954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017
A
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die vorliegende Mitteilung der Kommission.
- 2. Dem Bundesrat ist daran gelegen, dass die dargestellte Verknüpfung der Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme energisch verfolgt wird und im Einklang mit der europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität steht, um letztlich die Standortqualitäten der Städte und Gemeinden sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Europa zu stärken.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass qualitätsvolle öffentliche Verkehrswege, Räume sowie Grün- und Freiräume mit attraktiven, emissionsarmen und leistungsstarken Verkehrsmitteln wesentlich für die Standortqualitäten der Städte und Gemeinden sind. Ein kooperatives, intelligentes und automatisiertes Verkehrssystem muss diese Qualitäten unterstützen und stärken. Hierfür ist eine ressourcenschonende, multimodale, vernetzte und kundenfreundliche Mobilität zu erreichen, die dazu führt, dass das jeweils optimale Verkehrsmittel im Rahmen eines gestuften Systems zum Einsatz kommt.
- 4. Der Bundesrat unterstützt alle Maßnahmen, die dazu dienen, das automatisierte und vernetzte Fahren im öffentlichen Verkehrsraum marktreif werden zu lassen. Hierzu gehören investive, fördernde und regulatorische Maßnahmen wie zum Beispiel Untersuchungen, Erprobungen und Wirkungsermittlungen im Verkehrs- und Umweltbereich. Die Wirkbereiche müssen dabei insbesondere Kenngrößen wie Verkehrsaufwand, Modal-Split, Sicherheit, Lärm- und Abgasemissionen, Klima, Wirtschaftlichkeit, Recht und Akzeptanz durch Nutzende und Betreibende gleichermaßen umfassen. Es sind dabei alle Verkehrsträger zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu betrachten. Insgesamt werden große Potenziale im Straßen- wie im schienengebundenen Personen- und Güterverkehr gesehen, beispielsweise im öffentlichen Bahn- und Busverkehr in der Stadt und in ländlichen Räumen.
- 5. Der Bundesrat hält es für notwendig, dass neben der Industrie auch die öffentliche Hand ihren Gestaltungsspielraum aktiv wahrnimmt, um unerwünschte Effekte, die den Zielen einer nachhaltigen Mobilität zuwiderlaufen, vermeiden zu können, wie zum Beispiel eine einseitige Aufwertung des motorisierten Individualverkehrs oder eine Verkehrsverlagerung auf emissionsreiche Verkehrsmittel.
- 6. Der Bundesrat bittet die Kommission, die hochrangige Gruppe "GEAR 2030" um Mitglieder zu erweitern, damit dort auch die bislang nicht explizit vertretenen Interessen von Radfahrenden, des ÖPNV und der Stadtplanung Eingang finden, um den Dialog für eine erfolgreiche koordinierte Einführung auf eine breitere Basis zu stellen.
Zu Nummer 3.3. Schutz der Privatsphäre und Datenschutz
- 7. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Einführung kooperativer, vernetzter und automatisierter Fahrzeuge und entsprechender Verkehrssysteme der Schutz personenbezogener Daten, der Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit vor externen Angriffen und Manipulationen sein muss.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die Einstufung der Daten, die die C-ITS-Dienste von den Fahrzeugen aussenden, als personenbezogene Daten und den Hinweis, dass die Implementierung von C-ITS die Einhaltung des geltenden Datenschutzrechts erfordert.
- 9. Er begrüßt vor diesem Hintergrund die Forderung der Kommission, dass die C-ITS-Diensteanbieter den Endnutzerinnen und Endnutzern transparente Geschäftsbedingungen in klarer und verständlicher Sprache und leicht zugänglicher Form anbieten sollten.
- 10. Darüber hinaus sollte dafür Sorge getragen werden, dass auch weiterhin die Zustimmung zur Erfassung und Übermittlung von personenbezogenen Daten über die Fahrzeugnutzung und -bewegung nicht Voraussetzung für eine Teilnahme am Straßenverkehr ist.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bunderegierung daher, in der weiteren Entwicklung kooperativer intelligenter Verkehrssysteme sicherzustellen, dass die uneingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr auch für Nutzer möglich bleibt, die keine Zustimmung zur Nutzung ihrer personenbezogenen Daten erteilen.
