Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 02. September 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 10. August 2009 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 10. August 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl.
Drucksache 729/07 (PDF) = AE-Nr. 070820
1 Einleitung
Die amtliche Statistik spielt in unserer modernen Gesellschaft eine Schlüsselrolle. Neutrale und objektive statistische Informationen sind für alle Entscheidungsträger unerlässlich. Statistische Informationen bilden das Fundament für transparente und offene politische Entscheidungen, weshalb amtliche Statistiken ein öffentliches, für das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft grundlegendes Gut darstellen.
Auf EU-Ebene gewinnen europäische Statistiken für die Entwicklung, Durchführung, Überwachung und Bewertung der Politik der EU zunehmend an Bedeutung. Europäische Statistiken leisten somit einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der Informationskapazitäten, die für die Verfolgung der strategischen Ziele der EU und der dafür erforderlichen politischen Maßnahmen und unterstützenden Instrumente notwendig sind.
Europäische Statistiken werden auf der Grundlage einheitlicher Normen und nach harmonisierten Methoden entwickelt, erstellt und verbreitet. Die nationalen statistischen Ämter (NSÄ) der Mitgliedstaaten erheben und erstellen harmonisierte Daten, die von Eurostat zur Erarbeitung von Statistiken auf EU-Ebene zusammengefasst werden. Dies erfolgt durch zahlreiche parallele Verfahren, Land für Land und Bereich für Bereich nach dem herkömmlichen "Stovepipe"-Modell (Modell der nach Bereichen isolierten Erstellung und Verbreitung von Statistiken).
Diese Art der Erstellung von Statistiken entspricht jedoch nicht mehr ganz den Anforderungen des sich ändernden Umfelds. Mit der neuen Verordnung über die Statistik1 wird das Europäische Statistische System (ESS) eingeführt, wodurch Effizienzsteigerungen durch eine systematische Zusammenarbeit zwischen den Partnern des Systems ermöglicht werden.
In dieser Mitteilung wird eine Vision für die Umgestaltung der Methode zur Erstellung von europäischen Statistiken präsentiert. Die vorgeschlagenen Änderungen wirken sich zwar auf die Produktionssysteme des ESS als Ganzes aus, tragen aber dem Subsidiaritätsprinzip umfassend Rechnung. Da einige Mitgliedstaaten zudem bereits begonnen haben, manche Änderungen umzusetzen, besteht eines der Ziele dieser Mitteilung darin, diese Anstrengungen zu koordinieren, um Doppelarbeit zu vermeiden und Synergien optimal zu nutzen.
Im nächsten Abschnitt wird überblickshaft dargestellt, auf welche Weise europäische Statistiken derzeit auf der Grundlage des "Stovepipe"-Modells erstellt werden. In Abschnitt 3 werden die Änderungen erläutert, die dem vorliegenden Vorschlag zur Umgestaltung der Methode zur Erstellung von Statistiken in der EU zugrunde liegen. In Abschnitt 4 werden die Auswirkungen dieser Änderungen auf die Geschäftsarchitektur des ESS untersucht, ferner wird die Methode der europäischen Systeme für die Statistik als Alternative zur derzeit angewandten Methode erläutert. Abschnitt 5 geht auf einige politische und managementbezogene Herausforderungen ein, die sich durch die Umsetzung des neuen Modells sowohl für die NSÄ als auch für Eurostat ergeben würden. Abschließend werden in Abschnitt 6 die nächsten Schritte zur Umsetzung der in dieser Mitteilung umrissenen strategischen Vision dargestellt.
2 Derzeitige Situation: das erweiterte "Stovepipe"-Modell
Seit vielen Jahrzehnten beruht die Erstellung von europäischen Statistiken auf einem Modell, nach dem die NSÄ der einzelnen Mitgliedstaaten jeweils ihre eigenen nationalen Statistiken in einem bestimmten Bereich erstellen. Um die Vergleichbarkeit und Konsistenz der Daten aller Mitgliedstaaten zu gewährleisten, wird die Produktion der NSÄ nach gemeinsam festgelegten Standards harmonisiert. Die von den einzelnen NSÄ erstellten Statistiken werden von Eurostat zu europäischen Gesamtwerten zusammengefasst.
Kasten 1: Die Entwicklung des derzeitigen Systems der Erstellung von europäischen Statistiken*
- Die Erstellung von europäischen Statistiken begann mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) Anfang der 1950er Jahre. Dies führte zu der Forderung, quantitative und qualitative Informationen als Grundlage für Entscheidungen über den Binnenmarkt für Kohle und Stahl zur Verfügung zu haben. Um vergleichbare Daten für die sechs Mitgliedstaaten zu erhalten, war es notwendig, gesondert von den damals bruchstückhaften und schlecht vergleichbaren nationalen Statistiken neue harmonisierte Statistiken zu erstellen. Die Harmonisierung der Methoden bildete das Fundament der europäischen Statistik.
- Mehrere Jahrzehnte lang bestand die Erstellung von europäischen Statistiken aus der Erhebung der in den Mitgliedstaaten vorliegenden Daten, wodurch die Vergleichbarkeit der Konzepte, Definitionen und Methoden sichergestellt wurden.
- Mit dem Vertrag von Rom zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) entstand die europäische Gesetzgebung auf dem Gebiet der Statistik, für die der Artikel 213 (in der Folge Artikel 284) die Grundlage bildet. Die vorherrschende Arbeitsmethode beruhte jedoch weiterhin auf dem guten Willen und der Zusammenarbeit zwischen Eurostat und den nationalen statistischen Ämtern (NSÄ), die zu freiwilligen Datenerhebungen auf der Grundlage von "Gentlemen"s Agreements" führten. Vor 1990 betrafen die ohnehin wenigen Rechtsvorschriften zur Statistik hauptsächlich die Bereiche, in denen die Kommission eigene politische Maßnahmen setzte: Landwirtschaft und Außenhandel.
