Der Bundesrat hat in seiner 816. Sitzung am 4. November 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Vorlage eines Vorschlags zur Neuregelung des gemeinschaftlichen Fischseuchenrechts, mit dem die bestehenden Gemeinschaftsregelungen aktualisiert werden sollen. Der vorliegende Richtlinienvorschlag enthält jedoch noch viele Unklarheiten sowie Bestimmungen, die einseitig auf die naturräumlichen und (fischerei-)strukturellen Verhältnisse in bestimmten Mitgliedstaaten ausgerichtet sind. Zahlreiche Regelungen passen nicht auf die Verhältnisse in Binnenlandgebieten bzw. sind hier nicht sinnvoll anzuwenden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den Beratungen zur Aquakulturrichtlinie darauf hinzuwirken, dass unter dem Aspekt der Deregulierung nur die notwendigen Regelungen aufgenommen werden und Sorge getragen wird, dass die Vorschriften hinreichend bestimmt formuliert und sowohl von den Wirtschaftsbeteiligten als auch von den Behörden umgesetzt werden können. Dazu ist auch eine angemessene Frist zur Umsetzung der Richtlinie über den 1. Juli 2007 hinaus erforderlich.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Zuge der weiteren Beratungen auf EU-Ebene nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass die Richtlinie dergestalt gefasst wird, dass sie auch in Deutschland nutzbringend angewandt werden kann. Insbesondere dürfen die Regelungen die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Aquakultur nicht gefährden.
Die künftige konsequente Umsetzung des vorliegenden Vorschlags wird einen erheblichen Bedarf an administrativen, operativberatenden und untersuchenden Personalressourcen implizieren. Vor dem Hintergrund ist die künftige Entwicklung der Fischgesundheitsfürsorge von großer Bedeutung. Im Hinblick auf die derzeit vorherrschende personelle Situation bei den zuständigen Behörden sowie im Bereich der operativen Beratung und Forschung ist zu berücksichtigen, dass die künftige und baldige Umsetzung zu einer im Umfang derzeit nicht einzuschätzenden Mehrbelastung führen kann.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, begleitend zu den Beratungen eine bundesweite Arbeitsgruppe einzurichten, an der neben Fachtierärzten für Fische auch Fachleute aus der fischereilichen Praxis und aus der Fischereiverwaltung der Länder beteiligt sind.
Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 2
Nach Artikel 2 wären auch alle Fische in Gartenteichen (allein in Deutschland ca. 1,5 Millionen) und die in privaten Aquarien gehaltenen Exemplare heimischer Arten erfasst. Dies steht im Widerspruch zum Erwägungsgrund 37, der auf den Ausschluss dieser Bereiche hinweist. Die Anwendung des Richtlinienvorschlags auf diese Bereiche wäre völlig überzogen und nicht gerechtfertigt.
Zu Artikel 3
Nach der Definition der "Aquakulturanlage" in Artikel 3 Abs. 1 Nr. 3 wäre jeder auch noch so kleine Hobbybetrieb erfasst, mit allen Folgen für die Zulassung, für Buchführungs- und Meldepflichten usw. Nach Schätzungen gibt es in Deutschland mehrere Zehntausend solcher "Betriebe". Die nach dem Entwurf erforderliche Überwachung und Kontrolle wäre nicht zu bewältigen.
Dies gilt auch bezüglich der Definition des "Zuchtbetriebs", nach der selbst Hälterungen in geringem Umfang erfasst wären.
In beiden Fällen müssten entsprechende Ausnahmen vorgesehen werden.
Zu Artikel 4
Durch Artikel 4 soll eine generelle Zulassungspflicht für alle Aquakulturanlagen (einschließlich der Kleinstanlagen) begründet werden. Dies würde zu einer nicht akzeptablen Überbürokratisierung führen.
Die Zulassung soll nach dem Entwurf u. a. nur dann erteilt werden, wenn der Betrieb entsprechend den Vorgaben des Anhangs IV überwacht wird. Da eine solche Überwachung bei den in Deutschland gegebenen (Betriebs-)Strukturen jedoch nicht zu leisten wäre, könnten zahlreiche bestehende Kleinbetriebe nicht zugelassen werden. Zudem ist nicht geregelt, was weiter geschieht, wenn ein Betrieb keine Zulassung hat oder erhält.
Zu Artikel 13
In Artikel 13 fehlt ein Hinweis auf Reinigungs- und Desinfektionspflichten von Fahrzeugen, Behältnissen und Geräten.
Zu Artikel 14
Es ist zwar unumgänglich, dass Lebendfischbewegungen im innergemeinschaftlichen Handel auf elektronischem Wege angekündigt und gemäß Absatz 4 von der Vorlage einer Tiergesundheitsbescheinigung abhängig gemacht werden. Es ist aber mit dem derzeitigen System nicht umsetzbar, Lebendfischbewegungen im eigenen Mitgliedstaat für jeden noch so kleinen Transport auf elektronischem Wege zu dokumentieren.
Es sollte deshalb den Mitgliedstaaten überlassen werden, Lebendfischbewegungen im eigenen Land auf anderem Weg zu registrieren und zu dokumentieren.
Zu Artikel 15
Die nach Artikel 15 Abs. 1 vorgesehene Betriebssperre lässt unberücksichtigt, dass es zahlreiche Verlustgeschehen gibt, die nicht erregerbedingt sind. In solchen Fällen ist eine Sperre - vor allem mit der vorgesehenen Dauer - unangemessen. Vergleichbares gilt in Fällen bestimmter erregerbedingter Verluste, wenn kurzfristig wirksame Therapiemaßnahmen ergriffen wurden.
