Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Freiwilligendienste

Der Bundesrat hat in seiner 900. Sitzung am 21. September 2012 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Freiwilligendienste

Nach der Aussetzung des Wehr- und damit auch des Zivildienstes ist der "Bundesfreiwilligendienst" (BFD) seit dem Sommer 2011 neben die Jugendfreiwilligendienste "Freiwilliges Soziales Jahr" (FSJ) und "Freiwilliges Ökologisches Jahr" (FÖJ) und die vielfältigen internationalen Freiwilligendienste getreten. Die Einführung des BFD war mit einem Anstieg der Bundesförderung für Freiwilligendienste und mit einem großen Zuwachs an Einsatzstellen und Freiwilligen verbunden.

Derzeit beteiligen sich in Deutschland so viele Menschen wie nie zuvor an einem Freiwilligendienst. Die Nachfrage ist so groß, dass das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Anfang 2012 eine Kontingentierung der BFD-Plätze vorgenommen hat, die dazu geführt hat, dass viele Interessierte abgewiesen werden müssen. Eine hohe Nachfrage nach Plätzen besteht auch bei den Jugendfreiwilligendiensten. Derzeit verrichten etwa 50 000 Jugendliche einen Jugendfreiwilligendienst. Die Förderung der Plätze ist zwar nicht wie beim BFD kontingentiert, sondern es kann jeder Platz gefördert werden. Allerdings wird die Förderung pro Platz geringer, je mehr Plätze es gibt, da die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel, wie beim BFD, begrenzt sind. Dies führt zu einer mittelbaren Kontingentierung der Plätze.

Die Länder, die seinerzeit dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) zum Teil nicht ohne Bedenken zugestimmt haben, erkennen den Erfolg an. Gleichwohl sehen sie noch erheblichen Nachsteuerungs- und Veränderungsbedarf.

Der Bedarf an Freiwilligendienstplätzen ist zurzeit auch deshalb besonders hoch, weil es in vielen Ländern doppelte Abiturjahrgänge gibt. Um diesen aktuellen Engpass zu bewältigen, sollten die Bundesmittel für den BFD zumindest für einige Jahre aufgestockt werden, damit Schulabgängerinnen und Schulabgänger die Möglichkeiten zum Abschluss einer Vereinbarung für die Teilnahme am BFD bekommen. Die große Bereitschaft, sich im Rahmen eines BFD für die Gemeinschaft zu engagieren und das damit verbundene Potenzial bürgerschaftlichen Engagements müssen genutzt werden.

Rechte und Pflichten der Träger sind im Gesetz nicht verankert. Die Träger sind als Vertragspartner nicht vorgesehen. Dies entspricht in keiner Weise ihrer wichtigen Rolle in der Praxis, denn diese übernehmen so zentrale Aufgaben wie die Sicherung der Qualität der Freiwilligendienstplätze in den Einrichtungen und die Organisation der pädagogischen Begleitung. Gleichzeitig sind sie wichtige Ansprechpartner für die Teilnehmenden. Eine Verankerung des Trägerprinzips im BFDG ist daher angemessen.

Anders als das FSJ und das FÖJ ist der BFD altersoffen gestaltet. Derzeit sind rund ein Drittel der Teilnehmenden älter als 27 Jahre. Bildungskonzepte für junge Freiwillige können nicht ohne Weiteres auf die Gruppe der über 27-Jährigen übertragen werden. Notwendig ist vielmehr die Entwicklung eigenständiger Bildungskonzepte, die an vorhandene berufliche Kompetenzen und Lebenserfahrungen anknüpfen. Viele Träger haben bereits damit begonnen. Mit ihnen gemeinsam muss eine Entwicklung und Festlegung von Mindeststandards vorangetrieben werden, um auch für die lebensälteren Teilnehmenden im BFD ein qualitätsvolles Bildungsangebot sicherzustellen.

Mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesfreiwilligendienst um Regelungen des Freiwilligendienstes aller Generationen, der mit einem klaren Votum der Länder verabschiedet wurde, soll ein zweites, niedrigschwelliges Format verankert werden, das allen Altersgruppen offensteht und vor allem den Erwartungen und Bedürfnissen älterer Menschen entgegenkommt. 64 Prozent der Engagierten im Freiwilligendienst aller Generationen sind über 50 Jahre alt. 8 400 Freiwillige in den letzten drei Jahren bestätigen den Bedarf für den Freiwilligendienst aller Generationen und die Notwendigkeit, dieses Format nachhaltig durch die Aufnahme in das Gesetz über den BFD bundesweit zu etablieren.

Nicht nur beim BFD für Lebensältere muss eine klare Abgrenzung zu arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen wie auch zum Niedriglohnbereich erfolgen. Die Freiwilligendienste dürfen nicht zum Ersatz für soziale Arbeit, für arbeitsmarktpolitische oder Wiedereingliederungsmaßnahmen werden. Die Betätigungsfelder müssen arbeitsmarktneutral ausgestaltet sein und dürfen kein Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse werden. Auch muss das Prinzip der Freiwilligkeit gewahrt sein. Die Länder erwarten hier eindeutigere und konsequentere Maßgaben seitens des Bundes, um den Missbrauch zu verhindern.

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ist eine dem BMFSFJ nachgeordnete Behörde. Im Zusammenhang mit dem BFD nimmt das Amt vor allem zwei unterschiedliche Aufgaben wahr: Zum einen ist es Vertragspartner der Zentralstellen, denen es Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung überträgt. Es ist unter anderem für die Anerkennung von Einsatzstellen beziehungsweise Einsatzplätzen verantwortlich und schließt im Auftrag des Bundes mit den Freiwilligen die BFD-Vereinbarung ab. Zudem organisiert es in den Bildungszentren des Bundes (den früheren Zivildienstschulen) die politische Bildung sowie andere Bildungsmaßnahmen für die Teilnehmenden. Es verwaltet die gesamten Zuschüsse an die zivilgesellschaftlichen Zentralstellen und die ihnen angeschlossenen Träger beziehungsweise Einsatzstellen. Zum anderen ist das BAFzA aber auch selbst Zentralstelle und tritt in dieser Eigenschaft in Konkurrenz zu den Zentralstellen der Verbände und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Doppelrolle des BAFzA, die in der Praxis zu erheblichen Konflikten und Problemen führt, bedarf einer kritischen Überprüfung. Diese muss jedoch nach Auffassung der Länder zeitnah und nicht erst nach Abschluss der Evaluierung des BFD erfolgen.

Der Bundesrat fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf,