934. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni 2015
A
- 1. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, zu beiden Vorlagen (BR-Drucksachen 324/14 (PDF) und 181/15 (PDF) ) wie folgt Stellung zu nehmen:
- a) Der Bundesrat nimmt das Zwanzigste Hauptgutachten der Monopolkommission zur Kenntnis und begrüßt die zum Teil kritischen Anmerkungen hierzu in der Stellungnahme der Bundesregierung.
Insbesondere mit Blick auf die Entsorgungswirtschaft sieht der Bundesrat allerdings die Haltung der Monopolkommission und der Bundesregierung nicht als ausgewogen im Hinblick auf die Wahrnehmung der Aufgaben der kommunalen Entsorgungswirtschaft an.
- b) Der Bundesrat nimmt die Auffassung der Monopolkommission zum Wettbewerb zwischen kommunalen und privaten Entsorgern von Hausmüll zur Kenntnis. Er lehnt die Empfehlung der Monopolkommission ab, eine neue Wettbewerbsordnung mit konkurrierenden Hausmüllentsorgungsunternehmen und einem kommunalen Grundentsorger zu schaffen (Nummer 1303 des Hauptgutachtens) und bedauert, dass die Bundesregierung dieser Empfehlung in ihrer Stellungnahme nicht widerspricht.
Aus Sicht des Bundesrates stellt die Überlassungspflicht eine an der Daseinsvorsorge orientierte, wirtschaftlich tragfähige Erfüllung der Entsorgungsaufgaben durch die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger sicher. Der Verpflichtung zur hochwertigen und umweltverträglichen Verwertung und Beseitigung aller im Gebiet angefallenen und überlassenen Haushaltsabfälle kann nur durch eine entsprechende Überlassungspflicht gesichert werden. Die Abfallmengen und vorzuhaltenden Entsorgungskapazitäten wären ohne eine entsprechende Überlassungspflicht nicht berechenbar, die Planungs- und Funktionsfähigkeit der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger somit im Kern gefährdet.
Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH C360/96 Arnhem/Rheden, Urteil vom 10. November 1998), der die Zulässigkeit einer generellen Zuweisung der Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltsabfällen an die Kommunen anerkennt.
- c) Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Monopolkommission empfiehlt, Kommunen zur Ausschreibung der Hausmüllentsorgung anzuhalten und dass diese Empfehlung durch die Bundesregierung unterstützt wird.
Die Entscheidung, ob die Kommunen Entsorgungsleistungen vergeben wollen, muss ihnen überlassen bleiben. Die Erwartung, dass allein durch die Beauftragung Dritter ein höheres Qualitätsniveau der Entsorgung und die Vermeidung ineffizienter Entsorgungsstrukturen erreicht wird, teilt der Bundesrat nicht.
- d) Der Bundesrat nimmt die Empfehlung der Monopolkommission zur Kenntnis, die bestehenden Dualen Systeme auch trotz der geplanten Einführung einer Wertstofftonne beizubehalten. Er nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Bundesregierung sich der Auffassung der Monopolkommission anschließt, dass eine Übertragung der Organisationsverantwortung für die Erfassung und Verwertung von Verpackungsabfällen auf die kommunalen Entsorgungsträger nicht für zielführend gehalten wird.
Dieser Auffassung widerspricht der Bundesrat, da die dualen Erfassungssysteme sich in der Praxis als aufwändig, kostenintensiv und intransparent erwiesen haben.
Im Hinblick auf die Reduzierung von Verpackungsabfällen haben die Dualen Systeme nicht die erhoffte Effizienz gezeigt. Die Erfassung werthaltiger Abfälle sollte daher in der Organisationshoheit der Kommunen liegen.
- e) Der Bundesrat lehnt die Empfehlung der Monopolkommission ab, die Verantwortung für die Anzeigen von gewerblichen Sammlungen gemäß § 18 Absatz 1 KrWG in jedem Land an eine zentrale unabhängige Stelle zu vergeben. Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung im Rahmen des Berichts der Monopolkommission nicht Stellung bezogen hat.
Der Bundesrat stellt hierzu fest, dass nach der verfassungsrechtlichen Ordnung die Regelung von behördlichen Zuständigkeiten im Bereich des Vollzugs des Kreislaufwirtschaftsrechts den Ländern vorbehalten ist.
