A. Problem und Ziel
Die Verwaltungsgerichte sind mit Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz erheblich belastet. Seit einiger Zeit steigt die Zahl der Asylverfahren bei den Gerichten deutlich an. Mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen. Mit dem Gesetz soll es den Landesjustizverwaltungen und den Verwaltungsgerichten ermöglicht werden, auf diese Entwicklung rasch und angemessen zu reagieren.
B. Lösung
Das Asylverfahrensgesetz wird dahin geändert, dass der Einsatz von Richtern auf Probe als Einzelrichter in Verfahren nach diesem Gesetz bereits ab dem Zeitpunkt der Ernennung möglich ist.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Keine.
E. Sonstige Kosten
Keine.
Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes
Freistaat Sachsen
Dresden, 17. März 2015
Ministerpräsident
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Sächsische Staatsregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes zuzuleiten und diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes in den Deutschen Bundestag einzubringen.
Ich bitte Sie, diesen Gesetzesantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 932. Sitzung des Bundesrates am 27. März 2015 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Stanislaw Tillich
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes
Vom [...]
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
§ 76 Absatz 5 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
" § 6 Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz machen einen erheblichen Teil der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten aus. Im Jahr 2011 waren bundesweit 14,4 % der von den Verwaltungsgerichten erledigten Hauptsacheverfahren und 19,3 % der Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtschutzes solche aus dem Asylrecht. Im Jahr 2013 gehörten bereits 16,1 % der erledigten Hauptsacheverfahren und 31,7 % der Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zum Asylrecht (Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.4, 2011 und 2013). Die Zahl dieser Verfahren steigt rasant weiter. Die aktuelle sprunghafte Zunahme der Asylantragszahlen lässt für die nahe Zukunft einen außerordentlich großen Anstieg der Verfahrenszahlen vor den Verwaltungsgerichten erwarten. Von 2010 bis 2014 hat sich die Zahl der Asylanträge auf das Vierfache erhöht (von 48.589 auf 202.834 Anträge), die Zahlen für Januar 2015 lassen eine weitere Zunahme im Jahr 2015 erwarten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Aktuelle Zahlen zu Asyl, www.bamf.de). Das Gesetz soll den Landesjustizverwaltungen und den Verwaltungsgerichten erweiterten Handlungsspielraum geben, um auf diese Entwicklung rasch und angemessen reagieren zu können.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (hier: gerichtliches Verfahren). Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
B. Besonderer Teil
I. Zu Artikel 1
§ 76 Abs. 1 AsylVfG sieht vor, dass Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz dem Einzelrichter übertragen werden sollen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entscheidet in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Einzelrichter; allerdings ist unter anderem bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache eine Übertragung auf die Kammer möglich (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Gemäß § 76 Abs. 5 AsylVfG darf ein Richter auf Probe in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
Der Einsatz von Richtern auf Probe bei den Verwaltungsgerichten ist mit Blick auf die aktuelle Entwicklung dringend erforderlich, um dem absehbaren Personalmehrbedarf bei den Gerichten Rechnung zu tragen und ihre Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Damit Richter auf Probe effektiv und flexibel eingesetzt werden können, ist es geboten, zumindest in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz ihren Einsatz als Einzelrichter von Beginn an zu ermöglichen. Es sind keine zwingenden Gründe ersichtlich, Richter auf Probe nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Ernennung als Einzelrichter in solchen Streitigkeiten einzusetzen.
Der Vergleich mit den Regelungen für andere Gerichtsbarkeiten zeigt, dass Proberichter keineswegs von verantwortungsvoller Einzelrichtertätigkeit ausgenommen s i.d.R. chter auf Probe dürfen - bis auf speziell geregelte Ausnahmen - die amtsrichterlichen Tätigkeiten bereits unmittelbar nach Beginn der richterlichen Probezeit ausüben. Dazu gehört etwa die Tätigkeit als Strafrichter. In dieser Funktion darf der Richter auf Probe auch Haftbefehle erlassen, Ermittlungsmaßnahmen wie Wohnungsdurchsuchungen anordnen und empfindliche Freiheitsstrafen verhängen. Ebenso darf ein Richter auf Probe ermittlungsrichterliche Tätigkeiten am Amtsgericht wahrnehmen, die mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden sein können. Bei den Arbeits- und Sozialgerichten können Richter auf Probe sogar Kammern als Vorsitzende (mit zwei ehrenamtlichen Richtern) führen.
II. Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.