Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 18. April 2012
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die Vereinbarung vom 13. Februar 2012 zwischen dem Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium des Innern der Tschechischen Republik über die Einrichtung eines Gemeinsamen Zentrums der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit Petrovice-Schwandorf.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 59 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Ronald Pofalla
Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium des Innern der Tschechischen Republik über die Einrichtung eines Gemeinsamen Zentrums der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit
Petrovice - Schwandorf
Das Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland und das Ministerium des Innern der Tschechischen Republik (im Folgenden "die Vertragsparteien") - in dem Bemühen, die Zusammenarbeit der zuständigen Polizei- und Zollbehörden bei der Kriminalitätsbekämpfung sowie beim Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unter den Bedingungen des gemeinsamen Schengener Raums weiter zu vertiefen, auf der Grundlage des Artikels 5 und des Artikels 17 Absatz 1 des Vertrages vom 19. September 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Grenzschutzbehörden in den Grenzgebieten (im Folgenden "Polizeikooperationsvertrag"), unter Berücksichtigung insbesondere des Vertrages vom 2. Februar 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung, des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen, an den gemeinsamen Grenzen sowie des das Übereinkommen fortentwickelnden und in das Recht der Europäischen Union einbezogenen Schengener Besitzstandes, des Abkommens vom 3. November 1994 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechischen Republik über die Rückübernahme von Personen an der gemeinsamen Staatsgrenze (Rückübernahmeabkommen), der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, - haben Folgendes vereinbart:
Artikel 1
- (1) Die Vertragsparteien richten eine gemeinsam besetzte Dienststelle im Sinne des Artikels 5 des Polizeikooperationsvertrages unter der Bezeichnung "Gemeinsames Zentrum der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit Petrovice - Schwandorf" (im Folgenden "Gemeinsames Zentrum") ein.
- (2) Das Gemeinsame Zentrum besteht aus einer Arbeitsstelle in Schwandorf und einer Arbeitsstelle in Petrovice.
Artikel 2
- (1) Im Gemeinsamen Zentrum werden in gemeinsamen Räumlichkeiten deutsche und tschechische Bedienstete tätig, die von den zuständigen Behörden (im Folgenden "Entsendebehörden") in Übereinstimmung mit dem Polizeikooperationsvertrag entsandt werden.
- (2) Die Bediensteten des Gemeinsamen Zentrums werden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen innerstaatlichen Rechtsvorschriften als Vertreter der Entsendebehörden tätig und unterliegen deren Weisungs- und Disziplinargewalt.
Artikel 3
- (1) Die Zusammenarbeit im Gemeinsamen Zentrum umfasst insbesondere
- 1. den Austausch, die Steuerung und die Sammlung von Informationen sowie die Mitwirkung bei deren Analyse anhand von vereinbarten einheitlichen Standards;
- 2. die Unterstützung bei der Erstellung gemeinsamer Lagebilder anhand von vereinbarten einheitlichen Standards in vereinbarten regelmäßigen Zeitabständen sowie anlassbezogen;
- 3. die Unterstützung bei der Vorbereitung, Stellung und Beantwortung von Ersuchen im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung und bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung;
- 4. die Mitwirkung bei der Koordinierung von Einsätzen, insbesondere im Bedarfsfall,
- a) bei der Abstimmung von Aufklärungs- und Überwachungsmaßnahmen, die die Grenzgebiete betreffen,
- b) bei der Abstimmung von grenzüberschreitenden Fahndungsmaßnahmen,
- c) zur Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Streifen und gemeinsamer Kontrollgruppen,
- d) bei der Abstimmung grenzüberschreitender Observations- und Nacheilehandlungen;
- 5. die Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und Koordinierung von Überstellungen von Personen auf der Grundlage geltender völkerrechtlicher Verträge und des Rechts der Europäischen Union;
- 6. die Unterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Aus- und Fortbildung in Angelegenheiten der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit sowie bei der Weiterentwicklung und Förderung der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit.
- (2) Den Bediensteten des Gemeinsamen Zentrums obliegt nicht die Anordnung von operativen Einsätzen. Sie können jedoch mit Zustimmung ihrer Entsendebehörde bei operativen Einsätzen in koordinierender und unterstützender Funktion tätig werden.
- (3) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der nationalen Zentralstellen der Polizeien und der Zollverwaltungen, bestehende Meldeverpflichtungen diesen gegenüber sowie andere Formen der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit bleiben unberührt.
Artikel 4
- (1) Die Bediensteten des Gemeinsamen Zentrums arbeiten vertrauensvoll zusammen und unterstützen sich gegenseitig.
- (2) Jede Vertragspartei bestimmt jeweils einen Koordinator für jede Arbeitsstelle. Jeder Koordinator vertritt in der Arbeitsstelle die Entsendebehörden seines Staates. Jeder Koordinator ist für einen reibungslosen Betrieb in der jeweiligen Arbeitsstelle verantwortlich, der von den Bediensteten seines Staates sichergestellt wird, und trifft Entscheidungen, die für die Organisation und die Abwicklung der laufenden Tätigkeiten der jeweiligen Arbeitsstelle erforderlich sind. Die Weisungs- und Disziplinargewalt der Entsendebehörden gegenüber den Bediensteten bleibt unberührt. Die Koordinatoren stellen eine reibungslose Zusammenarbeit und einen reibungslosen Informationsaustausch zwischen beiden Arbeitsstellen sicher.
- (3) Die Koordinatoren erarbeiten gemeinsam eine Geschäftsordnung für ihre jeweilige Arbeitsstelle. Die Geschäftsordnungen werden auf deutscher Seite von den Entsendebehörden und auf tschechischer Seite von dem Polizeipräsidium der Tschechischen Republik im Einvernehmen mit der Generaldirektion der Zölle genehmigt.
