Der Bundesrat hat in seiner 944. Sitzung am 22. April 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission, den digitalen Binnenmarkt zu fördern. Er begrüßt die Ziele der Kommission, vertragsrechtlichen Unsicherheiten im grenzüberschreitenden Online-Handel zu begegnen und diesen Online-Handel sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer zu vereinfachen. Die Vereinheitlichung von Regelungen stellt insoweit grundsätzlich ein geeignetes Mittel dar, gleichermaßen zum Nutzen von Unternehmern und Verbrauchern für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.
- 2. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das Anliegen, durch die Schaffung von intensiverem Wettbewerb auf europäischer Ebene dem Verbraucher breitere Angebotspaletten zu eröffnen und wettbewerbs- und regionalbedingte Preis- oder Leistungsvorteile für Verbraucher besser zu erschließen.
- 3. Er beurteilt es positiv, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag von dem beim Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht verfolgten fakultativen Kaufrecht abgerückt ist und sich stattdessen auf eine Harmonisierung ausgewählter Vorschriften verlegt.
- 4. Die Notwendigkeit einer weiteren Harmonisierung der vertragsrechtlichen Vorschriften zum Online-Warenhandel ist derzeit noch nicht belegt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die bezweckte Steigerung der Akzeptanz des grenzüberschreitenden Warenhandels. Es mag sein, dass - wie in der Begründung der Vorlage dargestellt - Verbraucher dem "Online-Einkauf im Ausland" häufig skeptisch gegenüberstehen. Hierfür sind jedoch zahlreiche Grünnkbar, wie etwa Sprachbarrieren, geringere Erwartungen an ein kulantes Verhalten des Verkäufers oder Zweifel an der praktischen Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche. Selbst wenn als weiterer Grund hinzutreten sollte, dass die Verbraucher ihre wichtigsten vertraglichen Rechte kaum kennen, ist zweifelhaft, ob die vorgeschlagene Richtlinie daran etwas zu ändern vermag. Schon heute wird durch Artikel 6 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf private Schuldverhältnisse auszuwendende Recht (Rom- I-Verordnung) gewährleistet, dass bei grenzüberschreitenden Verbrauchsgüterkäufen unabdingbar die Verbraucherschutzregelungen des Mitgliedstaats gelten, in dem der Verbraucher ansässig ist. Der Verbraucher kann folglich bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage davon ausgehen, dass das Verbraucherschutzniveau seines Heimatrechts auch bei einer grenzüberschreitenden Vertragsbeziehung nicht unterschritten wird. Der Bundesrat begrüßt vor diesem Hintergrund, dass die Ergebnisse aus der im Rahmen des Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) eingeleiteten Analyse der bereits bestehenden Verbraucherschutzvorschriften in der EU in die weiteren Arbeiten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag einfließen sollen.
- 5. Der Richtlinienvorschlag verfügt ebenso wie der parallel vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte, COM (2015) 634 final,
Ratsdok. 15251/15, über einen sachlich und persönlich beschränkten Anwendungsbereich. Beide Vorschläge sind daher geeignet, mit Blick auf die Regelungen zum stationären Handel sowie auf Geschäfte ohne Verbraucherbeteiligung (sogenannte b2bGeschäfte) eine (weitere) Fragmentierung vertragsrechtlicher Regelungen herbeizuführen. Jedenfalls bestehen grundlegende Bedenken, ob sich dieser partielle Ansatz mit der Zielsetzung der Richtlinienvorschläge verträgt, das anwendbare Recht aus Sicht der Vertragsparteien transparenter zu gestalten. Dies gilt umso mehr, als nach Artikel 6 Absatz 1 und 2 der Rom-I-Verordnung bei grenzüberschreitenden Verbrauchsgüterkäufen schon heute unabdingbar die Verbraucherschutzregelungen des Mitgliedstaates gelten, in dem der Verbraucher ansässig ist. - 6. Der Bundesrat bezweifelt jedoch, dass eine Vollharmonisierung des Verbrauchervertragsrechts in der vorgelegten Form zu einfacheren Vorschriften führt. Der Bundesrat stellt fest, dass die gewünschte Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene aufgrund der Einführung von drei unterschiedlichen Regimen des Mangelgewährleistungsrechts für Verbraucher je nach Vertriebsweg online oder offline - und je nach Produkt - digitaler Inhalt oder anderes Produkt - nur durch nationale Rechtszersplitterung erreicht würde. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass funktionierende Märkte innerhalb der Mitgliedstaaten für das Funktionieren des Binnenmarkts genauso wichtig sind wie das Funktionieren der grenzüberschreitenden Märkte.
