Der Bundesrat hat in seiner 944. Sitzung am 22. April 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, Verbrauchern die grenzüberschreitende europaweite Nutzung von digitalen Inhalten zu ermöglichen. Verbraucher sind bei der Nutzung dieser Dienste besonders schutzbedürftig, da sie anders als in der analogen Welt auf die Gewährleistung des Zugangs zu den Inhalten durch den Anbieter angewiesen sind, um diese überhaupt nutzen zu können.
- 2. Der Bundesrat begrüßt das Ziel des Verordnungsvorschlags, im Interesse der Verbraucher den grenzübergreifenden Zugriff auf im Wohnsitzmitgliedstaat abonnierte Online-Inhalte innerhalb des europäischen Binnenmarktes während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat zu gewährleisten. Es kann einen Beitrag zu mehr Zufriedenheit für Verbraucher leisten, wenn die Belange der Medienwirtschaft und der Kulturschaffenden ebenbürtig Berücksichtigung finden. Es ist sicherzustellen, dass durch das Vorhaben nationale oder regionale Anbieter nicht beim Erwerb von Verwertungsrechten behindert werden.
- 3. Der Bundesrat betont, dass die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten durch ein europäischeres Urheberrecht nicht beeinträchtigt werden darf und eine angemessene Entlohnung der Kreativen auch im digitalen Zeitalter sichergestellt werden muss.
- 4. Er ist der Auffassung, dass bei der Modernisierung und europaweiten Vereinheitlichung des Urheberrechts auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Verwerter, Produzenten, Sender, Verbraucher und Kultureinrichtungen zu achten ist.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt auch in Bezug auf diesen Vorschlag seine Auffassung, dass Geoblocking im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit urheberrechtlicher Ansprüche und die Refinanzierung von audiovisuellen Inhalten unter bestimmten Voraussetzungen durchaus gerechtfertigt sein kann.
- 6. Er bittet um Überprüfung, ob es mit Bezug auf die Verhältnismäßigkeit notwendig ist, mit dem Instrument einer Verordnung in bestehende Verträge einzugreifen oder ob eine Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten umzusetzende Vorgaben für neu abzuschließende Verträge enthält, ausreichend ist.
Zu Artikel 2 Buchstabe e
- 7. Laut Legaldefinition in Artikel 2 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags soll es sich bei einem "Online-Inhaltedienst" auch um einen Dienst handeln, dessen Hauptmerkmal die Bereitstellung des Zugriffs auf Werke, andere Schutzgegenstände oder Übertragungen von Rundfunkveranstaltungen und deren Nutzung in linearer Form oder auf Abruf ist. Der Bundesrat geht davon aus, dass damit auch jenseits des Rundfunks weitere nichtaudiovisuelle Mediendienste erfasst sind, wie beispielsweise Musik-Streaming oder Online-Spiele. Andernfalls bittet der Bundesrat um entsprechende Klarstellung in dem Verordnungsvorschlag.
- 8. Der Bundesrat bekräftigt seine Haltung, dass Anbieter von kostenfreien Diensten und öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten zur Herstellung von Portabilität nicht verpflichtet werden dürfen. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Verordnung eine Bereichsausnahme für kostenfreie Dienste und öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten vorzusehen. Dabei sollten Dienste, für die der jeweilige Nutzer als Gegenleistung keinen Preis zahlt, dafür aber aktiv eine andere Gegenleistung in Form personenbezogener oder anderer Daten erbringt, grundsätzlich nicht ohne Weiteres unter den Begriff der kostenfreien Dienste im Sinne der Bereichsausnahme fallen. Als gezahlter Geldbetrag sollte in jedem Fall nur ein Entgelt angesehen werden, das unmittelbar zwischen Nutzer und Anbieter des jeweiligen Online-Dienstes für die Nutzung desselben vereinbart wurde; Zahlungen beispielsweise für die technische Infrastruktur (Netzzugang oder Ähnliches) sollten hiervon eindeutig nicht erfasst sein, sofern nicht mit dieser die Erbringung der Online-Inhaltedienste, zum Beispiel in einem Paket, verknüpft ist.
- 9. Er bekräftigt mithin unter Bezugnahme auf Ziffer 15 seiner Stellungnahme vom 18. März 2016, BR-Drucksache 015/16(B) zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht, COM (2015) 626 final; Ratsdok. 15264/15, seine Auffassung, dass sich die Verpflichtung zur Portabilität nicht auf kostenfreie Dienste erstrecken soll.
