Punkt 33 der 857. Sitzung des Bundesrates am 3. April 2009
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission ihre Strategieplanung für 2010 mit den fünf Schwerpunkten "Wirtschaftlicher und sozialer Wiederaufschwung", "Klimawandel und nachhaltige Entwicklung Europas", "Bürgernahe Politik", "Europa als Partner in der Welt" und "Verbesserung der Rechtsetzung und der Transparenz" erneut frühzeitig und in deutscher Sprache vorgelegt hat.
- 2. Die Strategieplanung 2010 ist umso bedeutsamer, als in 2010 eine neue Kommission im Amt sein und voraussichtlich der EU-Reformvertrag in Kraft treten wird. Auch wenn die neue Kommission an die Strategieplanung ihrer Vorgängerin nicht gebunden ist, ist es vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise wichtig, Kontinuität in der Arbeit der Kommission sicherzustellen und die notwendigen Vorhaben für 2010 qualifiziert vorzubereiten und umzusetzen. Europa kann sich keine Verschnaufpause leisten. Ziel der strategischen Planung für 2010 muss es daher sein, dass die neue Kommission ihre Arbeit möglichst ohne Verzögerung und Reibungsverluste fortsetzen kann.
- 3. Aus Sicht des Bundesrates ist für 2010 unbedingt erforderlich, dass die Kommission den Schwerpunkt weiterhin auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa legt. In diesem Zusammenhang begrüßt er ausdrücklich das in der vorliegenden Mitteilung erneuerte Bekenntnis der Kommission zur Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und zum Binnenmarkt. Mit der Überwindung der Krise wird außerdem eine wirksame Strategie zur Haushaltskonsolidierung erforderlich sein.
Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken/Lissabon-Strategie nach 2010
- 4. Bei der Fortsetzung der Lissabon-Strategie nach 2010 gilt es darauf zu achten, dass sie ein Instrument für nachhaltige Strukturreformen bleibt und nicht Opfer kurzfristig wirkender Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Rezession in der EU wird. Nur nachhaltige Strukturreformen für Wachstum und Beschäftigung im Sinne der sozialen Marktwirtschaft bieten die Garantie dafür, dass Europa aus der aktuellen Krise - auch im Verhältnis zu den globalen Wettbewerbern USA und Asien - gestärkt hervorgehen kann. Wesentliche Aspekte sind hierbei insbesondere mehr Investitionen der Mitgliedstaaten in Bildung, Forschung und Innovation. Dabei können die Effizienz und die Vermittelbarkeit der Lissabon-Strategie nach 2010 noch erheblich verbessert werden. Insbesondere sollten Verfahren vereinfacht und nationale Berichtspflichten reduziert werden.
Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau voranbringen
- 5. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die seit 2005 zum Thema "Bessere Rechtsetzung" eingeleiteten Initiativen bestätigt. Er hebt hervor, dass der Bürokratieabbau auch in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise die Möglichkeit zu neuem Wachstum eröffnet. Er sieht die Verbesserung der Qualität des EU-Regulierungsrahmens und die Verringerung der Bürokratiekosten in der EU auch nach 2010 als Schlüsselelemente der Lissabon-Strategie an. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Der Bundesrat sieht es als besonders wichtig an, dass diese Initiativen ihren hohen politischen Stellenwert auf der EU-Agenda auch weiter beibehalten.
- 6. Der Bundesrat unterstreicht die Notwendigkeit, dass die Initiative "Bessere Rechtsetzung" über eine quantitative Reduzierung von Vorschriften hinausgehen muss. Sie sollte zu einer spürbaren Entlastung bei der Regelungsdichte nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltungen der Mitgliedstaaten führen.
- 7. Zielmarken beim Bürokratieabbau müssen als verbindliche Nettoziele festgelegt werden.
- 8. Zudem ist eine umfassende und stringente Kosten-Nutzen-Abwägung im Rahmen von Gesetzesfolgenabschätzungen bei neuen Vorhaben insbesondere im Hinblick auf KMU unerlässlich. Eine schnelle Umsetzung der Vorschläge der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten wie auch eine Ausweitung der Kompetenzen der Gruppe bis hin zur Aufwertung als unabhängiger "Norm-TÜV" auf europäischer Ebene wären wichtige Signale für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen der neuen Kommission in diesem Bereich.