In Absatz 3 Buchstabe b befindet sich ein Widerspruch zu Artikel 12 Abs. 2 und zu Artikel 39 Buchstabe c.
Nach Artikel 15 könnte man aus einem infizierten Zuchtbetrieb lebende Fische in freie Gewässer hinter infizierten Anlagen einbringen, da auch ohne Untersuchung angenommen werden darf, dass von infizierten Anlagen Viren in größerer Menge in diese freien Gewässer ausgeschwemmt werden. Nach Artikel 12 und Artikel 39 ist das Einbringen von lebenden Carriern in freie Gewässer aber nicht erlaubt. Das war auch die bisherige Praxis nach Artikel 10 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 93/53/EWG des Rates vom 24. Juni 1993. Diese Praxis sollte beibehalten werden.
Zu Artikel 26
Die Einführung einer generellen Melde- und Untersuchungspflicht bei "erhöhter Mortalität" gemäß Artikel 26 Abs. 1 Buchstabe b ist überzogen und würde insbesondere bei Kleinbetrieben zu einer nicht gerechtfertigten bürokratischen und finanziellen Belastung führen.
Zu den Artikeln 28 und 39
Die Artikel 28 und 39 sehen Maßnahmen bei nicht exotischen Krankheiten nur dann vor, wenn diese in Gebieten auftreten, "die für frei von dieser Seuche erklärt wurden". Daraus wäre im Umkehrschluss abzuleiten, dass in allen anderen Gebieten beim Auftreten dieser Erkrankungen nichts unternommen werden müsste. Dies wäre ein erheblicher Rückschritt gegenüber den derzeit bestehenden Regelungen.
Im Zusammenhang mit Artikel 15 Abs. 3 Buchstabe b könnte ferner geschlossen werden, dass in nicht für seuchenfrei erklärten Gebieten auch Fische aus Seuchenbetrieben freigesetzt werden dürfen.
Zu Artikel 50 in Verbindung mit Anhang I und V
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die Voraussetzungen für die Erklärung von seuchenfreien Zonen zu ergänzen sind. Solche Zonen, die aus einem Teil eines Wassereinzugsgebiets gemäß Anhang V Teil II Nr. 1.1 Buchstabe b bestehen, sollen auch dann gemäß Artikel 50 Nr. 1 Buchstabe c für seuchenfrei erklärt werden können, wenn kein natürliches oder künstliches Hindernis die Aufwärtswanderung von Wassertieren aus den unteren Läufen des
Wassereinzugsgebiets verhindert, sondern dies auf Grund natürlicher biologischer Grenzen gewährleistet ist.
Die Vorschriften für die Abgrenzung von als seuchenfrei zu erklärenden Gebieten gemäß der Definition für "Zone" in Anhang I und der Beschreibung der Zonen in Anhang V Teil II Nr. 1.1 würden den unbefriedigenden Zustand verfestigen, dass in küstenfernen Binnenlandgebieten nur dann seuchenfreie Zonen ausgewiesen werden können, wenn ein (Teil-)Einzugsgebiet durch ein für Fische unüberwindbares Hindernis vom unterliegenden Wasserlauf getrennt ist.
Diese Vorschrift steht zum einen der Intention der Wasserrahmenrichtlinie entgegen, dass die Durchgängigkeit der Gewässer wiederherzustellen ist. Zum anderen bedeutet diese Forderung eine fachlich nicht gerechtfertigte Verschärfung gegenüber den Regelungen für küstennahe Gebiete und Küstengebiete. Dort wird die Mündung ins Meer als ausreichende Abgrenzung akzeptiert, ohne dass eine physische Barriere gefordert ist.
Diese Differenzierung ist vor allem vor dem Hintergrund unverständlich, dass die Fischfauna der Küstengewässer zu einem erheblichen Anteil aus diadrom wandernden Arten besteht und somit der Austausch zwischen benachbarten Gewässersystemen relativ hoch ist. Im Vergleich dazu ist der Austausch zwischen zwei Seitensystemen eines größeren Flusses im Binnenland in der Regel sehr gering. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Seitensysteme in einen Staubereich des aufnehmenden Flusses oder in dessen Brachsen- bzw. Barbenregion einmünden.
Es ist deshalb zu fordern, dass solche biologischen Grenzen ebenso als Zonenabgrenzungen akzeptiert werden wie Flusseinmündungen in Meeresbereiche.
Ebenfalls inakzeptabel und überzogen sind die Vorschriften für die Wasserversorgung von Kompartimenten in Anhang V Teil II Nr. 3.2 (Quelle auf dem Grundstück oder Verrohrung des Zulaufs). Bislang genügt es zur Zulassung von Einzelbetrieben nach der Richtlinie 91/67/EWG des Rates vom 28. Januar 1991, wenn deren Oberlaufbereich gegen die Zuwanderung aus anderen Gebieten abgegrenzt ist und gewährleistet werden kann, dass ausschließlich Fische entsprechender Herkunft eingebracht werden. Diese Möglichkeit muss erhalten bleiben.
Zu Artikel 52
Nach Artikel 52 können Mitgliedstaaten, die gemäß Artikel 49 frei von einer oder mehreren nicht exotischen Krankheiten sind, die gezielte Seuchenüberwachung einstellen und ihren Seuchenfreiheitsstatus mit passiver Überwachung gemäß Anhang IV aufrechterhalten. Diese Vorgehensweise birgt gewisse Risiken in sich, da beispielsweise bei infektiöser hämatopoetischer Nekrose der Salmoniden (IHN) nur die Brütlinge, nicht aber die Setzlinge und ältere Salmoniden klinische Erscheinungen mit Verlusten zeigen.