- (4) Die Koordinatoren übergeben einander eine Liste der in der jeweiligen Arbeitsstelle tätigen Bediensteten der Entsendebehörden ihres Staates, die in Form einer Gesamtliste ständig zu aktualisieren ist. In jeder Arbeitsstelle wird ein gemeinsames Geschäftszimmer eingerichtet und unterhalten, in dem Bedienstete beider Seiten tätig sind.
- (5) Das Gemeinsame Zentrum als Ganzes wird durch alle Koordinatoren gemeinsam repräsentiert, soweit nichts anderes vereinbart ist. Soweit für das Gemeinsame Zentrum eine eigene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich ist, wird diese zwischen den Koordinatoren abgestimmt. Informationen zu konkreten Fällen der Zusammenarbeit erteilen die Koordinatoren nur im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden beider Staaten.
- (6) Die mit dem Betrieb und Schutz der Liegenschaften verbundenen Rechte und Pflichten werden in der Arbeitsstelle Schwandorf von dem deutschen Koordinator und in der Arbeitsstelle Petrovice von der Bezirksdirektion der Polizei im Bezirk Usti ausgeübt.
Artikel 5
- (1) Jede Arbeitsstelle wird in deutscher und tschechischer Sprache gekennzeichnet.
- (2) Die Koordinatoren regeln die Aufteilung der Räumlichkeiten sowie der Ausstattung jeder Arbeitsstelle schriftlich im gegenseitigen Einvernehmen. Dabei ist die Zahl der entsandten Bediensteten entsprechend zu berücksichtigen. Die Koordinatoren stimmen dies im Voraus mit den Entsendebehörden ab.
- (3) Der Betrieb des Gemeinsamen Zentrums erfolgt rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Die Einzelheiten zur Anwesenheit der Bediensteten in den Arbeitsstellen des Gemeinsamen Zentrums werden in deren Geschäftsordnungen geregelt.
- (4) Die Arbeitssprachen im Gemeinsamen Zentrum sind deutsch und tschechisch. Jeder Bedienstete kann die Arbeitssprache seiner Wahl nutzen.
Artikel 6
- (1) Die deutsche Vertragspartei stellt für die Arbeitsstelle in Schwandorf, die tschechische Vertragspartei stellt für die Arbeitsstelle in Petrovice sachgerecht hergerichtete Liegenschaften einschließlich von Kraftfahrzeugstellplätzen zur Verfügung und trägt die jeweiligen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaften. Für alle Arbeitsplätze ist eine Ausstattung mit Kommunikationstechnik und die Nutzungsmöglichkeit von Computertechnik vorzusehen.
- (2) Die nach Absatz 1 zuständige Vertragspartei stellt für die Bediensteten der Entsendebehörden der anderen Vertragspartei die Installation der erforderlichen Informations- und Kommunikationsnetze in der Liegenschaft sicher. Die erforderlichen Daten- und Telekommunikationsverbindungen stellen die jeweiligen Entsendebehörden sicher.
- (3) Die Entsendebehörden gewährleisten ihren in das Gemeinsame Zentrum entsandten Bediensteten die vollständige Möglichkeit zur Datennutzung nach den für sie geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften. Dies gilt insbesondere für die Nutzung personenbezogener Daten unter Beachtung der jeweiligen innerstaatlichen und internationalen datenschutzrechtlichen Vorschriften.
- (4) Die Kosten für Telekommunikations- und Datenverbindungen, elektronische Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsanlagen sowie Kopiergeräte werden von jeder Vertragspartei selbst getragen.
- (5) Die Verteilung der Kosten für die weitere Ausstattung der Arbeitsstellen sowie der laufenden Kosten, insbesondere für Büromaterial, wird in den Geschäftsordnungen geregelt.
- (6) Die Kosten für spezifische Ausstattungen und die persönliche Ausstattung der Bediensteten einschließlich Reparaturen und Ersatzbeschaffungen werden von jeder Vertragspartei selbst übernommen, wobei eine Absprache der Entsendebehörden über eine andere Art und Weise der Kostenverteilung im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist.
- (7) Weitere Kosten, die beim Betrieb der Arbeitsstelle Schwandorf entstehen, trägt die deutsche Vertragspartei; weitere Kosten, die beim Betrieb der Arbeitsstelle Petrovice entstehen, trägt die tschechische Vertragspartei.
Artikel 7
Die Tätigkeit des Gemeinsamen Zentrums wird auf Ersuchen einer Vertragspartei gemeinsam evaluiert.
Artikel 8
- (1) Diese Vereinbarung tritt mit dem Tag des Eingangs der späteren der Noten in Kraft, in denen die Vertragsparteien einander mitgeteilt haben, dass ihre innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieser Vereinbarung erfüllt sind. Die Vertragsparteien werden die Vereinbarung ab dem Tag der Unterzeichnung in dem mit ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Einklang stehenden Umfang vorläufig anwenden.
- (2) Diese Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jede Vertragspartei kann sie schriftlich auf diplomatischem Weg kündigen. Die Kündigung wird neunzig Tage nach Eingang der Notifikation bei der anderen Vertragspartei wirksam. Diese Vereinbarung tritt spätestens an dem Tag außer Kraft, an dem der Polizeikooperationsvertrag erlischt, wenn dieser nicht durch eine andere vertragliche Regelung ersetzt wird.
Geschehen zu Hof am 13. Februar 2012 in zwei Urschriften, jede in deutscher und tschechischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
Für das Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland
Für das Ministerium des Innern der Tschechischen Republik