- Seit den 1990er Jahren wurden Statistiken als unmittelbare Grundlage für bestimmte politische Maßnahmen auf europäischer Ebene herangezogen; das bemerkenswerteste Beispiel hierfür sind die im Vertrag von Maastricht vorgesehenen Konvergenzkriterien für die EWU. Diese Entwicklung trug erheblich zum generell stärkeren Ausbau des Bestands an Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Statistik bei. Im Wesentlichen verlief die Erstellung von europäischen Statistiken jedoch nach wie vor so wie bereits in der Vergangenheit: Die NSÄ erhoben und erstellten harmonisierte Daten, die von Eurostat zur Erstellung von Statistiken auf EU-Ebene zusammengefasst wurden. Es wurde immer noch ein "erweitertes" Konzept angewandt, bei dem die europäische Ebene zur nationalen Ebene hinzukam.
- * Text im Kasten nach De Michelis, Alberto und Alain Chantraine, Memoirs of Eurostat, Luxemburg, 2003.
- ** Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken.
In der Verordnung über europäische Statistiken** wird betont, dass im Rahmen des ESS stärker zusammengearbeitet werden muss, etwa durch die Einführung des Grundsatzes der Kostenwirksamkeit (Artikel 2 Buchstabe f), den Ausschuss für das Europäische Statistische System (Artikel 7), Kooperationsnetze (Artikel 15) und einen Europäischen Ansatz für die Statistik (Artikel 16). Die nächste Phase für die amtliche Statistik in Europa wird hiermit allgemein eingeleitet. Die Methode der europäischen Systeme für die Statistik ist darauf ausgerichtet, die mit der Rechtsvorschrift verfolgten Absichten zu verwirklichen, d. h. ein konkretes "System" einzurichten, das unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips so weit wie möglich auf Zusammenarbeit und Standardisierung beruht.
Innerhalb jedes NSA erfolgt die Erstellung von Statistiken durch die verschiedenen Produktionslinien bzw. -verfahren der unterschiedlichen Statistikbereiche. Die gesamten Produktionsprozesse eines statistischen Amtes werden als seine Geschäftsarchitektur bezeichnet. Derzeit beruht die Geschäftsarchitektur der meisten NSÄ in der EU weiterhin hauptsächlich auf einem produktbezogenen "Stovepipe"-Modell. Bei einem derartigen Modell entspricht jeder einzelne produktbezogene "Stovepipe" zusammen mit dem entsprechenden Produktionssystem einem bestimmten Statistikbereich. Für jeden Bereich erfolgt der gesamte Produktionsprozess vom Erhebungsdesign über die Datenerhebung und -verarbeitung bis hin zur Verbreitung unabhängig von anderen Bereichen und mit jeweils eigenen Datenlieferanten und Nutzergruppen.
Zur Erstellung von europäischen Statistiken fasst Eurostat die Daten der einzelnen NSÄ ebenfalls bereichsweise zusammen. Dasselbe produktbezogene "Stovepipe"-Modell wird somit auch bei Eurostat angewandt, wo die harmonisierten Daten in einem bestimmten Statistikbereich zur Erstellung von einschlägigen europäischen Statistiken aggregiert werden. Der herkömmliche Ansatz für die Erstellung von europäischen Statistiken auf der Grundlage des "Stovepipe"-Modells kann somit als "erweitertes Stovepipe-Modell" bezeichnet werden, da die europäische Ebene zur nationalen Ebene hinzutritt.
Das "Stovepipe"-Modell ist das Ergebnis eines langen historischen Prozesses, in dessen Verlauf Statistiken in einzelnen Bereichen unabhängig voneinander entwickelt wurden. Es besitzt eine Reihe von Vorteilen: Die Produktionsverfahren sind für die entsprechenden Produkte am besten geeignet; es ist insofern flexibel, als es sich rasch an kleinere Veränderungen der den Daten zugrundeliegenden Phänomene anpassen lässt; es unterliegt der Kontrolle des Bereichsleiters und weist eine risikoarme Geschäftsarchitektur auf, da ein Problem in einem Produktionsprozess in der Regel keine Auswirkungen auf die übrige Produktion haben dürfte. Aus europäischer Sicht besitzt das Modell den Vorteil, dass es durch eine verhältnismäßig beschränkte und spezifische Verordnung geregelt werden kann.
Das "Stovepipe"-Modell geht jedoch auch mit einer Reihe von Nachteilen einher. Zunächst führt es zu einer unnötig hohen Belastung für die Auskunftgebenden. Da die Erhebung von Daten in verschiedenen Bereichen unabhängig voneinander und unkoordiniert erfolgt, werden von den Auskunftgebenden regelmäßig mehr als einmal dieselben Angaben verlangt (siehe Kasten 2 und 3). Zudem ist das "Stovepipe"-Modell für die Erhebung von Daten über Phänomene mit mehreren Dimensionen wie Globalisierung oder Klimawandel ungeeignet. Schließlich ist diese Produktionsweise höchst ineffizient und kostspielig, da die Standardisierung zwischen den Bereichen und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten nicht genutzt werden. Redundanzen und Doppelarbeit - sei es bei Entwicklungs-, Produktions- oder Verbreitungsverfahren - sind unvermeidbar. Diese Ineffizienzen und Kosten bei der Produktion von nationalen Daten werden weiter verstärkt, wenn es um die Erfassung und Einbeziehung von regionalen Daten geht, die für die Konzeption, Überwachung und Bewertung von einigen politischen Maßnahmen der EU unerlässlich sind.
