Der Bundesrat hat in seiner 900. Sitzung am 21. September 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat befürwortet das Vorhaben der Kommission, die Verbraucherinformation bei Anlageprodukten durch eine Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte zu verbessern.
- 2. Er begrüßt, dass der vorgelegte Vorschlag den Verbraucherschutz durch Verbesserung der Produktinformationen stärkt. Auf europäischer Ebene sind gemeinsame inhaltliche und formale Standards für Anlegerinformationen bisher nur im Bereich der Investmentfonds geregelt. Mit der Übertragung dieses Ansatzes auf andere komplexere Finanzprodukte wird ein wichtiger Schritt zu produktübergreifenden einheitlichen Spielregeln am europäischen Markt für Privatanleger vollzogen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt ferner die mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Zielsetzung, die Qualität der Verbraucherinformationen und die Transparenz auf dem Anlagemarkt für Kleinanleger durch die Einführung von Basisinformationsblättern, die in gut verständlicher Form Produktinformationen enthalten, zu erhöhen. Dies kann dazu beitragen, das Produktverständnis der Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen und Produktvergleiche zu ermöglichen. Transparenz und hohe Qualität der Verbraucherinformationen sind wesentliche Elemente fairer, effizient regulierter und am Leitbild der mündigen Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichteten Privatkundenmärkte. Daher ist das mit dem Vorschlag verfolgte Anliegen grundsätzlich zu unterstützen.
- 4. Eine anbieterbezogene Verpflichtung, die wesentlichen Eigenschaften eines Anlageprodukts in knapper und verständlicher Form darzustellen, schließt die Lücke zwischen den vertriebsbezogenen Informationspflichten der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente und den Prospektpflichten für die Zulassung von Wertpapieren nach der Richtlinie 2003/71/EG.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine transparente Produktinformation ein entscheidendes Kriterium für Verbraucherinnen und Verbraucher ist, um das für sie geeignete Finanzprodukt auszuwählen.
Er begrüßt insbesondere die mit dem Verordnungsvorschlag verbundene Harmonisierung der Informationspflichten gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Verpflichtung des Emittenten des Anlageprodukts und nicht des Anlageberaters, ein Basisinformationsblatt zu erstellen, wird als praxisgerecht angesehen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, in Folge der Verordnung die deutschen Regelungen über Produktinformationsblätter im Wertpapierhandelsgesetz, im Vermögensanlagengesetz und im Investmentgesetz an die EU-Regelungen anzupassen und hinsichtlich Adressatenkreis und inhaltliche Ausgestaltung zu vereinheitlichen.
- 6. Der Bundesrat ist allerdings auch der Auffassung, dass der Verordnungsvorschlag der Kommission bei einigen Punkten noch verbesserungsfähig ist.
- 7. Die Bedeutung eines wirksamen finanziellen Verbraucherschutzes ist insbesondere während der Finanzkrise deutlich geworden. Ein wesentlicher Baustein zur Verbesserung des Anlegerschutzes war in Deutschland die Einführung verpflichtender Produktinformationsblätter, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein hinreichendes Verständnis der verschiedenen Finanzinstrumente und vor allem einen Vergleich der Produkte untereinander zu ermöglichen. Verschiedene Untersuchungen der vergangenen Monate haben jedoch deutliche Defizite der Produktinformationsblätter im Bereich der Verständlichkeit, der nur eingeschränkten Vergleichbarkeit und der Qualität der verwendeten Daten aufgezeigt.
- 8. Die bisherigen praktischen Erfahrungen mit dem strukturell vergleichbaren Produktinformationsblatt (§ 31 Absatz 3a Wertpapierhandelsgesetz) sollten im Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden. Damit die entsprechende Diskussion im Gesetzgebungsverfahren sinnvoll geführt werden kann, ist es aber notwendig, Inhalt und Format bereits möglichst umfassend in der Verordnung selbst zu regeln.
