Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Das Europäische Parlament, der Europäische Rat, der Beschäftigungsausschuss und der Wirtschafts- und Finanzausschuss werden an den Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl.
Drucksache 190/11 (PDF) = AE-Nr. 110246,
Drucksache 146/12 (PDF) = AE-Nr. 120198 und AE-Nr. 110438
Europäische Kommission
Brüssel, den 30.5.2012
COM (2012) 305 final
{SWD(2012) 305 final}
Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zum Nationalen Reformprogramm Deutschlands 2012 und Stellungnahme zum Stabilitätsprogramm Deutschlands für die Jahre 2012-2016
Der Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4, gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken1, insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2, auf Empfehlung der Europäischen Kommission,2 unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments3 unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses, nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Am 26. März 2010 nahm der Europäische Rat den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Wachstums- und Beschäftigungsstrategie ("Europa 2020") an, deren Kernpunkt eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik in den Bereichen ist, in denen Handlungsbedarf besteht, wenn Europas Potenzial für nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden soll.
- (2) Am 13. Juli 2010 nahm der Rat eine Empfehlung zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union (2010 bis 2014) an und am 21. Oktober 2010 einen Beschluss über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 4, die zusammen die "integrierten Leitlinien" bilden. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, ihre nationalen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitiken in Anlehnung an die integrierten Leitlinien auszugestalten.
- (3) Am 12. Juli 2011 nahm der Rat eine Empfehlung zum Nationalen Reformprogramm Deutschlands für 2011 an und bezog Stellung zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Deutschlands für 2011-2014.
- (4) Am 23. November 2011 nahm die Kommission den zweiten Jahreswachstumsbericht an, mit dem das zweite Europäische Semester, d.h. die in der Strategie Europa 2020 verankerte integrierte Exante-Politikkoordinierung, eingeleitet wurde. Am 14. Februar 2012 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 den Warnmechanismus-Bericht5 an, worin Deutschland nicht als einer der Mitgliedstaaten aufgeführt ist, für die eine eingehende Prüfung angestellt werden sollte.
- (5) Am 2. März 2012 erklärte der Europäische Rat die Stabilität des Finanzsystems, die Haushaltskonsolidierung und Maßnahmen zur Wachstumsankurbelung zu Prioritäten. Er verwies auf die Notwendigkeit, weiterhin eine differenzierte, wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung zu verfolgen, eine normale Kreditvergabe an die Wirtschaft sicherzustellen, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die sozialen Folgen der Krise abzufedern sowie die öffentliche Verwaltung zu modernisieren.
- (6) Am 2. März 2012 ersuchte der Europäische Rat die am Euro-Plus-Pakt teilnehmenden Mitgliedstaaten außerdem, die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen rechtzeitig bekanntzugeben, damit sie in ihre Stabilitäts- beziehungsweise Konvergenzprogramme und Nationalen Reformprogramme aufgenommen werden können.
- (7) Am 18. April 2012 übermittelte Deutschland sein Stabilitätsprogramm für den Zeitraum 2012-2016 und am 12. April 2012 sein Nationales Reformprogramm 2012. Um Überschneidungen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.
- (8) Nach den ersten 2012 im Rahmen des Defizitverfahrens gemeldeten Defizit- und Schuldenstandsdaten für den Zeitraum 2008-2011 lag das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2011 unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP. Der Frühjahrsprognose 2012 der Kommission zufolge wird das gesamtstaatliche Defizit unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert bleiben und im Projektionszeitraum weiter sinken. Die Kommission nahm daher in Übereinstimmung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt am 30. Mai gemäß Artikel 126 Absatz 12 des Vertrags eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Aufhebung der Entscheidung über das Bestehen eines übermäßigen Defizits an.
- (9) Ausgehend von der Bewertung des Stabilitätsprogramms gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates ist der Rat der Auffassung, dass das den Haushaltsprojektionen des Programms zugrunde liegende makroökonomische Szenario plausibel ist. Die Projektionen des Programms für 2012/2013 hinsichtlich des künftigen Verlaufs des Wirtschaftswachstums und der Arbeitsmarktentwicklung decken sich weitgehend mit der Frühjahrsprognose 2012 der Kommission. Die Projektionen für das Wirtschaftswachstum in späteren Jahren stimmen im Großen und Ganzen mit der von der Kommission prognostizierten Potenzialwachstumsrate überein. Die im Programm dargelegte Haushaltsstrategie zielt darauf ab, das mittelfristige Haushaltsziel bereits 2012 zu erreichen und ab 2014 einen tatsächlich ausgeglichenen gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo vorweisen zu können. Das Programm konkretisiert das bisherige mittelfristige Haushaltsziel eines strukturellen Defizits von 1/2% des BIP (bei welchem geringfügige Abweichungen von der 0,5 %- Marke möglich waren), was die Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts hinreichend widerspiegelt, nunmehr als ein Defizit von maximal 0,5 % des BIP. Risiken für die Defizit- und Schuldenstandsziele könnten sich vor allem ergeben, wenn zusätzliche Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors ergriffen werden müssen. Ausgehend vom (neu) berechneten strukturellen Defizit6 will Deutschland sein mittelfristiges Haushaltsziel über den gesamten Programmzeitraum hinweg einhalten, was trotz der Risikofaktoren realistisch sein dürfte. Den Angaben im Programm zufolge würde bei entsprechender Berücksichtigung der Risikofaktoren und der diskretionären Maßnahmen auf der Einnahmenseite das Ausgabenwachstum 2012 den Referenzwert des Stabilitäts- und Wachstumspakts überschreiten, während es 2013 darunter liegen würde. Der Bruttoschuldenstand soll 2012 um 0,8 Prozentpunkte auf 82,0 % des BIP anwachsen, bevor er 2013 wieder auf 80 % absinkt und sich anschließend kontinuierlich weiter nach unten entwickelt. Nach der Korrektur des übermäßigen Defizits befindet sich Deutschland in einer Übergangsphase und macht entsprechend den Plänen ausreichende Fortschritte bei der Erreichung des im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Richtwerts für den Schuldenabbau.