EU-Sozialpolitik
- 9. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass neben den Bemühungen zum wirtschaftlichen Wiederaufschwung auch die Vermeidung negativer sozialer Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf allen Ebenen innerhalb des jeweiligen Kompetenzbereichs von besonderer Bedeutung für die EU, ihre Mitgliedstaaten und die Regionen ist. Für die Bürgerinnen und Bürger muss erlebbar sein, dass die EU ein wirtschaftlich und sozial erfolgreiches Modell ist, das beispielhaft auch für andere Regionen der Welt sein kann. Dies zeigt sich insbesondere bei der Vermeidung oder Bewältigung negativer sozialer Folgen in Krisenzeiten. Der Bundesrat ist ebenso wie die Kommission der Auffassung, dass die Themen Beschäftigung, Chancengleichheit und Berücksichtigung der Interessen der Jugend weiterhin eine wichtige Rolle in der Sozialpolitik auf europäischer Ebene unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips spielen werden.
EU-Gesundheitspolitik
- 10. Angesichts der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise rückt zunehmend auch das Thema des Zugangs zu effizienten Gesundheitssystemen in den Fokus. Die Konsultation der Kommission zum Abbau von Ungleichheiten im Gesundheitsbereich sowie die relative Unverbindlichkeit der Strategieplanung 2010 geben Anlass, erneut auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der Bevölkerung hinzuweisen. Insoweit sieht sich der Bundesrat in Übereinstimmung mit der Kommission, wonach in erster Linie die Mitgliedstaaten aufgerufen sind, den Menschen in der Krise zu helfen. Im Gesundheitsbereich ist besonders darauf zu achten, dass bei allen Vorhaben auf europäischer Ebene eine eindeutige Gemeinschaftskompetenz besteht sowie das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigt werden.
EU-Klimapolitik
- 11. Der Bundesrat begrüßt die Auffassung der Kommission, die die Klimapolitik als eine der politischen Hauptprioritäten im Jahr 2010 betrachtet. Damit wird die wichtige Rolle der EU als treibende Kraft im internationalen Klimaschutz weiter gefestigt. Nach der Verabschiedung des ambitionierten Klima- und Energiepakets durch die EU im Dezember 2008 und mit der heutigen Perspektive auf ein neues internationales Klimaschutzübereinkommen im Dezember 2009 in Kopenhagen wird das Jahr 2010 im Zeichen der konstruktiven und dynamischen Umsetzung dieser Beschlüsse stehen. Für den Bundesrat stehen international die Mitwirkung der EU bei der konkreten Implementierung eines in Kopenhagen noch zu vereinbarenden Klimaschutz-Regimes und Fortschritte im Hinblick auf die angestrebte Einbeziehung weiterer Industrieländer und großer Schwellenländer in das EU-weite Handelssystem mit Treibhausgasemissionszertifikaten im Vordergrund. Bei der geplanten finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer durch die Industrieländer ist aus Sicht des Bundesrates wichtig, dass es zu einer gerechten Lastenverteilung unter den Industrieländern kommt. Innerhalb Europas dürfen das internationale Klimaabkommen und seine Finanzierung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung unter den einzelnen Mitgliedstaaten führen.
- 12. Bei der Umsetzung des Klima- und Energiepakets der EU wird es aus Sicht des Bundesrates vor allem darum gehen, die entscheidende Bedeutung der Energieeffizienz noch stärker zu berücksichtigen, die wirtschaftliche Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien (neben dem Stromsektor verstärkt auch bei der Wärmeerzeugung) weiter zu erhöhen und die Rahmenbedingungen für die Erforschung und Erprobung innovativer und CO₂-armer Energietechnologien zu verbessern.
