Der Bundesrat hat in seiner 990. Sitzung am 5. Juni 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 13a Absatz 1 Nummer 7 RDG)
Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Verpflichtung von Inkassodienstleistern zum Hinweis auf Umstände, bei denen der Verdacht eines Identitätsdiebstahls besteht, weiter gefasst werden könnte und auch Fälle einbezogen werden könnten, bei denen die Anschrift des Schuldners nicht gesondert ermittelt werden musste.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht eine Hinweispflicht des Inkassodienstleisters vor, wenn die Anschrift des Schuldners nicht vom Gläubiger mitgeteilt, sondern anderweitig ermittelt wurde. Die Hinweispflicht soll eine leichtere Feststellung von Fällen ermöglichen, in denen ein Dritter in falschem Namen einen Vertrag geschlossen hat, aus dem der Schuldner auf Zahlung in Anspruch genommen wird (Identitätsdiebstahl). Allerdings sind auch Fälle von Identitätsdiebstahl in der Praxis bekannt, bei denen der Täter die Wohnanschrift des vermeintlichen Schuldners kennt und diese bei der Bestellung angibt, die Lieferung aber, soweit es sich überhaupt um körperliche Waren handelt, an eine andere Adresse erfolgt. Daher greift es zu kurz, die Hinweispflicht auf Fälle zu beschränken, in denen die Anschrift des Schuldners erst ermittelt werden musste.
2. Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 13a Absatz 2 Satz 2 - neu - RDG)
In Artikel 1 Nummer 6 ist dem § 13a Absatz 2 folgender Satz anzufügen:
"Der Inkassodienstleister hat außerdem, wenn Inkassokosten geltend gemacht werden, einer Privatperson auf Anfrage einen Nachweis der mit dem Gläubiger getroffenen Vergütungsvereinbarung zu übermitteln."
Begründung:
Inkassokosten können nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 286 BGB geltend gemacht werden. Während es im allgemeinen Haftungsrecht völlig unstreitig ist, dass der Geschädigte einen Nachweis für den tatsächlichen Schaden erbringt, wird dieser Nachweis, wie die Gesetzesbegründung ausführt und die Erfahrungen der Verbraucherverbände bestätigen, von den Inkassounternehmen regelmäßig verweigert. Dies ist nicht hinnehmbar. Die Vorlage der Vergütungsvereinbarung ist notwendig, um die Berechtigung der geltend gemachten Inkassoforderung prüfen zu können. Vor allem bei Forderungen aus Massengeschäften im Bagatellbereich ist bei wirtschaftlicher Betrachtung nur schwer nachvollziehbar, dass ein Gläubiger bereit ist, mehr als 50 Prozent des Wertes der in Frage stehenden Forderung für eine Rechtsverfolgung mit ungewissem Erfolg auszugeben.
3. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 13e Absatz 1 RDG)
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Aufsicht über Inkassodienstleister zentral bei einer Bundesbehörde, beispielsweise bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), anzusiedeln ist. Aus Sicht des Bundesrates sollte eine Kompetenzbündelung auf Bundesebene erfolgen, um zum einen Klarheit für die Inkassounternehmen als auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, und zum anderen weiterhin bestehende zersplitterte Zuständigkeiten aufzuheben.
Begründung:
Auch wenn bereits die vormals bestehende Zersplitterung der Aufsichtsbehörden abgenommen hat, sollte eine zentrale Aufsicht auf Bundesebene erfolgen. Dies hat auch die Verbraucherschutzministerkonferenz 2018 angeregt. Damit würde nicht nur für die Inkassodienstleister, sondern auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Transparenz hinsichtlich der Aufsichtszuständigkeiten geschaffen. Die BaFin könnte aufgrund ihrer bereits bestehenden Expertise auch im Bereich Verbraucherrecht eine geeignete Aufsichtsbehörde darstellen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe d1 (§ 13e Absatz 4 RDG)
In Artikel 1 Nummer 7 ist nach Buchstabe d folgender Buchstabe d1 einzufügen
"d1) In dem neuen Absatz 4 wird in Nummer 2 das Wort "dauerhaft" durch das Wort "wiederholt" ersetzt."
Begründung:
Nach der geltenden Regelung in § 13a Absatz 3 Nummer 2 RDG (jetzt: § 13e Absatz 4 Nummer 2 RDG-E) müssen begründete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass "erheblich oder dauerhaft" gegen Pflichten verstoßen wird. Der Begriff "dauerhaft" ist in zeitlicher Hinsicht unpräzise und für einen effektiven Schutz der Verbraucher vor unseriösem Inkasso unzureichend. Denn die Feststellung und der Nachweis eines dauerhaften nicht erheblichen Verstoßes gestaltet sich in der aufsichtsbehördlichen Praxis schwierig. Der Begriff sollte deshalb durch den präziseren und strengeren Begriff "wiederholt" ersetzt werden.
Inkassodienstleister bleiben auch bei der hier vorgeschlagenen Gesetzesformulierung im Falle wiederholter geringfügiger Verstöße vor unverhältnismäßigen Entscheidungen geschützt, da die Vorschrift der Aufsichtsbehörde auch künftig Ermessen einräumt und die Wahl der Aufsichtsmaßnahme verhältnismäßig, d.h. bezogen auf Art und Ausmaß des jeweiligen Pflichtenverstoßes angemessen, sein muss.