- 9. Im Einzelfall kann es schwierig sein, den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags von den bereits bestehenden Informationspflichten abzugrenzen. Vor diesem Hintergrund sollten Inhalt und Format der verschiedenen Informationsblätter weitestgehend aufeinander abgestimmt werden. Der Bundesrat ist darüber hinaus der Ansicht, dass ein Nebeneinander verschiedener Informationsblätter für einzelne Produkte möglichst vermieden werden sollte. Statt mehr Klarheit würde nur mehr Verwirrung geschaffen und somit das gesetzgeberische Ziel des Vorschlags konterkariert.
Zu den einzelnen Vorschriften
- 10. Nach Auffassung des Bundesrates ist der Vorschlag der Kommission geeignet, in den Untersuchungen festgestellte Defizite zu beseitigen. Um die Qualität der Basisinformationsblätter im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher noch weiter zu verbessern, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, die folgenden Punkte in die weiteren Beratungen auf EU-Ebene einzubringen.
11. Zu Artikel 2
Zu Artikel 2 bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im Verlauf der weiteren Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag der Kommission zu prüfen, ob im Hinblick auf den Anwendungsbereich eine Klarstellung angezeigt ist, dass Spareinlagen wie beispielsweise das Sparbuch oder das Sparkassenbuch nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Derartige einfache Spareinlagen und ihr Risikoprofil sind in der Regel für Anleger relativ leicht durchschaubar. Dies spricht im Lichte des Verordnungszwecks dagegen, sie unter den Anwendungsbereich der Verordnung zu subsumieren.
Zu Artikel 5
- 12. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Basisinformationsblätter produktübergreifend möglichst einheitlich gestaltet werden sollen, um dem Anleger, dem nicht selten unterschiedliche Kategorien von Finanzanlagen angeboten werden, einen effektiven Vergleich der Produkte zu ermöglichen. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass auf Grund der weitgehenden Ermächtigungen der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte eine zersplitterte Landschaft an Formaten und Inhalten für unterschiedliche Anlageprodukte entstehen könnte, und spricht sich daher dafür aus, die wesentlichen Vorgaben für Basisinformationsblätter in größerem Umfang als bislang vorgeschlagen in der Verordnung selbst zu regeln.
- 13. Er unterstützt den Vorschlag, dass die Produktinformationen den Verbraucherinnen und Verbrauchern in standardisierter Form in einem gemeinsamen Format darzustellen sind. Er spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Inhalte der Basisinformationsblätter weitgehend durch standardisierte, vorformulierte Angaben zu vereinheitlichen. Damit kann vermieden werden, dass wesentliche Produktinformationen auf Grund ihrer Einbettung in längere Texte, undeutlicher Formulierungen oder der Verwendung unpräziser Fachbegriffe vom Anleger nicht wahrgenommen oder nicht richtig erfasst werden.
- 14. Der Bundesrat hält die in Artikel 5 aufgestellte Anforderung, dass der Anlageproduktanbieter das Basisinformationsblatt auf einer Webseite seiner Wahl veröffentlichen muss, bevor das Anlageprodukt an Kleinanleger verkauft wird, nicht für ausreichend. Alle Produktinformationsblätter sollten nicht nur auf einer Unternehmenswebseite, sondern auch auf einer zentralen Webseite der jeweiligen nationalen Finanzaufsichtsbehörde veröffentlicht werden müssen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher die verschiedenen Produkte und deren Konditionen leichter vergleichen können.
- 15. Artikel 5 des Verordnungsvorschlags sieht vor, dass der Anlageproduktanbieter für jedes von ihm aufgelegte Anlageprodukt ein Basisinformationsblatt im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung abzufassen hat. Es erscheint unklar, ob dies auch bedeuten soll, dass für alle Produkte eine Aktualisierung des Basisinformationsblatts verlangt wird. Dies wäre mit einem unvertretbaren Aufwand für die Emittenten verbunden. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass im weiteren Verfahren geprüft wird, ob eine Klarstellung erforderlich ist, dass das Basisinformationsblatt nur für neu aufgelegte Produkte zu erstellen ist, nicht aber für bereits aufgelegte bzw. laufende und solche Produkte, die nicht mehr angeboten werden.
Zu Artikel 6
- 16. Ferner bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf eine Prüfung hinzuwirken, ob die in Artikel 6 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Regelung, wonach das Basisinformationsblatt als "kurze Unterlage" abzufassen ist, hinreichend praxistauglich und zielführend ist. Denn ein Maximalumfang des Basisinformationsblatts (Anzahl der zulässigen Seiten) ist nicht angegeben. Daher erscheint es nicht zweifelsfrei, ob angesichts des unbestimmten Umfangs die angestrebte Vergleichbarkeit der betroffenen Finanzprodukte durch die Basisinformationsblätter tatsächlich erreicht werden kann.
- 17. Aus Sicht des Bundesrates sollte der Seitenumfang der Basisinformationsblätter in der Verordnung auf zwei bis maximal drei DIN-A4-Seiten begrenzt werden. Entsprechende Begrenzungen haben sich auf europäischer Ebene bei den wesentlichen Anlegerinformationen für OGAW (Investmentfonds) sowie in Deutschland beim Vertrieb von Wertpapieren nach dem Wertpapierhandelsgesetz bewährt.
Zu Artikel 8
- 18. Die Möglichkeiten der Verwertung des Anlageprodukts vor, aber auch nach Ende der Laufzeit stellen aus Sicht des Bundesrates sehr wesentliche Produktinformationen dar. Als Anleger vermutet man diese jedoch nicht ohne Weiteres, wenn sie unter der Überschrift "Wozu ist es gedacht?", wie dies Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe d vorsieht, erteilt werden. Sie sollten daher durch eine besser geeignete Überschrift in den Basisinformationsblättern hervorgehoben werden.
- 19. Der Bundesrat befürwortet den im Verordnungsvorschlag in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e vorgesehenen Gesamtindikator für das Risiko-/Renditeprofil des Anlageprodukts. Er ist der Auffassung, dass bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen für Produktinformationsblätter ein besonderer Schwerpunkt auf die Vermittlung eines einfachen und verständlichen Risiko- und Renditeprofils zu legen ist. Durch eine Zuordnung der Anlage in eine Risikoklasse durch einen Gesamtindikator sollten Verbraucherinnen und Verbraucher auf verständliche Weise darüber informiert werden, ob es sich um ein relativ sicheres oder ein spekulatives Anlageprodukt handelt. Gegebenenfalls könnten hochriskante Finanzprodukte zusätzlich farblich markiert und mit einem Warnhinweis versehen werden. Der Bundesrat regt daher an, bei der Erarbeitung der Methodik für die Darstellung der Risiko-Rendite-Relation/Gesamtindikator zu prüfen, inwieweit bei der Darstellung eine farbliche Visualisierung (z.B. Ampelkennzeichnung) eine vereinfachte schnelle Wahrnehmung für die Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglichen kann (Artikel 8 Absatz 6 Buchstabe a).
- 20. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Nutzen des Basisinformationsblattes auch von der transparenten Darstellung der mit dem Anlageprodukt verbundenen Kosten, einschließlich der dem Anleger entstehenden direkten und indirekten Kosten, abhängen wird (Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe f). In ihrer jetzigen rechtlichen Ausgestaltung ist aus dem Verordnungsvorschlag nicht eindeutig zu entnehmen, ob und inwieweit bei den darzustellenden Kosten auch Vertriebs- und Vermittlungskosten einzubeziehen sind. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine klare Regelung zum Umfang der Offenlegung dieser aus Verbraucherschutzsicht besonders relevanten Informationen zu treffen ist.
- 21. Artikel 8 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags gibt dem Anlageproduktanbieter die Möglichkeit, in das Basisinformationsblatt - über die Angaben nach Artikel 8 Absatz 2 hinaus - weitere Informationen hinzuzufügen, wenn dies erforderlich ist, damit der Kleinanleger eine fundierte Anlageentscheidung hinsichtlich eines speziellen Anlageprodukts treffen kann. Nähere Angaben, welche Informationen damit gemeint sind, enthält die Regelung nicht. Daher ist denkbar, dass Anlageproduktanbieter nach eigenem Dafürhalten zusätzliche Inhalte festlegen. Angesichts einer erheblichen Anzahl von Produkten und Produktanbietern kann dies eine Differenzierung der Basisinformationsblätter nach sich ziehen. Dies könnte im Ergebnis zur Nichvergleichbarkeit führen, obwohl mit der Verordnung das Ziel verfolgt wird, durch die Einführung von Basisinformationsblättern die Vergleichbarkeit des Produktangebots zu fördern. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf Prüfung hinzuwirken, ob Artikel 8 Absatz 3 im Hinblick auf den mit dem Verordnungsvorschlag verfolgten Zweck notwendig und zielführend ist.