Das erweiterte "Stovepipe"-Modell
3 Veränderungen der ESS-Geschäftsarchitektur
Für jede Entwicklung auf dem Gebiet der Statistik sind zwei Hauptantriebskräfte maßgeblich: einerseits der zu deckende neue Bedarf an Statistiken und andererseits die notwendige Verringerung der Belastung der Befragten sowie der Kosten für die Erstellung von Statistiken. Zudem haben sich die Umstände, unter denen Statistiken erstellt werden, aufgrund von Weiterentwicklungen der Informationstechnologie geändert.
Erstens werden in quantitativer wie qualitativer Hinsicht in zunehmendem Maße neue Anforderungen an Statistiken gestellt werden. Auf allen Gebieten der Statistik nimmt der Informationsbedarf weiterhin zu. Die Nutzer benötigen vermehrt integrierte und kohärente Daten, da die gemessenen Phänomene komplexer werden und stärker miteinander zusammenhängen. Neue Themen zeichnen sich ab, wie Globalisierung, Klimawandel, alternde Bevölkerung, Energieeffizienz usw.; häufig weisen sie das gemeinsame Merkmal auf, dass sie mehrere zusammenhängende und voneinander abhängige Phänomene widerspiegeln. Daher ist ein "Stovepipe"-Modell, bei dem Statistiken in verschiedenen Bereichen unabhängig voneinander erstellt werden, kaum geeignet, den politischen Bedarf an integrierten Datensätzen zu decken.
Zweitens ist die Vereinfachung und Verbesserung des ordnungspolitischen Umfelds für Unternehmen und Bürger in der EU seit langem ein vorrangiges Anliegen der Kommission. Der strategische Ansatz und der Arbeitsplan, die in der Mitteilung der Kommission über die Verringerung des Beantwortungsaufwands, Vereinfachung und Prioritätensetzung im Bereich der Gemeinschaftsstatistik2 dargelegt wurden, wurden vom Rat begrüßt. Ihre Umsetzung hat gute Fortschritte gemacht, insbesondere auf dem Gebiet der Unternehmens- und Handelsstatistik mit der Annahme des Programms MEETS3 und der Überarbeitung der Intrastat-Verordnung4. Die Arbeiten zur Verringerung des Beantwortungsaufwands werden in absehbarer Zukunft fortgesetzt und auf weitere Statistikbereiche ausgedehnt werden müssen. Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt ausgeführt, besteht einer der Hauptnachteile des "Stovepipe"-Modells eben darin, dass es für die Befragten mit einer großen Belastung verbunden ist. Dies ist ein weiterer wichtiger Grund, das "Stovepipe"-Modell in Frage zu stellen.
Drittens werden weiterhin neue IKT-Instrumente entwickelt, um die Effizienz zu erhöhen, die Belastung zu verringern und die statistische Qualität zu steigern. Es liegt auf der Hand, dass mit der Verfügbarkeit neuer Technologien ihre optimale Nutzung und eine entsprechende Ausrichtung statistischer Methoden einhergehen sollte. Neue Formen der Kommunikation mit Nutzern und Produzenten wie Web 2.0 sowie die Weiterentwicklung der Informationstechnologie werden wahrscheinlich zu grundlegenden Veränderungen der Kommunikationskanäle sowie des Datenmanagements und der Datenspeicherung führen. Die Aufbereitung der Daten der NSÄ durch Eurostat erfolgt bereits zunehmend interaktiv durch anschließende Iterationen der Datenlieferungen und Validierungen, was der Qualität der Statistiken zugute kommt. Diesen Faktoren muss bei den Verbreitungs- und Produktionsverfahren Rechnung getragen werden. Überdies ist die Erstellung von Statistiken infolge dieser Entwicklungen immer weniger nicht nur aus der Wirtschaft, sondern aus der Gesellschaft insgesamt wegzudenken. Die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung der amtlichen Statistik müssen somit an die Bedingungen der "Wissensgesellschaft" angepasst werden. Auch diesen Entwicklungen scheint das "Stovepipe"-Modell nicht Rechnung zu tragen.
All diese Überlegungen lassen den Schluss zu, dass das "Stovepipe"-Modell unter den derzeitigen Umständen überholt ist und durch eine bessere Alternative ersetzt werden muss.
Die Hauptabsicht und strategische Richtung dieses Visionspapiers besteht darin, die Effizienz der statistischen Produktion zu erhöhen. Nur durch eine ständige Anpassung seiner Produkt- und Dienstleistungspalette durch Innovation und Neuentwicklungen wird gewährleistet, dass das ESS auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen kann. Durch eine effiziente Strategie wird das ESS in die Lage versetzt, einen Ausgleich zwischen einem steigenden Informationsbedarf einerseits und der Mittelknappheit andererseits zu finden.
Kasten 2: Auswirkungen auf Bürger und Verwaltungen
- Die Bürger werden nicht regelmäßig gebeten, einen Fragebogen zur amtlichen Statistik zu beantworten:
- Bei Haushaltserhebungen werden in der Regel sehr kleine Stichproben zugrunde gelegt.
- Volkszählungen finden üblicherweise nur alle zehn Jahre statt.
- Bestimmte Ereignisse im Leben (z.B. Geburt, Schuleintritt, ein Unfall, Ruhestand) führen zu einer ganz bestimmten Berichterstattung im Rahmen der Bevölkerungs- und Sozialstatistik. Diese Statistiken werden jedoch üblicherweise anhand von Daten erstellt, die aus administrativen Quellen oder aus Bildungs- bzw. Gesundheitssystemen stammen.