5. Zu Artikel 2 (Änderung des RVG)
Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob zur Vermeidung von unausgewogenen Vergütungsmodellen, die zulasten von zahlungsbereiten Schuldnern gehen, sowie mit Blick auf die Gleichbehandlung von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern das grundsätzliche Verbot von Erfolgshonoraren nach § 49b Absatz 2 Bundesrechtsanwaltsordnung sowie die Beschränkungen der §§ 4 und 4a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auch auf Inkassodienstleistungen erstreckt werden könnten.
Begründung:
Eine erfolgsbezogene Vergütungsvereinbarung zwischen Inkassodienstleister und Gläubiger, wie sie nach der Gesetzesbegründung offenbar weitverbreitete Praxis ist, ist aus mehreren Gründen kritisch zu sehen. Sie widerspricht dem Gebot der Schadensminderung und ist eine wesentliche Ursache dafür, dass Inkassovergütungen vereinbart werden, die oftmals bei wirtschaftlicher Betrachtung in keinem Verhältnis zum Wert der Forderung sowie zum tatsächlichen Aufwand der Dienstleistung stehen. Sie geht außerdem zulasten der zahlungswilligen und zahlungsfähigen Schuldner und privilegiert überdies ohne ausreichenden Grund Inkassodienstleister gegenüber Rechtsanwälten, die ihrerseits auf Grund von § 49b Absatz 2 BRAO grundsätzlich kein Erfolgshonorar vereinbaren dürfen und den Beschränkungen der §§ 4 und 4a RVG unterliegen.
6. Zu Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe a (Anlage 1 Nummer 1000 Spalte "Gebührentatbestand" Absatz 6 - neu - RVG)
In Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe a ist in Anlage 1 Nummer 1000 in der Spalte "Gebührentatbestand" folgender Absatz 6 anzufügen:
(6) Die Gebühr nach Nummer 1 entsteht nicht für eine Zahlungsvereinbarung gemäß Nummer 2, die im Rahmen einer Inkassodienstleistung getroffen wird."
Begründung:
Damit das Ziel des Gesetzes, Schuldner besser vor unangemessen hohen Inkassokosten zu schützen, unterstützt wird, sind die Gebühren für Ratenzahlungsvereinbarungen einheitlich auf den ermäßigten Gebührenfaktor von 0,7 zu begrenzen. Die angestrebte Entlastung der Verbraucher droht ohne den Vorrang der Gebühr für die Zahlungsvereinbarung nach Nummer 1000 Nummer 2 des Vergütungsverzeichnisses ins Leere zu laufen, da Ratenzahlungsvereinbarungen jedenfalls bei bestrittenen Forderungen regelmäßig auch ein Schuldanerkenntnis beinhalten und damit weiterhin von Inkassodienstleistern nach Nummer 1000 Nummer 1 eine Gebühr von 1,5 verlangt werden könnte. Selbst bei einer Bagatellforderung von nur 50 Euro würde eine Einigungsgebühr in Höhe von 67,50 Euro anfallen, was weder dem wirtschaftlichen Wert der Hauptforderung noch dem der Dienstleistung entspräche.
Auch ist im Rahmen von Inkassodienstleistungen nicht erkennbar, dass eine Einigungsvereinbarung, die wegen Bestreitens der Forderung auch ein Schuldanerkenntnis im Sinne der Nummer 1 beinhaltet, gegenüber einer bloßen Zahlungsvereinbarung mit einem Mehraufwand verbunden wäre, der einen derart großen Gebührenunterschied rechtfertigen würde. Hinzu kommt, dass ein etwaiger Mehraufwand bereits ausreichend bei der Geschäftsgebühr berücksichtigt ist.
7. Zu Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe c Doppelbuchstabe bb (Anlage 1 Nummer 2300 Absatz 2 RVG)
In Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe c Doppelbuchstabe bb sind in Anlage 1 Nummer 2300 Absatz 2 die Wörter ", die eine unbestrittene Forderung betrifft," zu streichen.
Begründung:
Die Beschränkung der Regelung zur Geschäftsgebühr auf unbestrittene Forderungen ist aus verschiedenen Gründen nicht sachgerecht.
Gerade unseriöse Geschäftsmodelle nutzen häufig den Einschüchterungseffekt und das Drohpotenzial von Inkassodienstleistern und deren Gebührenforderungen, um unberechtigte Forderungen durchzusetzen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung verstärkt das Drohpotenzial, indem sie denjenigen, der sich gegen eine fragwürdige Zahlungsaufforderung zur Wehr setzen möchte, zugleich der Androhung höherer Inkassokosten aussetzt.
Die Praxis zeigt außerdem, dass Inkassodienstleister häufig keine vertiefte rechtliche Prüfung der Forderung vornehmen und auch nicht auf etwaige Einwendungen der Schuldner eingehen. Der Aufwand für eine Inkassodienstleistung hängt damit nicht unmittelbar vom Bestreiten oder Nichtbestreiten der Forderung ab. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner zunächst die Forderung gegenüber dem Gläubiger bestreitet, jedoch auf die erste Zahlungsaufforderung des Inkassodienstleisters bezahlt. Weshalb hier kein Regelfall einer einfachen Inkassodienstleistung mit einer Gebühr von höchstens 0,5 vorliegen soll, erschließt sich nicht.
Hinzu kommt, dass nicht näher definiert ist, wann ein Bestreiten vorliegt, was gemeinsam mit der Schwierigkeit der Tatsachenfeststellung zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen kann.