- (10) Die Bundesregierung hat Maßnahmen in die Wege geleitet, um die Effizienz der öffentlichen Ausgaben im Gesundheitswesen zu erhöhen, und eine Reform der Pflegeversicherung vorgeschlagen. Um den erwarteten weiteren Kostenanstieg zu begrenzen, sind zusätzliche Anstrengungen zur Erhöhung der Effizienz im Gesundheitswesen notwendig. Die vorgeschlagene Reform der Pflegeversicherung ist ebenfalls nicht ausreichend, um den erwarteten Kostenanstieg aufzufangen. Das Steuersystem könnte effizienter gestaltet werden. Die Bundesregierung befindet sich auf einem guten Wege, um ihre Verpflichtung einer Anhebung der wachstumsfördernden Bildungs- und Forschungsausgaben zu erfüllen. Allerdings ist es wichtig, dass auch die Länder und Gemeinden, die den Großteil der Bildungs- und Forschungsausgaben tragen, adäquate und effiziente Ausgaben in diesen Bereichen sicherstellen. Durch die neue, im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wurde der Fiskalrahmen Deutschlands weiter gefestigt. Dagegen wurden bei der Umsetzung der Schuldenregel auf Länderebene keine nennenswerten Fortschritte erzielt.
- (11) Der Finanzsektor hat sich durch die beträchtlichen staatlichen Stützungsmaßnahmen, die eigenen Anpassungsbemühungen und die positiven Effekte der Konjunkturerholung in Deutschland insgesamt stabilisiert. Trotz des im Großen und Ganzen relativ stabilen Finanzsektors und der Abwesenheit einer Kreditklemme bleiben einige Schwachstellen bestehen, vor allem die strukturellen Probleme einiger Landesbanken, insbesondere das Fehlen eines tragfähigen Geschäftsmodells, schwache Leitungs- und Aufsichtsstrukturen sowie eine gewisse Anfälligkeit infolge der starken Abhängigkeit von der Refinanzierung am Interbankenmarkt.
- (12) Von der guten Arbeitsmarktlage in Deutschland, die durch Beschäftigungszuwächse und eine moderate Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, hat nicht die gesamte Kommissionsdienststellen anhand der Programmdaten unter Verwendung der gemeinsamen Methodik. Erwerbsbevölkerung gleichermaßen profitiert, und die Löhne haben nicht immer mit der Produktivitätssteigerung Schritt gehalten. Fiskalische Fehlanreize aufgrund der hohen Steuern und Abgaben, speziell der hohen Sozialabgaben, behindern nach wie vor die Eingliederung besonders von Geringverdienern in den Arbeitsmarkt. Der verbreitete Rückgriff auf Minijobs hat zur Folge, dass nur geringfügige Rentenansprüche erworben werden. Deshalb muss der Übergang von Minijobs zu stabileren Arbeitsverhältnissen verbessert werden. Die jüngste Reform der Arbeitsmarktinstrumente sollte die Beschäftigungsaussichten aller Gruppen fördern. Deutschland steht vor der großen Herausforderung, sein Bildungswesen effizienter zu gestalten und das Bildungsniveau in den benachteiligten Bevölkerungsgruppen anzuheben. Auf mittlere und lange Sicht wird es darauf ankommen, qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, um die negativen Folgen des demografischen Wandels für das Potenzialwachstum abzufedern. Problematisch ist der geringe Frauenanteil unter den Vollzeitbeschäftigten. Fiskalische Fehlanreize für Zweitverdiener sowie fehlende Ganztagskindertagesstätten und -schulen behindern die Erwerbstätigkeit von Frauen.
