganteile bei den Getränkeverpackungen haben ergeben, dass der Anteil der in Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Einweg-Getränkeverpackungen (MövE-Verpackungen; Glas- bzw. PET-Mehrweg oder Einweg-Getränkekartonverpackungen) abgefüllten Getränke in den Jahren 2004 bis 2010 von 71,1 Prozent auf 50,1 Prozent gesunken ist. Der darin enthaltene Anteil von in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränken hat in diesem Zeitraum von 66,3 Prozent auf 48 Prozent abgenommen.
Ein Grund dafür ist gemäß der bifa-Evaluierung im Auftrag des Umweltbundesamtes darin zu sehen, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern die Unterscheidung zwischen freiwillig bepfandeten Mehrweg- und obligatorisch bepfandeten, ökologisch nicht vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen durch die Kennzeichnungs- und Gestaltungspraxis von Abfüllern und Handel derzeit erschwert wird.
Die Beschränkung der Verordnung auf bepfandete Getränkeverpackungen wird dazu führen, dass der Verbraucher für bestimmte Getränkesegmente, wie z.B. Säfte, Spirituosen, Wein, Sekt, alkoholhaltige bzw. molkehaltige Mischgetränke usw. weiterhin keine Information darüber erhält, ob es sich hierbei um Mehrweg- oder ökologisch vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen handelt. Bei Gebindegrößen unter 0,1 Liter und über 3 Liter erfolgt ebenfalls keine Kennzeichnung. Das Ziel der Verordnung, den Anteil der Mehrweggetränkeverpackungen zu steigern, wird damit alleine nicht erreichbar sein.
Zukünftige Regelungen zur Pfandflicht von Getränkeverpackungen sollten sich aus Gründen des Ressourcenschutzes zudem an den Verpackungsmaterialien und nicht an deren Inhalt orientieren.
Hilfsempfehlung zu Ziffer 1
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich weiterhin für die Kennzeichnung von Einweg und Mehrweg direkt auf den Verpackungen einzusetzen.