Der Bundesrat hat in seiner 940. Sitzung am 18. Dezember 2015 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zu Nummer 2.2. "Das Wachstum von KMU und Startup-Unternehmen fördern"
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, den europäischen Binnenmarkt zu beleben und Modernisierungs- und Innovationsschübe zu fördern, um die Wachstumschancen insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu unterstützen. Er begrüßt insbesondere das Anliegen der Kommission, die Rechtssicherheit für KMU zu verbessern und einfachere und für die Unternehmen mit weniger Aufwand verbundene Vorschriften zu erarbeiten, ohne dabei bei der Bekämpfung von Briefkastenfirmen nachzulassen.
- 2. Die Kommission führt aus, dass viele Unternehmer über Unsicherheiten beim grenzüberschreitenden Unternehmensrecht klagen. Unter Bezugnahme auf ihren Richtlinienvorschlag zur Einpersonengesellschaft (COM (2014) 212 final; BR-Drucksache 165/14 (PDF) ), der nach Ansicht der Kommission "unverzüglich angenommen werden sollte", äußert sie ihre Erwartung, dass durch Umsetzung dieses Vorschlags die Eintragungskosten für Unternehmen sinken und die Verfahren vereinfacht werden. Zugleich kündigt die Kommission an, sich bei der Prüfung von Möglichkeiten für einfachere und für Unternehmen weniger aufwändige Vorschriften auf diese Initiative stützen zu wollen.
Der Bundesrat sieht insoweit allerdings den von der Kommission genannten Richtlinienvorschlag über die Einpersonengesellschaft nicht als geeignete Grundlage an: Er stellt fest, dass solche wünschens- und unterstützenswerte Vereinfachungen bei der Eintragung von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen nicht dazu führen dürfen, dass die Standards der nationalen Handelsregister abgesenkt werden. Auch die am Wirtschaftsverkehr beteiligten Unternehmen selbst legen im Hinblick auf die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz großen Wert auf die Richtigkeit der im Register erfassten Unternehmensangaben.
Ein Mindestmaß an Überprüfung und Kontrolle hinsichtlich der einzutragenden Gesellschaft und ihrer Gesellschafter hält der Bundesrat daher für zwingend notwendig, um die Sicherheit des Rechtsverkehrs vor missbräuchlichen oder unseriösen Geschäftsgründungen zu gewährleisten und das Vertrauen der übrigen marktteilnehmenden Unternehmen sowie der Bürgerinnen und Bürger in die Richtigkeit und Zuverlässigkeit der nationalen Handelsregister aufrechtzuerhalten.
Der Bundesrat verweist insoweit ergänzend auf seine Stellungnahme vom 11. Juli 2014 (BR-Drucksache 165/14(B) (2)) und dankt der Kommission für ihre hierzu abgegebene Stellungnahme vom 25. September 2014 (zu BR-Drucksache 165/14(B) ). An den in der Stellungnahme vom 11. Juli 2014 dargelegten Einwendungen gegen den Vorschlag hält der Bundesrat fest. Insbesondere werden seine Bedenken hinsichtlich des Fehlens von Mindeststandards für die Identifizierung von Gründern und Leitungsorganen der Gesellschaft (vergleiche dazu Ziffern 4 bis 7 und 10 des Beschlusses vom 11. Juli 2014) und der Zulassung der Trennung von Satzungsund Verwaltungssitz (vergleiche dazu Ziffern 17 bis 21 des Beschlusses vom 11. Juli 2014) durch die Stellungnahme der Kommission vom 25. September 2014 nicht ausgeräumt. Nach Auffassung des Bundesrates ist die von der Kommission vorgeschlagene Gesellschaftsform - auch in der Fassung des Vorschlags nach der Allgemeinen Ausrichtung des Rates (Ratsdok. 9050/15 DRS 41 CODEC 751) - gerade dazu geeignet, für die Gründung bloßer "Briefkastenfirmen" zur Umgehung nationaler Regelungen, insbesondere im Bereich der Unternehmensmitbestimmung und der Zwangsvollstreckung, und zur Steuervermeidung oder -hinterziehung missbraucht zu werden.
- 3. Der Bundesrat betrachtet es daher mit Sorge, dass die Kommission sich auf ihren Vorschlag zur Einpersonengesellschaft stützen will, wenn sie weitere Möglichkeiten prüft, einfachere und für die Unternehmen mit weniger Aufwand verbundene Vorschriften zu erarbeiten und auch digitale Lösungen für den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens anzubieten, die vor allem die Eintragung von Unternehmen und die Archivierung von Unternehmensunterlagen und -daten betreffen sollen.
Zu Nummer 2.3. "Den Binnenmarkt ohne Grenzen für den Dienstleistungssektor in der Praxis verwirklichen"
- 4. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Initiative der Kommission zum Abbau von Handelshemmnissen bei Dienstleistungen, im Handel und bei den Freien Berufen. Ein sinnvoller Abbau von Handelshemmnissen in diesen Bereichen kann zu einer Beschleunigung des Wachstums in der EU und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen beitragen.
- 5. Er betrachtet es allerdings mit Sorge, dass nicht nur echte Handelshemmnisse beseitigt werden sollen, sondern auch sinnvolle Regulierungen, die der Qualitätssicherung, der Markttransparenz, dem Verbraucherschutz und der Selbstverwaltung der Wirtschaft dienen. Dies gilt gerade für den Wachstumsbereich der freiberuflichen Dienstleistungen in Deutschland.
- 6. Der Bundesrat betont, dass die Kammern der Freien Berufe in Deutschland im Rahmen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung insbesondere der Qualitätssicherung und der beruflichen Aus- und Fortbildung dienen. Diese Aufgaben müssten ansonsten vom Staat wahrgenommen und über Steuern finanziert werden.
- 7. Er stellt fest, dass die in einigen Freien Berufen in Deutschland bestehenden Gebührensysteme für Berufsangehörige ebenso wie für Klienten einen sinnvollen Rahmen schaffen, der ein "racetothebottom" ebenso verhindert wie die Forderung von überhöhten Preisen. Gerade angesichts des bei freiberuflichen Leistungen oftmals bestehenden Informationsungleichgewichts zwischen Berufsangehörigen und Klienten ist dies ein wichtiges Instrument des Verbraucherschutzes und der Qualitätssicherung.
- 8. Der Bundesrat stellt weiter fest, dass das Fremdkapitalverbot die Unabhängigkeit der freiberuflichen Dienstleistungen von reinen Kapital- und Gewinninteressen gewährleistet. Auch dies dient angesichts des Informationsungleichgewichts zwischen Berufsträgern und Klienten letztlich dem Verbraucherschutz und der Qualitätssicherung. Der Klient kann sicher sein, dass der freiberufliche Dienstleister nicht in erster Linie im Interesse Dritter arbeitet.
- 9. Er bittet die Kommission, beim Abbau von Hürden bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung strikt zwischen möglicherweise nicht gerechtfertigten Hindernissen einerseits und auch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sinnvollen Regulierungen andererseits zu unterscheiden.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.