858. Sitzung des Bundesrates am 15. Mai 2009
A.
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Finanzausschuss (Fz), der Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 Satz 2, § 2, § 5 Absatz 1 und § 8 Absatz 1 Nummer 1 und 2 NiSG)
Bei Annahme entfallen die Ziffern 2 und 3
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) § 1 Absatz 1 Satz 2 ist wie folgt zu fassen:
"Es gilt für den Betrieb von Anlagen zur Anwendung nichtionisierender Strahlung außerhalb der Medizin, soweit die Anlagen gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Anwendung finden."
- b) § 2 ist zu streichen.
- c) § 5 Absatz 1 ist zu streichen.
- d) § 8 Absatz 1 Nummer 1 und 2 ist zu streichen.
Begründung
Die genannten Regelungen konkurrieren mit bereits bestehendem Regelwerk und sollten aus Gründen der Rechtssicherheit gestrichen werden.
Die für die betrachtete medizinische Anwendung benötigten Geräte (Magnetresonanztomographen, UV-Bestrahlungstherapiegeräte, chirurgische Laser, Mikrowellen-Therapiegeräte, Ultraschalldiagnostikgeräte etc.) unterliegen dem Medizinproduktegesetz, nach dem der Hersteller in einem Konformitätsbewertungsverfahren nachweisen muss, dass die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte gegeben und die Gesundheit und der erforderliche Schutz der Patienten, Anwender und Dritter gewährleistet ist. Mit der CE-Kennzeichnung
wird die Übereinstimmung mit den "grundlegenden Anforderungen" der europäischen Medizinprodukte-Richtlinie dokumentiert, die auch den Schutz vor nichtionisierender Strahlung umfasst. Medizinprodukte müssen also derart ausgelegt und hergestellt sein, dass die Strahlenexposition von Patienten, Anwendern und sonstigen Personen so weit verringert wird, wie dies mit der Zweckbestimmung der jeweiligen für therapeutische oder diagnostische Zwecke angezeigten Dosiswerte vereinbar ist (Anhang I Grundlegende Anforderungen Nummer 11.1.1. Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte).
In der Medizinprodukte-Betreiberverordnung ist die Anwendung von Medizinprodukten geregelt, die sich auch auf die erforderlichen Kenntnisse erstreckt und wiederkehrende Prüfungen für diese Medizinprodukte festlegt. Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung verweist auch auf einschlägige Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften, wie beispielsweise die Vorschrift "Laserstrahlung", die eine Fachkunde für den Anwender definiert und vorschreibt. Es sind keine Daten bekannt, die ein besonderes Gefahrenpotential bei der Anwendung nichtionisierender Strahlung belegen.
Zusätzliche Regelungen sollten aus rechtssystematischen Gründen vermieden werden.
2. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 NiSG)
Entfällt bei Annahme von Ziffer 1
In Artikel 1 ist § 8 Absatz 1 Nummer 1 zu streichen.
Begründung
Die Anwendung von Strahlung entgegen § 2 Absatz 1 (oberhalb von Werten, bei deren Überschreitung mit konkreten negativen gesundheitlichen Auswirkungen zu rechnen ist, ohne rechtfertigende Indikation) ist eine Körperverletzung und damit bereits eine Straftat nach dem StGB.
3. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 1 Nummer 2 NiSG)
Entfällt bei Annahme von Ziffer 1
In Artikel 1 ist § 8 Absatz 1 Nummer 2 zu streichen.
Begründung
Weitere Anforderungen an das Betreiben und Anwenden der Medizinprodukte unterliegen den Regelungen des Medizinprodukterechtes, dessen Anwendung nach § 1 Absatz 3 unberührt bleibt. Verstöße sind bereits dort entsprechend sanktioniert.
4. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 22 Absatz 1 Satz 3 BImSchG)
In Bei Annahme entfällt Ziffer 5
In Artikel 2 Nummer 1 sind nach dem Wort "Luftverunreinigungen" das Komma durch das Wort "oder" zu ersetzen und die Wörter "oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen" zu streichen.
Begründung
Die konkreten Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen auf den im Aufbau befindlichen BOS-Digitalfunk sind gegenwärtig nicht vollumfänglich abschätzbar. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die festgelegten Grenzwerte eingehalten werden. Alle Antennenstandorte werden von der Bundesnetzagentur geprüft und abgenommen. Hierzu werden der Bundesnetzagentur alle erforderlichen Daten vorgelegt. Insofern ist die Notwendigkeit einer weiteren Regelung - auch vor dem Hintergrund des daraus resultierenden Verwaltungsaufwandes - abzulehnen.
Ergänzend bedarf es der besonderen Berücksichtigung, dass es sich bei dem BOS-Digitalfunknetz um ein Hochsicherheitsnetz handelt und deshalb die Gesamtheit der Basisstationen vom Bund VS-geheim eingestuft wird. Es müsste deshalb sichergestellt werden, dass die im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesetzes erhobenen Daten ausschließlich auf Anlagen gespeichert und verarbeitet werden, die den hohen Anforderungen der Verschlusssachenanweisung des Bundes entsprechen. Keinesfalls dürften die Daten zugänglich gemacht werden. Durch eine Weitergabe der Daten an andere Stellen besteht ein erhöhtes Risiko der Veröffentlichung. Dadurch wäre die Verfügbarkeit des BOS-Digitalfunks gefährdet, da das Hochsicherheitsnetz ein potenzielles Ziel für Sabotageakte oder Anschläge darstellt.
Eine Einbeziehung von hoheitlich betriebenen Funkanlagen würde - entgegen der Ausführungen in Abschnitt VII.3 der Gesetzesbegründung - neue Anzeigepflichten für Bund und Länder zur Folge haben. Dies würde erhebliche Kosten und einen enormen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, da nicht nur für ca. 4000 Basisstationsstandorte, sondern auch für jedes Dienstgebäude der BOS, in dem ein ortsfestes Funkgerät installiert ist, eine Anzeigenpflicht auf Verordnungsebene als Ausfluss aus § 23 BImSchG bestünde. Diesem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand stünde kein entsprechender Mehrwert in der Sache gegenüber.
Darüber hinaus unterliegen gesetzliche Regelungen regelmäßig Anpassungen, auch durch europarechtliche Vorgaben. Welche Veränderungen (Verschärfungen) des BImSchG in den nächsten Jahren erfolgen werden, ist nicht absehbar. Es ist allerdings auszuschließen, dass mögliche gesetzliche Änderungen dazu führen, dass das hochkomplexe BOS-Digitalfunknetz (mit einer Vielzahl von verschiedenen beteiligten Organisationen, sowie spezieller und sehr aufwändiger Technik) nicht oder nur mit unvertretbar hohen Kosten angepasst werden kann.
5. Zu Artikel 2 nach Nummer 2 (§ 60a - neu - BlmSchG)
Entfällt bei Annahme von Ziffer 4
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob tatsächlich die Notwendigkeit besteht, den BOS-Digitalfunk in den Regelungsbereich des Gesetzes einzubeziehen.
Der Bundesrat regt vor diesem Hintergrund an, im Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Ausnahmeregelung für den BOS-Digitalfunk (in Anlehnung an die Ausnahmeregelung des § 60 BImschG) nach folgendem Muster zu schaffen:"
§ 60a Ausnahmen für Anlagen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS)
- (1) Das Bundesministerium des Innern kann für Anlagen nach § 3 Absatz 5 Nummer 1 und 3, die der Aufgabenerfüllung der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben dienen, in Einzelfällen, auch für bestimmte Arten von Anlagen, Ausnahmen von diesem Gesetz und von den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zulassen, soweit dies zwingende Gründe für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfordern. Dabei ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu berücksichtigen.
