A. Problem
Der islamistische Terrorismus nutzt zunehmend die Verführbarkeit Minderjähriger für die Verfolgung seiner menschenverachtenden Ziele. Auch Minderjährige, die jünger als 14 Jahre sind, schließen sich inzwischen terroristischen Vereinigungen an. Beschränkungen der Arbeit des Verfassungsschutzes durch Mindestaltersgrenzen für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von personenbezogenen Daten gehen deshalb an der Realität vorbei.
B. Lösung
Die in § 11 Absatz 1 und § 24 BVerfSchG enthaltenen Beschränkungen für die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten Minderjähriger werden aufgehoben.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsaufgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Soweit durch den Wegfall der Mindestaltersgrenzen für die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten über Minderjährige die Zahl der Personen, die vom BfV beobachtet werden, steigt, kann dies im Rahmen der vorhandenen Ressourcen bewältigt werden. Eine Erhöhung der Personal- oder Sachmittel ist nicht zu erwarten.
F. Weitere Kosten
Keine.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes - Aufhebung des Mindestalters für die Beobachtung von Minderjährigen
Der Bayerische Ministerpräsident München, 21. März 2017
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes - Aufhebung des Mindestalters für die Beobachtung von Minderjährigen mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 956. Sitzung am 31. März 2017 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes - Aufhebung des Mindestalters für die Beobachtung von Minderjährigen
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes
Das Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2473) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 11 wird wie folgt geändert:
- a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
" § 11 Löschung personenbezogener Daten von Minderjährigen"
- b) Absatz 1 wird aufgehoben.
- c) Die Absatzbezeichung "(2)" wird gestrichen.
2. In § 13 Absatz 4 Satz 3 werden die Wörter "oder § 11 Absatz 1 Satz 3" gestrichen.
3. § 22b Absatz 6 wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 wird die Angabe " § 11 Absatz 1" gestrichen.
- b) Satz 2 wird wie folgt geändert:
- aa) Die Wörter "und § 11 Absatz 1" werden gestrichen.
- bb) Die Angabe " § 11 Absatz 2" wird durch die Angabe " § 11" ersetzt.
4. § 24 wird aufgehoben.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Zunehmend schließen sich auch Minderjährige, die jünger als 14 Jahre sind, dem islamistischen Terrorismus an. So wurde der Fall eines Zwölfjährigen bekannt, der - wohl veranlasst von einem Mitglied der Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates (IS) - versucht haben soll, zwei Sprengstoffanschläge auf einen Weihnachtsmarkt im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen zu verüben. Nur weil die Sprengvorrichtung versagte, kam es nicht zur Detonation. Da Minderjährige vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht strafmündig sind ( § 19 StGB), kann derartigen Bestrebungen insbesondere nicht auf Grundlage von § 89b StGB, sondern nur durch die Sicherheitsbehörden entgegengetreten werden.
Bei der Aufdeckung und Verhinderung terroristischer Anschläge kommt der Tätigkeit des Verfassungsschutzes eine zentrale Bedeutung zu. Denn der nachrichtendienstliche Aufgabenbereich ist bereits im Vorfeld konkreter Gefahren eröffnet. Im Unterschied zur präventivpolizeilichen Tätigkeit des Bundeskriminalamts hängt jedoch die Speicherung, Veränderung und Nutzung von personenbezogenen Daten durch das BfV vom Alter des Minderjährigen ab. Im Unterschied zur Strafmündigkeit, spielt die Einsichtsfähigkeit für die Frage der Gefahrenabwehr jedoch keine Rolle - Gefährlichkeit setzt keine Geschäftsfähigkeit voraus. Es macht für die Terrorgefahr keinen Unterschied, ob ein Anschlag von einem Zwölf- oder - wie im Fall der Messerattacke auf einen Bundespolizisten in Hannover am 26. Februar 2016 - einer 15-Jährigen verübt wird. Im Fall aus Hannover hatte der Radikalisierungsprozess der Täterin schon im frühen Kindesalter begonnen. Sie hatte als 7-Jährige bereits Kontakt zu einem bekannten Salafistenprediger und rezitierte mit ihm in einem Video Koranverse. Ob ein radikalisierter Minderjähriger einen Anschlag in solchen Fällen vor oder erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres verübt, hängt letztlich vom Zufall ab. Die durch das Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1818) auf Empfehlung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags erfolgte Herabsetzung der Altersgrenze in § 11 Absatz 1 BVerfSchG von 16 auf 14 Jahre (BT-Drs. 18/8917) reicht daher als wirksame Reaktion auf die Problematik nicht aus.