- 7. Die mit dem Richtlinienvorschlag verfolgte Vollharmonisierung würde nur bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren betreffen, ohne dass die Nationalstaaten gezwungen wären, auch die für den stationären Einkauf geltenden Regelungen entsprechend anzupassen. Ein wesentliches Auseinanderfallen zwischen den Regelungen für Geschäfte im Geltungsbereich der Richtlinien im Verhältnis zu den Regelungen im stationären Handel ist nach Ansicht des Bundesrates möglichst zu vermeiden. Insbesondere für Verbraucher könnte es schwer nachvollziehbar sein, dass beim Kauf ein- und desselben Produktes letztendlich die gewählte Vertriebsform maßgeblich darüber entscheidet, welche Rechte beispielsweise bei Lieferung einer mangelhaften Sache bestehen. Um die Unsicherheiten über die Rechtslage sowohl auf Seiten der Verbraucher, aber auch auf Seiten der Unternehmen so gering wie möglich zu halten, spricht sich der Bundesrat dafür aus, ein Auseinanderfallen der Regelungen für den stationären Handel und denjenigen zum Online-Handel und anderen Formen des Fernabsatzes möglichst zu vermeiden und ein einheitlich hohes Verbraucherschutzniveau im Kaufrecht zu schaffen. Die Bundesregierung wird daher gebeten, parallel zu den Beratungen über diesen Richtlinienvorschlag zu prüfen, inwieweit gleiche Regelungen dann auch für den stationären Handel getroffen werden sollten.
- 8. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die Etablierung unterschiedlicher Regelungsregime für die Bereitstellung digitaler Inhalte, den Online-Warenhandel und den stationären Handel auf Unternehmerseite vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) vor schwer lösbare Aufgaben stellen wird. Dies gilt insbesondere für solche KMU, die zumindest überwiegend im stationären Handel tätig und bereits jetzt der Differenzierung zwischen Verbraucherverträgen und sonstigen Vertragsbeziehungen ausgesetzt sind. Große Unternehmen, die schon grenzüberschreitenden Handel betreiben, könnten hingegen aus der (partiellen) Vereinheitlichung der gesetzlichen Grundlagen Wettbewerbsvorteile ziehen und kleinere Konkurrenzunternehmen vom Markt verdrängen.
- 9. Nach Auffassung des Bundesrates sind gesetzgeberische Maßnahmen auch nicht zwingend in dem vorgelegten Umfang erforderlich. Die Kommission begründet ihren Vorschlag wesentlich damit, dass gemäß einer Erhebung von Eurostat im Jahr 2014 nur 18 Prozent der Verbraucher online-Käufe im EU-Ausland tätigen, während 55 Prozent Waren aus dem eigenen Land online kaufen. Die Kommission sieht hierin einen Beleg, gesetzgeberisch handeln zu müssen. Tatsächlich zeigt die Erhebung aber die Dynamik des Online-Binnenmarkts. Da die Staatsgrenzen in Europa in großem Umfang mit Sprachgrenzen zusammenfallen und die physische Ausdehnung der EU erheblich ist, ist es tatsächlich bemerkenswert, dass jeder fünfte Verbraucher bereits heute bereit ist, auch Käufe außerhalb seines Staatsgebiets trotz Sprachbarrieren und oftmals höherer Lieferkosten zu tätigen. Zudem berücksichtigen diese Zahlen nicht, dass der Verbraucher oftmals gar nicht mehr weiß, wo der Online-Händler, bei dem er kauft, seinen Sitz hat. Online-Händler, die in mehr als einem Land der EU tätig sind, bedienen sich oftmals regionaler, sprachlich und auch sortimentsmäßig an ein bestimmtes Land angepasster Websites und versenden oftmals auch vor Ort und damit von näher am Verbraucher liegenden Lagern. Vollends unklar (und unwichtig) ist die Herkunft der Anbieter für die Verbraucher auf Verkaufsplattformen. All dies führt dazu, dass der bereits heute stattfindende grenzüberschreitende Handel bei weitem unterschätzt wird. Aus den bereits genannten Gründen ist jedenfalls eine völlige Angleichung aus natürlichen, durch Gesetzgebung nicht beeinflussbaren Faktoren (Sprache; geografische Entfernung; Tendenz auch von Onlineanbietern, ihr Angebot im jeweiligen Mitgliedstaat oder Sprachraum einzurichten) unrealistisch.
Zum Richtlinienvorschlag im Einzelnen
- 10. Der Bundesrat befürchtet, dass die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b des Richtlinienvorschlages enthaltene Regelung zur Vertragsmäßigkeit von Waren zu einer Absenkung des nationalen Verbraucherschutzniveaus führen könnte. Nach dieser Regelung muss sich die erworbene Ware nur dann für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen, wenn der Verbraucher dem Verkäufer diesen Zweck bei Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht und der Verkäufer diesem zugestimmt hat. In der vergleichbaren Regelung in § 434 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 BGB, wonach sich die Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen muss, ist von einer notwendigen Zustimmung des Verkäufers nicht die Rede. Denn nach nationalem Recht kommt es allein auf die bei Vertragsabschluss vorausgesetzte Verwendung an. Hierfür kann es bereits ausreichen, dass der Käufer bei Vertragsabschluss den Zweck des Kaufs dem Verkäufer zur Kenntnis gebracht und der Verkäufer dem stillschweigend zugestimmt hat. Der Bundesrat regt daher an, den Regelungsvorschlag in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a entsprechend der nationalen Regelung zu überarbeiten, um das berechtigte Interesse des Verbrauchers an der Erfüllung vorvertraglich geschürter Erwartungen besser zu schützen.
- 11. Der Bundesrat begrüßt die deutliche Gewichtung objektiver Beschaffenheitsanforderungen im Rahmen der Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit der Waren. Er schlägt vor, in Artikel 5 Buchstabe c neben den Kriterien der Qualität und Tauglichkeit ausdrücklich auch das Merkmal der Haltbarkeit aufzunehmen. Es handelt sich dabei um ein im Sinne der Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz bedeutsames Kriterium für die Kaufentscheidung des Verbrauchers, das nicht zwingend vom Begriff der Qualität umfasst ist und daher explizit als Beschaffenheitsanforderung formuliert werden sollte.
- 12. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die in Artikel 5 Buchstabe c vorgesehene Regelung, die bei Beurteilung der Vertragsmäßigkeit von Waren auch öffentliche Erklärungen einbezieht, die im Vorfeld des Vertragsschlusses von dem Verkäufer oder im Auftrag des Verkäufers oder einer Person einschließlich des Herstellers abgegeben wurden.
Der Bundesrat bittet jedoch zu prüfen, ob Artikel 5 Buchstabe c enger zu fassen ist. Die vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass für die Bestimmung der Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit der Waren grundsätzlich auch auf öffentliche Erklärungen abzustellen ist, die "im Vorfeld des Vertragsschlusses von [...] einer Person einschließlich des Herstellers" abgegeben wurden (bzw. nach der inhaltlich leicht abweichenden englischsprachigen Textfassung von anderen Personen in vorangegangenen Stadien der Transaktionskette abgegeben wurden). Nach dem Wortlaut unterliegt der Kreis der Personen, die eine vertragsrelevante Erklärung abgeben können, damit keiner hinreichend klaren Beschränkung. Die Regelung sollte sprachlich so gefasst werden, dass die produktbezogenen Aussagen, die für die Soll-Beschaffenheit relevant sein sollen, dem Verkäufer oder einer anderen Person in der Verkaufskette zuzurechnen sind.
Gleichzeitig wird dem Verkäufer aber auch die Möglichkeit eingeräumt, die wirksame Einbeziehung öffentlicher Erklärungen zu widerlegen. Diese Möglichkeit ist aus Verbrauchersicht aber zu weitreichend. So soll es für den in Artikel 5 Buchstabe c Unterbuchstabe ii vorgesehenen Entlastungsnachweis ausreichen, dass die abgegebene öffentliche Erklärung vor Vertragsschluss korrigiert worden ist. Aus Verbrauchersicht muss es aber auch ohne größeren Aufwand möglich sein, diese Berichtigung vor Vertragsschluss zur Kenntnis zu nehmen. Denn es kann nicht erwartet werden, dass sich der Verbraucher vor Vertragsschluss nach solchen Berichtigungen aktiv erkundigt. Nach Ansicht des Bundesrates bedarf es daher einer entsprechenden Konkretisierung der in Artikel 5 Buchstabe c Unterbuchstabe ii enthaltenen Regelung, indem sich eine Berichtigung öffentlicher Erklärungen nur dann auswirken darf, wenn unter normalen Umständen auch davon auszugehen ist, dass der Verbraucher diese Berichtigung vor Vertragsschluss zur Kenntnis genommen hat. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für eine entsprechende Überarbeitung einzusetzen.
- 13. Artikel 7 sollte sprachlich genauer gefasst werden, da nach dem gegenwärtigen Wortlaut die Waren frei von jeglichen Rechten ("free from any right") Dritter sein müssen. Es genügt jedoch, dass die Waren frei von entgegenstehenden Rechten ("free from any conflicting right"), also frei von solchen Rechten Dritter sind, die den Verbraucher an der vertragsgemäßen Nutzung der Waren hindern können (siehe auch Erwägungsgrund 21).
- 14. Der Bundesrat regt an, Artikel 8 Absatz 2 Satz 2 zu streichen. Die vorgeschlagene Regelung verlegt bei Waren, die zur Montage oder Installierung durch den Verbraucher bestimmt sind, den für die Vertragsmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt nach hinten. Maßgeblich soll in diesen Fällen der Zeitpunkt sein, zu dem der Verbraucher die Montage oder Installierung innerhalb einer angemessenen Zeit, jedoch nicht später als 30 Tage nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt, abgeschlossen hat. Hierbei handelt es sich um eine ungerechtfertigte Abweichung vom Grundsatz, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung mit der Übergabe der Ware auf den Käufer übergeht (§ 446 BGB). Obwohl dem Verkäufer in aller Regel jeglicher Zugriff auf die Ware verwehrt ist, soll er für jede Verschlechterung haftbar gemacht werden können, soweit der Verbraucher selbst nicht gemäß Artikel 9 Absatz 5 hierzu beigetragen hat. Im Übrigen ist der Verbraucher durch die Regelungen in Artikel 5 Buchstabe b und Artikel 6 Buchstabe b bereits hinreichend geschützt. Danach liegt eine Vertragswidrigkeit auch dann vor, wenn die Ware ohne oder mit mangelhafter Montageanleitung geliefert wird bzw. eine unsachgemäße Montage oder Installierung durch den Verbraucher auf einen Mangel der Anleitung zurückzuführen ist.
- 15. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, für die Bereitstellung digitaler Inhalte, den Online-Warenhandel sowie den stationären Handel eine einheitliche Beweislastregelung hinsichtlich der Vertragsmäßigkeit des Vertragsgegenstandes vorzusehen. Insbesondere in kaufrechtlichen Vertragsbeziehungen handelt es sich bei der Frage der Beweislast für die Vertragsgemäßheit um einen zentralen Punkt, bei dem schon unter den Aspekten der Transparenz und Rechtssicherheit eine Differenzierung nach unterschiedlichen Vertriebswegen zu vermeiden ist. Es ist zudem kein Grund ersichtlich, der eine unterschiedliche Dauer der Beweislastumkehr allein in Abhängigkeit vom Vertriebsweg (zwei Jahre bei einem Erwerb im Online-Warenhandel im Vergleich zu sechs Monaten im stationären Handel) rechtfertigt.
- 16. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob der in Artikel 8 Absatz 3 bestimmte Zeitraum von zwei Jahren für die Vermutung, dass Vertragswidrigkeiten bereits bei Gefahrübergang auf den Verbraucher (bzw. zu dem in Artikel 8 Absatz 2 Satz 2 bestimmten Zeitpunkt) vorlagen, an den für den stationären Handel geltenden Zeitraum angepasst werden sollte. Unterschiedliche Gewährleistungsregelungen für den Erwerb identischer Produkte allein aufgrund verschiedener Vertriebswege bergen die Gefahr einer Ausweitung des - auch rein innerstaatlichen - Online-Handels, der keinen wirtschaftlichen Mehrwert bringt, sondern allein zu Lasten des stationären Handels geht. Nach Ansicht des Bundesrates ist hinsichtlich der zeitlichen Ausdehnung der in Artikel 8 Absatz 3 normierten Vermutung zu beachten, dass die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, dass ein erst nach Gefahrübergang offenkundig gewordener Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag und nicht auf zum Beispiel Verschleiß oder Fehlgebrauch zurückzuführen ist, mit zunehmender Zeitdauer abnimmt. Darüber hinaus ist im Blick zu halten, dass die Vermutung faktisch einer Haltbarkeitsgarantie nahe kommen kann. Die Kommission hat vor diesem Hintergrund bisher nicht plausibel dargelegt, dass die zwingende, von Art und Preis des Kaufgegenstandes unabhängige Vorgabe einer zweijährigen Vermutung gerechtfertigt ist. Dies gilt umso mehr, als es durchaus auch im Interesse des Verbrauchers sein kann, zugunsten eines niedrigeren Preises auf eine "Haltbarkeitsgarantie" zu verzichten.
- 17. Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe c sieht vor, dass ein Vertrag ohne Nachbesserung oder Ersatzlieferung beendet werden kann, wenn diese für den Verbraucher erhebliche Unannehmlichkeiten bedeuten würden. Es sind allerdings Fallgestaltungen denkbar, in denen zwar die Ersatzlieferung oder Nachbesserung für sich betrachtet noch keine "erhebliche Unannehmlichkeit" bedeutet, sich dennoch aus anderen oder weiteren besonderen Umständen ergeben kann, dass unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Rücktritt interessengerecht sein könnte. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob der Wortlaut der vorgeschlagenen Richtlinie vor diesem Hintergrund entsprechend weiter gefasst werden sollte.
- 18. Der vorgeschlagenen Richtlinie ist nicht explizit zu entnehmen, ob ein Recht auf Beendigung des Vertrages auch dann bestehen soll, wenn der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob die vorgeschlagene Richtlinie - insbesondere deren Artikel 9 Absatz 3 - entsprechend erweitert werden sollte.
Der Bundesrat bittet des Weiteren zu prüfen, ob das Recht zur Vertragsbeendigung nach Artikel 9 Absatz 3, das - anders als nach Artikel 3 Absatz 6 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie - auch bei einer nur geringfügigen Vertragswidrigkeit besteht (Erwägungsgrund 29), interessengerecht ist.
- 19. Die Ansprüche des Verbrauchers auf Abhilfe sollen gemäß Artikel 9 Absatz 5 ausgeschlossen sein, soweit er selbst zur Vertragswidrigkeit beigetragen hat.
Der Bundesrat befürchtet, dass mit dieser Regelung eine zu weitgehende Einschränkung des Rechts von Verbrauchern auf die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Mangelhaftigkeit der Ware verbunden ist. Denn diese Regelung könnte unter Umständen dergestalt ausgelegt werden, dass bereits eine geringe Mitschuld des Verbrauchers ausreicht, um sämtliche Ansprüche auf Abhilfe zu verlieren. Der Bundesrat regt hier eine Überarbeitung der Regelungen, beispielsweise orientiert an § 323 Absatz 6 BGB, an. Danach ist der Rücktritt vom Vertrag nur dann ausgeschlossen, wenn der Käufer für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für eine entsprechende Überarbeitung der Regelungen einzusetzen.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass diese Regelung offen lässt, ob sie auch für die Zeit ab dem Gefahrübergang gilt oder insoweit die Regelung in Artikel 8 abschließend ist. Soweit sie auch diesen Zeitraum erfasst, könnte sie einer sachgerechten Abwicklung der Fälle entgegenstehen, in denen eine vertragswidrige Ware durch einen Beitrag des Verbrauchers weiter verschlechtert wird. Anders als nach der gegenwärtigen Rechtslage dürfte es unter Geltung der vorgeschlagenen Norm nicht in Betracht kommen, dass der Verbraucher vom Verkäufer - gegen Zahlung eines angemessenen Wertersatzes - die Ersatzlieferung einer "vollständig vertragsgerechten" Ware oder eine umfassende Nachbesserung verlangen kann. Stattdessen schuldet der Verkäufer nur die Beseitigung der Vertragswidrigkeit, die nicht auf einen Beitrag des Verbrauchers zurückzuführen ist.
- 20. Artikel 9 regelt die "Abhilfen des Verbrauchers bei Vertragswidrigkeit". Der Bundesrat regt an, mit Blick auf die durch den Richtlinienvorschlag angestrebte Vollharmonisierung klarzustellen, dass dieser Katalog nicht abschließend ist und die Mitgliedstaaten ergänzend Schadensersatzansprüche des Verbrauchers bei vertragswidrigen Waren vorsehen können.
- 21. Der Bundesrat begrüßt weiterhin die in Artikel 10 Absatz 1 geregelte Pflicht des Verkäufers, die vertragswidrige Ware im Falle einer Neulieferung auf seine Kosten zurückzunehmen. Vertragswidrige Waren können für den Käufer wertlos oder sogar belastend sein, wenn beispielsweise die Entsorgung notwendig und mit Kosten verbunden ist. Ein entsprechender Anspruch auf kostenfreie Rücknahme schützt den Verbraucher vor diesbezüglichen Unannehmlichkeiten. Er weist darauf hin, dass dieser Aspekt nicht nur im Rahmen von Fernabsatzverträgen, sondern für alle Verbrauchsgüterkäufe argumentative Geltung beansprucht.
- 22. Nach Artikel 13 Absatz 1 kann der Verbraucher sein Recht auf Vertragsbeendigung durch eine auf "beliebige Weise abgegebene Mitteilung" wahrnehmen. Angesichts der Rechtsfolgen erscheint dies zu allgemein und wenig nachvollziehbar. Der Bundesrat regt daher an, dass die Vertragsbeendigung mindestens in Textform zu erfolgen hat.
- 23. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass durch die Regelungen in Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe a und b eine Absenkung des Verbraucherschutzniveaus im Verhältnis zum nationalen Recht erfolgt. Denn bei Beendigung des Vertrages ist der Verbraucher spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Mitteilung über die Vertragsbeendigung zur Rückgabe der Waren verpflichtet, während der Verkäufer wiederum erst 14 Tage nach Eingang dieser Mitteilung zur Rückzahlung des Preises an den Käufer verpflichtet wird. Die vom Verkäufer einzuhaltende Frist kann damit beispielsweise bei einer Versendung der Mitteilung über die Vertragsbeendigung per Post erheblich später enden als die vom Verbraucher zu beachtende Frist. Im Ergebnis könnte sich daraus eine sachlich nicht zu rechtfertigende Vorleistungspflicht des Verbrauchers ergeben, der die Ware zurückgeben müsste, bevor ihm der Kaufpreis zurückbezahlt worden ist. Die Bundesregierung wird gebeten, sich hier für eine verbraucherfreundlichere Regulierung einzusetzen, die sich beispielsweise an der in § 348 BGB für den Rücktritt vorgesehenen Regelung orientiert, wonach die Verpflichtungen der Parteien Zug um Zug zu erfüllen sind.
- 24. Der Bundesrat hat Bedenken, ob die Regelungen zum Wertersatz bei Zerstörung oder Verlust der Ware in Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe c ein angemessenes Verbraucherschutzniveau gewährleisten. Nach dem gegenwärtigen Vorschlag haftet der Verbraucher auch für eine zufällige Zerstörung der Ware. Zudem hat er auch dann Wertersatz zu leisten, wenn sich die Vertragswidrigkeit erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung der Ware gezeigt hat. Vorzugswürdig erscheint, in diesen Fällen eine Wertersatzpflicht entfallen zu lassen. Dies gilt hinsichtlich des "zufälligen Untergangs" jedenfalls dann, wenn der Verbraucher diejenige Sorgfalt beachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Er bittet um Klarstellung, ob die in Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe c gewählte Formulierung dazu führen soll, dass der Verbraucher im Falle der Zerstörung oder des Verlustes der Ware zur Vermeidung einer Wertersatzpflicht gegebenenfalls den Nachweis führen muss, dass die Zerstörung oder der Verlust durch die Vertragswidrigkeit der Ware verursacht worden ist. Nach dem gegenwärtigen Konzept der Regelung könnte dies dazu führen, dass bei Unaufklärbarkeit der Gründe für die Zerstörung einer Ware zwar für den Verbraucher gemäß Artikel 8 Absatz 3 eine Vermutung streitet, dass die Ware von Anfang an vertragswidrig gewesen ist, er aber mit Blick auf Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe c gegebenenfalls Wertersatz für die Ware zu leisten hat. Dies wäre aus Sicht des Bundesrates nicht gerechtfertigt.
- 25. Der Bundesrat begrüßt, dass in Artikel 14 Satz 2 lediglich eine Mindestverjährungsfrist von zwei Jahren festgelegt worden ist. Für die Mitgliedstaaten besteht daher grundsätzlich die Möglichkeit, im Interesse des Verbraucherschutzes längere Gewährleistungsfristen zu normieren. Gerade mit Blick auf den Erwerb eines höherwertigen Produktes, beispielsweise im Falle des Erwerbs eines Neuwagens, sollte den Mitgliedstaaten auch die Entscheidung über die Normierung längerer Gewährleistungsfristen vorbehalten bleiben. In der Zusammenschau mit der Regelung in Artikel 14 Satz 1, wonach sich ein Sachmangel spätestens zwei Jahre nach dem für die Feststellung der Vertragsmäßigkeit maßgebenden Zeitpunkt offenbart haben muss, könnte sich aus Verbrauchersicht aber faktisch eine auf zwei Jahre verkürzte Gewährleistungsfrist ergeben. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, im Rahmen der Verhandlungen über diesen Richtlinienvorschlag darauf hinzuwirken, dass Artikel 14 Satz 1 entsprechend der bislang geltenden Regelung der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie als Mindeststandard ausgestaltet wird (siehe Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie, der wegen Artikel 8 Absatz 2 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie lediglich halbzwingenden Charakter aufweist).
- 26. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob der in Artikel 14 ohne Einschränkungen bestimmte Gewährleistungszeitraum von zwei Jahren, der bei gebrauchten Sachen - anders als nach Artikel 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie - nicht auf ein Jahr herabgesetzt werden kann, ausgewogen ist. Die Erwartungshaltung des Käufers einer gebrauchten Sache unterscheidet sich in Abhängigkeit von Alter und Preis des Kaufgegenstands häufig erheblich von der Erwartungshaltung beim Kauf eines neuen Gegenstands. Ein uneingeschränkter Gewährleistungszeitraum von zwei Jahren könnte zur Folge haben, dass bestimmte Arten von älteren, aber noch funktionsfähigen Gebrauchtwaren im Online-Einzelhandel nicht mehr vertrieben werden. Bei Fehlen anderer ökonomisch sinnvoller Vertriebswege könnte dies zu Lasten der Nachhaltigkeit zur Folge haben, dass solche Gebrauchtwaren in weiterem Umfang als bislang (durchaus legal) entsorgt werden.
- 27. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass Artikel 14 Satz 1 eine Verschlechterung der Situation des Käufers gegenüber der bestehenden Rechtslage zur Folge hätte. Durch die angestrebte Vollharmonisierung beschränkt diese Vorschrift die Haftung auf solche Sachmängel, die sich innerhalb von zwei Jahren offenbaren. Das deutsche Recht erweitert aber die Verantwortung des Verkäufers in bestimmten Fällen über den Zeitraum von zwei Jahren hinaus. So gilt beispielsweise für den Fall, dass der Verkäufer einen Sachmangel arglistig verschweigt, gemäß § 438 Absatz 3 Satz 1 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren ab Anspruchsentstehung und Kenntnis. Auch regelt § 438 Absatz 1 BGB weitere Fälle einer verlängerten Verjährungsfrist, von denen zumindest die verlängerte Haftung bei Rechtsmängeln auch im Fernabsatz relevant werden kann.
- 28. Nach Auffassung des Bundesrates ist im Richtlinienvorschlag nicht klar geregelt, ob und in welchem Umfang sich nach einem Abhilfeversuch der Zeitraum verlängern kann, innerhalb dessen Ansprüche wegen weiterhin bestehender Vertragswidrigkeiten geltend gemacht werden können. Der Bundesrat sieht auf Grund der Vollharmonisierung insoweit die Gefahr, dass Artikel 14 Satz 1 insbesondere einem Neubeginn der Verjährung nach Ersatzlieferung entgegenstehen könnte und damit der Verkäufer für die Mangelfreiheit der neu gelieferten Sache nur eingeschränkt einstehen müsste. Es sollte daher entweder in der Richtlinie eine ausdrückliche Regelung zum Neubeginn der Verjährung bei Abhilfemaßnahmen getroffen werden oder den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer entsprechenden Regelung ausdrücklich vorbehalten bleiben. Um eine endlose Aufeinanderfolge von Gewährleistungszeiträumen zu vermeiden, könnte eine absolute Grenze von beispielsweise vier Jahren festgelegt werden.
- 29. Der Bundesrat begrüßt es, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 15 Absatz 4 für gewerbliche Garantien auch weiterhin zusätzliche Bestimmungen einführen können, soweit der Schutzumfang dieses Artikels nicht eingeschränkt wird. Die nationale Schaffung eines im Verhältnis zum Regelungsvorschlag erhöhten Verbraucherschutzniveaus sollte den Mitgliedstaaten allerdings nicht nur bezogen auf die Garantieregelungen im engeren Sinne zustehen. Den Mitgliedstaaten sollte auch erlaubt sein, weitere Regelungen im allgemeinen Kaufrecht zu schaffen, um Nachteile bei der Inanspruchnahme einer Garantie in Bezug auf die gesetzlichen Gewährleistungsfristen zu vermeiden. Ungerechtfertigte Nachteile können sich aus der Sicht des Verbrauchers insbesondere dann ergeben, wenn der Käufer bei einer mangelhaften Ware auf Veranlassung des Verkäufers zunächst den Garantiegeber in Anspruch nimmt, die Abhilfemaßnahmen des Garantiegebers im Ergebnis aber erfolglos bleiben. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass entsprechende Regelungen zum Schutz von Verbrauchern nicht der Vollharmonisierung dieser Richtlinie unterfallen.
Zur Vorlage im Übrigen
- 30. Der Bundesrat hält es für erforderlich, die Gefahr zufälliger Verschlechterungen, die bei der Rücksendung der mangelhaften Ware oder im Falle eines Nachbesserungsverlangens beim Verkäufer oder auf dem Transportweg auftreten, dem Verkäufer aufzuerlegen. Dies ist sachgerecht, da der Käufer grundsätzlich so gestellt werden sollte, wie er im Falle einer vertragsgemäßen Erfüllung gestanden hätte. Die mit einer Nacherfüllung verbundene Gefahr weitergehender Schäden an der Sache fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Verkäufers, da dieser durch die Vertragswidrigkeit der Leistung die Ursache hierfür gesetzt hat. Der Richtlinienvorschlag enthält hierzu keine eindeutige Aussage, sodass jedenfalls eine entsprechende Klarstellung erfolgen oder diese Frage ausdrücklich dem nationalen Gesetzgeber zugewiesen werden sollte. Gerade im Bereich des Fernabsatzes und hier insbesondere bei Grenzüberschreitungen kommt der Frage, wer für zufällig eintretende oder vom Verkäufer schuldlos verursachte Schäden an der Kaufsache während der Dauer der Nacherfüllung bzw. auf dem Transportweg einzustehen hat, eine tragende Bedeutung zu. Diese Frage von den im Übrigen vollharmonisierenden Vorgaben zur Nacherfüllung auszuklammern, erscheint daher nicht sachgerecht.
- 31. Der Bundesrat sieht außerdem die Notwendigkeit, angesichts der zunehmenden Erfassung des Nutzerverhaltens durch den Einsatz von Speicher- und Kommunikationselementen in Produkten dafür zu sorgen, dass die dabei gewonnenen Daten nicht einseitig und unter Verletzung des Datenschutzrechts zum Nachteil des Käufers verwendet werden. Als Lösung käme in Betracht, dass sich der Verkäufer auf Daten über das Nutzerverhalten, die von der Kaufsache oder mit ihr verbundenen Diensten erhoben und gespeichert werden, nur dann zur Widerlegung einer vom Käufer geltend gemachten Vertragswidrigkeit berufen können soll, wenn der Käufer in die Datenerhebung und die mögliche Verwendung der gewonnenen Daten zur Klärung vertraglicher Ansprüche auf der Grundlage einer hervorgehobenen Information eingewilligt hat.
Direktzuleitung an die Kommission
- 32. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.