- (2) Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben dürfen bei Anlagen nach § 3 Absatz 5 Nummer 2, die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung in ihrem Bereich bestimmt sind, von den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben zwingend erforderlich ist."
Begründung
Die konkreten Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen auf den BOS-Digitalfunk sind gegenwärtig nicht vollumfänglich abschätzbar. Es wird davon ausgegangen, dass die festgelegten Grenzwerte im BOS-Digitalfunk eingehalten werden. Alle Antennenstandorte werden von der Bundesnetzagentur geprüft und abgenommen. In der Bundesnetzagentur liegen alle erforderlichen Daten vor. Insofern ist die Notwendigkeit einer weiteren Regelung auch vor dem Hintergrund des daraus resultierenden Verwaltungsaufwandes zu hinterfragen.
Es bedarf der besonderen Berücksichtigung, dass es sich bei dem BOS-Digitalfunknetz um ein Hochsicherheitsnetz handelt. Die Gesamtheit der Basisstationen wird als VS-geheim eingestuft werden. Es muss sichergestellt werden, dass die im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesetzes erhobenen Daten ausschließlich auf Anlagen gespeichert und verarbeitet werden, die den hohen Anforderungen der Verschlusssachenanweisung des Bundes entsprechen. Keinesfalls dürfen die Daten veröffentlicht oder sonst zugänglich gemacht werden. Insofern sind Ausnahmen von dem Gesetz erforderlich (auch vor dem Hintergrund von eventuellen Berichtspflichten und möglichen späteren Veränderungen der Regelungen - beispielsweise in Richtung mehr Transparenz gegenüber der Bevölkerung -).
Gesetzliche Regelungen unterliegen regelmäßig Anpassungen, auch durch europarechtliche Vorgaben. Welche Veränderungen (Verschärfungen) der Regelungen in den nächsten Jahren erfolgen werden, ist nicht absehbar. Es ist aber nicht auszuschließen, dass mögliche Änderungen im Gesetz in dem hochkomplexen BOS-Digitalfunknetz mit einer Vielzahl von verschiedenen beteiligten Organisationen mit jeweils spezieller und sehr aufwändiger Technik - auch im Hinblick auf die dadurch entstehenden Kosten - nicht sofort umgesetzt werden können. Auch insofern sind Ausnahmeregelungen erforderlich.
6. Zu Artikel 2 (Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes)
Der Bundesrat begrüßt die von der Bundesregierung vorgeschlagene Anpassung der Regelungen des Immissionsschutzes an den europaweit anerkannten Schutzstandard für alle Frequenzbereiche und die Empfehlung des EU-Ministerrates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern. Der Bundesrat stellt jedoch fest, dass die Umsetzung dieser Vorgaben ohne Kenntnis der von der Bundesregierung konkret geplanten Änderungen in der 26. BImSchV nicht beurteilt werden kann. Insbesondere können keine Aussagen über die auf die Länderhaushalte für den Vollzug der geplanten Änderungen zukommenden Kosten getroffen werden, solange die untergesetzliche Umsetzung den Ländern nicht bekannt ist.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Erweiterung der Regelungen im BImSchG und den damit verfolgten Zielen wird grundsätzlich zugestimmt. Allerdings können zu der beabsichtigten konkreten Umsetzung keine Aussagen getroffen werden, weil die zur Umsetzung geplanten Änderungen in der 26. BImSchV den Ländern nicht bekannt sind. Insofern kann ohne das Vorliegen eines entsprechenden Entwurfs auch keine Stellungnahme zu den erwarteten Kosten abgegeben werden. Da die Bundesregierung aber schon Aussagen zu den Kosten der Umsetzung in der Begründung der Vorlage trifft (u.a. auf S. 34 ff. der Vorlage), soll durch die Stellungnahme klargestellt werden, dass mit der Zustimmung zu der geplanten Gesetzesänderung keine Zustimmung zu nicht bekannten Umsetzungsvorhaben auf Verordnungsebene verbunden ist.
B.
- 7. Der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.