Die Bedenken der Monopolkommission gegen eine Zuständigkeitszuweisung an die unteren Abfallbehörden teilt der Bundesrat nicht. Die Unabhängigkeit bei der Bearbeitung von Anzeigen wird durch organisatorische und personelle Trennung zwischen öffentlichrechtlichem Entsorgungsträger und unterer Abfallbehörde sichergestellt.
- f) Der Bundesrat nimmt die Empfehlung der Monopolkommission zur Kenntnis, dass der Ordnungsrahmen für gewerbliche Sammlungen so gestaltet werden solle, dass Kommunen nur in klar abzugrenzenden Fällen wirtschaftlich tätig werden dürften und bedauert, dass die Bundesregierung hierzu nicht kritisch Stellung bezieht.
Der Bundesrat lehnt die Empfehlung der Monopolkommission ab, dass kommunale Entsorgungsbetriebe die Sammlung nur dann eigenständig übernehmen dürfen, wenn keine gewerblichen Sammler bereit seien, die Sammlung durchzuführen (Nummer 1327 des Hauptgutachtens).
Ein Vorrang der gewerblichen vor der kommunalen Sammlung verkehrt die Forderung nach mehr Wettbewerb einseitig zu Lasten der Kommunen. Dies führt auf Grund der kommunalen Gewährleistungsverantwortung letztlich zu höheren Entsorgungsgebühren für die Bürgerinnen und Bürger, wenn die kommunale Sammlung auf die wirtschaftlich unrentablen Bereiche beschränkt wird.
- a) Der Bundesrat nimmt das Zwanzigste Hauptgutachten der Monopolkommission zur Kenntnis und begrüßt die zum Teil kritischen Anmerkungen hierzu in der Stellungnahme der Bundesregierung.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Buchstabe b:
Die Monopolkommission hält die Doppelverantwortung der Kommunen als Entsorger und Abfallbehörde für problematisch und lehnt die generelle Zuweisung der Hausmüllentsorgung durch die Kommunen ab. Sie schlägt stattdessen vor, jeden Haushalt frei wählen zu lassen, ob er an kommunal organisierten Entsorgungssystemen teilnimmt oder stattdessen die Abfallentsorgung mithilfe von zugelassenen Entsorgungsanbietern selbst regelt.
Die Erfüllung der kommunalen Entsorgungsaufgaben wäre allerdings im Falle der Abschöpfung lukrativer Entsorgungsbereiche mit hoher Einwohnerdichte durch private Entsorger wirtschaftlich nicht tragfähig. Die Durchführung der Entsorgungsaufgaben in verbleibenden wirtschaftlich unrentablen Gebieten würde zu erheblichen Planungs- und Finanzierungsschwierigkeiten führen. Die kommunal zu gewährleistende Entsorgung wäre auch trotz der dann notwendigen Gebührenerhöhungen für die Erfassung in den verbleibenden Gebieten kaum noch sicherzustellen.
Zu Buchstabe c:
Es liegen Erfahrungen vor, in denen die Übernahme der Hausmüllentsorgung in einen kommunalen Eigenbetrieb zu Effizienzsteigerungen und Kostenersparnis geführt haben, vgl. Beispiel der Stadt Bergkamen, angeführt im Gutachten der Monopolkommission, Nummer 1125 des Hauptgutachtens.
Zu Buchstabe d:
Die Monopolkommission lehnt die Übertragung der Organisationsverantwortung für die Erfassung und Verwertung von Verpackungsabfällen auf die kommunalen Entsorgungsträger ab. Die Bundesregierung schließt sich in ihrer Stellungnahme dieser Auffassung an und erklärt, dass eine vollständige Rekommunalisierung daher auch im Zuge der Weiterentwicklung der Verpackungsverordnung zu einem Wertstoffgesetz nicht geplant sei.
Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass sich das Duale System in der Vergangenheit als instabil und wenig effizient gezeigt hat. Zwar steht zu erwarten, dass auf Grund der Änderung der Verpackungsverordnung im Rahmen der 7. Novelle der Verpackungsverordnung die Problematik der Unterlizensierung entschärft wurde, allerdings besteht weiterhin grundlegender Änderungsbedarf, da sich das bestehende System insgesamt als ineffektiv im Hinblick auf die Verpackungsvermeidung und die stoffliche Verwertung und als bürgerunfreundlich und intransparent erwiesen hat.
Zu Buchstabe e:
Die Monopolkommission verkennt, dass auf kommunaler Ebene eine neutrale Aufgabenwahrnehmung bei der Bearbeitung von Anzeigen durch eine personelle und organisatorische Trennung der Aufgabenbereiche erfolgen kann. Zudem bietet eine Zuständigkeitszuweisung an die unteren Abfallbehörden den Vorteil, dass eine zuverlässige Beurteilung der Entsorgungssituation im jeweils betroffenen Stadt- oder Kreisgebiet auf der ortsnahen unteren Verwaltungsebene erfolgen kann.
Zu Buchstabe f:
Die Monopolkommission geht mit dieser Forderung über das Ziel der Erleichterung des Wettbewerbs hinaus, indem sie den Ausschluss der Kommunen vom Wettbewerb fordert. Im Übrigen wird diese rein ökonomisch motivierte Forderung den unterschiedlichen Facetten der das Gemeindewirtschaftsrecht bestimmenden Diskussion nicht gerecht.
B
- 2. Der Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, zum Zwanzigsten Hauptgutachten der Monopolkommission (BR-Drucksache 324/14 (PDF) ) gemäß § 44 Absatz 3 GWB wie folgt Stellung zu nehmen:*
- a) Der Bundesrat begrüßt die Befassung der Monopolkommission mit dem Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts. Die Auffassung, dass eine kosteneffiziente und qualitativ hochwertige Leistungserbringung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe durch die öffentliche Hand zu gewährleisten und eine transparente, an den Präferenzen der Leistungsberechtigten orientierte Struktur zu erhalten und weiterzuentwickeln sei, wird geteilt.
- b) Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass die Grundprinzipien des SGB VIII sich bewährt haben und einer rein wettbewerbsrechtlichen Betrachtung fachlicher Angebote der Kinder- und Jugendhilfe deutlich entgegenstehen. Insbesondere zu nennen sind hier der Subsidiaritätsgrundsatz (§ 4 SGB VIII), die Trägerpluralität (§ 3 SGB VIII) sowie die Trägerautonomie (§ 4 SGB VIII) und das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten bei der Auswahl eines Leistungsanbieters (§ 5 SGB VIII).
Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Monopolkommission nicht, dass mit dem Stimmrecht anerkannter Träger der freien Jugendhilfe in den Jugendhilfeausschüssen ein Interessenkonflikt und eine Minderung der Entscheidungsqualität verbunden seien.
- c) Der Bundesrat begrüßt und teilt insofern die Ausführungen der Bundesregierung, nach denen auch nach der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben im Bereich des Vergaberechts die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis finanziert werden, weiterhin nicht unter die Regelungen der Auftragsvergabe fallen.
Der Bundesrat empfiehlt, bei der Umsetzung der Reform des Vergaberechts die besondere Situation der Kinder- und Jugendhilfe ausreichend zu berücksichtigen und dem gewachsenen Zusammenwirken der öffentlichen Stellen mit den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege sowie dem vorgegebenen "jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis" weiterhin Rechnung zu tragen.
- d) Die Kritik der Monopolkommission an der steuerlichen Privilegierung gemeinnützig anerkannter Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe teilt der Bundesrat nicht.
C
- 3. Der federführende Wirtschaftsausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, vom Zwanzigsten Hauptgutachten der Monopolkommission (BR-Drucksache 324/14 (PDF) ) gemäß § 44 Absatz 3 GWB Kenntnis zu nehmen.
D
- 4. Der federführende Wirtschaftsausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Stellungnahme der Bundesregierung zum Zwanzigsten Hauptgutachten der Monopolkommission 2012/2013 (BR-Drucksache 181/15 (PDF) ) gemäß § 44 Absatz 3 GWB Kenntnis zu nehmen.
* Wird gegebenenfalls mit Ziffer 1 oder Ziffer 4 redaktionell zusammengeführt.