- 13. Der Bundesrat ist der festen Überzeugung, dass es keinen Gegensatz zwischen Maßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise und zukunftsorientierten Investitionen in den Klimaschutz gibt. Vielmehr tragen solche Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Unterstützung eines umweltverträglichen Wachstums bei.
Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik
- 14. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, den mit den Agrarreformen seit 1992 und 2003 eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Das Europäische Landwirtschaftsmodell hat sich bewährt, denn es verbindet die wettbewerbsfähige Erzeugung von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen mit Leistungen der Landwirtschaft für die Allgemeinheit. Die Schwerpunkte der künftigen Agrarpolitik sollten daher in der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe, der Sicherung einer hohen Qualität der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Verarbeitung zu Lebensmitteln, der Sicherung der über die Produktion hinausgehenden Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft, der Begleitung des Strukturwandels, der Erhaltung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung sowie der Sicherung attraktiver ländlicher Räume liegen.
- 15. Der Bundesrat ist nachdrücklich der Auffassung, dass nach 2013 von Anfang an eine eindeutige und verlässliche Finanzierungsgrundlage für die Gemeinsame Agrarpolitik im Sinne größerer Planungssicherheit für die landwirtschaftlichen Betriebe und die Regionen zu gewährleisten ist.
Energieversorgungssicherheit
- 16. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission neben Themen wie Klimaschutz, Wettbewerb und Verbraucherschutz nun auch die sichere Verfügbarkeit von Energie in den Fokus der Europäischen Energiepolitik rückt. Nach seiner Auffassung erfordert die Nachhaltigkeit der Energiepolitik die gleichgewichtige Berücksichtigung von Umweltverträglichkeit, Preiswürdigkeit und Versorgungssicherheit. Daher richtet der Bundesrat die Bitte an die Kommission, die in ihrer Mitteilung zur "Zweiten Überprüfung der Energiestrategie - EU-Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und -solidarität" (BR-Drucksache 914/08 (PDF) ) angekündigten Maßnahmen auf Grundlage der Beschlüsse des Europäischen Rates vom 19./20. März 2009 zügig und konsequent umzusetzen. Dies bedeutet insbesondere:
- - stärkerer Einbezug energiepolitischer Themen in die gemeinsame EU-Außenpolitik;
- - konzeptionelle Verbesserung der Versorgungssicherheit unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten und der interessierten Kreise. Dies schließt den Ausbau effektiver EU-weiter Koordinierungsmechanismen im Falle von Energiekrisen und Versorgungsunterbrechungen ein. Dabei ist aber weiterhin an der grundsätzlichen Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der nationalen Versorgung auch im Krisenfall festzuhalten. Deshalb sollte die gegenseitige Unterstützung der Mitgliedstaaten nur auf kommerzieller Basis erfolgen;
- 17. - Gewährleistung eines breiten und ausgewogenen Energiemixes unter Einbeziehung aller Energieträger. Dies gilt auch für die Stromerzeugung. Erhalt angemessener Rahmenbedingungen für den Einsatz von Energieträgern, die in den Mitgliedstaaten selbst zur Verfügung stehen;
- 18. - Verbesserung der energiebezogenen Infrastrukturen innerhalb der EU und zwischen der EU und den Lieferländern für energetische Rohstoffe, insbesondere Öl und Gas, aber auch für Solarenergie im Mittelmeerraum. Dabei gilt jedoch, dass die Entscheidung über die Realisierung und Finanzierung von Infrastrukturprojekten im unternehmerischen Verantwortungsbereich liegt;
- - Steigerung der Energieeffizienz unter dem Blickwinkel von Versorgungssicherheit und Ressourcenschutz.
Bei allen Maßnahmen gilt es, unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand von vornherein zu vermeiden sowie die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit in den Fokus zu stellen.