- (13) Deutschland ist dabei, sein Energiesystem tiefgreifend zu reformieren. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Umbaus des Energiesystems sollten durch einen beschleunigten Netzausbau im Inland und über die Landesgrenzen hinaus, die kontinuierliche Verbesserung der Kosteneffizienz der Politik im Bereich des Klimaschutzes und der erneuerbaren Energien, maßgebliche Schritte zur Steigerung der Energieeffizienz und die Förderung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten minimiert werden. Aufgrund der zentralen geografischen Lage Deutschlands hat das deutsche Eisenbahnsystem Auswirkungen auf den gesamten europäischen Schienenverkehr. Der Wettbewerb auf der Schiene sowohl beim Personen- als auch beim Güterverkehr ist nach wie vor sehr gering ausgeprägt, insbesondere durch die unzureichende Trennung des Eisenbahninfrastrukturbetreibers vom Eisenbahnverkehrsunternehmen. Trotz der Fortschritte in den letzten Jahren, unter anderem aufgrund der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, könnten Wettbewerb und Produktivitätszuwachs in einigen Dienstleistungssektoren (z.B. dem Bausektor) noch gesteigert werden.
- (14) Deutschland ist im Rahmen des Euro-Plus-Pakts eine Reihe von Verpflichtungen eingegangen. Diese Verpflichtungen und die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Jahr 2011 betreffen die Förderung der Beschäftigung und der Wettbewerbsfähigkeit, die Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die Stärkung der Finanzstabilität. Die Kommission hat die Umsetzung der im Rahmen des Euro-Plus-Pakts eingegangen Verpflichtungen geprüft. Die Ergebnisse der Bewertung sind in die Empfehlungen eingeflossen.
- (15) Im Rahmen des Europäischen Semesters hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Deutschlands eingehend analysiert. Sie hat das Stabilitätsprogramm und das Nationale Reformprogramm bewertet. Dabei hat sie nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Deutschland berücksichtigt, sondern auch deren Übereinstimmung mit EU-Vorschriften und -Leitlinien, angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union insgesamt durch auf EU-Ebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken. Ihre Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters sind in die Empfehlungen 1 bis 4 eingeflossen.
- (16) Hiervon ausgehend hat der Rat das deutsche Stabilitätsprogramm 2012 bewertet; seine Stellungnahme hierzu7 spiegelt insbesondere die Empfehlung 1 wider - EMPFIEHLT, dass Deutschland im Zeitraum 2012-2013
- 1. weiterhin eine solide Finanzpolitik betreibt, um das mittelfristige Haushaltsziel bis 2012 zu erreichen; zu diesem Zweck die Haushaltsstrategie wie geplant umsetzt und darauf achtet, dass der Ausgabenrichtwert eingehalten wird und ausreichende Fortschritte im Hinblick auf die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau gemacht werden; an einem wachstumsfreundlichen Konsolidierungskurs festhält und in diesem Zusammenhang zusätzliche Anstrengungen unternimmt, um die Effizienz der Ausgaben im Gesundheitswesen und in der Pflege zu erhöhen, und die noch ungenutzten Möglichkeiten für ein effizienteres Steuersystem ausschöpft; den vorhandenen Spielraum nutzt, damit auf allen staatlichen Ebenen erhöhte und effizientere wachstumsfördernde Ausgaben für Bildung und Forschung getätigt werden; die Schuldenbremse in allen Bundesländern in konsistenter Weise umsetzt und dabei zeitnahe und relevante Kontrollverfahren und Korrekturmechanismen sicherstellt;
- 2. die verbleibenden strukturellen Schwächen im Finanzsektor angeht, unter anderem durch eine weitere Umstrukturierung derjenigen Landesbanken, die ein angemessen finanziertes und rentables Geschäftsmodell benötigen, wobei ein übermäßiger Abbau von fremdkapitalfinanzierten Bilanzpositionen zu vermeiden ist;
- 3. die hohe Steuer- und Abgabenlast vor allem für Geringverdiener in einer haushaltsneutralen Weise verringert und geeignete Aktivierungs- und Integrationsmaßnahmen insbesondere für Langzeitarbeitslose aufrechterhält; die Voraussetzungen schafft, damit die Lohnentwicklung mit dem Produktivitätszuwachs Schritt hält; Maßnahmen ergreift, um das Bildungsniveau benachteiligter Bevölkerungsgruppen anzuheben, indem vor allem die Chancengleichheit im allgemeinen und beruflichen Bildungssystem sichergestellt wird; die fiskalischen Fehlanreize für Zweitverdiener abschafft und die Zahl der Ganztagskindertagesstätten und -schulen erhöht;
- 4. weiter darauf hinarbeitet, die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Umbaus des Energiesystems so gering wie möglich zu halten, einschließlich durch einen beschleunigten Ausbau der nationalen und länderübergreifenden Strom- und Gasnetze; sicherstellt, dass der institutionelle Rahmen einen wirksamen Wettbewerb im Schienenverkehr gewährleistet; Maßnahmen ergreift, um den Wettbewerb im Dienstleistungssektor weiter zu fördern, einschließlich der freien Berufe und bestimmter Handwerke, insbesondere im Baugewerbe.
Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Rates
Die Präsidentin/Der Präsident
- 1. ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.
- 2. COM (2012) 305 final.
- 3. P7_TA(2012)0048 und P7_TA(2012)0047.
- 4. Beschluss 2011/238/EU des Rates vom 26. April 2012.
- 5. COM (2012) 68 final.
- 6. Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung durch die 7 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates.