900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
A
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Rechtsausschuss (R), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 1 Absatz 3 UmwRG)
Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b ist zu streichen.
Begründung:
Mit der Vorschrift soll die bislang neben der Umweltverbandsklage des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes eigenständig bestehende naturschutzrechtliche Vereinsklage nach § 64 Bundesnaturschutzgesetz für Planfeststellungsbeschlüsse nicht mehr anwendbar sein, insoweit soll das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vorgehen. Dies führt dazu, dass für die in § 1 Absatz 3 UmwRG-E geregelten Fälle auch die restriktive Vorschrift des § 4a UmwRG-E gelten würde. Auf diese Weise würden Umfang und Reichweite der naturschutzrechtlichen Vereinsklage für die Fälle des § 1 Absatz 3 UmwRG-E erheblich zurückgeführt. Das hieße in der Konsequenz, dass für Klagen der Naturschutzvereine zwei unterschiedliche Rechtsmaterien anwendbar wären: Es gäbe künftig Verfahren zum einen nach § 1 Absatz 3 UmwRG-E und zum anderen Verfahren für Befreiungen nach § 63 Absatz 1 Nummer 2 BNatSchG (Bundesrecht) und § 63 Absatz 2 Nummer 5 BNatSchG (Landesrecht) sowie für Plangenehmigungen nach § 63 Absatz 1 Nummer 4 BNatSchG (Bundesrecht) und nach § 63 Absatz 2 Nummer 7 BNatSchG (Landesrecht) sowie nach Landesrecht zusätzlich dem § 64 BNatSchG unterfallende Klagemöglichkeiten. Diese Differenzierung ist nicht nachvollziehbar und ist auch nicht überzeugend begründet worden. Sie führt zu Ungleichheiten innerhalb der naturschutzrechtlichen Vereinsklage und ist abzulehnen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 UmwRG), Buchstabe c (§ 2 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und Nummer 2 UmwRG)
In Artikel 1 ist Nummer 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Buchstabe a Doppelbuchstabe aa sind in § 2 Absatz 1 Nummer 1 die Wörter "Rechte Einzelner begründen" durch die Wörter "auf Unionsrecht beruhen" zu ersetzen.
- b) In Buchstabe c ist § 2 Absatz 5 Satz 1 wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 1 sind nach den Wörtern "dem Umweltschutz dienen" die Wörter ", auf Unionsrecht beruhen" einzufügen.
- bb) In Nummer 2 sind nach den Wörtern "dem Umweltschutz dienen" die Wörter "und auf Unionsrecht beruhen" einzufügen.
Begründung:
Die Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes in § 2 Absatz 1 Nummer 1 und § 2 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 UmwRG ist darauf zu beschränken, anerkannten Umweltvereinigungen den Zugang zu Gerichten nur in Bezug auf Umweltvorschriften, die auf Unionsrecht beruhen, zu ermöglichen. Dies entspricht einer konsequenten Eins-zueins-Umsetzung der Vorgaben des EuGH im Trianel-Urteil. Auch der EuGH bezieht sich nur auf Rechtsvorschriften, die aus dem Umweltrecht der Union hervorgegangen sind. Soweit Vorgaben des Artikels 9 Absatz 2 des Aarhus-Übereinkommens betroffen sein könnten, sollte der Ausgang des derzeit anhängigen Verfahrens vor dem Compliance Committee des UN ECE Übereinkommens gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewartet werden.
3. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 2 Absatz 1 Nummer 2 UmwRG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist Doppelbuchstabe bb zu streichen.
Begründung:
Im derzeit gültigen § 2 Absatz 1 Nummer 2 ist bereits der Verweis auf " § 1 Absatz 1 Satz 1" enthalten. Die in Doppelbuchstabe bb vorgesehene Änderung ist daher überflüssig.
4. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa - neu - und bb - neu - (§ 4 Absatz 1 Satz 1 und 2 - neu - UmwRG)
Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:
'a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) In Satz 1 werden die Wörter "wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften
- 1. erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder
- 2. erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist." durch die Wörter "wenn wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden sind und der Verfahrensfehler nicht geheilt werden kann." ersetzt.
- bb) Nach Satz 1 werden folgende Sätze eingefügt:
"Wesentliche Verfahrensvorschriften im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere verletzt, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften
- 1. erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder
- 2. erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist.
Satz 2 Nummer 1 ... weiter wie Vorlage ..." '
Begründung:
Im Verwaltungsvollzug und der Rechtsprechung bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des § 4 Absatz 1 UmwRG. Insbesondere besteht Unklarheit darüber, ob nach Satz 1 allein der "Totalausfall", d.h. die Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung klagefähig ist, oder auch die zwar durchgeführte, aber mangelhafte Umweltverträglichkeitsprüfung gerichtlich überprüft werden kann. In der Fachliteratur wird die Auffassung vertreten, dass die Beschränkung des § 4 Absatz 1 UmwRG auf den Totalausfall der UVP bzw. UVP-Vorprüfung mit dem EG-Recht unvereinbar ist (dazu Kment, NVwZ 2012, S. 481 ff. m.w. N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 10.01.2012 (Az.: 7 C 20.11) die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Die Bundesregierung vertritt in diesem EuGH-Vorlageverfahren folgende eigene Rechtsauffassung:
" § 4 Absatz 1 Um[w]RG stellt nach dem ausdrücklichen Willen des nationalen Gesetzgebers eine lex specialis zu § 46 VwVfG dar. Im Übrigen kann nach Maßgabe des § 46 VwVfG auch die Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung verlangt werden, wenn die vorgenannten erforderlichen Prüfungen fehlerhaft durchgeführt worden sind. Damit decken die nationalen Rechtsvorschriften sämtliche Verfahrensfehler im Sinne des Artikels 10a der Richtlinie 085/337 ab. Insbesondere erstreckt sich die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit offenkundig auch auf den Fall einer zwar durchgeführten, aber fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung" (Schriftsatz v. 25. Mai 2012, Rdnr. 68 - 70).
Die Verwaltungsgerichte haben diese Rechtslage offenbar bislang nicht erkannt bzw. anders ausgelegt und geurteilt (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 16.09.2009 - 6 C 1005/08.T; OVG Schleswig, Beschl. v. 9.07.2010 - 1 MB 12/ 10, siehe auch Ziekow, NVwZ 2007, 259 ff.). Weitere Gerichtsverfahren sind auf Grund des unklaren Wortlautes von § 4 Absatz 1 UmwRG zu erwarten. Zur Vermeidung weiterer Gerichtsverfahren und Rechtsunsicherheiten mit der Folge erheblicher Verfahrensverzögerungen und beträchtlicher Investitionsrisiken für öffentliche und private Vorhaben ist eine gesetzliche Klarstellung entsprechend der Rechtsauffassung der Bundesregierung dringend geboten. Der erste Entwurf des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (vgl. BT-Drs. 016/2495) brachte das Gewollte deutlich zum Ausdruck, ganz im Gegensatz zur später verabschiedeten Gesetzesfassung.
5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 4a UmwRG)
Artikel 1 Nummer 4 ist zu streichen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe c ist § 5 Absatz 4 Satz 2 zu streichen.
Begründung:*
Die Verschärfung der prozessualen Anforderungen an Umweltrechtsbehelfe ist nicht erforderlich und weist Konfliktpotenzial mit Artikel 19 Absatz 4 GG sowie einschlägigem Unionsrecht (UVP-Richtlinie) und der Aarhus-Konvention auf. Insbesondere ist zu kritisieren, dass die europarechtlich und völkerrechtlich gebotene Ausweitung des Verbandsklagerechts zum Anlass genommen wird, durch "flankierende Regelungen" nicht nur das Verbandsklagerecht, sondern auch den Individualrechtsschutz an anderer Stelle wieder einzuschränken.
Im Einzelnen:
Durch § 4a soll nach der Begründung ein Ausgleich zwischen der umweltrechtsschützenden Zielsetzung von Verbandsklagen einerseits und den Belangen der von Verbandsklagen Betroffenen andererseits geschaffen werden. Die Vorschrift soll verhindern, dass "das Instrument der Verbandsklage in der *Bei Annahme werden die Begründungen redaktionell zusammengefasst.
Praxis zu sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerungen von Vorhaben instrumentalisiert wird" (vgl. die Gesetzesbegründung, S. 40 f.). Das Ziel, ungerechtfertigte Verzögerungen zu verhindern, wäre zu begrüßen, wenn es eine derartige Gefahr gäbe und darüber hinaus die Regelung tatsächlich zur Verfahrensbeschleunigung beitragen bzw. Rechtssicherheit schaffen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Zum einen ist die Zahl der umwelt- und naturschutzrechtlichen Verbandsklagen seit einigen Jahren rückläufig. Verbandsklagen haben mit 42,5 Prozent zudem eine vierfach höhere Erfolgsquote als andere verwaltungsgerichtliche Klagen. Dies zeigt, dass die Verbände auf Grund beschränkter personeller und finanzieller Ressourcen in der Vergangenheit und auch zukünftig sorgfältig entscheiden, in welchen Fällen eine Klage erfolgversprechend ist.
Verfahrensbeschleunigungen haben in der Vergangenheit vielfach die Verfahren verkompliziert, neue Auslegungsprobleme geschaffen und letztlich eher zu einer Verzögerung von Verfahren geführt. Dies droht auch durch diese Regelung, mit der erneut für einen begrenzten Bereich Sonderrecht außerhalb der VwGO geschaffen wird.
Inhaltlich nicht nachvollziehbar ist ferner, wieso bei der Genehmigung von aus umweltrechtlicher Sicht relevanteren Anlagen strengere prozessrechtliche Maßstäbe als sonst gelten sollen. Die Anforderungen des § 4a sollen sowohl bei Klagen von Umweltverbänden als auch bei Individualklagen anwendbar sein. Dies würde z.B. dazu führen, dass für Individualklagen in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung strengere prozessrechtliche Regelungen gelten als bei Individualklagen gegen Genehmigungsentscheidungen in formlosen Verfahren.
Diese strengeren Regelungen sind auch mit einem hohen (europa-) rechtlichen Risiko verbunden. Es stellt sich schon die Frage, ob national gesehen damit nicht schon die Grenzen des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgebotes zumindest erreicht werden. Auf jeden Fall bestehen Bedenken, ob die Verschärfung prozessualer Anforderungen in diesem Bereich mit der Zielsetzung der Aarhus-Konvention und der einschlägigen EU-Umweltrichtlinien vereinbar ist, durch stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft den Umweltschutz zu stärken. Artikel 10a der UVP-Richtlinie verfolgt das Ziel, einen weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, d.h. den Zugang zu Gerichten zu erleichtern und nicht zu erschweren. Weil Anlass der Änderung des Gesetzes schon eine nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes fehlerhafte Umsetzung europäischen Rechtes ist, sollte nicht erneut ein derartiges europarechtliches Risiko eingegangen werden.
Zu Absatz 1:
Mit der Neuregelung der Klagebegründungspflicht in Absatz 1 erfolgen zwei Verschärfungen gegenüber den Regelungen der VwGO. Zum einen wird der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt. § 82 Absatz 1 Satz 3 VwGO enthält bisher nur eine Soll-Vorschrift zur Angabe der Tatsachen und Beweismittel. Dies ist jedoch entbehrlich, soweit dem Gericht die Tatsachen und Beweismittel schon bekannt oder leicht zugänglich sind. Nunmehr müssen mit der Klage die Tatsachen und Beweismittel unabhängig davon zwingend vorgebracht werden. Zum anderen wird eine Frist von 6 Wochen vorgegeben. Es ist auch hier nicht nachvollziehbar, wieso für die in der Regel komplexeren Sachverhalte bei den UVP-relevanten Anlagen und den Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung kürzere Stellungnahmefristen mit strengeren Anforderungen als in den übrigen Genehmigungsverfahren gelten sollen. Gerade in den vom Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erfassten komplexen Verfahren wird dies dazu führen, dass die Kläger Anträge auf Fristverlängerung stellen werden, die bei komplexen Verfahren schwerlich abgelehnt werden können.
Auf der anderen Seite wird die Neuregelung zu keiner nennenswerten Beschleunigung führen. Auf Grund der Präklusionsregelung im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz muss im Verwaltungsverfahren bereits alles Relevante vorgetragen werden. Sofern sich das entscheidende Material bereits in den Akten befindet, wird dieses auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes kaum unberücksichtigt bleiben können, wenn der Kläger verspätet und/oder unvollständig seine Klage begründet. Für den Rest der Fälle bieten die Regelungen der VwGO, insbesondere § 87b VwGO, genügend Möglichkeiten, um auf ein zügiges Verfahren hinzuwirken. Die Regelung greift auch nicht in den durchaus häufigeren Fällen, dass neue Gesichtspunkte erst während der Begründungspflicht entstehen. Ungeklärt ist auch das Verhältnis zu den Klagebegründungsfristen, die jetzt schon fachgesetzlich getroffen worden sind, nämlich in den Fällen, in denen dies mit einem spezifischen Eilbedarf begründet wird. Insgesamt trägt die Regelung damit nicht zur Rechtssicherheit bei.
Zu Absatz 2:
Diese Bestimmung ist überflüssig, gesetzessystematisch falsch positioniert und geeignet, Missverständnisse über die Einführung eines speziellen umweltrechtlichen Kontrollmaßstabs bei Beurteilungsspielräumen zu schaffen.
Das Ziel der Neuregelung des Absatzes 2 ist nicht klar ersichtlich. Wenn nur die bereits praktizierte Rechtsprechung normiert werden soll, stellt sich die Frage, warum eine derartige Kodifizierung überhaupt notwendig ist. Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass diese Regelung speziell für Klagen nach dem UmwRG gesetzlich normiert werden soll. Wenn man die bereits praktizierte Rechtsprechung allgemeingültig gesetzlich fixieren will, dann kommt dafür nur eine für alle Klagen geltende Regelung in der VwGO in Betracht. Andernfalls würden nur neue Rechtsstreitigkeiten darüber provoziert, ob mit der Regelung eine Modifizierung der ständigen Rechtsprechung zur Überprüfbarkeit von Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum speziell für umweltrechtliche Klagen bezweckt ist und ob die Gerichte die Vorschrift zutreffend angewandt haben.
Die Regelung nur im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erweckt daher den Verdacht, es solle gerade ein spezieller umweltrechtlicher Kontrollmaßstab eingeführt werden. Dazu passt, dass ein neuer juristischer Begriff, der der "Beurteilungsermächtigung", nur für das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz eingeführt wird, dessen Bedeutung sich auch angesichts der Komplexität umweltrechtlicher Entscheidungen nicht ohne weiteres erschließt. Insofern sind Auslegungsschwierigkeiten und damit Rechtsunsicherheit abzusehen.
Zu Absatz 3:
Die Formulierung des Absatzes 3 legt nahe, dass für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nur noch die Erfolgsaussichten der Klage entscheidend sind, nicht jedoch die Vollzugsfolgen. Gerade die umweltrechtlichen Verfahren des § 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sind oft hochkomplex. Deswegen ist es in der zur Verfügung stehenden Zeit häufig nur schwer möglich, die Erfolgsaussichten hinreichend eindeutig festzustellen. Nach der Regelung des § 80 VwGO erfolgt in diesen Fällen eine Interessenabwägung der Vollzugsfolgen. Gerade dies scheint durch die Neuregelung des Absatzes 3 aber nicht mehr möglich zu sein. Die Maßnahme könnte vollzogen werden, obwohl die Vollzugsfolgen für den Kläger beträchtlich negativ wären und angesichts der Erfolgsquote insbesondere von Verbandsklagen gute Aussichten bestehen, dass der Kläger mit der Klage obsiegen wird. Diese Regelung ist im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach § 19 Absatz 4 GG bedenklich. Der im Vergleich zum Referentenentwurf aufgenommene Zusatz "im Rahmen einer Gesamtabwägung" stellt keine entscheidende Verbesserung dar, da zuletzt immer noch auf ernstliche Zweifel abgestellt wird. Nach wie vor dürften sich die Gerichte dann im Hinblick auf Artikel 19 Absatz 4 GG mit der Frage einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift über den Wortlaut hinaus beschäftigen müssen. Die Regelung verkennt auch, dass grundsätzlich nach § 80 VwGO die aufschiebende Wirkung der Regelfall ist. Die sofortige Vollziehung ist daher bezüglich ihrer Dringlichkeit besonders zu begründen. Diese Begründung erfolgt durch eine Interessenabwägung, welche Absatz 3 gerade nicht erlaubt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Regelung des § 80 Absatz 4 VwGO, in der auch der Begriff der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts verwendet, dieser Maßstab aber nicht absolut gesetzt wird, sondern durch das weitere Prüfkriterium einer etwa vorliegenden unbilligen Härte ergänzt wird.
Die Einfügung eines neuen § 4a UmwRG mit Maßgaben zur Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung begegnet grundlegenden Bedenken.
Die Vorschrift soll - wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt - insbesondere eine Instrumentalisierung der Verbandsklage zur Verfahrensverzögerung verhindern. Hierzu werden formale Hürden für Klagen in Umweltangelegenheiten sowohl für Verbände als auch für Individualkläger geschaffen.
Dies läuft jedoch dem Ziel der Aarhus-Konvention und der einschlägigen Unionsrichtlinien entgegen, den Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten zu erleichtern, nicht aber zu erschweren.
Die angedachten Bestimmungen sind zudem nicht erforderlich. Das bezweckte Ziel effektiver Verfahrensbeschleunigung lässt sich bereits auf der Grundlage geltenden Rechts und durch Orientierung an der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erreichen. Wirksam eingegrenzt wird der Streitstoff bereits durch die in § 2 Absatz 3 UmwRG und § 10 Absatz 3 Satz 5 BImSchG geregelte Präklusion für den - die Praxis bestimmenden - Regelfall, in dem eine Vereinigung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat. Für die verbleibenden Fälle bietet § 87b VwGO ausreichend Möglichkeiten, einzelfallbezogen auf die zeitgerechte Vorlage der erforderlichen Erklärungen und Unterlagen hinzuwirken.
Dagegen birgt die Schaffung neuen Sonderrechts die Gefahr neuer Auslegungsprobleme und Fehlerquellen, was letztlich eher zu einer Verzögerung gerichtlicher Verfahren als zu ihrer Beschleunigung beitragen dürfte.
So wäre die in § 4a Absatz 1 Satz 1 UmwRG-E vorgesehene Pflicht, die Klage zu begründen, eine zwingende Formvorschrift, auf die die behördliche Verwaltung in einer Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Absatz 1 VwGO hinweisen müsste. Unterlaufen hierbei Fehler, löst dies die Jahresfrist nach § 58 Absatz 2 VwGO aus, was dem Beschleunigungsanliegen erkennbar entgegenstünde.
Wenngleich ausweislich der Entwurfsbegründung die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle bei Vorliegen behördlicher Beurteilungsspielräume lediglich aufgenommen und inhaltlich nicht verändert werden soll, bleiben Zweifel, ob die Formulierung des § 4a Absatz 2 UmwRG-E dem vollständig Rechnung trägt. Während das Bundesverwaltungsgericht etwa vorgibt, dass das Gericht zu überprüfen hat, ob die Behörde von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 3 C 8/06 -, juris Rnr. 38), heißt es in § 4a Absatz 2 Nummer 3 UmwRG-E, die gerichtliche Überprüfung beschränke sich darauf, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Ohne Not werden so durch neue Gesetzesbegriffe erstmals Rechtsfragen aufgeworfen.
Auch die in § 4a Absatz 3 UmwRG-E vorgesehene Modifizierung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes nach § 80 Absatz 5 VwGO bei Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schafft im Mindesten neue Auslegungsprobleme. In Fällen, in denen es angesichts komplexer Sachverhalts- und Rechtsfragen zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes einer von den Erfolgsaussichten unabhängigen Folgenabwägung bedarf, bleibt das Erfordernis der "ernstlichen Zweifel" an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts problematisch. Denn damit kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift immer (auch) auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an, für deren Prüfung allerdings gerade in umfangreichen umweltrechtlichen Planungsverfahren unter Umständen keine Zeit bleibt. Insoweit stellt der im Vergleich zum Referentenentwurf aufgenommene Zusatz "im Rahmen einer Gesamtabwägung" keine entscheidende Verbesserung dar. Nach wie vor müssten sich die Gerichte dann im Hinblick auf Artikel 19 Absatz 4 GG gelegentlich mit der Frage einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift beschäftigen. Schließlich schafft diese Regelung einen weiteren außerhalb der VwGO liegenden Sondertatbestand und lässt die Rechtsordnung noch unübersichtlicher werden.
Als Folge ist in Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe c der Satz 2 in § 5 Absatz 4 UmwRG-E zu streichen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 4a Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 und Absatz 3 UmwRG)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 4a wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 1 Satz 3 sind die Wörter "das Gericht" durch die Wörter "den Vorsitzenden oder den Berichterstatter" zu ersetzen.
- b) Absatz 2 ist zu streichen.
- c) Absatz 3 ist zu streichen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Es erscheint praktikabler, nicht dem Gericht, also dem gesamten Spruchkörper, sondern dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter die Zuständigkeit für die Verlängerung der Klagebegründungsfrist zuzuweisen. Damit würde an die Vorschrift des § 87b Absatz 1 und Absatz 2 VwGO, nach der der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger eine Frist zur (ergänzenden) Klagebegründung und zur Angabe von Tatsachen oder Benennung von Beweismitteln setzen kann, angeknüpft. Es ist nicht ersichtlich, warum im Umweltrechtsbehelfsverfahren insoweit strengere Anforderungen gelten sollten als im allgemeinen Verwaltungsprozess.
Zu Buchstabe b:
Absatz 2 erscheint überflüssig. Er schreibt zwar eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle für den Fall einer Beurteilungsermächtigung vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift aber nichts an der praktizierten Rechtsprechung ändern, so dass nicht ersichtlich ist, worin ihr Mehrwert gegenüber der bisherigen Rechtslage besteht. Zudem wirft die im Gesetzentwurf gewählte Regelung weitere Auslegungsfragen auf, etwa ob allgemeine Vorschriften wie § 46 VwVfG und entsprechende landesrechtliche Regelungen zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern nunmehr gesperrt sind.
Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, warum die Rechtsfigur der Beurteilungsermächtigung gerade für den Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes geregelt werden müsste, während es für alle anderen Rechtsbereiche bei der bisherigen, nicht normierten Rechtslage zum gerichtlichen Prüfungsumfang bei Beurteilungsermächtigungen verbleibt.
Zu Buchstabe c:
Absatz 3 ist in sich nicht stimmig. Dies lässt lange Verfahrensdauern zur Klärung seines Regelungsgehalts befürchten. Aufgrund dessen ist er ersatzlos zu streichen.
Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, bezweckt die Vorschrift für Anträge nach § 80 Absatz 5 VwGO eine Modifizierung des Prüfungsmaßstabs: Danach soll die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nur dann angeordnet oder wiederhergestellt werden können, "wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen". Anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen, haben die Verwaltungsgerichte nicht nur die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts zu überprüfen und sind für eine vorläufige Entscheidung hierauf beschränkt, sondern haben hierzu nun auch eine "Gesamtabwägung" durchführen.
Diese Regelung ist widersprüchlich. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes schließt eine Gesamtabwägung aus; sie erfolgt nicht "im Rahmen einer Gesamtabwägung". Des Weiteren vermengt die Vorschrift bisher im Verwaltungsprozessrecht bekannte Begrifflichkeiten. Im Rahmen eines Antrags nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO erfolgt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - einschließlich der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Nur wenn das Gericht die Erfolgsaussichten für offen hält, erfolgt eine echte Interessen- und Folgenabwägung, das heißt eine Gesamtabwägung. Der in Absatz 3 verwendete Begriff der "ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts" soll hierzu wohl eine Modifizierung bewirken. Er ist jedoch gleichlautend mit der in § 80 Absatz 4 Satz 3 Alternative 1 VwGO verwendeten Formulierung. Im Rahmen des § 80 Absatz 4 Satz 3 Alternative 1 VwGO, dessen Prüfungsmaßstab auch im Rahmen des Antrages nach § 80 Absatz 5 VwGO Anwendung findet, ist anerkannt, dass bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache der Antrag auf Anordnung beziehungsweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen ist. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes mit der Folge, dass eine Gesamtabwägung nicht stattfinden kann. Absatz 3 des Gesetzentwurfs sieht dennoch eine Gesamtabwägung vor. Dies passt nicht zusammen.
Sollte mit der in Absatz 3 gewählten Formulierung "im Rahmen einer Gesamtabwägung" eine Interessenabwägung entsprechend § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO gemeint sein, erschließt sich der Mehrwert des Absatzes 3 gegenüber § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO nicht:
Die gerichtliche Prüfung eines Antrages nach § 80 Absatz 5 VwGO ist grundsätzlich zweistufig angelegt: Auf der ersten Stufe prüft das Gericht zunächst summarisch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache und damit unter anderem die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts. Sofern der Verwaltungsakt voraussichtlich rechtswidrig ist, wird es dem Antrag stattgeben, so dass sich die Beschränkung des Prüfungsmaßstabes auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes im Ergebnis nicht auswirkt. Kann das Gericht die Rechtmäßigkeit beziehungsweise die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit hingegen nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen, muss es den Antrag auf einer zweiten Stufe anhand einer von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelösten Interessen- und Folgenabwägung entscheiden. Da es sich dabei - anders als auf der ersten Stufe - um eine normativ nicht determinierte Gesamtabwägung handelt, kommt die auf die Rechtmäßigkeitsprüfung des Verwaltungsaktes abzielende Beschränkung des Prüfungsmaßstabes auf "ernstliche Zweifel" ebenfalls nicht zum Tragen.
7. Zu Artikel 2 Nummer 2a - neu -, 2b - neu - (§ 5 Absatz 1 Satz 4, 5 - neu -, § 14f Absatz 4 Satz 3, 4 - neu - UVPG)
In Artikel 2 sind nach Nummer 2 folgende Nummern 2a und 2b einzufügen:
'2a. In § 5 Absatz 1 wird Satz 4 durch folgende Sätze ersetzt:
"Standortgemeinden, nach § 8 Absatz 1 zu beteiligende Behörden und nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes anerkannte Umweltvereinigungen sollen hinzugezogen werden. Nachbargemeinden sowie sonstige Dritte können hinzugezogen werden."
2b. In § 14f Absatz 4 wird Satz 3 durch folgende Sätze ersetzt:
"Betroffene Gemeinden, nach § 14j Absatz 1 zu beteiligende Behörden sowie nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes anerkannte Umweltvereinigungen sollen hinzugezogen werden. Sachverständige sowie sonstige Dritte können hinzugezogen werden." '
Begründung:
Zu Nummer 2a:
Diese Regelung greift eine Regelung des Referentenentwurfes wieder auf, mit der klarstellend geregelt wurde, bei welchen Behörden und Stellen an eine Beteiligung am Scoping zu denken ist, um mögliche Konflikte und Verfahrenserschwernisse zu vermeiden.
Es ist sinnvoll, dass gerade die Gemeinden, die unmittelbar von einer Maßnahme betroffen sind, grundsätzlich hinzugezogen werden sollen. Die entsprechende Regelung ist ebenfalls für anerkannte Umweltvereinigungen und zu beteiligende Behörden des Nachbarlandes zu treffen. Gerade weil Umweltvereinigungen erweiterte Klagerechte haben, ist es sinnvoll, sie im Regelfall schon beim Scoping zu beteiligen. Wenn die Behörden des Nachbarlandes Umweltinformationen hinsichtlich der Betroffenheit des Nachbarlandes übermitteln sollen, ist es sinnvoll, diese schon am Scoping-Prozess zu beteiligen.
Zu Nummer 2b:
Entsprechend der Begründung zu § 5 Absatz 1 Satz 4 UVPG sollen auch beim Scoping im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung die Möglichkeiten zur Hinzuziehung der genannten Gruppen gestärkt werden. Auch hier ist in Bezug auf betroffene Gemeinden, nach § 14j Absatz 1 zu beteiligende Behörden sowie nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes anerkannte Umweltvereinigungen das Ermessen zur Hinzuziehung insoweit zu verengen, als diese grundsätzlich hinzugezogen werden sollen.
8. Zu Artikel 4 Nummer 2 (§ 11 Absatz 2 USchadG)
In Artikel 4 Nummer 2 sind in § 11 Absatz 2 nach dem Wort "Gesetz" die Wörter "oder nach den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen gemäß § 9 Absatz 1" einzufügen.
Begründung:
Nach Artikel 13 der Umwelthaftungs-Richtlinie 2004/35/EG sollen insbesondere Verbandsklagen auch bei Kostenentscheidungen nach Artikel 8 dieser Richtlinie möglich sein. Die Kostenentscheidungen erfolgen entsprechend § 9 Absatz 1 USchadG bei Landesbehörden nach den Maßgaben des Landesrechts. Die Einbeziehung dieser Rechtssätze in den Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes dient einer vollständigen Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben. Der bisherige Änderungsbefehl zu § 11 Absatz 2 USchadG ist entsprechend zu ergänzen. Allgemeine Kostenregelungen des Landesrechts können dabei nur Klagegegenstand sein, soweit sie als Ausführungsbestimmung im Zusammenhang mit einem Umweltschaden herangezogen werden.
9. Zu Artikel 6 Nummer 3 (§ 6a Absatz 1 Satz 3 WHG)
In Artikel 6 Nummer 3 ist § 6a Absatz 1 Satz 3 wie folgt zu fassen:
"Es sind angemessene Anreize zu schaffen, Wasserressourcen effizient zu nutzen, um so zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele beizutragen."
Begründung:
Nur mit dieser Ergänzung wird Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 erster Anstrich EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) korrekt in das nationale Recht umgesetzt. Die Bestimmung fordert nicht nur, dass die Wassergebührenpolitik einen Anreiz zur effizienten Nutzung (des bereits gewonnenen) Wassers selber leistet, sondern auch zur Nutzung der Wasserressourcen, also bspw. des vorhandenen Grundwasserdargebots insgesamt. Auch die in den meisten Ländern geltenden Bestimmungen über Wasserentnahmeentgelte haben gerade zum Ziel, die vorhandenen Wasserressourcen effizient(er) zu nutzen. Die von der Bundesregierung vorgesehene Formulierung begrenzt die Wirkung des Effizienzgebotes daher in sachlich nicht gerechtfertigter Weise und setzt Artikel 9 WRRL nicht in vollem Umfang um.
10. Zu Artikel 6 Nummer 5 ( § 72 WHG)
In Artikel 6 ist Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:
'5. § 72 wird wie folgt gefasst:
" § 72 Hochwasser
Hochwasser ist die zeitlich begrenzte Überschwemmung von normalerweise nicht mit Wasser bedecktem Land durch oberirdische Gewässer oder durch in Küstengebiete eindringendes Meerwasser. Im Sinne der §§ 73 bis 75 ist Hochwasser jede zeitlich beschränkte Überflutung von Land, das normalerweise nicht mit Wasser bedeckt ist. Überflutungen aus Abwassersystemen sind ausgenommen." '
Begründung:
Traditionell - so auch nach dem derzeitigen § 72 WHG - gelten im deutschen Wasserrecht als Hochwasser nur Überflutungen durch über das Ufer tretende Gewässer. Demgegenüber umfasst der Hochwasserbegriff der europäischen Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie jede zeitlich beschränkte Überflutung von Land, das normalerweise nicht mit Wasser bedeckt ist, zum Beispiel Überflutungen durch Wasser, das sich bei Starkregen in Senken sammelt, oder Überflutungen durch aufsteigendes Grundwasser.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene generelle Erweiterung des Hochwasserbegriffs würde nicht nur für Regelungen gelten, die der Umsetzung der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie dienen, sondern für sämtliche wasserrechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder mit Hochwasserbezug. Dies hätte weitreichende, zum Teil noch nicht absehbare Folgen und würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. So müssten unter Umständen Überschwemmungsgebiete für weitere Überflutungsarten festgesetzt werden. Die Ausdehnung des Hochwasserbegriffs im Wasserhaushaltsgesetz dürfte auch Folgen für andere Rechtsgebiete haben, wie etwa für das Bauplanungsrecht.
Mit der vorliegenden Änderung soll sichergestellt werden, dass der Hochwasserbegriff des WHG nicht weiter ausgedehnt wird, als es nach EU-Recht geboten ist (Einszueins-Umsetzung).
11. Zu Artikel 6 Nummer 6a - neu - (§ 76 Absatz 1 Satz 1 WHG)
In Artikel 6 ist nach Nummer 6 folgende Nummer 6a einzufügen:
- '6a. In § 76 Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort "Hochwasser" die Wörter "eines oberirdischen Gewässers" eingefügt.'
Begründung:
Die Definition des Überschwemmungsgebiets in § 76 Absatz 1 Satz 1 WHG ist auf den bislang geltenden Hochwasserbegriff zu beschränken.
Es ist sicherzustellen, dass aus der Erweiterung des Hochwasserbegriffs in § 72 WHG (vgl. Artikel 6 Nummer 5 des Gesetzentwurfs) keine weiteren Pflichten zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten mit den entsprechenden Rechtsfolgen wie dem Verbot der Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen, Ausweisung neuer Baugebiete u.ä. resultieren. Dies wäre die zwingende Folge, falls in einem nächsten Bewertungszyklus die neu aufgenommenen Hochwasserarten (z.B. Überschwemmungen durch Grundwasser oder durch lokale Starkregenereignisse) als signifikant einzustufen und damit entsprechende Risikogebiete zu melden wären, vgl. § 76 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 WHG.
Die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten stellt zwar ein Instrument des vorbeugenden Hochwasserschutzes dar und ist damit letztlich eine Maßnahme des Hochwasserrisikomanagements. Es ist allerdings ein vom Bundesgesetzgeber vorgesehenes Instrument, das nicht von der Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken gefordert wird. Eine Ausweitung des Begriffs des Überschwemmungsgebiets auf weitere Hochwasserarten ist europarechtlich nicht verlangt.
12. Zu Artikel 6 Nummer 6a - neu - (§ 76 Absatz 2 Satz 1 WHG)
In Artikel 6 ist nach Nummer 6 folgende Nummer 6a einzufügen:
'6a. In § 76 Absatz 2 wird Satz 1 wie folgt gefasst:
"Die Landesregierung setzt durch Rechtsverordnung
- 1. innerhalb der Risikogebiete oder der nach § 73 Absatz 5 Satz 2 Nummer 1 zugeordneten Gebiete, soweit sie Überschwemmungen durch oberirdische Gewässer betreffen, mindestens die Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, und
- 2. die zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchten Gebiete als Überschwemmungsgebiete fest." '
Begründung:
Mit der Änderung wird klargestellt, dass Überschwemmungsgebiete trotz des Verweises auf die Risikogebiete und die ihnen gleichgestellten Gebiete wie bisher nur für Überschwemmungen durch oberirdische Gewässer festzusetzen sind.
B
- 13. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.