Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 20. Februar 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das
Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 15. Februar 2007 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 15. Februar 2007 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl.
Drucksache 063/94 = AE-Nr. 940138 und
Drucksache 354/03 (PDF) = AE-Nr. 031667
Begründung
1. Kontext des Vorschlages
- Gründe und Ziele des Vorschlags
Der Binnenmarkt für Waren ist ein fundamentaler Bestandteile der europäischen Integration.
Ein integrierter Markt ohne Grenzen ist das beste Mittel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Ein besser funktionierender Binnenmarkt ist deshalb ein entscheidender Faktor der neu belebten Strategie für Wachstum und Beschäftigung; sie zielt darauf ab, die EU in einer globalisierten Wirtschaft, in der auch unsere wichtigsten Handelspartner über große grenzenlose Märkte verfügen, wettbewerbsfähiger und erfolgreicher zu machen.
Artikel 28 und 30 des EG-Vertrages besagen unter anderem, dass der Bestimmungsmitgliedstaat auf seinem Hoheitsgebiet den Verkauf von Produkten, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht und nicht gemeinschaftsweit harmonisiert wurden, nicht verbieten darf, es sei denn, die technische Beschränkungen des Bestimmungsmitgliedstaats finden ihre Rechtfertigung in Artikel 30 EG-Vertrag oder in übergeordneten Gründen des Allgemeininteresses, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als solche anerkannt hat und die überdies das Erfordernis der
Verhältnismäßigkeit erfüllen. Hierbei handelt es sich um den so genannten "Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung", der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ableitet (siehe insbesondere das bekannte "Cassis de Dijon"-Urteil vom 20. Februar 1979 (Rs. 120/78 ) und die Mitteilung der Kommission dazu (ABl. C 256 vom 3. Oktober 1980).
Die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung nach Artikel 28 und 30 EG-Vertrag wird durch mehrere Probleme behindert:
- (1) fehlende Kenntnis des Grundsatzes auf Seiten der Unternehmen und nationalen Behörden;
- (2) Rechtsunsicherheit in Bezug auf den Geltungsumfang und die Beweislast. Häufig herrscht Unklarheit darüber, welche Produktkategorien von der gegenseitigen Anerkennung betroffen sind;
- (3) Risiko der Unternehmen, dass ihre Produkte keinen Zugang zum Markt des Bestimmungsmitgliedstaats erhalten;
- (4) fehlender Regulierungsdialog zwischen den zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten.
In ihrer Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Binnenmarktstrategie 032006 [KOM (2003) 238] ging die Kommission auf einige Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung des "Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung" bei Waren im nicht harmonisierten Bereich ein und wies darauf hin, dass sie die Möglichkeit der Verabschiedung eines neuen Rechtsinstruments prüfen werde, um den freien Warenverkehr in der Gemeinschaft sicherzustellen.
Dieser Vorschlag ist eine der in der Binnenmarktstrategie 2003-2006 angekündigten Maßnahmen. Damit sollen die Rechte und Pflichten der einzelstaatlichen Behörden auf der einen Seite und der Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebrachte Waren in einem anderen Mitgliedstaat verkaufen wollen, auf der anderen Seite festgelegt werden für den Fall, dass die zuständigen Behörden beabsichtigen, mit nationalen technischen Vorschriften restriktive Maßnahmen in Bezug auf das betreffende Produkt zu ergreifen. Der Vorschlag stellt vor allem auf die Beweislast ab, indem er die Verfahrensanforderungen für die Verweigerung der gegenseitigen Anerkennung festlegt.
Außerdem soll der vorgeschlagene Rechtsakt das Risiko für Unternehmen verringern, dass ihren Produkten der Zugang zum Markt des Bestimmungsmitgliedstaats verwehrt wird, und er soll den Regulierungsdialog zwischen den zuständigen Behörden durch Einrichtung einer oder mehrerer "Produktinfostellen" in allen Mitgliedstaaten intensivieren. Die Hauptaufgabe dieser Stellen wird es sein, die Unternehmen und die zuständigen Behörden in anderen Mitgliedstaaten mit Informationen über technische Produktvorschriften zu versorgen sowie die Kontaktinformationen der Behörden anderer Mitgliedstaaten bereitzustellen. Damit können die Behörden ihre Ansprechpartner in anderen Mitgliedstaaten leichter ermitteln und einfacher Informationen von ihnen erlangen, außerdem können sie einen Dialog untereinander in Gang setzen.
- Allgemeiner Kontext
Daten aus unterschiedlichen Quellen (Beschwerden und Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG-Vertrag, Notifizierungen gemäß Richtlinie 98/34/EG, Erhebungen, Fallstudien, Fachveröffentlichungen und Befragungen der Betroffenen) lassen darauf schließen dass die Anwendung des "Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung" nach wie vor mit zahlreichen Problemen verbunden ist, insbesondere bei technisch komplexen Produkten oder solchen, von denen Sicherheits- oder Gesundheitsrisiken ausgehen können.
Die Kommission hat bereits Mitteilungen zu Auslegungsfragen veröffentlicht, in denen sie darlegt wie der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in der Praxis funktionieren sollte.
Sie hat auch Tagungen, Seminare und Diskussionsrunden veranstaltet, um Unternehmen und Behörden der Mitgliedstaaten für die Problematik zu sensibilisieren. Es ist allerdings sehr schwierig Unternehmen auf diese Weise zu erreichen, vor allem wenn diese Veranstaltungen branchenübergreifend organisiert werden.