- 22. Der Verweis auf Preisverzeichnisse und die Verwendung von Abkürzungen sollten verboten werden.
Es sollte eine Verpflichtung zur Darstellung aller Einzelkosten (Abschluss- und Vertriebskosten, Folgekosten, Provisionen) in Euro und, soweit sie von unbestimmten Faktoren (Wertentwicklung) abhängen, anhand von Beispielrechnungen eingeführt werden.
- 23. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, Anleger im gebotenen und möglichen Umfang über Rückvergütungen der Produktanbieter an Anlageberater und -vermittler zu informieren, und schlägt daher vor, entsprechende Angaben gesondert zu den ohnehin anzugebenden Kosten in die Basisinformationsblätter aufzunehmen.
- 24. Negative Informationen sollten vor den positiven Informationen dargestellt werden. Dem dadurch entstehenden Interessenkonflikt (die Darstellung von Risiken behindert den Verkauf des Produkts) könnte durch eine Risikoklassifizierung begegnet werden.
- 25. Der Bundesrat unterstützt das Ansinnen im Verordnungsvorschlag, dass im Rahmen des Produktinformationsblattes auch Fragen zu Umwelt und/oder Soziales in Bezug auf die Geschäftsführung des Anlageproduktanbieters oder das Anlageprodukt thematisiert werden (Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b Dreifachbuchstabe iii). Es ist richtig, Verbraucherinnen und Verbraucher neben finanziellen Aspekten auch Informationen etwa zu sozialen oder umweltpolitischen Zielen für die Anlageentscheidung zur Verfügung zu stellen. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass die Angaben im Produktinformationsblatt belastbare Informationen zu diesen Fragestellungen enthalten müssen und nicht nur Angaben zu angestrebten Ergebnissen des Anlageproduktanbieters sein dürfen. Der Bundesrat spricht sich im Kontext des Verordnungsvorschlags für die Entwicklung verlässlicher Kriterien z.B. über die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards des Anlageprodukts auf europäischer Ebene aus. Ergänzt werden könnten diese Informationen durch die Etablierung eines Gütesiegels für nachhaltige Finanzprodukte.
Zu Artikel 10
- 26. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Basisinformationsblätter stets auf einem aktuellen Stand zu halten sind. Daher wird, auch mit Blick auf die Haftung der Anbieter für unrichtige Produktinformationen, eine nur turnusmäßige Überprüfung und Überarbeitung, wie sie in Artikel 10 Absatz 2 zugrunde gelegt wird, kritisch gesehen.
Neben der Überprüfung durch die Anlageproduktanbieter nach Artikel 10 sollte auch die EU die Basisinformationsblätter im Hinblick auf ihre Verständlichkeit und ihre Eignung als Entscheidungshilfe für Anleger regelmäßig evaluieren.
Zu Artikel 11
- 27. Der Bundesrat schlägt vor, in der Haftungsregelung des Artikels 11 die Ansprüche des Anlegers zu konkretisieren. Dem Anleger sollte entsprechend den deutschen Regelungen zur gesetzlichen Prospekthaftung ausdrücklich der Anspruch eingeräumt werden, die Rücknahme der Geldanlage zum Erwerbspreis zu verlangen. Weiter sollte der Anleger von der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kausalität zwischen den unrichtigen oder unvollständigen Inhalten des Basisinformationsblatts und dem erlittenen Verlust zumindest hinsichtlich der Anlageentscheidung befreit werden, da der Nachweis dieser inneren Tatsachen oftmals nur schwer möglich sein wird. Die im deutschen Recht bestehenden Regelungen zur gesetzlichen Prospekthaftung, die insoweit auf einen Kausalitätsnachweis verzichten, haben sich bewährt.
- 28. Klarstellend sollte Artikel 11 Absatz 3 dahingehend ergänzt werden, dass nicht nur die in Artikel 11 Absatz 2 genannte Verteilung, sondern auch die Haftung nach Artikel 11 Absatz 1 nicht im Voraus durch eine entgegenstehende Vereinbarung abbedungen werden kann. Hinweise mit dem Inhalt, dass für die Angaben des Produktinformationsblatts keine Gewähr übernommen wird, sollten klarstellend für unzulässig erklärt werden.
Zu Artikel 12
- 29. Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern rechtzeitig vor Vertragsschluss das Basisinformationsblatt zur Verfügung gestellt wird, damit Verbraucherinnen und Verbraucher das Produktinformationsblatt als Grundlage für ihre Anlageentscheidung zu Rate ziehen können. Ausnahmen von dieser Grundregel sollen auf ein Minimum reduziert werden. Bei der Entscheidung des Kleinanlegers für die Transaktion mithilfe eines Fernkommunikationsmittels soll die Person, die das Anlageprodukt verkauft, von der Bereitstellungspflicht des Produktinformationsblatts befreit sein, sofern sie den Kleinanleger über den Umstand informiert, dass das Produktinformationsblatt nicht rechtzeitig vor Abschluss des Vertrags zur Verfügung gestellt werden kann (Artikel 12 Absatz 2). Dies ist nach Auffassung des Bundesrates zu weitreichend. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, eine Abweichung von der Pflicht zur rechtzeitigen Zurverfügungstellung des Produktinformationsblatts nur vorzusehen, wenn der Kleinanleger ausdrücklich darauf verzichtet hat.
- 30. Er bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag auf eine Klarstellung in Artikel 12 Absatz 1 hinzuwirken, dass - wie im deutschen Recht - für beratungsfreie Geschäfte kein Basisinformationsblatt zur Verfügung gestellt werden muss. Nach der vorliegenden Fassung des Artikels 12 Absatz 1 muss davon ausgegangen werden, dass sowohl Geschäfte im Rahmen einer Anlageberatung als auch reine beratungsfreie Order-Geschäfte erfasst werden sollen. Eine Pflicht zur Verfügungstellung von Basisinformationsblättern bei beratungsfreien Order-Geschäften würde zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Anlageberater bzw. vertreibenden Institute führen, da auch in den Fällen, in denen Kunden auf eigene Initiative ungewöhnliche Anlageprodukte ordern wollen, die Verpflichtung bestünde, entsprechende Basisinformationsblätter vorzuhalten. Besonders kleinere Institute drohen hier überfordert zu werden. Die vertreibende Bank wäre dann gezwungen, eine entsprechende Order eines Kunden abzulehnen. Zumindest sollten für beratungsfreie Geschäfte Erleichterungen in der Art geschaffen werden, dass ein allgemeiner Hinweis auf die Verfügbarkeit eines Informationsblattes auf der Homepage des Emittenten ausreicht. Im Rahmen des Telefon- und Online-Brokerage sollte es darüber hinaus generell ausreichend sein, auf die konkrete Fundstelle für die Basisinformationsblätter für Anlageprodukte auf der Webseite des Emittenten zu verweisen.
- 31. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner dafür einzutreten, dass bei erfahrenen Anlegern auf deren Wunsch auf ein Basisinformationsblatt verzichtet werden kann. Gerade Kunden, die sich in einer intensiven Beratungssituation mit ihrem Institut befinden und häufiger Anlagegeschäfte tätigen, haben oft kein Verständnis, wenn ihre Wertpapiergeschäfte aufgrund der Informationspflichten erheblich verzögert werden. Sie fühlen sich durch die Verpflichtung der Bank, ihnen ein Basisinformationsblatt auszuhändigen, oftmals bevormundet und wollen selbst entscheiden, ob sie eine solche Information bekommen oder nicht.