- Dennoch ist die Optimierung der Statistiken durch die Einbeziehung und verstärkte Nutzung von administrativen Quellen ein wichtiges Ziel. Die abnehmende Bereitschaft, auf statistische Befragungen zu antworten, hat bereits zu innovativen und unkomplizierten Lösungen für die nächste Volkszählungsrunde 2010/2011 geführt. Nun kommt es darauf an, diesen Weg fortzusetzen und eine Umgestaltung der europäischen Bevölkerungs- und Sozialstatistik für die Zeit nach diesen Zählungen ins Auge zu fassen. Handelt es sich bei den für statistische Zwecke erhobenen Daten um personenbezogene Daten, d. h. um Daten über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person, sollten die einschlägigen Datenschutzvorschriften umfassend zur Anwendung gelangen und die Daten vor ihrer Weiterverarbeitung für statistische Zwecke grundsätzlich anonymisiert werden. Eine wesentliche Voraussetzung für praktikable Lösungen auf diesem Gebiet wird darin bestehen, dass den Erfordernissen des Datenschutzes gemäß den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften5 Rechnung getragen wird. Ferner wird es darauf ankommen, dass die herangezogenen Quellen den statistischen Anforderungen (Definitionen, Datenstrom, Datenzugang) auch tatsächlich entsprechen.
4 Auswirkungen auf die ESS-Geschäftsarchitektur: die Methode der europäischen Systeme für die Statistik
Auf der Ebene der Mitgliedstaaten
Die Strategie zur Bewältigung der oben genannten Veränderungen, die nicht auf einem bruchstückhaften, sondern auf einem ganzheitlichen Ansatz beruht, sieht vor, dass das "Stovepipe"-Modell durch ein integriertes Modell ersetzt wird. Die verschiedenen Nachteile des "Stovepipe"-Modells, auf die in Abschnitt 2 eingegangen wurde, lassen sich nämlich durch die Integration von Datensätzen und die Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Quellen durchaus vermeiden.
Auf der Ebene der NSÄ würden in diesem Fall Statistiken für bestimmte Bereiche nicht mehr unabhängig voneinander, sondern als integrierte Teile umfassender Produktionssysteme (nach dem sogenannten Data-Warehouse-Konzept) für statistische Cluster erstellt. Diese Systeme würden auf einer gemeinsamen (technischen) Infrastruktur beruhen, es würde so weit wie möglich standardisierte Software genutzt und sie würden auf alle verfügbaren Datenquellen zugreifen, die eine ausreichende Qualität aufweisen.
Hierzu muss untersucht werden, wie Daten aus unterschiedlichen Quellen verknüpft und für verschiedene Zwecke genutzt werden können, z.B. durch Beseitigung von Unterschieden im Bereich der Methodik und die Vereinheitlichung statistischer Klassifikationen.
Eine optimale, für die Mitgliedstaaten äußerst effiziente Lösung wäre es, ein Netz von Datenbanken einzurichten, aus dem alle einschlägigen Daten abgerufen werden könnten. Da eine derartige Lösung nur langfristig zur Gänze umgesetzt werden kann, wird vorgeschlagen, die Daten mittelfristig auf der Ebene der Mikrodaten miteinander zu verknüpfen. Die Verknüpfung von Mikrodaten ist ein wichtiges Instrument, mit dem sich nicht nur die Belastung der Befragten verringern, sondern auch um die Vergleichbarkeit der Datensätze erhöhen lässt. Dieser Prozess sollte zudem Gelegenheit bieten, die auf regionaler Ebene vorliegenden Daten auszudehnen und besser zu nutzen, sodass er wesentlich zur Verbesserung des Anwendungsbereichs und der Qualität von regionalen Daten beitragen würde. Kurzfristig dürften die enge Zusammenarbeit im ESS sowie die Einrichtung und Weiterentwicklung gemeinsamer Strukturen, Instrumente und Verfahren im Rahmen von Kooperationsnetzen dazu beitragen, dass mit der Geschäftsarchitektur des ESS der richtige Weg zur Verwirklichung ihrer langfristigen Ziele beschritten wird.
Kasten 3: Auswirkungen auf Unternehmen
- Im Folgenden wird ein Beispiel für ein realistisches "Worst-Case"-Szenario dargestellt, das sich durch das derzeitige Produktionsmodell ergibt. Ein Unternehmen mit 200 Beschäftigten stellt Teile für die Automobilindustrie her. Anfang des Jahres übermittelt es Daten für zwei Erhebungen im Rahmen der strukturellen Unternehmensstatistik. Sie betreffen Umsatz, Käufe von Waren und Dienstleistungen, Betriebsüberschuss, Beschäftigung, Personalkosten und Investitionen. Das Unternehmen liefert zudem Daten über seinen Energieeinsatz für die Energiestatistik. Es erstattet monatlich Bericht über seinen wert- und mengenmäßigen Warenverkehr innerhalb der EU (Intrastat). Überdies übermittelt es monatliche Meldungen über seine Geschäftsentwicklung für die Konjunkturstatistik (Umsatz, Beschäftigung, Auftragseingänge). Es meldet monatlich seine wert- und mengenmäßige Warenproduktion. Für jede einzelne Datenerhebung muss das Unternehmen dieselben Angaben über bestimmte grundlegende Unternehmensmerkmale wie Umsatz vorlegen.
- In einem integrierten System könnten zahlreiche dieser Daten anhand bereits vorliegender administrativer Daten gewonnen und/oder direkt dem Unternehmensabschluss entnommen werden. Für die übrigen Daten, die nicht auf andere Weise ermittelt werden können, sollte eine monatliche Erhebung ausreichen.