Obwohl mit der derzeitigen Politik das Gros der technischen Schranken auch ohne Harmonisierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene beseitigt werden konnte, machten die Betroffenen geltend, dass die derzeitige Politik an ihre Grenzen stoße bzw. dass es zu einem Stillstand gekommen sei. Die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung steht außerdem seit langem auf der politischen Tagesordnung. Im März 1998 forderte der Rat "Binnenmarkt", die politische Aufmerksamkeit auf die wirksame Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung zu lenken. Er unterstrich auch die direkte Verantwortung der Mitgliedstaaten in dieser Sache. Der Rat unterstützte die Kommission ferner mit der Verabschiedung einer Entschließung zur gegenseitigen Anerkennung am 28. Oktober 1999.
Im "Kok-Bericht" wurde festgestellt, dass der freie Warenverkehr in der EU weiterhin durch eine ganze Palette lokaler Vorschriften behindert werde, die häufig willkürlich angewandt würden und eindeutig dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zuwiderliefen. In dem Bericht wird empfohlen, solche Hemmnisse nicht länger zu tolerieren und ihre Beseitigung zu einer Top-Priorität der Kommission zu machen.
Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zur Zukunft des Binnenmarktes, die die Kommission im April 2006 in Gang setzte [SEK(2006)1215 vom 20.9.2006], bestätigen, dass nationale technische Vorschriften den freien Handel innerhalb der EU weiterhin erheblich behindern. Die Teilnehmer dieser Sondierung brachten vor, technische Vorschriften der Mitgliedstaaten zögen weiterhin erhebliche Behinderungen des freien Warenverkehrs in der EU nach sich und führten zu zusätzlichen behördlichen Kontrollen und Prüfungen.
- Bestehende Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet
Im Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Rechtsakts gibt es keine Rechtsvorschriften.
- Kohärenz mit den anderen Politikbereichen und Zielen der Union
Entfällt
2. Anhörung von interessierten Kreisen und Folgenabschätzung
- Anhörung von interessierten Kreisen
Anhörungsmethoden, angesprochene Sektoren und allgemeines Profil der Befragten Mit der Befragung der Interessenträger über die Kommissions-Website "Ihre Stimme in Europa" sollte die Meinung von Mitgliedstaaten, Unternehmen und Verbraucherorganisationen zu den Optionen für eine wirksamere Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung im Bereich des Warenhandels eingeholt werden.
Es gingen 135 Antworten ein, was etwa dem Durchschnittswert für Konsultationen zu Fachthemen dieser Art entspricht.
Das Profil der Antwortenden: Verbände (22,7 %), Unternehmen (19,7 %), öffentliche Stellen (13,6 %) und Verbraucher (31,1 %).
Zusammenfassung der Antworten und Art ihrer Berücksichtigung Den Beiträgen in der Konsultation über die Kommissions-Website "Ihre Stimme in Europa" zufolge sollte die Kommission, mehr tun und unter anderem für ein besseres Funktionieren der gegenseitigen Anerkennung im nicht harmonisierten Bereich sorgen. Etwa 60 % der Antwortenden halten eine Rechtsvorschrift für erforderlich, während 33 % dies nicht für notwendig erachten.
Die Antworten wurden bei der Auswahl der in der Folgenabschätzung untersuchten Optionen zu Grunde gelegt.
Eine öffentliche Anhörung wurde vom 17.2.2004 bis 30.4.2004 per Internet durchgeführt.
Daraufhin gingen bei der Kommission 135 Antworten ein. Die Ergebnisse sind abrufbar unter: http://europa.eu.int/yourvoice/consultations.
- Einholung und Nutzung von Expertenwissen
Externes Expertenwissen war nicht erforderlich.
- Folgenabschätzung
- - Option 1: Status Quo, d. h. Fortsetzung der gegenwärtigen Politik;
- - Option 2: nichtgesetzgeberische Maßnahmen, d. h. Ergänzung der gegenwärtigen Politik durch zusätzliche Aktionen: Einrichtung einer speziellen Website mit einer Liste der Produkte, für die die gegenseitige Anerkennung gilt, Prüfung aller nationalen technischen Vorschriften für eine bestimmte Produktkategorie durch Kommission und Mitgliedstaaten und Identifizierung der für diese Vorschriften zuständigen nationalen Behörden, systematische Aufnahme des endgültigen Wortlauts aller gemäß Richtlinie 98/34/EG notifizierten technischen Vorschriften in die Datenbank TRIS, Konferenzen und Seminare in den Mitgliedstaaten für Unternehmen und zuständige Behörden, Veröffentlichungen zur Erläuterung der gegenseitigen Anerkennung für bestimmte Produktkategorien, detailliertere Klauseln über die gegenseitige Anerkennung und Verwaltungszusammenarbeit im Rahmen der bestehenden Ausschüsse, die durch das abgeleitete Gemeinschaftsrecht geschaffen worden sind;
- - Option 3: gesetzgeberische Maßnahmen, d. h. Verabschiedung einer Verordnung, durch die die gegenseitige Anerkennung im nicht harmonisierten Bereich geregelt wird und "Produktinfostellen" eingerichtet werden. Die Verordnung würde für eine Liste von Produkten oder Produktaspekten gelten, auf die der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung anzuwenden ist. Sie würde die Rechte und Pflichten festlegen sowohl für die nationalen Behörden als auch für die Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebrachte Produkte in einem anderen Mitgliedstaat verkaufen wollen, für den Fall, dass die zuständigen Behörden gemäß nationalen technischen Vorschriften beabsichtigen, restriktive Maßnahmen in Bezug auf das betreffende Produkt zu ergreifen. Die Aufgabe der "Produktinfostellen" in den einzelnen Mitgliedstaaten bestünde darin, Unternehmen und zuständige Behörden anderer Mitgliedstaaten mit Informationen über technische Warenvorschriften zu versorgen und die Kontaktinformationen der Behörden anderer Mitgliedstaaten bereitzustellen;
- - Option 4: von nichtgesetzgeberischen Maßnahmen flankierte Verordnung:
Ausgangspunkt von Option 4 ist die unter Option 3 beschriebene Verordnung, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Anstatt ein Verzeichnis der Produkte oder Produktaspekte, für die die gegenseitige Anerkennung gilt, in die Verordnung aufzunehmen würde bei Option 4, wie im Falle der Option 2, eine Website mit einem Verzeichnis der Produkte eingerichtet, für die die gegenseitige Anerkennung gilt.