Zu Artikel 13
- 32. Unter den Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 5 des Verordnungsvorschlags kann das Basisinformationsblatt über eine Website zur Verfügung gestellt werden. Nach Artikel 13 Absatz 5 Buchstabe d sind dem Kleinanleger, wenn das Basisinformationsblatt gemäß Artikel 10 überarbeitet wird, auch sämtliche überarbeiteten Fassungen zur Verfügung zu stellen. Diese Regelung würde bedeuten, dass der Emittent die komplette Historie der für ein Produkt erstellten Basisinformationsblätter veröffentlichen müsste. Insoweit ist zum einen fraglich, welchen Nutzen dies für die Anleger hätte, wenn man davon ausgeht, dass unter Umständen eine erhebliche Anzahl nicht oder nicht mehr relevanter Basisinformationsblätter veröffentlicht würde. Zum anderen sind der damit für die Emittenten verbundene Aufwand und die Möglichkeit der praktischen Realisierung bei Realtime-Basisinformationsblättern zu hinterfragen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf Prüfung hinzuwirken, ob Artikel 13 Absatz 5 Buchstabe d aus Anlegerschutzgründen notwendig, angemessen und praxistauglich ist.
Zu Artikel 15
- 33. Der Bundesrat begrüßt, dass der Verordnungsvorschlag Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung anspricht. Da die in Artikel 15 hierzu mittelbar aufgestellten Anforderungen jedoch nicht vollständig in dem Entwurf einer Richtlinie über alternative Streitbeilegung ( KOM (2011) 793 endg.) enthalten sind, hält der Bundesrat zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen in der EU eine unmittelbar geltende Festlegung von Mindeststandards für erforderlich. Auch sollten die Basisinformationsblätter eine Angabe zu der für die Streitbeilegung zuständigen Stelle und zur Beteiligung des Anbieters am Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung enthalten.
- 34. Artikel 15 des Verordnungsvorschlags fügt sich in die europäische Rechtsetzung zur außergerichtlichen Streitschlichtung ein. Absatz 1 Buchstabe e setzt mit der Möglichkeit des elektronischen Zugangs zum Verfahren die Vorgaben des Vorschlags für eine Verordnung über die Online-Streitbeilegung um, die Buchstaben a und d knüpfen an die Vorgaben des Richtlinienvorschlags für eine alternative Streitbeilegung, vgl. BR-Drucksache 772/11 (PDF) , an. Die Buchstaben b, c und f gehen allerdings mit den Regelungen zur Wirkung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens auf die gerichtliche Geltendmachung über die vorgenannten Legislativvorschläge hinaus.
Die Regelungen in Absatz 1 Buchstabe b und c sind zwar in der Sache sinnvoll und fördern die Attraktivität der außergerichtlichen Streitbeilegung. Allerdings würde bei der Umsetzung ein Sonderrecht für Vertragsbeziehungen zu Anlageproduktanbietern entstehen, das § 204 BGB für andere Vertragsgestaltungen nicht vorsieht. Ein Ungleichgewicht entsteht insbesondere in den Fällen, bei denen - wie bei der Kündigungsschutzklage - die Inanspruchnahme z.B. einer Mediation gerade nicht zu einer Unterbrechung oder Verlängerung der Klagefrist führt. Die Auswirkungen einer außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen auf die gerichtliche Geltendmachung dürfen jedenfalls kein Sonderweg des Vertriebs von Anlageprodukten bleiben. Vor diesem Hintergrund befürwortet der Bundesrat einen Regelungsansatz, der Insellösungen für einzelne Vertragsverhältnisse vermeidet und stattdessen ein einheitliches Konzept für die Auswirkungen der außergerichtlichen Streitbeilegung auf die gerichtliche Geltendmachung enthält.
Zu den Artikeln 19 und 22
- 35. Der Bundesrat begrüßt den Ansatz des Verordnungsvorschlags, dass bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben des Produktinformationsblatts die zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten mit effektiven Sanktionsmaßnahmen bis hin zum Vertriebsverbot des Anlageprodukts sowie der Veröffentlichung der Art des Verstoßes und der Identität des Verantwortlichen ausgestattet werden (Artikel 19 Absatz 2). Der Bundesrat ist der Auffassung, dass den Verbraucherverbänden bei der Überwachung der Einhaltung der Kriterien der Produktinformationsblätter ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt. Durch eine enge Kooperation zwischen Verbraucherverbänden und Aufsichtsbehörden sollte gewährleistet werden, dass Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben zu Produktinformationsblättern aufgedeckt und von den Aufsichtsbehörden geahndet werden.