Das integrierte Modell beruht darauf, dass staatliche Behörden Daten für zahlreiche nichtstatistische Zwecke erheben, z.B. für steuer- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Durch die Wiederverwendung dieser administrativen Daten für statistische Zwecke lassen sich Effizienzsteigerungen erzielen. Hierzu können auch Daten aus anderen (externen) Quellen beitragen, z.B. durch die Heranziehung privater Informationslieferanten oder die direkte Nutzung von Rechnungsführungsdaten der Unternehmen. Es bedarf jedoch einiger Anstrengungen zur Gewährleistung der Qualität der Daten, da administrative und sonstige externe Daten sehr häufig nicht in der für die Statistik benötigten Form zur Verfügung stehen.
Kasten 4: Verknüpfung von Erhebungsdaten mit administrativen Daten
- Die Europäische Arbeitskräfteerhebung (AKE) ist die Grundlage für die Berechnung der harmonisierten Erwerbslosenzahlen. Die AKE liefert direkt vierteljährliche Schätzungen. Diese sind zwischen den Mitgliedstaaten vollständig vergleichbar, da sie anhand der vereinbarten Konzepte der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) erstellt werden. Politische Entscheidungsträger, Analysten und die breite Öffentlichkeit benötigen jedoch auch vergleichbare monatliche Daten über die Erwerbslosigkeit.
- Während derartige monatliche Schätzungen für einige wenige Mitgliedstaaten direkt aus der AKE abgeleitet werden können, ist dies für die meisten anderen Länder nicht möglich. Für die zuletzt genannten Fälle hat Eurostat eine Methode zur Erstellung monatlicher Schätzungen entwickelt, wonach die vierteljährlichen AKE-Ergebnisse mit den monatlichen Daten über die registrierte Arbeitslosigkeit verknüpft werden. Die Daten über die registrierte Arbeitslosigkeit stammen von den Arbeitsmarktverwaltungen der einzelnen Länder. Sie werden von den jeweiligen einzelstaatlichen Verwaltungsvorschriften beeinflusst. Ihre Höhe ist daher zwar nicht vergleichbar, ihre monatlichen Veränderungen können aber als Indikator für kurzfristige Entwicklungen herangezogen werden. Nach der Eurostat-Methodik liefert die AKE die vierteljährliche Benchmark für die Höhe der Erwerbslosigkeit, die mit dem Indikator der monatlichen Veränderungen auf der Grundlage der registrierten Daten verknüpft wird. Auf diese Weise wird es durch die Verknüpfung von Erhebungsergebnissen und administrativen Daten möglich, schnell und effizient auf den öffentlichen Informationsbedarf zu reagieren.
Auf der Ebene der EU
Auf europäischer Ebene besitzt das integrierte Modell zwei Dimensionen: eine horizontale und eine vertikale. Durch die Verknüpfung beider Dimensionen ergibt sich die neue Methode der europäischen Systeme für die Statistik.
Die horizontale Integration auf der europäischen Ebene gleicht dem Verfahren, das für die Mitgliedstaaten beschrieben wurde. Die Aufgabe des "Stovepipe"-Modells in den NSÄ hätte unmittelbar zur Folge, dass auch die europäischen Statistiken nicht mehr bereichsweise, sondern gleichermaßen auf integrierte Weise erstellt würden.
Der vertikale Aspekt des integrierten Modells besteht auf der europäischen Ebene aus zwei Elementen. Erstens sollen im Rahmen der statistischen Einzelmaßnahmen innerhalb des ESS Synergien erzielt. Gemeinsame Strukturen, Instrumente und Verfahren könnten durch Kooperationsnetze entstehen oder weiterentwickelt werden, an denen sowohl die nationalen statistischen Ämter als auch Eurostat mitwirken. Wie in Artikel 15 der Verordnung über europäische Statistiken6 vorgesehen, wird durch Kooperationsnetze zwischen den Partnern im ESS die Spezialisierung bestimmter Mitgliedstaaten auf ganz bestimmte statistische Tätigkeiten zugunsten des ESS insgesamt erleichtert. Dadurch wird Doppelarbeit vermieden und somit die Effizienz erhöht und eine unnötige Belastung der Auskunftgebenden verringert.
Das zweite Element betrifft den Europäischen Ansatz für die Statistik (Artikel 16 der Verordnung über europäische Statistiken). Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Verfügbarkeit von zuverlässigen Daten auf nationaler Ebene zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für die Verfügbarkeit von zuverlässigen Daten auf der aggregierten europäischen Ebene ist. Falls der Zweck der Daten nur darin besteht, über Angaben auf EU-Ebene zu verfügen, ist ein umfassender Satz nationaler Daten nicht notwendig, sodass ein potenzieller Effizienzgewinn im System gegeben ist.die Ziehung von EU-Stichproben ist eine Möglichkeit, diesen Gewinn tatsächlich zu erzielen. In Bereichen, in denen keine nationalen Daten zur Verfügung stehen müssen, können EU-Stichproben den Aufwand für die Auskunftgebenden verringern, die Aktualität erhöhen und die Qualität verbessern. Der Europäische Ansatz für die Statistik könnte zudem die Erstellung europäischer Statistiken anhand von unveröffentlichten einzelstaatlichen Datenbeiträgen oder von Datenbeiträgen aus einem kleineren Kreis von Mitgliedstaaten umfassen sowie die Verwendung von Teilinformationen aufgrund von modellbasierten Schätzungen.
Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten:
Auf EU-Ebene weist das integrierte Modell der Erstellung von Statistiken zwei Dimensionen auf. Es beinhaltet sowohl die horizontale Integration zwischen den Statistikbereichen auf der Ebene der NSÄ und von Eurostat als auch die vertikale Integration mit Blick auf die nationale und auf die EU-Ebene. Dieses Modell zur Erstellung von europäischen Statistiken wird als die Methode der europäischen Systeme für die Statistik bezeichnet.