Die Kommission führte entsprechend ihrem Arbeitsprogramm eine Folgenabschätzung durch, die unter folgender Adresse eingesehen werden kann: http://ec.europa.eu/enterprise/regulation/goods/mutrec_de.htm .
3. Rechtliche Aspekte
- Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahme
Die Verordnung regelt zwei Aspekte im Zusammenhang mit der Gewährleistung des freien Warenverkehrs im nicht harmonisierten Bereich: Sie legt das Verfahren fest, an das sich Behörden der Mitgliedstaaten halten müssen, wenn die beabsichtigen eine einzelstaatliche technische Vorschrift anzuwenden (d. h. in Fällen, in denen die gegenseitige Anerkennung aus irgendeinem Grund nicht angewandt wird). Außerdem sieht die Verordnung vor, dass in jedem Mitgliedstaat eine oder mehrere "Produktinfostellen" eingerichtet werden, deren Hauptaufgabe darin besteht, Informationen über die geltenden technischen Vorschriften bereitzustellen bzw. die Betroffenen an die zuständigen Behörden/Organisationen zu verweisen.
Mit der Verabschiedung der Verordnung müsste die Entscheidung 3052/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Verfahrens der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen (ABl. L 321 vom 30.12.1995, S. 1) aufgehoben werden.
- Rechtsgrundlage
Artikel 37 und 95 EG-Vertrag
- Subsidiaritätsprinzip
Das Subsidiaritätsprinzip gelangt zur Anwendung, da der Vorschlag nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt.
Die Ziele des Vorschlags können von den Mitgliedstaaten aus folgendem Grund (aus folgenden Gründen) nicht ausreichend verwirklicht werden:
Die Beseitigung technischer Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten kann auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht und aufgrund des Umfangs der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden. Es ist notwendig Verfahren festzulegen, um die Gefahr zu minimieren, dass nationale technische Vorschriften rechtswidrige Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten nach sich ziehen. Das Fehlen solcher Verfahren in den Mitgliedstaaten verursacht zusätzliche Hindernisse für den freien Warenverkehr, denn es schreckt Unternehmen davon ab, ihre Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, auf dem Gebiet des Mitgliedstaates anzubieten, der technische Vorschriften dafür erlassen hat. Umfragen haben gezeigt, dass viele Unternehmen, insbesondere mittelständische Firmen, entweder ihre Produkte anpassen, um die technischen Vorschriften des Bestimmungsmitgliedstaates zu erfüllen, oder darauf verzichten, sie auf dem betreffenden Markt anzubieten. Den Behörden der Mitgliedstaaten fehlen im Übrigen geeignete Verfahren für die Anwendung ihrer technischen Vorschriften auf bestimmte Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit dieser Behörden, die Konformität von Produkten im Einklang mit den Bestimmungen des EG-Vertrages zu beurteilen.
Nur wenige Mitgliedstaaten verfügen über Verfahren, mit denen die Gefahr minimiert wird, dass nationale technische Vorschriften rechtswidrige Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten nach sich ziehen. Da diese Hindernisse in erster Linie Produkte betreffen die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind haben die Mitgliedstaaten nicht zwangsläufig Interesse an der Festlegung solcher Verfahren.
Die Ziele des Vorschlags können aus folgendem Grund (aus folgenden Gründen) besser durch Maßnahmen der Gemeinschaft erreicht werden:
Die Kommentare der Betroffenen und die Überprüfung der Situation in den Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass das Ziel der Beseitigung technischer Hemmnisse für den freien Warenverkehr auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht werden kann und dass nur eine Aktion auf Gemeinschaftsebene hier Verbesserungen bringen kann. Diese Verordnung trägt dem Grundsatz der Subsidiarität weitestgehend Rechnung, denn sie gewährleistet - sofern sie korrekt angewandt wird - den freien Warenverkehrs ohne weitere Harmonisierung nationaler technischer Vorschriften.
Es herrscht Rechtsunsicherheit in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, dadurch wird unvorhersehbar, wann dieser Grundsatz angewandt und wann nationale technische Vorschriften geltend gemacht werden.