Stockholm-Programm
- 19. Im Hinblick auf das künftige Stockholm-Programm verweist der Bundesrat zu den Themenfeldern Einwanderung/Integration/Asyl zusammenfassend auf die in seinen Stellungnahmen vom 19. September 2008 (BR-Drucksache 451/08(B) und BR-Drucksache 452/08(B) ) vertretene Auffassung. Insbesondere weist er darauf hin, dass auch künftig eine Abstufung des Rechtsstatus von Drittstaatsangehörigen gegenüber dem Rechtsstatus von Unionsbürgern geboten ist. Es bleibt Angelegenheit jedes Mitgliedstaats, über den Umfang der Einwanderung in sein Hoheitsgebiet zu entscheiden und sich dabei u. a. am Bedarf seines Arbeitsmarktes zu orientieren. Eine erfolgreiche Integration von Einwanderern kann nur nach dem Grundsatz des "Förderns und Forderns" stattfinden.
Schutz der Grundrechte
- 20. Der Bundesrat begrüßt die Einschätzung der Kommission, dass der Schutz der Grundrechte auch eine Aufgabe der EU darstellt. Der Bundesrat unterstreicht, dass der europäische Grundrechtsschutz nur ergänzend zu dem der Mitgliedstaaten erfolgen kann. Maßnahmen zur Förderung der Unionsbürgerschaft müssen die Kompetenzordnung sowie die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität wahren.
EU-Übersetzungsstrategie
- 21. Der Bundesrat kritisiert nachdrücklich, dass die Kommission die Überarbeitung ihres ungenügenden Konzepts für ihre internen Übersetzungen und die Kommunikation mit anderen EU-Organen und Einrichtungen sowie mit den Mitgliedstaaten und Bürgerinnen und Bürgern (so genannte "Übersetzungsstrategie") bislang nicht in ihre jährliche Strategieplanung mit aufgenommen hat. Der Bundesrat richtet den eindringlichen Appell an die neue Kommission sicherzustellen, dass EU-Dokumente wieder vollständig, fristgerecht und zeitgleich mit der Originalfassung in deutscher Sprache vorliegen.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Verwendung der eigenen Sprache für die im Vertrag von Lissabon vorgesehene Stärkung der demokratischen Legitimation Europas insgesamt von herausragender Bedeutung ist. So ist sie für die Arbeit der nationalen Parlamente vor allem im Hinblick auf die neuen Verfahrensrechte im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems nach dem Vertrag von Lissabon unerlässlich. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, die nationalen Parlamente bei der erforderlichen Reform der aktuellen Übersetzungspraxis in einem transparenten Verfahren zu beteiligen.
EU-Finanzreform
- 22. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Kommission, sich im Jahr 2010 auf der Grundlage der Halbzeitbewertung der laufenden EU-Ausgabenprogramme um einen Konsens über die Schwerpunkte des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens zu bemühen. Der Bundesrat erwartet, dass die Kommission dabei den Zielen der EU-Finanzreform, wie sie die Kommission selbst unter anderem in ihrem Konsultationspapier zur Überprüfung des EU-Haushalts "Den Haushalt reformieren, Europa verändern" (BR-Drucksache 657/07 (PDF) ) dargelegt hat, verpflichtet bleibt. Der Bundesrat erwartet, dass die Reform des Finanzsystems die Stärken der EU ausbaut und derzeitige Unzulänglichkeiten beseitigt. Die Finanzreform soll zu einer transparenten und gerechten Gestaltung der Einnahmen und Ausgaben der EU führen, mit der exzessive Haushaltssalden für einzelne Mitgliedstaaten vermieden und die Beitragszahlungen an der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten ausgerichtet werden. Die Reform soll dadurch die Funktionsfähigkeit der Union insgesamt erhöhen. Im Einzelnen verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme zur vorgenannten Mitteilung der Kommission (Stellungnahme vom 14. März 2008, BR-Drucksache 657/07(B) ).