5 Politische und managementbezogene Herausforderungen
5.1 Herausforderungen für das ESS
Einige Elemente des vorgeschlagenen integrierten Modells sind mit einem Paradigmenwechsel von "Datenerhebern" zu "Wiederverwendern von Daten" verbunden. Während sich die durch herkömmliche Methoden erhobenen Daten unter der Kontrolle der statistischen Ämter befinden, ist dies bei wiederverwendeten Daten in sehr viel geringerem Ausmaß der Fall, was gewisse Risiken birgt: Konzepte und Definitionen könnten von den Eigentümern der Daten verändert werden, bestimmte Datenerhebungen können eingestellt oder verändert werden usw. Damit dem berechtigten Interesse der Statistik Rechnung getragen wird, muss die Haltung gegenüber den Eigentümern wiederverwendeter Daten (Administratoren, Aufsichtsbehörden usw.) überdacht und möglicherweise gestärkt werden.
Es entstehen erhebliche Herausforderungen technischer Natur und hinsichtlich der Methodik. Die Standardisierung und Integration vormals getrennter Produktionsprozesse wird große Anstrengungen und eine effiziente Bewältigung dieser Veränderungen erfordern. Die Umgestaltung eines Produktionssystems mit einer Gruppe von etwa dreißig Produzenten wird nur schrittweise und in enger Zusammenarbeit machbar sein. Zudem wird die Qualitätsbewertung der Statistik sehr viel komplexer werden. Ein Beispiel: Herkömmliche Qualitätsmaßnahmen (z.B. Stichprobenfehler) werden weniger wichtig, da bei der Datenerhebung in geringerem Maße Stichprobenverfahren zum Einsatz kommen. Eine neue Methodik zur Qualitätsbewertung wird daher entwickelt werden müssen.
Drittens wird die neue Geschäftsarchitektur, die sich durch die Einführung dieser innovativen Merkmale ergeben wird, das ESS in die Lage versetzen, die Wirksamkeit und die Effizienz der Produktionsprozesse zu steigern. Es ist jedoch notwendig, diese strategische Ausrichtung durch eine bessere Kommunikation mit den Nutzern zu ergänzen. Statistische Information war noch nie ein Selbstzweck; für viele Nutzer stellt sie vielmehr reale Gegebenheiten mit einem hohen Abstraktionsgrad dar. Je stärker die statistische Produktion auf einer komplexen Methodik beruht, desto notwendiger ist es, die Ergebnisse zu erläutern. Das Vertrauen in das statistische System und die Wahrnehmung der Qualität der statistischen Information sind eng miteinander verbunden. Ferner könnte eine Einführung in statistische Grundbegriffe dazu beitragen, dass es in der Öffentlichkeit seltener zu Missverständnissen ("Zahlenblindheit") kommt. Daher muss die Nutzerorientierung die Richtschnur bei der Kommunikation sein.
Kasten 5: Neue Formen der Kommunikation mit den Nutzern
- Statistics Explained ist ein neues Instrument zur Verbreitung von (Meta-)Daten durch die Eurostat-Website. Es wird an die Stelle von gedruckten Veröffentlichungen treten und die Verknüpfung von Daten und Metadaten mit erläuternden Texten ermöglichen. Es wird daher statistische Veröffentlichungen und Datenbanken nahtlos miteinander verbinden. Statistics explained wird auf der Web 2.0 Wiki-Technologie beruhen. Der Inhalt wird dezentral durch die für den jeweiligen Bereich zuständige Direktion erarbeitet, während mit der redaktionellen Bearbeitung durch das Referat "Verbreitung" Harmonisierung und gute Qualität angestrebt wird. Ein Prototyp wurde bereits entwickelt und intern vorgestellt; eine erste Version könnte der Öffentlichkeit im zweiten Halbjahr 2009 zur Verfügung gestellt werden.
Schließlich wird es insbesondere auf der Ebene der NSÄ notwendig sein, die interne Organisation zu überprüfen, um sie an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Qualifikationen des Personals werden (z.B. in Bezug auf Technologie und Kommunikation) den neuen Anforderungen gerecht werden müssen. Neues Personal mit unterschiedlichen Qualifikationen muss eingestellt werden und das vorhandene Personal wird an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen müssen.
5.2 Herausforderungen für Eurostat
Da die statistischen Produktionsprozesse komplexer werden und stärker miteinander verbunden sind, muss Eurostat seinen Qualitätssicherungsansatz in all seinen Dimensionen überprüfen.
Seit etwa zehn Jahren besteht ständig die Tendenz dazu, die Erhebung von Daten im ESS nicht auf freiwillige Vereinbarungen mit den Mitgliedstaaten, sondern auf Rechtsvorschriften zu stützen. Diese Strategie geht teilweise auf den Wunsch der Mitgliedstaaten und von Eurostat zurück, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Datenübermittlung ausdrücklich zu verankern, und teilweise auf die angestrebte Sicherung der Qualität der Statistiken. Mit dem Rechtsetzungsansatz wurden große Erfolge bei der Sicherung der Qualität in all ihren Dimensionen, auch in Bezug auf Vergleichbarkeit und Vollständigkeit der EU-Statistiken, erzielt. Da die statistischen Produktionsprozesse jedoch komplexer werden und stärker miteinander verbunden sind, wird die Qualität in Zukunft durch die Verknüpfung einer neuen Generation statistischer Rechtsvorschriften mit anderen Instrumenten gewährleistet werden.