Zu Artikel 2 Buchstabe d und Artikel 3 Absatz 1
- 10. Der Bundesrat begrüßt, dass im Vorschlag durch Bezugnahme auf den "vorübergehenden Aufenthalt" eine zeitliche Begrenzung der Portabilität zumindest angelegt ist. Hierdurch kann grundsätzlich ein Ausgleich der berechtigten Interessen der Urheber, Verwerter, Produzenten, Sender und Verbraucher audiovisueller Inhalte erzielt werden.
- 11. Er bekräftigt unter Bezugnahme auf die Ziffer 14 seiner bereits genannten Stellungnahme vom 18. März 2016 seine Auffassung, dass eine eindeutige zeitliche Begrenzung der Portabilität in der Verordnung notwendig ist.
- 12. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, eine eindeutige Regelung hinsichtlich der Dauer des "vorübergehenden Aufenthalts" zu treffen. Bislang enthält die Regelung des Artikels 2 Buchstabe d trotz angestrebter Legaldefinition des "vorübergehenden Aufenthaltes" keinerlei zeitliche Komponente. Damit bleibt unklar, wann ein Aufenthalt als "vorübergehend" anzusehen ist. Hier besteht aus Sicht des Bundesrates Bedarf, einen klar umrissenen Zeitraum festzulegen. Daher sollte Artikel 2 Buchstabe d entsprechend - und hinreichend bestimmt ergänzt werden, um insoweit die notwendige Klarheit und Rechtssicherheit sowohl für die Nutzer von Online-Inhaltediensten als auch für deren Anbieter zu gewährleisten. Um missbräuchliche Umgehungen von Verifikationsverfahren zu vermeiden, sind aus Sicht des Bundesrates zudem klare Kriterien zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Verordnung notwendig.
Zu Artikel 3 Absatz 2
- 13. Der Bundesrat unterstützt die Auffassung der Kommission, dass Vorgaben hinsichtlich der Qualität der im EU-Ausland abrufbaren Dienste wegen der unterschiedlichen technischen Infrastrukturen in den Mitgliedstaaten und Regionen der EU nicht sinnvoll sind.
Zu Artikel 3 Absatz 3
- 14. Die in Artikel 3 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags enthaltenen Verpflichtungen der Anbieter, die Abonnenten über die Qualität der im europäischen Ausland bereitgestellten Online-Inhaltedienste zu informieren, sollte nach Ansicht des Bundesrates insofern ergänzt werden, als dass die Verbraucher bereits vor Abschluss des Vertrages in klarer und verständlicher Form über die Nutzungsbedingungen für grenzüberschreitende Online-Inhaltedienste informiert werden, insbesondere wie und in welcher Qualität sie diese Dienste im EU-Ausland nutzen können.
Zu Artikel 8 Absatz 2
- 15. Der Bundesrat erachtet die in Artikel 8 Absatz 2 vorgesehene Umsetzungsfrist von sechs Monaten für zu kurz. So erkennt auch die Kommission einen erheblichen Zeitaufwand für die Umsetzung der vorgesehenen Regelungen an. Insbesondere angesichts der beabsichtigten (Rück-)Wirkung der Regelungen für sämtliche, das heißt auch bereits bestehende, Verträge sollte die Übergangsfrist daher verlängert werden.
Weiteres
- 16. Er ist allerdings der Auffassung, dass der Verordnungsvorschlag das Vertragsverhältnis zwischen den Anbietern von Online-Inhalten und den Rechteinhabern, das dem Rechtsverhältnis zwischen den Diensteanbietern und den Endkunden vorgelagert ist, nicht ausreichend berücksichtigt. Die Anbieter von Online-Inhalten können ihren Kunden nur die Nutzungsrechte gewähren, die sie beim Rechteerwerb selbst eingeräumt bekommen haben. Die entsprechende Lizenzvergabe erfolgt bisher in der Regel territorial beschränkt. Zweifelhaft erscheint, ob ein europäischer Diensteanbieter einem außereuropäischen Vertragspartner tatsächlich entgegenhalten kann, dieser müsse die zusätzliche Portabilität ohne höhere Lizenzgebühren akzeptieren, weil die Verordnung insoweit eine rechtliche Fiktion schafft (Artikel 4) und dieser entgegenstehende Rechte für "nicht durchsetzbar" erklärt (Artikel 5 Absatz 1). Insbesondere bestehen diese Bedenken auch im Hinblick darauf, dass die Verordnung rückwirkend in bestehende Vertragsverhältnisse eingreifen soll (Artikel 7).
Zum Verfahren
- 17. Der Bundesrat erinnert im Zusammenhang mit dieser Stellungnahme an seine der Kommission bereits übermittelten Erwägungen in seinen Stellungnahmen vom 10. Juli 2015 (BR-Drucksache 212/15(B) ) und vom 18. März 2016 (BR-Drucksache 015/16(B) ).
Direktzuleitung an die Kommission
- 18. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.