Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 9. Mai 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates zu langen Transporten von Nutztieren mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 977. Plenarsitzung am 17. Mai 2019 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier
Entschließung des Bundesrates zu langen Transporten von Nutztieren
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, als kurzfristig umzusetzende Maßnahme zum Schutz von Nutztieren bei langen Beförderungen eine der bestehenden elektronischen Plattformen für die Veterinärverwaltung (FIS-VL oder TSN) insoweit zu ergänzen, dass seitens der zuständigen Behörden dort bekannt gewordene Daten zu den in Drittländern vorhandenen Versorgungseinrichtungen u.ä., zu Transportmitteln und -unternehmen eingestellt werden können.
- 2. Darüber hinaus wird die Bundesregierung gebeten, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass seitens der EU eine Liste der für lange Beförderungen in Drittländer erforderlichen und geeigneten Infrastrukturen - auch außerhalb der EU - erstellt und regelmäßig aktualisiert wird. Bis zur Vorlage einer Liste durch die EU wird die Bundesregierung gebeten, den Ländern eine Liste mit Versorgungsstationen, Ruheorten u.ä. in Drittländern, die nach Kenntnis der Bundesregierung nachweislich für den jeweiligen Zweck geeignet sind, zur Verfügung zu stellen.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die EU durch die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verstärkt an Grenzkontrollstellen und an Versorgungsstationen in Drittländern Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen an solche Orte, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ergeben, durchführt. Zusätzlich sollen Tiertransporte in Drittländer auf die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 kontrolliert werden, so dass bei Bedarf im abfertigenden EU-Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, wie zum Beispiel der künftigen Verweigerung von Abfertigungen von Tiertransporten bestimmter Transportunternehmen bis hin zum Entzug der Zulassung, eingeleitet werden können. Soweit die rechtlichen Rahmenbedingungen diese Kontrollen nicht zulassen, ist die EU-Kommission aufzufordern, die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen bzw. beim Abschluss von bilateralen Abkommen auf entsprechende Vereinbarungen hinzuwirken.
- 4. Soweit die Bundesregierung bilaterale Handels- oder Veterinärabkommen verlängert oder neu abschließt, wird sie gebeten, auf Vereinbarungen hinzuwirken, die auch die Verpflichtung zur Einhaltung der Mindestanforderungen an den Tierschutz, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ergeben, mindestens jedoch der O. I. E. Tierschutzstandards bei Haltung, Transport und Schlachtung von Nutztieren enthalten wie auch den Nachweis der Einhaltung. Die Bundesregierung wird darüber hinaus gebeten, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass EU-seitig neue Abkommen ebenfalls nur dann abgeschlossen werden, wenn die Drittländer sich verpflichten, mindestens diese Standards einzuhalten und dies entsprechend nachzuweisen.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass ein einheitliches Datenformat für die Übermittlung der von Navigationssystemen nach Artikel 6 Absatz 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 aufgezeichneten Daten festgelegt wird, welches zudem eine einfache Auswertung der Daten zur Prüfung, ob ein Transport rechtskonform erfolgt ist, gestattet. Navigationssysteme müssen so beschaffen sein, dass den zuständigen Behörden auch während des Transportes ein externer Zugriff auf die Navigationsdaten möglich ist. Soweit Unternehmer nicht verpflichtet sind, diesen Zugriff auch ohne behördliche Anordnung im Einzelfall zu gewähren, ist eine Rechtsgrundlage hierfür zu schaffen.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass in Anhang I Kapitel VI Nummer 3.1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 eine nähere Erläuterung hinsichtlich der genannten Temperaturtoleranzen erfolgt. Soweit die EU-Kommission zu einer Änderung der o.g. Verordnung nicht bereit ist, ist die EU-Kommission um ein klarstellendes Schreiben zur Bedeutung zu bitten.
Begründung:
Zu 1.:
Der EuGH hat klargestellt, dass die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 bis zum Ende des Transports, auch wenn der Bestimmungsort im Drittland liegt, eingehalten werden müssen. Bei diesen Transporten kommt es wiederholt aus unterschiedlichen Gründen zu Transportverzögerungen, insbesondere an den Außengrenzen. Widrige Witterungsbedingungen, unter Umständen verbunden mit unzureichender Versorgung der transportierten Tiere mit Futter und Wasser führen zu Leiden, Schmerzen und auch Schäden bei den transportierten Tieren. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass nicht alle
Grenzkontrollstellen sowie insbesondere Versorgungsstationen im Drittland geeignet sind, um eine tierschutzgerechte und mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 konforme Versorgung der Tiere zu gewährleisten. Neben widrigen Witterungsbedingungen können Mängel beispielsweise hinsichtlich der Beschaffenheit der Unterbringung, der Qualität und Menge von Futter und Wasser sowie hinsichtlich der Sachkunde der dort tätigen Personen bestehen. Die einen Transport im Mitgliedstaat abfertigenden Behörden können sich nicht vor Ort vergewissern, ob die in einem Transportplan angegebenen Kontrollstellen an den Grenzen und sonstigen Versorgungsstellen im Drittland den rechtlichen Anforderungen genügen. Die zuständigen Behörden sind hierbei überwiegend auf die Angaben der Unternehmer angewiesen. Es ist an der Zeit, durch Abfertigungen und die rückblickende Überprüfung bundesweit bei den zuständigen Behörden gewonnenes Wissen zu bündeln und neue Erkenntnisse zu erlangen, um den abfertigenden Behörden eine größere Handlungssicherheit zu geben.
Zu 2.:
Die vorgesehene Datenbank auf nationaler Ebene kann nur Anhaltspunkte geben, da es sich nicht um Angaben handelt, die seitens der zuständigen Behörden überprüft wurden bzw. überprüft werden konnten. Lange Beförderungen sind kein nationales, sondern ein EU-weites Problem und Erkenntnisse der EU und auch anderer Mitgliedstaaten können und müssen genutzt werden, um die Prüfung von Transportplänen zu erleichtern, was auch im Interesse der Wirtschaftsbeteiligten liegt. Unstreitig bereitet die Erstellung einer solchen Liste einen erheblichen Aufwand, vor allem wenn vor-Ort Kontrollen erforderlich sind.
Zu 3.:
Es ist an der Zeit, dass die EU Kontrollen, ggf. verstärkt an kritischen Orten, durchführt und festgestellte Missstände bis hin zu Transportverboten sanktioniert werden können. Sollten die vorhandenen Regelungen dafür nicht ausreichen, so sind neue Ermächtigungen zu schaffen.
Ohne ein wirksames Kontrollinstrument vor Ort und Sanktionsmöglichkeiten kann die Einhaltung von Transportbedingungen wie der Ladedichte, der Versorgung mit Futter und Wasser, Gesundheitszustand der Tiere etc. nicht überprüft und ggf. Verstöße geahndet werden. Eine ausschließliche Plausibilitätsprüfung nach Art. 14 der Verordnung 1/2005 /EG bei der Abfertigung reicht auch nach evtl. erfolgten tierschutzrechtlichen Auflagen aufgrund absehbarer Risiken zur Überprüfung, ob Tiertransporte rechtskonform erfolgten, nicht aus. Die alleinige Überprüfung von Navigationsdaten reicht für die Überprüfung der Rechtskonformität ebenfalls nicht aus.
Zu 4.:
Es ist unbestritten, dass Tierschutzstandards in Drittländern von EU-Tierschutzstandards abweichen. Im Interesse des Tierschutzes ist es angebracht, den tierschutzgerechten Umgang mit Nutztieren im Drittland in Entscheidungen über den Abschluss bilateraler Abkommen einzubeziehen.
Zu 5.:
Die zuständigen Behörden können im Rahmen ihrer Kontrollpflicht nach Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 mit Hilfe von Navigationssystemen erstellte Aufzeichnungen verwenden. Das Auslesen der Daten bereitet häufig Probleme, da es an einer Vorgabe fehlt, in welchem Format die Daten zu übermitteln sind. Ein einheitliches Datenformat ist erforderlich, um den jeweiligen zuständigen nationalen Behörden das effiziente Lesen, Aus- und Bewerten der Daten zu gestatten.
Zu 6.:
Die EU-Kommission legt Anhang I Kapitel VI Nr. 3.1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 so aus, dass +30 Grad Celsius Temperatur im Transportfahrzeug während des gesamten Transportes nicht überschritten werden dürfen. Zudem sieht die Verordnung eine Temperaturuntergrenze von 5 Grad Celsius vor. Es bedarf einer näheren Darlegung in der Verordnung, welche Bedeutung die ebenfalls in Nr. 3.1. genannte Toleranz von +- 5 Grad Celsius hat. Sollte die EU-Kommission zur Änderung der o.g. Verordnung nicht bereit sein, ist es angebracht, zumindest auf ein klarstellendes Schreiben der EU-Kommission zu den genannten Temperaturtoleranzen zu drängen.