Die Umsetzung der Methode der europäischen Systeme für die Statistik weist drei Komponenten auf. Die erste Komponente bilden nach wie vor die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die auch künftig hauptsächlich outputorientiert sind und Mindeststandards für die Erstellung von Statistiken in einem bestimmten Bereich vorgeben werden. Als Folge dieses Grundsatzes würden die Mitgliedstaaten für die Erfüllung derartiger Mindeststandards keine finanzielle Unterstützung erhalten. Die Vorschläge von Eurostat für die künftigen statistischen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft würden so formuliert, dass sie die Entstehung einer Architektur von voneinander abhängenden Produktionssystemen fördern, denen mehrere Quellen zugrunde liegen. Die neue Generation statistischer Rechtsvorschriften würde sich auf breiter angelegte Statistikbereiche als bisher beziehen und die Verwendung multipler Datenquellen, innovativer Datenerhebungsmethoden, der auf regionaler Ebene vorliegenden Daten und bereichsübergreifender Konzepte in den Vordergrund rücken. Die meisten technischen Aspekte der Rechtsvorschriften würden nicht durch den "grundlegenden" Rechtsrahmen für einen bestimmten statistischen Bereich, sondern durch Umsetzungsrechtsvorschriften geregelt. Dies würde die Flexibilität des Rechtsetzungsansatzes erhöhen. Es ist festzuhalten, dass der vorgeschlagene Rechtsetzungsansatz den Empfehlungen der Überprüfung von Eurostat durch Fachkollegen7 voll und ganz entspricht.
Der outputorientierte Ansatz der Rechtsetzungskomponente der Strategie könnte dadurch ergänzt werden, dass der Input durch die Verwendung gemeinsamer Instrumente im ESS harmonisiert wird. Die zweite Komponente betrifft daher die Ergänzung der Produktharmonisierung durch die Verfahrensharmonisierung anhand von Maßnahmen zugunsten von Methodiken, die auf gemeinsamen Instrumenten beruhen. Dies ist für die Entwicklung von stärker integrierten Systemen notwendig und würde zudem die umfassende Nutzung von Synergien und Größenvorteilen ermöglichen. Die Bereitstellung von gemeinsamen Methodik- und IKT-Instrumenten für das ESS insgesamt ist jedoch besonders schwierig, da die Verantwortung (und somit auch die Kosten) für die Entwicklung solcher Instrumente zwischen Eurostat und den NSÄ geteilt werden müssten. Die vorgeschlagene Strategie sieht daher einen erheblichen finanziellen Beitrag zu diesen Entwicklungsarbeiten auf EU-Ebene vor, wodurch es Eurostat zudem möglich sein wird, das System in die gewünschte Richtung zu lenken. Zu diesem Zweck kann auf verschiedene Formen der sich auf das gesamte ESS erstreckenden Zusammenarbeit zugegriffen werden. Hierbei sind insbesondere die ESS-Kooperationsnetze (ESSnet) zu erwähnen, die Projekte umfassen, welche von einem aus verschiedenen Einrichtungen bestehenden Team durchgeführt werden und zu Ergebnissen führen sollen, die vom gesamten ESS genutzt werden können. ESSnet-Projekte werden von der Kommission und den mitwirkenden Einrichtungen kofinanziert.
Die dritte Komponente ist die Förderung gemeinsamer Werte und der Wissensaustausch im gesamten ESS. Die Rechtsetzungskomponente (Festlegung der Grundvorgaben) und die technische Komponente (Bereitstellung der besten verfügbaren Instrumente) müssen durch eine Komponente ergänzt werden, die sich auf das Wissen und die Fachkompetenz bezieht, die im System zur Verfügung stehen, d. h. auf das Humankapital des ESS. Mit dem Verhaltenskodex wurde zwar viel für die Förderung gemeinsamer Werte im ESS geleistet, aber bislang weniger beim Wissensaustausch erreicht, obwohl mit Personal, das in ein und derselben Methodik geschult wurde, der Vergleichbarkeit am besten gedient ist. Es wird daher vorgeschlagen, eine echte europäische Forschungs- und Ausbildungsstelle für die Statistik einzurichten.
Kasten 6: Auswirkungen auf die Rolle von Eurostat in der Kommission
- Die Statistiken über den grenzüberschreitenden Warenverkehr zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern werden auf der Grundlage von Zolldaten erstellt. Im Laufe des Jahres 2008 fanden zwischen der GD TAXUD und Eurostat ausführliche Beratungen über künftige Änderungen dieser Datenerhebung im Zusammenhang mit einer künftigen Überarbeitung des Zollkodex statt. Sie führten zu einer Vereinbarung zwischen beiden Generaldirektionen, die gewährleisten wird, dass statistischen Anforderungen bei der Überarbeitung des Zollkodex Rechnung getragen wird. Ohne eine derartige Vereinbarung wäre es unter Umständen dazu gekommen, dass ersatzweise Daten durch Erhebungen hätten erfasst werden müssen, wodurch die Belastung der Unternehmen enorm zugenommen hätte. Auch in anderen Bereichen muss hauptsächlich infolge der verstärkten Nutzung von Daten, die nicht aus Erhebungen stammen, sichergestellt werden, dass statistischen Belangen bei der (Um-)Gestaltung von administrativen Datenquellen Berücksichtigung finden wird. Es bedarf politischer Unterstützung auf der höchsten Ebene, damit die legitimen Anliegen der Produzenten von Statistiken von anderen Kommissionsdienststellen auch tatsächlich respektiert werden.
- Darüber hinaus haben die in Abschnitt 3 beschriebenen Veränderungen der ESS-Geschäftsarchitektur zu einer grundlegenden Überarbeitung des Governance-Systems des ESS geführt. Die neue Verordnung über europäische Statistiken* stärkt den Auftrag von Eurostat. Zusammen mit der Einsetzung des Europäischen Beratungsgremiums für die Statistische Governance und des Europäischen Beratenden Ausschusses für die Statistik stellt die Modernisierung der rechtlichen Anforderungen einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung und Ergänzung der Governance des ESS dar. Die Governance wurde in den letzten Jahren auch durch die Annahme und anschließende Umsetzung des Verhaltenskodex für europäische Statistiken verbessert, der ein zentrales Element eines formalisierten und systematischen Qualitätsmanagements ist.