Das verursacht Kosten, sowohl für die Unternehmen als auch für die Gesellschaft insgesamt und kann den Handel in der EU bremsen, weil Unternehmen am Markteintritt in einem anderen Mitgliedstaat gehindert werden. Ein allgemeiner Rahmen für die Anwendung nationaler technischer Vorschriften, der den Wirtschaftsakteuren die Gründe für die Anwendung nationaler technischer Vorschriften auf ihre Produkte vorhersehbar und nachvollziehbar vermittelt, ist ein qualitativer Indikator dafür, dass die Ziele besser auf Unionsebene verwirklicht werden können.
In dem Vorschlag werden EU-weit die Rechte und Pflichten festgelegt, sowohl für die nationalen Behörden als auch für die Unternehmen, die ein Produkt, das sie in einem Mitgliedstaat bereits rechtmäßig in den Verkehr gebracht haben, in einem anderen Mitgliedstaat verkaufen möchten. Die Verordnung stellt vor allem auf die Beweislast ab, indem sie die Verfahrensanforderungen für die Verweigerung der gegenseitigen Anerkennung festlegt. Die Folgenabschätzung hat gezeigt, dass der freie Warenverkehr in dem unter die Verordnung fallenden Bereich nicht zufrieden stellend funktioniert und dass dieses Defizit nicht ohne eine gesetzgeberische Maßnahme auf Gemeinschaftsebene behoben werden kann.
Der Vorschlag steht daher mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang.
- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der Vorschlag entspricht aus folgendem Grund (aus folgenden Gründen) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:
Der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung beschränkt sich auf Fälle, in denen technische Hindernisse auftreten könnten oder tatsächlich auftreten, nicht jedoch auf die Bereiche, in denen der freie Warenverkehr gut funktioniert und nationale technische Vorschriften keine Hindernisse darstellen.
Der Vorschlag beschränkt sich auf die Bestimmungen, die zur Erreichung des gesteckten Ziels unerlässlich sind.
Da es sich beim freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten um einen allgemeinen Grundsatz handelt und die entsprechenden Ausnahmeregelungen eng ausgelegt werden sollten wurde der finanzielle und verwaltungstechnische Aufwand dadurch minimiert, dass der Geltungsumfang auf die Fälle eingegrenzt wurde, in denen technische Hindernisse entstehen könnten oder tatsächlich entstehen. Die vorgeschlagene Verordnung wäre nicht auf Fälle anwendbar, in denen der freie Warenverkehr gut funktioniert und keine Hindernisse durch eine nationale technische Vorschrift verursacht werden.
- Wahl des Instruments
Vorgeschlagenes Instrument: Verordnung Andere Instrumente wären aus folgendem Grund (aus folgenden Gründen) nicht angemessen:
Es wurde die Form der Verordnung gewählt, da andere Instrumente nicht angemessen wären.
Eine Verordnung scheint das am besten geeignete Instrument zur Verwirklichung des Ziels.
Die in diesem Vorschlag dargelegten verfahrenstechnischen Anforderungen sind so präzise, dass sie unmittelbar in innerstaatliches Recht überführt werden können.
4. Auswirkungen auf den Haushalt
Der Vorschlag hat zwar keine direkten Auswirkungen auf den Haushalt; die Umsetzung der Verordnung wird aber die Aufstellung eines Verzeichnisses von Produkten oder Produktaspekten erfordern, für die die gegenseitige Anerkennung gilt, ferner die Einrichtung einer Website, auf der sie veröffentlicht wird. Die haushaltsrelevanten Auswirkungen der Aufstellung der Liste und der Einrichtung der Website sind im Finanzbogen dargelegt sind.
5. Weitere Angaben
- Aufhebung geltender Rechtsvorschriften
Durch die Annahme des Vorschlags werden bestehende Rechtsvorschriften aufgehoben.
- Überprüfungs-/Revisions-/Verfallsklausel
Der Vorschlag enthält eine Überprüfungsklausel.
- Entsprechungstabelle
Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, mit denen sie diese Verordnung umgesetzt haben, sowie eine Entsprechungstabelle zu übermitteln.
- Europäischer Wirtschaftsraum
Der vorgeschlagene Rechtsakt ist von Bedeutung für den Europäischen Wirtschaftsraum und sollte deshalb auf den EWR ausgeweitet werden.
- Einzelerläuterung zum Vorschlag
Die Artikel 2 und 3 bestimmen den Geltungsbereich der Verordnung. Gegenstand ihrer Anwendung sind hauptsächlich restriktive Entscheidungen auf der Grundlage nicht EU-weit harmonisierter technischer Vorschriften, sofern diese Entscheidungen industriell hergestellte Produkte oder Agrarprodukte, einschließlich Fischereiprodukte, betreffen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, und diese Entscheidungen unmittelbar oder mittelbar zur Folge haben, dass die betreffenden Produkte in ihrer ursprünglichen Form nicht auf den Markt gebracht werden dürfen.
Die Artikel 4, 5 und 6 sind die Hauptbestimmungen der Verordnung. Darin werden die Mindestanforderungen festgelegt, die die mitgliedstaatlichen Behörden im konkreten Fall erfüllen müssen, bevor sie sich daran machen können, eine nationale technische Vorschrift zu erlassen (also dann, wenn für sie aus irgendeinem Grund die gegenseitige Anerkennung nicht zum Tragen kommt). Die Beweislast liegt bei der mitgliedstaatlichen Behörde, die eine technische Vorschrift anwenden will, mit der sie den Zugang des Produktes zum eigenen Markt beschränkt.
In Artikel 7 und 8 werden die Aufgaben der Produktinfostellen festgelegt. Ihre Hauptaufgabe ist die Bereitstellung von Informationen über technische Vorschriften für Unternehmen und über die in anderen Mitgliedstaaten zuständigen Behörden.
Artikel 9 sieht die Möglichkeit vor, ein Telematiknetz gemäß dem Beschluss 2004/387/EG über die interoperable Erbringung europaweiter elektronischer Behördendienste (eGovernment-Dienste) für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger (IDABC) einzurichten.
Eine Berichtspflicht ist in Artikel 10 festgelegt.
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, und zur Aufhebung der Entscheidung 3052/95/EG (Text von Bedeutung für den EWR)
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 37 und Artikel 95, auf Vorschlag der Kommission1, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen3, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag4, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Der Binnenmarkt ist einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Warenverkehr durch den EG-Vertrag gewährleistet ist, der Maßnahmen verbietet, die die gleiche Wirkung haben wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen. Das Verbot erfasst alle nationalen Maßnahmen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Warenhandel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.
- (2) In Ermangelung harmonisierter Rechtsvorschriften kann es geschehen, dass nationale Behörden unzulässige Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten errichten, wenn sie auf Produkte aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, technische Vorschriften anwenden, die Auflagen in Bezug auf Bezeichnung, Form, Größe, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung und Verpackung der betreffenden Produkte enthalten. Die Anwendung solcher technischer Vorschriften auf Produkte, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, kann gegen Artikel 28 und 30 des EG-Vertrags verstoßen, selbst dann, wenn solche nationalen Vorschriften unterschiedslos für alle betreffenden Produkte gelten.
- (3) Es sind Verfahren notwendig, die die Gefahr minimieren, dass solche nationalen technischen Vorschriften rechtswidrige Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten nach sich ziehen. Das Fehlen solcher Verfahren in den Mitgliedstaaten behindert den freien Warenverkehr zusätzlich, denn diese Tatsache schreckt Unternehmen davon ab, Produkte, die sie in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht haben, auch in einem Mitgliedstaat anzubieten, der technische Vorschriften dafür erlassen hat. Umfragen haben gezeigt, dass viele, insbesondere mittelständische Unternehmen entweder ihre Produkte anpassen, damit sie die technischen Vorschriften des Bestimmungsmitgliedstaates erfüllen, oder ganz darauf verzichten sie auf dem betreffenden Markt anzubieten.
- (4) Den Behörden der Mitgliedstaaten fehlen im Übrigen geeignete Verfahren für die Anwendung ihrer technischen Vorschriften auf bestimmte Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit dieser Behörden, die Konformität von Produkten im Einklang mit den Bestimmungen des EG-Vertrages zu beurteilen.
- (5) In seiner Entschließung vom 28. Oktober 1999 zur gegenseitigen Anerkennung5 wies der Rat darauf hin, dass Wirtschaftsakteure und Bürger nicht immer erschöpfend und korrekt von der gegenseitigen Anerkennung Gebrauch machten, da ihnen der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und die damit verbundenen praktischen Auswirkungen nicht genügend bekannt seien. Er forderte die Mitgliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen auszuarbeiten, damit Wirtschaftsakteuren und Bürgern ein wirkungsvoller Rahmen für die gegenseitige Anerkennung geboten werde, der u. a. eine effiziente Bearbeitung ihrer Anträge und die zügige Beantwortung dieser Anträge gewährleiste.
- (6) Der Europäische Rat betonte auf seiner Tagung am 15. und 16. Juni 2006 die Bedeutung eines einfachen, transparenten, leicht anzuwendenden Regelungsrahmens und einer Stärkung des Vertrauens von Verbrauchern und Unternehmen in den Binnenmarkt.
- (7) Ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt für Waren braucht angemessene und transparente Verfahren zur Lösung der Probleme, die daraus resultieren, dass nationale technische Vorschriften auf bestimmte Produkte angewandt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind.
- (8) Alle technischen Vorschriften der Mitgliedstaaten für die meisten oder alle Produktkategorien harmonisieren zu wollen, wäre weder mit den Subsidiaritätsprinzip noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
- (9) Nach der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit6 dürfen nur sichere Produkte in den Verkehr gebracht werden. Die Richtlinie erlaubt den Behörden, alle gefährlichen Produkte unmittelbar zu verbieten, ferner potenziell gefährliche Produkte so lange, bis die Sicherheitsbewertungen, Prüfungen und Kontrollen abgeschlossen sind. Deshalb ist es notwendig, Maßnahmen der nationalen Behörden, die sich auf die nationalen Umsetzungsvorschriften für die Richtlinie 2001/95/EG stützen, vom Geltungsbereich dieser Verordnung auszunehmen.
- (10) Mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit7 wurde unter anderem ein Schnellwarnsystem für von Lebensmitteln oder Futtermitteln ausgehende unmittelbare oder mittelbare Gefahren für die menschliche Gesundheit eingeführt. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Kommission über das Schnellwarnsystem unverzüglich alle von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Beschränkung des Inverkehrbringens von Lebensmitteln oder Futtermitteln oder zur Erzwingung ihrer Marktrücknahme oder ihres Rückrufs zu melden, falls der Gesundheitsschutz rasches Handeln erfordert. Deshalb sollten Maßnahmen der mitgliedstaatlichen Behörden gemäß Artikel 50 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.
- (11) Die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz8 enthält allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen, mit denen überprüft werden soll, ob Bestimmungen eingehalten werden, die insbesondere darauf abzielen, unmittelbar oder über die Umwelt auftretende Risiken für Mensch und Tier zu vermeiden, zu beseitigen oder auf ein annehmbares Maß zu senken und die ferner lautere Gepflogenheiten im Futtermittel- und Lebensmittelhandel gewährleisten und den Verbraucherschutz, einschließlich der Kennzeichnung von Futtermitteln und Lebensmitteln und sonstiger Formen der Verbraucherinformation, sicherstellen sollen. Sie legt ein besonderes Verfahren fest, das gewährleisten soll, dass die betreffenden Unternehmen Verstöße abstellen. Deshalb ist es notwendig, Maßnahmen der nationalen Behörden nach Artikel 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vom Geltungsbereich dieser Verordnung auszunehmen.
- (12) Die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit)9 sieht ein Zulassungsverfahren für die Inbetriebnahme von in Betrieb befindlichen Fahrzeugen vor, das Raum für die Anwendung bestimmter nationaler Vorschriften lässt. Maßnahmen der nationalen Behörden gemäß Artikel 14 der genannten Richtlinie sollten daher vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.
- (13) Die Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems10 und die Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems11 sehen die stufenweise Harmonisierung der Bahnsysteme und des Betriebs durch die schrittweise Verabschiedung technischer Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) vor. Systeme und Ausrüstungen, die in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinien fallen sollten daher vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.
- (14) Es obliegt der nationalen Behörde, im Einzelfall nachzuweisen, dass die Anwendung technischer Vorschriften des Mitgliedstaates auf bestimmte Produkte, die in einem anderem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, unter die zulässigen Ausnahmen fällt.
- (15) Jede Entscheidung eines Mitgliedstaates, auf die diese Verordnung anwendbar ist, sollte eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, damit die Wirtschaftsakteure das zuständige Gericht des Mitgliedstaats anrufen können.
- (16) Rechtmäßigkeitsentscheidungen der mitgliedstaatlichen Gerichtsbarkeit in Fällen, in denen Produkten, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, aufgrund einer technischen Vorschrift der Zugang zum nationalen Markt verwehrt wird, sollten vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden.
- (17) Der Binnenmarkt für Waren ist darauf angewiesen, dass die technischen Vorschriften der Mitgliedstaaten zugänglich sind, sodass sich die Wirtschaftsakteure, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, ein genaues und zuverlässiges Bild von der Rechtslage im Bestimmungsmitgliedstaat verschaffen können.
- (18) Es ist daher notwendig, Grundsätze der Verwaltungsvereinfachung umzusetzen, unter anderem durch Einführung eines Systems von Produktinfostellen. Dieses sollte so ausgelegt sein, dass für Unternehmen ein transparenter und korrekter Informationszugriff gewährleistet ist, damit sich Verzögerungen, Kosten und Abschreckungseffekte aufgrund nationaler technischer Vorschriften vermeiden lassen.
- (19) Zwecks Erleichterung des freien Warenverkehrs sollten die Produktinfostellen hochwertige Informationen über nationale technische Vorschriften und ihre Anwendung bereitstellen können. Die Einrichtung dieser Stellen sollte die Aufteilung der behördlichen Zuständigkeiten innerhalb der einzelnen nationalen Regelungssysteme unberührt lassen, deshalb sollte die Zahl der mitgliedstaatlichen Produktinfostellen entsprechend der regionalen oder lokalen Zuständigkeitsverteilung von Land zu Land variieren können.
- (20) Die Mitgliedstaaten sollten nicht nur bestehende Dienststellen der öffentlichen Verwaltung mit der Funktion der Produktinfostellen betrauen können, sondern auch Handelskammern, Berufsverbände oder private Einrichtungen, damit keine zusätzlichen Verwaltungskosten für die Unternehmen oder die zuständigen Behörden entstehen.
- (21) Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Produktinfostellen auf Anfrage ausführliche Angaben zu allen Entscheidungen erhalten und bereitstellen können, auf die diese Verordnung anwendbar ist, sofern die Offenlegung derartiger Angaben nicht den Schutz der Geschäftsinteressen und des geistigen Eigentums eines Wirtschaftsakteurs gefährdet.
- (22) Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten eng zusammenarbeiten, um die Schulung der Mitarbeiter der Produktinfostellen zu erleichtern und die Stellen darin zu bestärken Informationen über die Anwendung einzelstaatlicher technischer Vorschriften auch in anderen Gemeinschaftssprachen zur Verfügung zu stellen.
- (23) Im Hinblick auf die Entwicklung und Inbetriebnahme europaweiter elektronischer Behördendienste und diesbezüglicher interoperabler Telematiknetze sollte die Möglichkeit eines elektronischen Systems für den Informationsaustausch zwischen den Produktinfostellen in Betracht gezogen werden, entsprechend dem Beschluss 2004/387/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über die interoperable Erbringung europaweiter elektronischer Behördendienste (eGovernment-Dienste) für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger (IDABC)12.
- (24) Um Informationen über die Umsetzung der Verordnung zu gewinnen, sollten zuverlässige und wirksame Überwachungs- und Bewertungsverfahren eingeführt werden.
- (25) Mit der Entscheidung Nr. 3052/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Einführung eines Verfahrens der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Gemeinschaft abweichen13, war ein Überwachungsverfahren eingeführt worden, das sich insofern als weitgehend ungeeignet erwiesen hat, als es der Kommission keine hinreichenden Erkenntnisse über die Bereiche lieferte, in denen sich eine Harmonisierung anbietet. Es hat auch nicht zur raschen Lösung bestimmter Probleme im Bereich des freien Warenverkehrs geführt. Deshalb sollte die Entscheidung 3052/95/EG aufgehoben werden.
- (26) Das Ziel der geplanten Maßnahme, nämlich die Beseitigung technischer Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, kann auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht angemessen erreicht werden; wegen des Umfangs der Maßnahme ist die Gemeinschaftsebene dafür besser geeignet; deshalb kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem dort dargelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
- (27) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse14 beschlossen werden -Haben folgende Verordnung erlassen:
Kapitel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich
Artikel 1
Diese Verordnung beinhaltet die Regeln und Verfahren, die die Behörden der Mitgliedstaaten beachten müssen, wenn sie eine Entscheidung im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 treffen oder zu treffen beabsichtigen, die den freien Warenverkehr für ein in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebrachtes Produkt beschränkt.
- Sie sieht ferner vor, dass alle Mitgliedstaaten Produktinfostellen einrichten, deren Aufgabe es ist Informationen, unter anderem über einzelstaatliche technische Vorschriften, bereitzustellen.
Artikel 2
- 1. Diese Verordnung gilt für Entscheidungen über industriell hergestellte Produkte und Agrarprodukte, einschließlich Fischereiprodukte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, sofern diese Entscheidungen auf der Grundlage einer technischen Vorschrift getroffen wurden und unmittelbar oder mittelbar bewirken, dass:
- a) das Produkt oder der Produkttyp verboten wird;
- b) die Genehmigung zum Inverkehrbringen des Produkts oder Produkttyps verweigert wird;
- c) das Produkt oder der Produkttyp geändert werden muss, um in den Verkehr gebracht werden oder im Verkehr bleiben zu können;
- d) das Produkt oder der Produkttyp vom Markt genommen werden muss.
Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe c ist unter Änderung des Produkts oder Produkttyps jede Änderung mindestens eines der Merkmale zu verstehen, die in einer technischen Spezifikation im Sinne des Artikels 1 Absatz 3 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführt sind15.
- 2. Für die Zwecke dieser Verordnung ist unter einer technischen Vorschrift eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift eines Mitgliedstaates zu verstehen, die nicht Gegenstand gemeinschaftsweiter Harmonisierung ist, deren Anforderungen erfüllt sein müssen, damit ein Produkt oder Produkttyp auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates in Verkehr gebracht oder benutzt werden darf, und die Folgendes regelt:
- a) die Merkmale, die das Produkt oder der Produkttyp erfüllen muss, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung des Erzeugnisses sowie die Konformitätsbewertungsverfahren, oder
- b) andere Anforderungen, die das Produkt oder der Produkttyp zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erfüllen muss und die seinen Lebenszyklus nach dem Inverkehrbringen beeinflussen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Entsorgung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Produkts oder Produkttyps oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können.
Artikel 3
- 1. Diese Verordnung lässt gerichtliche Entscheidungen der einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit unberührt.
- 2. Diese Verordnung gilt nicht für Maßnahmen, die mitgliedstaatliche Behörden auf folgender Grundlage ergreifen:
- 3. Diese Verordnung gilt nicht für Produkte und Ausrüstungen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/48/EG und der Richtlinie 2001/16/EG fallen.
Kapitel 2
Anwendung einer technischen Vorschrift
Artikel 4
- 1. Will eine einzelstaatliche Behörde eine Entscheidung im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 erlassen, unterrichtet sie den gemäß Artikel 5 ermittelten Wirtschaftsakteur schriftlich von ihrer Absicht; dabei geben sie die technische Vorschrift an, auf die sich die Entscheidung stützen soll und legen hinreichende technische oder wissenschaftliche Belege dafür vor, dass die beabsichtigte Entscheidung durch einen in Artikel 30 des EG-Vertrages aufgeführten Grund des Allgemeininteresses oder ein anderes übergeordnetes Gemeinwohlerfordernis gerechtfertigt ist und dass sie geeignet ist, das damit verfolgte Ziel zu verwirklichen, ohne über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinauszugehen.
Der betroffene Wirtschaftsakteur verfügt nach Empfang einer solchen Mitteilung über eine Frist zur Stellungnahme von mindestens zwanzig Arbeitstagen.
- 2. Jede Entscheidung im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 wird dem betroffenen Wirtschaftsteilnehmer unter Nennung der Gründe mitgeteilt, einschließlich der Gründe für die Zurückweisung seiner Einwände.
Sie beinhaltet ferner einen Hinweis auf die nach den geltenden Bestimmungen des Mitgliedstaates verfügbaren Rechtsbehelfe und die dafür geltenden Fristen.
- 3. Verzichtet die Behörde eines Mitgliedstaates nach schriftlicher Benachrichtigung des Wirtschaftsakteurs gemäß Absatz 1 auf eine Entscheidung im Sinne des Artikels 2 Absatz 1, unterrichtet sie den betroffenen Wirtschaftsteilnehmer hiervon.