EU-Kohäsionspolitik
- 23. Der Bundesrat betont die wichtige Rolle der EU-Kohäsionspolitik bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise, von der Bürger und Bürgerinnen sowie Unternehmen in allen Teilen der EU betroffen sind. Er begrüßt daher die Bereitschaft der Kommission, durch verstärkte Zusammenarbeit mit den nationalen und regionalen Behörden sowie durch die beschleunigte Genehmigung von Anpassungen der Programme für den Einsatz der Strukturfonds und der Pläne für die Entwicklung des ländlichen Raums 2007 bis 2013 zur Erholung von der Krise beitragen zu wollen. Dabei kommt der verstärkten Nutzung des Europäischen Sozialfonds für spezifische Beschäftigungs-, Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen ebenso Bedeutung zu wie der Beschleunigung von Investitionen mit Hilfe des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
- 24. Der Bundesrat weist darauf hin, dass im Jahr 2010 wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der Kohäsionspolitik nach 2013 erfolgen werden, und bedauert das Fehlen entsprechender Aussagen in der vorliegenden Mitteilung. Der Bundesrat betont die wichtige Rolle der Kohäsionspolitik für die Verringerung wirtschaftlicher und sozialer Disparitäten in Europa. Dies muss das vorrangige Ziel der Kohäsionspolitik bleiben. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Strukturfonds-Programme in diesem Rahmen einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Lissabon-Strategie leisten. Der Bundesrat hält es deshalb für erforderlich, auch nach 2013 in der Kohäsionspolitik einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Ziele der Lissabon-Strategie zu setzen. Hierzu ist auch zukünftig eine EU-weite Innovationsförderung notwendig. Aus Sicht der Länder ist außerdem die Förderung der Vernetzung und des Erfahrungsaustausches im Rahmen der grenzüberschreitenden, transnationalen und interregionalen Kooperationen eine wichtige europäische Aufgabe. Soweit Regionen aus der Förderung im Rahmen des Konvergenzzieles ausscheiden, sollte es angemessene und gerechte Übergangsregelungen geben, damit die mit Hilfe der europäischen Kohäsionspolitik erreichten Erfolge nicht wieder in Frage gestellt werden. Daneben sollten auch solche Regionen gezielt beim Ausbau ihrer Kompetenzen, insbesondere im Innovationsbereich, unterstützt werden, die schon heute einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der EU in einer globalisierten Welt leisten.
- 25. Der Bundesrat hält den Erhalt und Ausbau des dezentralen Systems der europäischen Kohäsionspolitik sowie weitere zeitnahe Anstrengungen zum Bürokratieabbau und zur Vereinfachung der Verwaltung der Strukturfondsprogramme für erforderlich. Im Übrigen verweist er auf die Stellungnahme der deutschen Länder zum Vierten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die gemeinsam mit der Stellungnahme der Bundesregierung im Rahmen der entsprechenden Konsultation vorgelegt wurde.
Kommunale Daseinsvorsorge
- 26. Der Bundesrat würdigt die bereits von der Kommission mit dem Monti-Paket unternommenen Bemühungen, insbesondere mit der Freistellungsentscheidung vom 29. November 2005, den kommunalen Belangen im Bereich der Daseinsvorsorge Rechnung zu tragen. Die Anwendung des europäischen Beihilfe- und auch des Vergaberechts (Inhouse-Problematik) führt jedoch zu gravierenden Folgewirkungen auf der kommunalen Ebene: Einengung der Handlungsoptionen, Verkomplizierung und Bürokratisierung kommunalen Handelns, Erhöhung des Verwaltungsaufwandes und der Verwaltungskosten sowie Rechtsunsicherheit.
- 27. Der Bundesrat erwartet daher von der neuen Kommission, dass sie die Möglichkeiten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für bürgernahe Politik im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht weiter einschränkt und Beschränkungen der Vergangenheit lockert bzw. ihren Beitrag dazu leistet. Das europäische Beihilfe- und Vergaberecht sollte bei den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse den örtlichen Belangen und Handlungsspielräumen besser Rechnung tragen als bisher.