- 12. Der Bundesrat betont jedoch, dass bei der Preisgabe von personenbezogenen Daten die Freiwilligkeit gewahrt bleiben muss. Soweit die Notwendigkeit gesehen wird, Fahrzeugbewegungsdaten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und aus anderen zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zu erfassen und zu übermitteln, sollte dies - anders als bei der Einführung des E-Call-Systems - vorrangig in anonymisierter Weise und ohne Identifizierbarkeit des jeweiligen Fahrzeugs erfolgen. Die Preisgabe personenbezogener Daten, die eine Identifizierung des Fahrzeugs, des Fahrzeughalters oder des Fahrzeugführenden zulassen, muss weiterhin davon abhängen, dass die betroffene Person hierin einwilligt.
- 13. Durch die Nutzung personenbezogener Mobilitätsdaten ist unter anderem die Erstellung von personenbezogenen Bewegungsprofilen möglich, die über einen langen Zeitraum gespeichert werden können. Dies wäre ein weiterer Schritt hin zu einem "gläsernen Bürger". Intelligente Verkehrssysteme der Zukunft sollten deshalb in der Lage sein, die erforderlichen Daten so zu nutzen, dass keine Rückschlüsse auf eine Person - sei es Halter oder Nutzer - gezogen werden können. Eine uneingeschränkte Teilnahme am öffentlichen Verkehr muss auch ohne Zustimmung zur Nutzung der von C-ITS gesendeten personenbezogenen Daten möglich sein. Bisher vorgeschriebene Identifizierungs- und Authentifizierungspflichten erscheinen ausreichend.
Begründung zu den Ziffern 8, 11 und 13 [(nur gegenüber dem Plenum)]:
Die Kommission weist in ihrer Mitteilung darauf hin, dass sich aus den Antworten auf die öffentliche Konsultation ableiten lasse, dass die Endnutzer bereit wären, der Aussendung von Daten zuzustimmen, wenn konzeptionell und durch die Grundeinstellungen gewährleisteter Datenschutz sowie entsprechende Folgenabschätzungen vorgesehen und die Daten zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit oder des Verkehrsmanagements genutzt würden. In den konkreten Maßnahmen werden lediglich Maßnahmen aufgezählt, die die Akzeptanz der Nutzer zur Zustimmung erhöhen sollen.
Die aus der Konsultation gewonnene Erkenntnis einer breiten Akzeptanz, die für eine Mehrzahl der Nutzerinnen und Nutzer Gültigkeit haben kann, ersetzt jedoch nicht die individuelle Entscheidung jedes einzelnen Nutzenden zur Zustimmung der Nutzung seiner eigenen personenbezogenen Daten.
- 14. Die Nutzung von C-ITS-Diensten, die weder gebührenpflichtig noch personalisiert (zum Beispiel für nutzerspezifische Streckenvorschläge) sind, soll anonymisiert auch für die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer möglich sein, welche der Nutzung personenbezogener Daten nicht zugestimmt haben. Dazu sind geeignete technische Maßnahmen zur Sicherstellung der notwendigen datenschutzrechtlichen Anforderungen, zum Beispiel wechselnde temporäre Kennzeichnungen (IDs), vorzusehen. Anonymisierte Informationen, die im Allgemeininteresse liegen, wie Notbremsinformation an andere Fahrzeuge oder Umgebungsinformationen, sollen auch von Fahrzeugen gesendet werden, deren Fahrerinnen und Fahrer der Nutzung der personenbezogenen Daten nicht zugestimmt haben. Es ist sicherzustellen, dass durch Datenanalyse die Anonymität nicht aufgehoben werden kann. Die Herstellung der gegebenenfalls zusätzlich notwendigen datenschutzrechtlichen Grundlagen sollte geprüft werden.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Absatz 1
Bei strikter Auslegung des Begriffs "Daten, die C-ITS-Dienste von den Fahrzeugen aussenden" und Anwendung der geltenden datenschutzrechtlichen Grundlagen besteht die Gefahr, dass ein großer Anteil der Fahrzeuge gar nicht an den C-ITS-Diensten teilnimmt. Der Nutzen der C-ITS-Dienste ergibt sich aber erst dann im gewünschten Umfang, wenn möglichst viele/alle Fahrzeuge teilnehmen (Abfederung von Staustoßwellen, intelligente Routenführung).
Zu Absatz 2
C-ITS-Dienste funktionieren gegebenenfalls auch nur stark eingeschränkt, wenn das betroffene Fahrzeug nicht teilnimmt und zum Beispiel keine Notbremsinformation sendet oder Informationen zu schutzbedürftigen Straßennutzerinnen und -nutzern bekommt (wozu es gegebenenfalls unter Angabe einer Kennzeichnung (ID) kommunizieren muss).
B
- 15. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.