- Diese Entwicklungen sind zwar keine direkte Folge der Umgestaltung der Systeme zur Erstellung von EU-Statistiken, haben aber gleichermaßen dazu geführt, dass der Auftrag von Eurostat über die reine Koordinierung mit den NSÄ hinausgeht. Einerseits wird Eurostat anderen Gemeinschaftseinrichtungen verbesserte statistische Dienstleistungen erbringen müssen (fachliche Beratung, Qualitätskontrollen); andererseits wird Eurostat die Kommunikation mit diesen Gemeinschaftseinrichtungen intensivieren müssen, um den statistischen Bedarf vorauszusehen und die Nutzung vorliegender Statistiken zu optimieren. Voraussetzung dafür ist der Ausbau der Beziehungen zu anderen Kommissionsdienststellen, und zwar nicht nur durch jährliche Anhörungen, sondern auch durch gemeinsame analytische Tätigkeiten. Zu diesem Zweck wird ein Netz von Statistikkorrespondenten bei der Kommission eingerichtet.
- * Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken.
6 Auf dem Wege zur neuen Methode der europäischen Systeme für die Statistik
Es versteht sich von selbst, dass die dargestellte Vision zur Modernisierung der Geschäftsarchitektur in der EU nicht von Eurostat allein umgesetzt werden kann. Vielmehr ist eine gemeinsame Anstrengung aller Partner im ESS notwendig, die jeweils ihre ganz bestimmte Rolle unter umfassender Wahrung des Subsidiaritätsprinzips wahrnehmen müssen. Damit die Vision ein Erfolg wird, muss sie von diesen Partnern unterstützt werden. Es ist somit von großer Bedeutung, dass Eurostat seine Partner im ESS bereits frühzeitig in den Prozess einbezieht. Hierzu wird vorgeschlagen, dass ihn Eurostat unmittelbar nach der Annahme dem Ausschuss für das Europäische Statistische System vorstellt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die NSÄ die Eigenverantwortung für diesen Prozess übernehmen, da er sonst unter Umständen auf die Elemente beschränkt bleibt, die nur auf EU-Ebene eingeführt werden können.
Die Kommission wird zudem die Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates anstreben, die für die erfolgreiche Umsetzung der vorgeschlagenen Vision zur Modernisierung der Geschäftsarchitektur in der EU von zentraler Bedeutung sein wird. Die Mitgliedstaaten werden insbesondere im Rahmen der Beratungen im Ecofin-Rat mitwirken. Wie seit einigen Jahren üblich, wird der Rat im November eine Reihe von Themen im Zusammenhang mit der Statistik erörtern (das sogenannte Statistikpaket) und der vorliegende Vorschlag wird Teil des diesjährigen Pakets sein. Sobald der Vorschlag von der Kommission angenommen worden ist, wird er daher dem Wirtschafts- und Finanzausschuss zur Erörterung vorgelegt.
Überdies müssen auch andere Interessenträger Teil der Strategie sein. Die Nutzergruppen müssen ebenfalls frühzeitig konsultiert werden, da sich die Merkmale und selbst der Inhalt der europäischen Statistiken infolge der neuen Geschäftsarchitektur unweigerlich drastisch verändert werden könnten. Die Anliegen der Nutzer müssen bei der Umsetzung der Veränderungen im Rahmen der neuen Geschäftsarchitektur berücksichtigt werden und um ihre Zustimmung muss man sich aktiv bemühen. Daher wird der Vorschlag auch dem Europäischen Beratenden Ausschuss für die Statistik unterbreitet werden.
In der Zwischenzeit werden die laufenden Bemühungen zur Neugestaltung der Produktionsprozesse, die bereits in Gange sind, fortgesetzt. Dies betrifft verschiedene Initiativen wie die Rationalisierung der IT-Architektur durch das "Data Life Cycle (CVD)"-Projekt, die Einführung einer interaktiveren Produktionskette auf der Grundlage einer "Data at the Source"-Lösung im Rahmen des "Census Hub"-Projekts sowie durch die Umweltdatenzentren und die Neugestaltung der Unternehmens- und Handelsstatistik mit dem Programm MEETS.
- 1 Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken.
- 2 Mitteilung über die Verringerung des Beantwortungsaufwands, Vereinfachung und Prioritätensetzung (KOM (2006) 693).
- 3 Beschluss Nr. 1297/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über ein Programm zur Modernisierung der europäischen Unternehmens- und Handelsstatistik (MEETS).
- 4 Verordnung (EG) Nr. 222/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 638/2004 über die Gemeinschaftsstatistiken des Warenverkehrs zwischen Mitgliedstaaten, ABl. L 87.
- 5 Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 (ABl. L 281) und Verordnung (EG) Nr. 045/2001 vom 18. Dezember 2000 (ABl. L 8).
- 6 Siehe Fußnote 1.
- 7 Alle nationalen statistischen Ämter und Eurostat wurden 2006-2008 einer Überprüfung durch Fachkollegen unterzogen, bei der die Einhaltung des Verhaltenskodex für europäische Statistiken beurteilt wurde. Der Kodex gibt die Grundsätze für die Erstellung und Verbreitung der amtlichen europäischen Statistik sowie das institutionelle Umfeld vor, in dem die nationalen und gemeinschaftlichen Statistikbehörden tätig sind, und ist auf die Steigerung von Integrität, Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht ausgerichtet.