Artikel 5
- Die schriftliche Benachrichtigung gemäß Artikel 4 Absatz 1 wird an den Hersteller im Sinne des Artikels 2 Buchstabe e der Richtlinie 2001/95/EG gesandt, sofern dessen Name und Kontaktinformationen auf der Verpackung oder dem Etikett oder in den Begleitunterlagen zu dem Produkt aufgeführt sind.
- Die schriftliche Benachrichtigung wird an den Händler im Sinne des Artikels 2 Buchstabe f der Richtlinie 2001/95/EG gesandt, sofern dessen Name und Kontaktinformationen auf der Verpackung oder dem Etikett oder in den Begleitunterlagen zu dem Produkt aufgeführt sind.
- Sind Name und Kontaktinformationen des Herstellers und des Händlers weder auf der Verpackung oder dem Etikett noch in den Begleitunterlagen aufgeführt, so erfolgt die schriftliche Benachrichtigung an einen anderen Hersteller oder Händler im Sinne der Bestimmungen von Absatz 1 und 2.
Artikel 6
- Alle Entscheidungen gemäß Artikel 2 Absatz 1 können vor den einzelstaatlichen Gerichten angefochten werden können.
Kapitel 3
Produktinfostellen
Artikel 7
- 1. Jeder Mitgliedstaat benennt eine oder mehrere Produktinfostellen auf seinem Hoheitsgebiet und übermittelt den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission die Kontaktinformationen dieser Stellen.
- 2. Die Kommission veröffentlicht die Liste der Produktinfostellen und aktualisiert diese Liste regelmäßig.
Artikel 8
- 1. Die Produktinfostellen stellen auf Anfrage folgende Informationen zur Verfügung:
- a) die für einen bestimmten Produkttyp auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet geltenden technischen Vorschriften;
- b) die Kontaktinformationen der mitgliedstaatlichen Behörden zwecks direkter Kontaktaufnahme, einschließlich Angabe der Behörden, die die Anwendung der jeweiligen technischen Vorschriften im betreffenden Hoheitsgebiet überwachen c) allgemein im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates verfügbare Rechtsbehelfe bei Streitigkeiten zwischen den zuständigen Behörden und einem Hersteller oder Händler;
- d) Kontaktinformationen von Verbänden oder sonstigen nichtbehördlichen Stellen, bei denen Hersteller oder Händler auf dem Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates praktische Unterstützung erhalten.
- 2. Die Produktinfostellen beantworten alle eintreffenden Anträge auf Bereitstellung der in Absatz 1 genannten Informationen binnen zwanzig Arbeitstagen.
- 3. Die Produktinfostellen der Mitgliedstaaten, in denen Hersteller und Händler die betreffenden Produkte rechtmäßig in den Verkehr gebracht haben, werden über schriftliche Benachrichtigungen und Entscheidungen im Sinne von Artikel 4 informiert sofern die Offenlegung derartiger Angaben nicht den Schutz der Geschäftsinteressen und des geistigen Eigentums der betreffenden Wirtschaftsakteure gefährdet. Diese Produktinfostellen sind befugt, gegenüber den betroffenen einzelstaatlichen Behörden Stellung zu nehmen.
Artikel 9
- Die Kommission kann nach dem Verfahren des Artikels 11 Absatz 2 ein Telematiknetz für den Informationsaustausch zwischen den Produktinfostellen im Sinne dieser Verordnung einrichten.
Kapitel 4
Schlussbestimmungen
Artikel 10
- 1. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission auf Anfrage einen ausführlichen Bericht über die Durchführung dieser Verordnung, einschließlich detaillierter Angaben über schriftliche Benachrichtigungen oder Entscheidungen gemäß Artikel 4 Absatz 1, 2 und 3.
- 2. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat fünf Jahre nach dem in Artikel 13 aufgeführten Stichtag einen Bericht über die Durchführung dieser Verordnung vor.
Artikel 11
- 1. Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.
- 2. Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so ist das in Artikel 3 des Beschlusses 1999/468/EG vorgesehene Beratungsverfahren unter Beachtung von Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 8 jenes Beschlusses anzuwenden.
Artikel 12
- Die Entscheidung 3052/95/EG wird aufgehoben.
Artikel 13
- Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
- Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Im Namen des Rates
Der Präsident
Der Präsident
- 1 ABl. C [...] vom [...], S. [...].
- 2 ABl. C [...] vom [...], S. [...].
- 3 ABl. C [...] vom [...], S. [...].
- 4 ABl. C [...] vom [...], S. [...].
- 5 ABl. C 141 vom 19.5.2000, S. 5.
- 6 ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4.
- 7 ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 575/2006 der Kommission vom 7. April 2006 (ABl. L 100 vom 8.4.2006, S. 3).
- 8 ABl. L 191 vom 28.5.2004, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 776/2006 der Kommission vom 23. Mai 2006 (ABl. L 136 vom 24.5.2006, S. 3).
- 9 ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 44. Berichtigte Fassung im ABl. L 220 vom 21.6.2004, S. 16.
- 10 ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 6. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 114).
- 11 ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/50/EG.
- 12 ABl. L 144 vom 30.4.2004, S. 62. Berichtigte Fassung im ABl. L 181 vom 18.5.2004, S. 25.
- 13 ABl. L 321 vom 30.12.1995, S. 1.
- 14 ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/512/EG (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).
- 15 ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37.
Finanzbogen
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