- 36. Artikel 19 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags enthält die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die zuständigen Behörden im Hinblick auf die Ahndung von Verstößen gegen die Verordnung die Befugnis haben, bestimmte Verwaltungsmaßnahmen und Verwaltungssanktionen zu verhängen. Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c sieht eine Warnung vor, die veröffentlicht wird, und in der die Identität des Verantwortlichen und die Art des Verstoßes bekannt gegeben werden. Die Veröffentlichung einer Warnung vor einem Anlageprodukt (Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c), das mithilfe eines unzureichenden Basisinformationsblatts vertrieben wird, dürfte zum Schutz der Kleinanleger vor Irreführung häufig zweckmäßig sein. Dasselbe gilt für eine auf Artikel 22 Satz 1 gestützte öffentliche Mitteilung, dass beispielsweise der Vertrieb eines Anlageprodukts mithilfe eines bestimmten, fehlerhaften Basisinformationsblatts untersagt wurde. Die Produktwarnung erscheint zur Erreichung des Schutzzwecks der Norm insbesondere dann erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass der Produktanbieter gegen ein von der Behörde ausgesprochenes Vertriebsverbot wegen Mängeln des Basisinformationsblatts verstoßen und das Produkt weiterhin am Markt anbieten wird. Die vorgeschlagene Regelung lässt aber nicht hinreichend klar erkennen, ob als Verantwortlicher die juristische Person anzusehen ist oder die verantwortliche natürliche Person. Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten natürlicher Personen erscheint unangemessen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf eine Prüfung hinzuwirken, ob die Regelung den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Verhältnismäßigkeit in vollem Umfang entspricht.
- 37. Der Bundesrat bittet insbesondere zu prüfen, ob die - abgesehen von Artikel 22 Satz 2 - obligatorische und ermessensunabhängige Veröffentlichung aller getroffenen Verwaltungsmaßnahmen und Sanktionen (Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 22 des Verordnungsvorschlags) Grundrechte der am Verfahren Beteiligten hinreichend wahrt und stets im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts steht.
Zu bedenken ist insbesondere, dass die Mitgliedstaaten durch Artikel 19 Absatz 2 nicht gehindert sind, über den dort genannten Mindestkatalog von Sanktionen hinaus Ordnungswidrigkeitentatbestände zu schaffen. Die Einführung von Ordnungswidrigkeitentatbeständen kann ein Instrument sein, Anbieter von Anlageprodukten wirksam zur korrekten Ausgestaltung der Basisinformationsblätter anzuhalten und Verstöße effektiv zu ahnden. Würde Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, müsste die zuständige Behörde allerdings bei Verhängung einer Geldbuße diese Sanktion grundsätzlich gemäß Artikel 22 Satz 1 unter Nennung des Namens des Produktanbieters und der Art des Verstoßes veröffentlichen. Damit würde das Ergebnis eines Bußgeldverfahrens öffentlich bekannt. Die geltenden Regelungen des deutschen Rechts über die Informationserteilung aus Bußgeldverfahren verweisen auf Vorschriften der Strafprozessordnung. Danach findet eine Informationsübermittlung an unbeteiligte Privatpersonen von Amts wegen nicht statt. Privatpersonen erhalten nach diesen Verfahrensregeln Auskünfte aus Akten grundsätzlich nur, wenn sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen. Durch Artikel 22 Satz 1 würden demnach abweichende Verfahrensgrundsätze für Ordnungswidrigkeitenverfahren zur Prüfung von Basisinformationsblättern für Anlageprodukte erzwungen.
Eine Ausgestaltung von Artikel 22 Satz 1 als "Kann"-Bestimmung könnte erwogen werden, damit sich die europarechtlichen Vorgaben des Sanktionensystems bei Basisinformationsblättern möglichst widerspruchsfrei in die deutsche Rechtsordnung einfügen.
Die Veröffentlichung von Produktwarnungen durch Behörden ist im Übrigen stets mit einem Haftungsrisiko für die öffentliche Hand verbunden, auf das an dieser Stelle hingewiesen werden sollte.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 38. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.