- 28. Der Bundesrat hält hierzu folgende Schritte für zweckmäßig und erforderlich:
- - intensive Bemühungen, um bei nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen eine höhere Rechtssicherheit zu erreichen;
- - eine Klarstellung der Kommission zu Dienstleistungen mit in der Regel lokalem Bezug. Es wird angeregt, die in der Entscheidung der Kommission im Fall "Schwimmbad Dorsten" vom 12. Januar 2001 (KOM SG(2001) D/285046) enthaltenen Grundsätze in einer generellen Regelung zu verallgemeinern;
- - eine Überarbeitung der Vergaberichtlinien mit der Aufnahme einer klarstellenden Definition der Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien In-House-Beauftragung. Die Aufnahme einer solchen Definition muss geeignet sein, für die überwiegend kommunalen öffentlichen Auftraggeber den rechtssicheren Umgang mit vergaberechtsfreien In-House-Geschäften zu gewährleisten;
- - eine Klarstellung in den Vergaberichtlinien, dass die innerstaatliche Zusammenarbeit in Form der interkommunalen Kooperation nicht den Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterfällt.
Demografische Entwicklung
- 29. Der Bundesrat betont die Bedeutung des demografischen Wandels im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Entwicklung in vielen Regionen der Gemeinschaft. Der demografische Wandel bringt Veränderungen in nahezu allen Lebensbereichen mit sich. Daher ist das Thema auch weiterhin als Querschnittsaufgabe in vielen Handlungsfeldern der Gemeinschaft zu berücksichtigen und Maßnahmen der Gemeinschaft sind auf ihre Demografieverträglichkeit hin zu überprüfen.
Telekommunikation
- 30. Der Bundesrat erwartet, dass die Kommission bei der Regulierung der Telekommunikation beachtet, dass die Telekommunikationsmärkte noch überwiegend national geprägt sind. Die Grundsätze des europäischen Regulierungsrahmens müssen entsprechend angepasst werden. Bereits heute hat die Kommission weitreichende Definitionsrechte bei der Festlegung regulierungsbedürftiger Märkte. Eine weitere Ausdehnung der Kommissionsbefugnisse und eine Vereinheitlichung der Regulierungsmaßnahmen werden den unterschiedlichen Marktgegebenheiten in den Mitgliedstaaten nicht gerecht. Besonders die Rolle der privaten Telekommunikations-Wirtschaft beim Aufbau der künftigen breitbandigen Telekommunikationsinfrastruktur sollte gestärkt werden. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit für Investitionen in die neuen Netze.
Allgemeiner Rahmen für die personellen und die finanziellen Ressourcen im Jahr 2010
- 31. Der Bundesrat anerkennt und begrüßt, dass die Kommission sich verpflichtet hat, ihren Personalbedarf bis zum Jahr 2013 mit bestehenden Mitteln zu bestreiten und keine zusätzlichen Stellen zu schaffen. Er weist darauf hin, dass die Kommission nach dem aktuellen Personalbestand vom 30. April 2008 nach wie vor mehr als die Hälfte ihres Personals für die "Verwaltung der Verwaltung", d. h. vor allem für das Management von Personal, Informationstechnologie und Logistik, interinstitutionelle Beziehungen, Kommunikation sowie Politikkoordinierung, einsetzt. Hier bleibt unklar, ob das vorhandene Einsparpotential infolge der verbesserten interinstitutionellen Zusammenarbeit und der zunehmenden Verlagerung von Kommissionsaufgaben auf Agenturen tatsächlich ausgeschöpft wird.
Der Bundesrat fordert die neue Kommission in diesem Zusammenhang auf, schnelle und deutlichere Zeichen einer Modernisierung der Kommissionsverwaltung zu setzen. Ziel muss es sein, einen an die aktuellen Herausforderungen angepassten Personalumbau und -abbau in der Kommission einzuleiten. Dazu müssen alle Personalausgaben unter Einbeziehung des Personalbestands bei den Exekutivagenturen und den dezentralen Agenturen kontinuierlich überprüft werden.
- 32. Der Bundesrat begrüßt, dass durch das Europäische Konjunkturprogramm die Obergrenzen der Finanziellen Vorausschau nicht überschritten werden sollen. Er fordert in diesem Zusammenhang, dass Änderungen der Finanziellen Vorausschau auf unvorhersehbare und unabwendbare Notsituationen beschränkt bleiben müssen, da ansonsten die Haushaltsdisziplin insgesamt gefährdet wäre.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 33. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.