Der Bundesrat hat in seiner 934. Sitzung am 12. Juni 2015 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc und Doppelbuchstabe dd (§ 39a Absatz 1 Satz 5, Satz 6 und Satz 8 SGB V)
Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a ist wie folgt zu ändern:
- a) Doppelbuchstabe cc ist wie folgt zu fassen:
- 'cc) Satz 5 wird wie folgt gefasst:
"Um den besonderen Belangen der Versorgung in Kinderhospizen ausreichend Rechnung zu tragen, ist eine gesonderte Vereinbarung nach Satz 4 zu schließen." '
- 'cc) Satz 5 wird wie folgt gefasst:
- b) Doppelbuchstabe dd ist wie folgt zu ändern:
- aa) In dem neu gefassten Satz 6 sind die Wörter "der Vereinbarung nach Satz 4" durch die Wörter "den Vereinbarungen nach Satz 4 und Satz 5" zu ersetzen.
- bb) In dem neu gefassten Satz 8 sind nach den Wörtern "Die Vereinbarung nach Satz 4" die Wörter "und Satz 5" einzufügen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
In der Rahmenvereinbarung für stationäre Hospize wird zwar an verschiedenen Stellen auf die Bedürfnisse von Kindern Bezug genommen. Diese bisweilen eher allgemein gehaltenen Ausführungen tragen den besonderen Belangen von Kindern, denen es in stationären Kinderhospizen nachzukommen gilt, jedoch nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass stationäre Kinderhospize völlig anders konzeptioniert sind als stationäre Hospize für Erwachsene. Das stationäre Kinderhospiz dient, im Gegensatz zum stationären Hospiz für Erwachsene, in erster Linie der Entlastung und Begleitung der Familien, wobei insbesondere auch die Geschwisterkinder im Fokus stehen. Viele Familien nutzen die Einrichtung auch mehrfach. Diesen Besonderheiten und den speziellen Bedürfnissen von Kindern und ihren Familien gilt es in einer eigenständigen Rahmenvereinbarung umfassend Rechnung zu tragen. Der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung ist daher zwingend vorzuschreiben und nicht, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, lediglich als Möglichkeit einzuräumen ("kann").
Zu Buchstabe b Doppelbuchstabe aa:
Auch in der Rahmenvereinbarung für Kinderhospize sind bundesweit geltende Standards zum Leistungsumfang und zur Qualität der zuschussfähigen Leistungen festzulegen. Hierdurch können Rechtsunsicherheiten für stationäre Kinderhospize beseitigt und eine Verbesserung der finanziellen Situation erreicht werden. Daneben ist dies für die Erzielung von bundeseinheitlichen Standards unerlässlich.
Zu Buchstabe b Doppelbuchstabe bb:
Die Rahmenvereinbarung für Kinderhospize ist, ebenso wie die Rahmenvereinbarung für stationäre Hospize, einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen und an aktuelle Versorgungs- und Kostenentwicklungen anzupassen. Hauptziel der Hospizversorgung ist es, den Betroffenen und ihren Angehörigen bis zuletzt ein Stück weit Lebensqualität zu erhalten. Aus diesem Grund werden auch an die stationären Kinderhospize immer neue gesellschaftspolitische Anforderungen gestellt, die nicht oder nur in geringem Umfang von den Krankenkassen bezuschusst werden, obwohl es sich dabei um aufwendige und teure Leistungen handeln kann. Durch die Verpflichtung der regelmäßigen Überprüfung wird sichergestellt, dass auch in der Rahmenvereinbarung für Kinderhospize zeitnah aktuelle Versorgungs- und Kostenentwicklungen berücksichtigt werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd (§ 39a Absatz 1 Satz 6 SGB V)
In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd ist im neu gefassten § 39a Absatz 1 Satz 6 nach dem Wort "festzulegen" folgender Halbsatz anzufügen:
"und insbesondere Anhaltswerte für die notwendige Personalausstattung festzusetzen"
Begründung:
Zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern bestehen häufig unterschiedliche Auffassungen bezüglich der notwendigen Personalbesetzung in stationären Hospizen. Im Rahmen der Konkretisierung der zuschussfähigen Kosten ist es daher angezeigt, dass auch Anhaltswerte für die zur Erfüllung der bundesweit geltenden Standards zum Leistungsumfang und zur Qualität der zuschussfähigen Leistungen notwendige Personalausstattung in der Rahmenvereinbarung festgelegt werden. Dies soll durch den neu anzufügenden Halbsatz sichergestellt werden. Die auf dieser Grundlage anfallenden Personalkosten sind entsprechend zu refinanzieren.
3. Zu Artikel 1 Nummer 4 ( § 39b Satz 4 SGB V)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 39b Satz 4 nach den Wörtern "abgestimmt werden" folgende Wörter anzufügen:
"und auch eine allgemeine Information über die Möglichkeiten der persönlichen Vorsorge für die letzte Lebensphase umfassen"
Begründung:
Viele Menschen haben den Wunsch, für sich selbstbestimmt persönliche Vorsorge für eine Lebensphase zu treffen, in der sie krankheitsbedingt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt dazu in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen.
Der in § 39b SGB V normierte Anspruch auf Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen zu den Leistungen der Hospiz- und Palliativversorgung sollte daher um eine allgemeine Information über die generellen Möglichkeiten der persönlichen Vorsorge für die letzte Lebensphase (zum Beispiel den Abschluss einer Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsvollmacht) ergänzt werden. Hierbei soll es sich nicht um eine individuelle Beratung handeln, da eine solche Beratungsleistung von den Krankenkassen nicht erbracht werden kann. Vielmehr soll beispielsweise das Herausgeben der bereits von anderen Stellen (zum Beispiel von Verbraucherzentralen, vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie von den Landesjustizministerien) zu den Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsvollmacht erstellten allgemeinen Informationsblättern genügen.
Die Information über die persönliche Vorsorge für die letzte Lebensphase soll dazu beitragen, dem Wunsch des Betroffenen nach Selbstbestimmung am Lebensende Rechnung zu tragen und ungewollte Behandlungen zu vermeiden.
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 ( § 39b Satz 9 SGB V)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 39b Satz 9 nach den Wörtern "nach dieser Vorschrift" die Wörter "vorzugsweise an die nach Landesrecht zu bestimmenden Stellen oder" einzufügen.
Begründung:
Bestehende spezialisierte regionale Stellen mit Beratungs-, Koordinierungsund Vernetzungsauftrag sind vorzugsweise zu stärken. Hier sind auch Schulungen der lokalen Beratungsangebote, insbesondere der Pflegestützpunkte, die übergreifende Öffentlichkeitsarbeit unter anderem zu den Themenfeldern Sterben, Tod und Trauer angesiedelt. Es erscheint sinnvoll, eine weitergehende Öffnung der "Hospiz- und Palliativberatung" nach § 39b SGB V mit Beteiligung der in den Ländern und Kommunen bestehenden Beratungsstrukturen vorzusehen. Erfahrungsgemäß wird ein gestuftes Beratungssystem benötigt:
- - allgemeine Beratung (PSP/Kassen)
- - Spezialberatung, einschließlich Patientenverfügungsberatung (besondere Stellen).
Auch vor dem Hintergrund der Konzentration erscheint die Regelung sinnvoll.
5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 39b Satz 9 SGB V)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 39b Satz 9 die Wörter "deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften" durch die Wörter "deren Verbände, Arbeitsgemeinschaften oder Pflegestützpunkte" zu ersetzen.
Begründung:
Versicherte benötigen für ihre Auswahl und Inanspruchnahme von Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung individuelle und gezielte Beratung. Diesem Grundgedanken trägt § 39b SGB V Rechnung.
Jedoch kann eine Vielzahl an Beratungsangeboten oder Beratungsstellen einem sterbenden Menschen bzw. seinen Angehörigen erschweren, gezielt Rat zu suchen. Eine Bündelung der Beratung zum Themengebiet "Hospiz- und Palliativ" und anderen Beratungsangeboten, auch in Pflegestützpunkten, kann Synergieeffekte freisetzen und die Inanspruchnahme bei Versicherten erhöhen. Die Krankenkassen sind bereits heute als Kostenträger in § 92c SGB XI genannt. Es wird somit keine Leistung des SGB V in das SGB XI verlagert.
6. Zur Durchführung einer Evaluation der vorgesehenen Regelungen
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Auswirkungen der im Hospiz- und Palliativgesetz vorgesehenen Regelungen auf die Versorgungslandschaft drei Jahre nach Inkrafttreten des Hospiz- und Palliativgesetzes zu evaluieren und auf dieser Basis die Notwendigkeit weiterer rechtlicher Regelungen zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland zu prüfen.
Begründung:
Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Zunahme von schwerkranken, geriatrischen Patienten in der Bevölkerung kommt der kontinuierlichen Weiterentwicklung hospizlicher und palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen große Bedeutung zu.
Die im Hospiz- und Palliativgesetz vorgesehenen Regelungen sollen Voraussetzungen für die Sicherung und flächendeckende Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland schaffen. Die Auswirkungen dieser Regelungen auf die Versorgungslandschaft sollten dabei insbesondere im Hinblick auf deren Effektivität (Wirksamkeit) evaluiert werden.
Ziel einer Evaluierung wäre zudem die Erarbeitung von evidenzbasierten Empfehlungen für die Weiterentwicklung hospizlicher und palliativmedizinscher Versorgungsstrukturen, die gegebenenfalls als Grundlage für die Prüfung weiterer rechtlicher Regelungen auf Bundesebene dienen können.
7. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 92 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 SGB V)
In Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a ist Doppelbuchstabe bb wie folgt zu fassen:
- 'bb) Folgende Nummer 5 wird angefügt:
"5. Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur allgemeinen ambulanten Palliativversorgung sowie zu einer Überprüfung dieser Regelung zwei Jahre nach Inkrafttreten der geänderten Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege." '
Begründung:
Eine praktikable Abgrenzung der allgemeinen Palliativpflege von den Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV-Leistungen) allein aufgrund der Schwere der Erkrankung und der Ausprägung der Systematik wird nur schwer gelingen. Mehrfachinanspruchnahmen von Leistungen und damit Doppelfinanzierungen können daher nicht ausgeschlossen werden.
Es wird als zielführend erachtet, die Umsetzung und Wirkung der neuen Regelung zu überprüfen und auf dieser Grundlage dann Anpassungen vorzunehmen. Gegebenenfalls sind die Schnittstellen zwischen der allgemeinen und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung an sich sowie zur Behandlungspflege genauer zu beschreiben.
Mit der Änderung soll ein entsprechender Evaluationsauftrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) verankert werden. Die Evaluation soll zwei Jahre nach der entsprechenden Änderung der Richtlinie des G-BA über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege erfolgen.
8. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 132g Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 - neu - SGB V)
In Artikel 1 Nummer 10 ist § 132g wie folgt zu ändern:
- a) Absatz 1 Satz 1 ist wie folgt zu fassen:
"Zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, ambulante Pflege- und Hospizdienste und Krankenhäuser können am Ort der Leistungserbringung den Versicherten eine gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase anbieten."
- b) Folgender Absatz 5 ist anzufügen:
(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Vereinigungen der Träger der in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen auf Bundesebene evaluieren bis zum [einsetzen: Datum des letzten Tages des sechsunddreißigsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] die Umsetzung und Wirkung der Leistung nach den Absätzen 1 bis 4."
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Vorgesehen ist ein individuelles, ganzheitliches Beratungsangebot über Hilfen und Angebote zur medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und seelsorgerischen Betreuung und Versorgung vor dem Lebensende. Dieses soll die Angst schwerstkranker Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftiger vor dem Sterbeprozess und schweren Leiden in der Sterbephase mindern und soll durch ein gutes Fallmanagement in Kooperation aller an der Versorgung beteiligten Leistungserbringer, Vertrauenspersonen und Beratungsstellen dem Wunsch der Betroffenen nach Selbstbestimmung und Vermeidung ungewollter Behandlungen Rechnung tragen.
Allerdings ist dieses Angebot auf Bewohnerinnen und Bewohner in vollstationären Pflegeeinrichtungen begrenzt. Entsprechend bleibt ein großer Teil der erbrachten medizinischpflegerischen Versorgung unberücksichtigt. Rund zwei Drittel der Pflege findet zu Hause statt. Die meisten Menschen möchten so lange wie möglich im vertrauten Umfeld bleiben. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum das vorgesehene Beratungsangebot auf Versicherte in stationären Einrichtungen beschränkt werden soll. Das durch die Krankenkassen finanzierte Angebot einer detaillierten Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase ausschließlich für Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen zu begrenzen, läuft dem Prinzip des Vorrangs ambulanter vor stationärer Versorgung ( § 3 SGB XI) zuwider.
Ebenso sollte ein entsprechendes Beratungsangebot bereits in Krankenhäusern vorgehalten werden. Eine frühzeitige Beratung wäre ein wichtiger Baustein in der Überleitung in die anschließende Versorgung, die dann auch über die neue Regelung in § 39a SGB V umgesetzt werden kann.
Dies sollte für alle Menschen, unabhängig vom Pflegesetting, gelten. Das Versorgungsangebot ist daher auf den ambulanten Versorgungsbereich und Krankenhäuser zu erweitern.
Zu Buchstabe b:
Kostenverursachende gesetzliche Neuerungen sind erst dann legitim, wenn erwiesen oder evaluiert ist, dass die Maßnahmen geeignet sind, die Versorgung in der letzten Lebensphase zu verbessern. Das Beratungsangebot nach § 132g SGB V ist eine neue Leistung, die bisher weder regional noch bundesweit vorgesehen war, so dass über ihre Wirkung und Geeignetheit keine Erkenntnisse vorliegen. Die Einführung eines Beratungsangebotes in die ambulante und stationäre Versorgung unter Einbeziehung aller Leistungserbringer ist in Bezug auf Umsetzung und Wirkung auf die Versorgungssituation zu evaluieren, um zu erfahren, ob sich die Maßnahme bewährt und um Schlüsse aus den Ergebnissen der Datenerhebung zu ziehen, wie das Beratungsangebot zukünftig zu optimieren ist.
9. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 132g Absatz 6 - neu - SGB V)
In Artikel 1 Nummer 10 ist dem § 132g nach Absatz 5 - neu - folgender Absatz 6 anzufügen:
(6) Es sind Standards zur hospizlichpalliativen Versorgung zu definieren, die Eingang in die Prüfkataloge des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung finden und damit Bestandteil der Regelprüfungen werden."
Begründung:
Die Definition überprüfbarer bzw. transparenter Leistungs- und Qualitätsstandards sollte für alle Felder der Hospiz- und Palliativversorgung gelten. Pflegeheime sind wichtige Akteure in der Versorgung pflegebedürftiger und sterbender Menschen. Perspektivisch wird ihre gesellschaftliche Bedeutung zunehmen. Daher ist es dringend erforderlich, auch hier für die Begleitung, Pflege und Behandlung sterbender Menschen klare Standards zu definieren und umzusetzen. Palliativgeriatrische Aspekte sind im Qualitätsmanagement der Heime sowie in den Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung stärker als bisher abzubilden, um dem Anspruch nach Effizienz und Vertrauen in die Belastbarkeit der Ergebnisse von Qualitätsprüfungen Rechnung zu tragen. Die Standards sollen auch für Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar sein und eine Entscheidungsgrundlage für den Einzug in Pflegeheime bilden.
10. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 132g SGB V)
Finanzierung der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase für alle Bürgerinnen und Bürger aus Steuermitteln; hilfsweise - bei Beschränkung auf das GKV-System - zur Gegenfinanzierung durch Erhöhung des Bundeszuschusses
Der Bundesrat begrüßt das Ziel des § 132g SGB V, für die letzte Lebensphase der Versicherten eine Versorgungsplanung mit dem Ziel anzubieten, Hilfen und Angebote zur Sterbebegleitung aufzuzeigen.
Der Bundesrat bedauert, dass dieses Angebot auf zugelassene Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI und Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach SGB XII beschränkt wird und grundsätzlich nur Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu Gute kommt. Vielmehr sollte eine Versorgungsplanung in der letzten Lebensphase allen Bürgerinnen und Bürgern angeboten werden. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Der Bundesrat bittet deshalb, im weiteren Gesetzgebungsverfahren für das Beratungsangebot in der letzten Lebensphase statt der vorgesehenen Zuordnung zur GKV eine staatliche Leistung mit Finanzierung aus Steuermitteln des Bundeshaushaltes zu prüfen und das Beratungsangebot als staatliche Maßnahme allen Menschen in der letzten Lebensphase zur Verfügung zu stellen.
Soweit an einer Beschränkung des Beratungsangebotes auf das System der GKV festgehalten wird, wäre die Leistung aus Sicht des Bundesrates teilweise versicherungsfremd. Sie sollte durch eine entsprechende Erhöhung des Bundeszuschusses gegenfinanziert werden.
Begründung:
Gemäß dem Gesetzentwurf soll eine neue Vorschrift zur gesundheitlichen Versorgungsplanung in der letzten Lebensphase (§ 132g) in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen werden. Die Regelung umfasst jedoch nur gesetzlich Krankenversicherte in Pflegeheimen und Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Beratungsangebot nur in den vorgenannten Einrichtungen erbracht werden soll und nicht auch Personen zur Verfügung steht, die die letzte Lebensphase zu Hause verbringen wollen. Weiter ist nicht erkennbar, weshalb das Angebot auf gesetzlich krankenversicherte Personen beschränkt sein soll und andere Personen, wie zum Beispiel Versicherte der privaten Krankenversicherung oder Nichtversicherte, ausgeschlossen werden.
Es sollte aus diesem Grund geprüft werden, ob hier ein Beratungsangebot für alle Bürgerinnen und Bürger über eine staatliche Leistung aus Mitteln des Bundeshaushaltes zur Verfügung gestellt werden kann.
Als Leistung der GKV hätten Versicherte dieses teilweise versicherungsfremde Beratungsangebot über ihre Zusatzbeiträge zu finanzieren. Bei Beschränkung auf das System der GKV sollte ein angemessener Ausgleich durch entsprechende Erhöhung des für versicherungsfremde Leistungen zu gewährenden Bundeszuschusses erfolgen.
11. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 132g SGB V)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, dass die gesundheitliche Versorgungsplanung am Lebensende auch einem Betreuer bzw. einem Vorsorgebevollmächtigten des Versicherten angeboten werden kann, wenn der Versicherte zu einer selbstbestimmten Entscheidung nicht mehr in der Lage ist, aber durch einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge oder durch eine mit einer Vorsorgevollmacht, die auch die Gesundheitsfürsorge umfasst, ausgestattete Person vertreten wird.
Begründung:
Aus § 132g SGB V, der den Betreuer bzw. Bevollmächtigten als Adressaten des Angebots der gesundheitlichen Versorgungsplanung am Lebensende nicht erwähnt, geht nicht hinreichend klar hervor, dass diese Leistung in dem Fall, in dem der Versicherte zu einer selbstbestimmten Entscheidung nicht in der Lage ist, auch einem Betreuer oder einem Vorsorgebevollmächtigten angeboten werden kann. Es ist aber nicht einzusehen, warum gerade Versicherte, die einwilligungsunfähig sind - und damit bei der Beratung am Lebensende wohl ein nicht geringer Teil der Versicherten - von dieser Leistung im Ergebnis ausgenommen sein sollen.
Eine Erwähnung des Betreuers und des Bevollmächtigten als Adressaten der Beratungsleistung hätte auch den Vorteil, dass hierdurch zusätzlich hinreichend sichergestellt wäre, dass eine etwaige Patientenverfügung bei der Beratung ausreichend Berücksichtigung findet, denn der Betreuer und der Bevollmächtigte haben gemäß § 1901a Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 BGB der Patientenverfügung Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
12. Zu Artikel 3 Nummer 1 ( § 28 SGB XI) und Nummer 2 (§ 75 SGB XI)
- a) Der Bundesrat stellt fest, dass eine Ergänzung des Leistungskatalogs des § 28 SGB XI und der Rahmenverträge nach § 75 SGB XI um Maßnahmen der Sterbebegleitung über eine reine gesetzgeberische Klarstellung hinausgeht. Mit dem Ziel, die Bedürfnisse sterbender Menschen nach einer umfassenden medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und spirituellen Betreuung und Begleitung, die der individuellen Lebenssituation und dem hospizlichpalliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt, bei der Erbringung von Pflegeleistungen zu berücksichtigen (vgl. Begründung zu § 28 SGB XI), ist eine erhöhte Leistungserwartung verbunden.
- b) Der Bundesrat stellt fest, dass zur Umsetzung der genannten Intention, die Hospizkultur und Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen weiter zu verbessern, die begriffliche Erweiterung der §§ 28 und 75 SGB XI um "Sterbebegleitung" nicht ausreichend und konkret genug ist.
Hospizliche Begleitung und palliativ ausgerichtete Pflege müssen bereits vor der eigentlichen Sterbebegleitung - verstanden als Beistand am Lebensende - einsetzen. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, den Begriff der Sterbebegleitung um "hospizliche Begleitung und palliativ ausgerichtete Pflege" zu ergänzen.
- c) Da eine ergänzte Leistungserwartung die Frage von Mehrkosten und ihrer Gegenfinanzierung aufwirft, fordert der Bundesrat, hierzu im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Regelung zu treffen. Eine weitere finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen und der Träger der Sozialhilfe gilt es hierbei vor dem Hintergrund des bestehenden Teilleistungssystems der Pflegeversicherung zu vermeiden.
- d) Der Bundesrat fordert in diesem Zusammenhang, im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch die Finanzierung der besonderen medizinischen Behandlungspflege für Patientinnen und Patienten in der letzten Lebensphase in Pflegeheimen zu überprüfen.
Begründung:
Vollstationäre Pflegeeinrichtungen sind maßgebliche Orte des Sterbens. In Deutschland versterben 30 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb der ersten drei Monate nach Aufnahme und 60 Prozent innerhalb des ersten Jahres. Die Versorgung sterbender Menschen ist eine Kernaufgabe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Pflegeeinrichtungen. Die erfolgte konzeptionelle Weiterentwicklung der Palliativversorgung in Deutschland ist auch bei der pflegerischen Versorgung zu berücksichtigen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen körperliche, psychische, soziale Probleme und spirituelle Anliegen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern rechtzeitig erkennen und geeignete Behandlungs- bzw. Begleitmaßnahmen veranlassen - insbesondere unter Nutzung der und in Kooperation mit vorhandenen Hospiz- und Palliativversorgungsakteurinnen und -akteuren.
Allerdings ist hierbei die Gegenfinanzierung des Leistungsangebotes sicherzustellen. Eine nicht finanzierte höhere Leistungserwartung gegenüber den Pflegenden stünde im Widerspruch zu der schon heute vorliegenden Überlastung der Pflegekräfte bzw. zu nicht auskömmlichen Personalschlüsseln. Eine weitere finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen (über erhöhte Pflegesätze) und der Träger der Sozialhilfe gilt es vor dem Hintergrund des bestehenden Teilleistungssystems der Pflegeversicherung zu vermeiden.
Dies betrifft sowohl den ambulanten als auch den stationären Bereich. Eine regelhafte Sterbebegleitung wird auch von den ambulanten Pflegediensten wesentlich mehr erfordern als sie derzeit erbringen (können), da der Einsatz in der Häuslichkeit der Pflegebedürftigen in den meisten Fällen nur punktuell erfolgt. Es ist daher bereits fraglich, ob die Ergänzung des Regelleistungskatalogs den ambulanten Bereich in gleicher Weise umfassen kann.
Für den stationären Bereich ist dabei auch Folgendes zu beachten: Die Versorgung von Menschen mit Pflege- und/oder Betreuungsbedarf umfasst in einem zunehmenden Maße auch medizinische Versorgungsaspekte. Insbesondere in stationären Pflegeeinrichtungen haben sich die Versorgungsbedarfe aufgrund des zunehmenden Alters der Bewohnerinnen und Bewohner und deren Multimorbidität verändert und zu einem Anstieg der Kosten der medizinischen Behandlungspflege geführt. Von einem weiteren Anstieg ist auszugehen. Die medizinische Behandlungspflege im stationären Bereich ist aber Bestandteil der Pflegeleistungen der Pflegeversicherung (§ 41 Absatz 2 SGB XI, § 42 Absatz 2 SGB XI, § 43 Absatz 2 SGB XI) . Mehrkosten können daher grundsätzlich nur durch eine entsprechende Erhöhung der Pflegesätze - zu Lasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen bzw. der Träger der Sozialhilfe - ausgeglichen werden, während an anderen Lebensorten eine Leistungsgewährung nach dem SGB V und damit außerhalb des Teilleistungssystems erfolgen würde.
Erforderlich ist daher, die Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern unter Beachtung der Belange der Betroffenen auf den Prüfstand zu stellen.
13. Zu Artikel 4 (§ 17b Absatz 1 Satz 15 KHG)
Artikel 4 ist wie folgt zu fassen:
'Artikel 4
Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes
In § 17b Absatz 1 Satz 15 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), das zuletzt durch Artikel 16a des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133) geändert worden ist, wird vor dem Punkt am Ende ein Semikolon und werden die Wörter "unabhängig von Halbsatz 1 ist bei Palliativstationen oder -einheiten, die räumlich und organisatorisch abgegrenzt sind und über mindestens fünf Betten verfügen, dafür ein schriftlicher Antrag des Krankenhauses ausreichend" eingefügt.'
Begründung:
Zur geplanten Stärkung der Verhandlungsposition für Palliativstationen oder -einheiten ist die vorgeschlagene Regelung nicht ausreichend.
Zwar können Krankenhäuser demnach eigenständig entscheiden, ob sie die Versorgung von palliativmedizinisch zu versorgenden Menschen in Palliativstationen oder -einheiten über bundesweit kalkulierte Entgelte oder als besondere Einrichtung über krankenhausindividuell zu verhandelnde Entgelte abrechnen wollen. Allerdings gilt dies nach wie vor nur unter den Voraussetzungen und Maßgaben des ersten Halbsatzes und damit befristet, bis eine sachgerechte Vergütung im DRG-System gewährleistet ist.
14. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat weist im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren des ersten Hospiz- und Palliativgesetzes auf die Geschichte der Hospizbewegung und ihre Bedeutung in Deutschland hin. Damit soll die Leistung einer großen Bürgerbewegung gewürdigt werden, die im Zuge der weiteren Entwicklung nicht von der hauptamtlichen Palliativmedizin und Pflege dominiert werden darf. Es war die Hospizbewegung, die darauf aufmerksam gemacht hat, dass jeder Mensch ein Recht auf sein individuelles Sterben hat. Sie hat das Sterben und den Tod enttabuisiert und aus der gesellschaftlichen Verdrängung zurück in die öffentliche Wahrnehmung geholt. Es war auch die ehrenamtliche Hospizbewegung, die den Grundstein dafür gelegt hat, dass inzwischen hauptamtliche Palliativpflege und Palliativmedizin finanziell honoriert werden.
Politik und Gesellschaft sind deshalb gefordert, dafür zu sorgen, dass bürgerschaftliche Hospizbewegung und hauptamtliche Palliativversorgung sich zukünftig wieder auf gleicher Augenhöhe begegnen können. All dies, was sich in der hospizlichen Begleitung und palliativer Pflege und Medizin entwickeln konnte, hatte letztlich den Ausgang in einer starken Bürgerbewegung, die sich der Bedürfnisse und Wünsche sterbender Menschen und ihrer Zugehörigen angenommen und Verbesserungen in der Sterbebegleitung erkämpft hat. Bürgerschaftliche Hospizbewegung und hauptamtliche Pallativmedizin und -pflege müssen auch in Zukunft als gleichberechtigte Komponenten einer guten Sterbebegleitung gesehen werden.
- b) Der Bundesrat betont weiterhin, dass der Begriff Hospiz aus der Geschichte und der Entwicklung der Hospizbewegung heraus verstanden werden muss. Demnach ist darunter kein Ort zu verstehen, sondern vielmehr eine Grundhaltung, die überall dort verankert werden soll, wo Menschen sterben und begleitet werden. Diese Haltung ist gekennzeichnet von einem respektvollen Umgang auf gleicher Augenhöhe einerseits mit dem sterbenden Menschen, seinen Wünschen und Zugehörigen und andererseits derjenigen miteinander, die ihn begleiten: ehrenamtlich und hauptamtlich Tätige unterschiedlicher Professionen. Damit ist die Einführung und Ausprägung des hospizlichen Gedankens sowohl in der ambulanten Versorgung als auch in stationären Pflegeeinrichtungen und allen Abteilungen der Krankenhäuser gemeint.
- c) Der Bundesrat stellt fest, dass die gezielte und verpflichtende Information der Versicherten über bestehende Angebote und Möglichkeiten der hospizlichen Begleitung und palliativen Versorgung zu begrüßen ist. Damit ist allerdings noch keine Zugangsgerechtigkeit zu den wichtigen Informationen für alle gesellschaftlichen Gruppen garantiert. Wichtig ist eine breite gesellschaftliche Debatte auf der Grundlage sachlicher Informationen, vergleichbar der Kampagne "Gib Aids keine Chance". Der Ruf nach Sterbehilfe und/oder assistierter Selbsttötung ist in vielen Fällen Unwissenheit und Angst geschuldet: Unwissenheit in Bezug auf die Möglichkeiten der Palliativmedizin und -pflege und der hospizlichen Unterstützung, Angst vor Einsamkeit, vor Demütigung und insbesondere davor, anderen Menschen zur Last zu fallen. Der Unwissenheit kann mit Informationen begegnet werden, den genannten Ängsten mit einer Sozialpolitik, die sich dem Ziel einer "sorgenden Gemeinschaft" verpflichtet.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Umsetzung des Hospiz- und Palliativgesetzes offensiv mit einer langfristig angelegten Öffentlichkeitskampagne zu begleiten, die allen Menschen, unabhängig von ihrer jeweiligen Lebenssituation, die Chance gibt, rechtzeitig über die Möglichkeiten einer guten hospizlichen Begleitung und palliativen Versorgung informiert zu sein.