Die Zweckmäßigkeit einer vollständigen Aufhebung der Altersgrenzen ergibt sich auch aus der notwendigerweise engen Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei bei der Verhinderung und Aufklärung von geplanten Terroranschlägen. Da es für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Polizei keine vergleichbare Alterseinschränkung gibt, sollte Gleiches auch für den Verfassungsschutz gelten. Den Verfassungsschutz mit entsprechenden Befugnissen auszustatten ist umso mehr gerechtfertigt, als sich sein Beobachtungsauftrag nur auf solche Bestrebungen und Tätigkeiten richtet, die eine Gefahr für höchste Rechtsgüter darstellen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes)
Zu Nummer 1 ( § 11 BVerfSchG)
Zu Buchstabe a (Überschrift)
Da der Absatz 1 aufgehoben wird, verbleiben nur noch die Regelungen des Absatzes 2 zu den besonderen Prüf- und Löschfristen für personenbezogene Daten von Minderjährigen. Die Überschrift ist daher entsprechend anzupassen.
Zu Buchstabe b (§ 11 Absatz 1)
Die in § 11 Absatz 1 BVerfSchG geregelten Altersgrenzen, die eine Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten über Minderjährige in Akten vor Vollendung des 14. Lebensjahres nur zulassen, wenn bestimmte Straftaten im Raum stehen, und eine Speicherung in Dateien vor dem vollendeten 14. Lebensjahr ausnahmslos ausschließen, werden aufgehoben. Einen entsprechenden Schritt hat der bayerische Landesgesetzgeber bei der Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) im Jahr 2016 vollzogen (vgl. Artikel 5 und 21 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 BayVSG vom 12. Juli 2016, GVBl. S. 134). Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung soll sich künftig ohne Altersbeschränkung allein nach den Umständen des Einzelfalles richten. Dies bedeutet nicht, dass dem Minderjährigenschutz keine Bedeutung bei der Verarbeitung von Daten durch das BfV zukäme. Vielmehr ist dieser Schutz auf der Vollzugsebene im jeweiligen Einzelfall im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigen. Zudem gelten weiterhin für personenbezogene Daten über das Verhalten Minderjähriger die besondere Löschungs- und Überprüfungsfristen des § 11 Absatz 2 BVerfSchG a.F., die dem Umstand Rechnung tragen, dass die Persönlichkeit von Minderjährigen noch nicht gefestigt ist, und ein "Vergessen" von "Jugendsünden" sicherstellen.
Zu Buchstabe c (§ 11 Absatz 2)
Redaktionelle Anpassung aufgrund der Aufhebung von Absatz 1.
Zu Nummer 2 ( § 13 BVerfSchG)
Folgeänderung.
Zu Nummer 3 ( § 22b BVerfSchG)
Folgeänderungen.
Zu Nummer 4 ( § 24 BVerfSchG)
Die Beschränkungen der Befugnis des BfV zur Übermittlung von personenbezogenen Daten über das Verhalten Minderjähriger werden aufgehoben. Die Datenübermittlung unterliegt bereits durch die Regelungen in § 19 BVerfSchG strengen Grenzen. Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Informationsweitergabe schadet der effektiven Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und ist angesichts der hohen terroristischen Bedrohung, die gerade auch von Minderjährigen ausgehen kann, nicht sachgerecht.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes (Artikel 82 Absatz 2 Satz 1 GG) .