C(2017) 8414 final
967. Sitzung des Bundesrates am 27. April 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat erkennt die Leistungen der Europäischen Bürgerinitiative "Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden" an. Er versteht es als ein Zeichen der europäischen Zivilgesellschaft, dass mehr als eine Million europäische Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme für das Anliegen abgegeben haben und somit zum vierten Mal seit Bestehen der Europäischen Bürgerinitiative alle Anforderungen einer solchen erfüllt wurden.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass im gegenwärtigen Bewertungsverfahren der EU für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe auch Studien Berücksichtigung finden, die nicht öffentlich zugänglich sind und von Antragstellern in Auftrag gegeben und finanziert werden. [Er schließt sich der Feststellung der Kommission an, dass von der Industrie beauftragte und bezahlte Studien von manchen als Anreiz für Labore gesehen werden, gefällige Ergebnisse zu liefern.] Der Bundesrat begrüßt daher die seitens der Kommission angekündigten Änderungen von Rechtsvorschriften, die die Regeln zur Durchführung von Studien verbessern sollen. Zugleich ist er der Auffassung, dass das Bewertungsverfahren insgesamt modifiziert werden sollte.
- 4. Der Bundesrat stellt weiter fest, dass im EU-Genehmigungsverfahren der jeweilige Wirkstoff bewertet wird, während die glyphosathaltigen Formulierungen bzw. handelsfähigen Pflanzenschutzmittel im zonalen/nationalen Zulassungsverfahren durch die Mitgliedstaaten überprüft werden. Das Internationale Krebsforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation wiederum hat bei der Auswertung der veröffentlichten Studien Hinweise auf eine krebserregende Wirkung sowohl von Glyphosat alleine als auch von glyphosathaltigen Formulierungen festgestellt. Glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel erweisen sich auf Grund der Wirkung der sogenannten Beistoffe in unabhängigen Studien regelmäßig toxischer als Glyphosat allein. Dies ist bei der Frage der nationalen Zulassung der handelsfähigen Pflanzenschutzmittel von besonderer Bedeutung und zu berücksichtigen.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine bessere Abstimmung und Konsistenz der Wirkstoff- und Produktbewertung erfolgen muss. Auf diese Weise können einheitlichere Ergebnisse sichergestellt und Umweltschutz-, Anwendersowie Verbraucherschutzinteressen besser Rechnung getragen werden. Schließlich kommen Umwelt, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Anwenderinnen und Anwender mit dem konfektionierten, abgabefertigen Pflanzenschutzmittel und nicht nur dem Wirkstoff in Berührung.
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, verantwortungsvolle und kritische Zulassungsentscheidungen über Pflanzenschutzmittel im Sinne der Umwelt sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher zu treffen. Mögliche Instrumente wie zeitliche, räumliche oder anwendungstechnische Beschränkungen und Untersagungen sollten dabei ausgeschöpft werden.
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass dem Schutz der Biodiversität bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ein besonderer Stellenwert zukommen muss.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, für eine höhere Transparenz im Bewertungsverfahren der EU für Wirkstoffe wie auch national beim Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel einzutreten. Die dahingehenden Forschungsaktivitäten zu den Auswirkungen von Glyphosat, insbesondere auf die Gesundheit und biologische Vielfalt, sind zu verstärken.
- 9. Der Bundesrat sieht die nochmalige 5-jährige Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat in Anbetracht der Unsicherheiten als zu lang an. Diese sollte nach dem genannten Zeitraum nicht noch einmal verlängert werden.
- 10. Der Bundesrat verweist auf die Stellungnahmen der Kommission, wonach der Einsatz von Glyphosat und anderen Herbiziden möglicherweise Nahrungsnetze beeinflusst. Vielmehr sind daher alternative Maßnahmen und Verfahren der nichtchemischen Beikrautkontrolle durch Forschung und Versuchswesen weiter zu entwickeln und zur praktischen Anwendbarkeit zu führen. Die Betriebe sind, insbesondere durch die Fachverwaltungen der Länder, dahingehend zu beraten, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln so weit wie möglich zu reduzieren und auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Auch wenn dies betriebsindividuell sehr verschieden möglich ist, sollten gleichwohl und verstärkt alle anbau- und kulturtechnischen Möglichkeiten (Fruchtfolge, Saat- und Pflanz-zeitgestaltung, resistente Sorten und andere), die mechanisch/thermischen Verfahren und soweit verfügbar auch biologische und biotechnische Maßnahmen geprüft, in das Anbaukonzept einbezogen und berücksichtigt werden. Dieser Prozess ist fortzusetzen.
- 11. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel deutlich eingeschränkt werden muss mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.
- 12. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die weitere Verwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln möglichst restriktiv zu regeln, solange negative Effekte auf Gesundheit, Biodiversität sowie Wasserorganismen und Bodenlebewesen nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden können. Die Bundesregierung wird aufgefordert, spezielle Anwendungsregelungen zum Schutz, insbesondere der Biodiversität, einzuführen.
- 13. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine systematische, EU-rechtskonforme Minderungsstrategie für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel vorzulegen, die wirksame umwelt- und naturverträgliche Alternativen aufzeigt.
- 14. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Verwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln im Haus- und Kleingartenbereich, an öffentlichen Verkehrsflächen, in öffentlichen Einrichtungen, auf Grünflächen und bei der Vorerntebehandlung zu verbieten, da Menschen mit dem Wirkstoff in Berührung kommen können und negative Auswirkungen auf die Biodiversität nicht auszuschließen sind.
- 15. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Verwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln im Haus- und Kleingartenbereich, an öffentlichen Verkehrsflächen mit Ausnahme von Gleisanlagen, in öffentlichen Einrichtungen, auf Grünflächen und bei der Vorerntebehandlung zu verbieten, da Menschen mit dem Wirkstoff in Berührung kommen können und negative Auswirkungen auf die Biodiversität nicht auszuschließen sind.
- 16. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auf Flächen öffentlicher Einrichtungen (zum Beispiel Kindertagesstätten, Grünanlagen, Friedhöfen) und auf öffentlichen Verkehrsflächen mit Ausnahme von Gleisanlagen nicht mehr angewandt werden dürfen.
- 17. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die von der Bundesregierung vorzulegende systematische Minderungsstrategie mit ausreichenden finanziellen Mitteln für Forschung und Entwicklung auszustatten.
- 18. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, gezielt finanzielle Mittel zur Entwicklung von alternativen Methoden zum Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel auf öffentlichen Verkehrsflächen bereitzustellen.
- 19. Der Bundesrat unterstützt das Vorhaben, gemeinsam Alternativen im Rahmen einer Ackerbaustrategie zu entwickeln. Die Umsetzung der Ackerbaustrategie ist mit der Landwirtschaft vorzunehmen und adäquat mit Fördermitteln für Maßnahmen zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie und insbesondere des Insektenschutzes zu untersetzen.
B
- 20. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.