Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Kosten

Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 17. September 2003
Der Staatssekretär

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Prof. Dr. Wolfgang Böhmer

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten


zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 26. September 2003 aufzunehmen. Nach Vorstellung im Plenum soll der Gesetzentwurf den Ausschüssen zur weiteren Beratung überwiesen werden.


Mit freundlichen
Grüßen Rudolf Böhmler

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Das Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Gerichtskostengesetzes

Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Für die bis zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Verfahren gilt die bisherige Kostenregelung für den jeweiligen Rechtszug fort.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

In keiner anderen Gerichtsordnung werden die Kläger in einem vergleichbaren Umfang von Gerichtsgebühren freigestellt, wie im Sozialgerichtsgesetz. Die Kostenvorschriften des Sozialgerichtsprozesses stellen daher im Hinblick auf die grundsätzliche Kostenfreiheit für Versicherte, Leistungsempfänger und Behinderte ein Unikat dar. Ein weiteres Festhalten an der Gebührenfreiheit für den genannten Personenkreis ist aber weder aus verfassungsrechtlicher Sicht noch aus sozialpolitischen Gründen erforderlich.

Vielmehr erscheint es gerechtfertigt und auch geboten, Versicherte, Leistungsempfänger und Behinderte in ihrer Eigenschaft als Kläger oder Beklagte auch im sozialgerichtlichen Verfahren einem - moderaten - Prozessrisiko auszusetzen.

Die gerichtliche Praxis hat immer wieder betont, dass diese Einführung von Gerichtskosten das einzig zur Verfügung stehende Mittel wäre, um die Eingangs- und Kostenflut der sozialgerichtlichen Verfahren bewältigen zu können. Nur so scheint die Flut aussichtsloser angesichts der Kostenfreiheit aber gleichwohl angestrengter Gerichtsverfahren eingedämmt werden zu können. In der sog. "Darmstädter Entschließung" vom 13. Mai 1997 haben sich die Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte und der Präsident des Bundessozialgerichts deshalb dafür ausgesprochen grundsätzlich von allen Rechtsuchenden sozialverträgliche Gerichtsgebühren in pauschalierter Form zu erheben.

Auch der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass nach den in Jahrzehnten gewonnenen Erfahrungen der Rentenversicherungsträger das Prozessverhalten der Beteiligten in direktem Zusammenhang mit der Kostenfreiheit steht und daher empfohlen für alle Verfahrensbeteiligte gleichermaßen geltende pauschalierte Gerichtsgebühren einzuführen, welche die jeweils unterliegende Partei zu tragen hat (vgl. BT-Drs. 014/4226, S. 22 und 147 ff.).

Zwar wurden die kostenrechtlichen Vorschriften des Sozialprozesses durch das 6. SGG-Änderungsgesetz novelliert und damit teilweise an die Bedürfnisse der gerichtlichen Praxis angepasst.

An der grundsätzlichen Kostenfreiheit für Versicherte, Leistungsempfänger und Behinderte hat diese Novellierung jedoch nichts geändert. Folgerichtig ist auch der Umstand unverändert geblieben, dass eine Vielzahl aussichtsloser Verfahren nicht nur anhängig gemacht sondern durch alle Instanzen durchprozessiert wird. Die 73. Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom 10. bis 12. Juni 2002 in Weimar und die Finanzministerkonferenz vom 27. März 2003 in Berlin haben sich daher erneut für eine Änderung des Sozialgerichtsgesetzes ausgesprochen, mit dem Ziel, grundsätzlich von allen Rechtsuchenden sozialverträgliche Gerichtsgebühren in pauschalierter Form zu erheben.

Kernstück der Änderungsvorschläge ist die Einführung einer pauschalen Gerichtsgebühr im Unterliegensfalle von 150 Euro vor den Sozialgerichten, 225 Euro vor den Landessozialgerichten und 300 Euro für Verfahren beim Bundessozialgericht. Die Pauschgebühren des derzeitigen § 184 Abs. 2 werden so auch auf Versicherte, Leistungsempfänger und Behinderte erstreckt. Diese Gerichtsgebühren sind grundsätzlich im Voraus zu entrichten; im Falle einer nicht fristgerechten Zahlung gilt die Klage als zurückgenommen.

Zur weiteren Entlastung ist überdies vorgesehen, dass die Gerichte die Gebühren bis zur Hälfte ermäßigen können, wenn der Rechtsstreit anders als durch Urteil erledigt wird. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, durch entsprechende Ermittlungen (Gutachten o.ä.) aussichtslos gewordene Klagen nicht unnötig weiter zu führen.

Eine Einbuße an Sozialstaatlichkeit ist mit der Einführung der moderaten Gebühren nicht verbunden, da für bedürftige Kläger - wie in anderen Gerichtsbarkeiten auch - das Instrumentarium der Prozesskostenhilfe zur Verfügung gestellt wird. Kostenfreiheit kann so für den Personenkreis garantiert werden, der nach der konkreten Einkommenssituation schutzbedürftig ist. Überdies bleibt auch weiterhin der Grundsatz der Auslagenfreiheit erhalten, so dass die zum Teil teuren Gutachten mit der Gerichtsgebühr abgegolten sind und das finanzielle Risiko für die Prozessbeteiligten überschaubar bleibt.

Im Übrigen wird durch diese Anbindung der Gebührenpflicht an den Prozesserfolg der bisherige Zustand aufgehoben, nach dem Sozialversicherungsträger selbst in den Fällen eine Pauschgebühr zu entrichten haben, in denen Klagen von Versicherten, Leistungsempfängern oder Behinderten vollumfänglich abgewiesen werden. Die Neuregelung dient daher auch einer Anpassung der Kostenfolgen an Gerechtigkeitskriterien und wird die Sozialversicherungsträger in erheblichem Umfange entlasten.

B. Die einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die Aufhebung der §§ 191 bis 197a.

Zu Nummer 2 (§ 73a)

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung, da § 186 den bisherigen § 73a ersetzt.

Zu Nummer 3 (§ 102)

Die Regelungen in Absatz 1 und 4 entsprechen im Wesentlichen dem bisherigen § 102.

Absatz 2 kombiniert die Einführung pauschaler Gerichtsgebühren mit der Möglichkeit, einen Gerichtskostenvorschuss zu verlangen.

Da nach Abschluss der Gerichtsverfahren erfahrungsgemäß eine Gebührenzahlung bei finanzschwachen Klägern nur eingeschränkt zu erwarten ist und insoweit jedenfalls ein hoher Beitreibungsaufwand verursacht würde, wird durch Absatz 2 eine Rücknahmefiktion für den Fall eingeführt, dass die pauschale Gerichtsgebühr nicht fristgemäß vorausbezahlt und keine Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Absatz 2 Satz 3 verstärkt diese Anordnung dadurch dass bis zur Gebührenvorauszahlung oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Bearbeitung des Verfahren stattfindet.

Absatz 3 enthält den in § 65 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 GKG normierten Grundsatz, dass durch die Vorauszahlungspflicht keine Verzögerung entstehen darf, die dem Kläger einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden zufügen würde. Die Umstände dafür sind glaubhaft zu machen. Aus Gründen der Eilbedürftigkeit genügt dafür die Erklärung des bevollmächtigten Rechtsanwalts oder Bevollmächtigten. In Fällen, in denen die Rechtsverfolgung aussichtslos oder gar mutwillig erscheint, ist eine Befreiung nicht erlaubt.

Absatz 5 erstreckt Vorschusspflicht und Rücknahmefiktion auch auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Rechtsmittelanträge.

Zu Nummer 4 (§§ 183 bis 197a)

§ 183

Die Vorschrift bestimmt, dass der genannte Personenkreis auch weiterhin besonderen sozialen Schutz in Form von kostengünstigen Sozialgerichtsverfahren erhalten soll. Eine Heranziehung zum Auslagenersatz findet daher grundsätzlich nicht statt.

Die Gebührenerhebung findet in Absatz 2 eine unkomplizierte Ausgestaltung. Die maßvolle Höhe der Gebühren ist an den Pauschgebühren des derzeitigen § 184 Abs. 2 orientiert und trägt dem sozialen Schutzbedürfnis des betroffenen Personenkreises Rechnung. Wie in anderen Gerichtsbarkeiten auch, wird die Möglichkeit zur Gewährung von Prozesskostenhilfe eingeräumt.

§ 184

Absatz 1 übernimmt den kostenrechtlichen Verweis auf die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung aus dem bisherigen § 197a Abs. 1 Satz 1 auch für die Verfahren des § 183. Da in Verfahren unstreitiger Erledigung eine Kostenentscheidung vielfach nicht erforderlich ist, soll das Gericht außerhalb des Urteils nur auf Antrag über die Kosten entscheiden müssen. Um die Bereitschaft zur gütlichen Streitbeilegung zu fördern, ist dem Gericht überdies die Möglichkeit eingeräumt worden, die Gerichtsgebühr bis auf die Hälfte zu ermäßigen. Die Regelung zur Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung entspricht § 158 Abs. 2 VwGO.

Absatz 2 übernimmt den Begriff der Kosten aus dem bisherigen § 193 Abs. 2 und stellt die grundsätzliche Erstattungspflicht der Kosten des Vorverfahrens ausdrücklich fest.

Absatz 3 entspricht dem bisherigen § 193 Abs. 3. Die erstattungsfähigen Kosten der Bevollmächtigen im Sinne des § 73 Abs. 6 Satz 3 und 4 werden gesetzlich definiert, und zwar in der Höhe, in der der Beteiligte nachweislich dem Verband oder der Organisation Ersatz für die Prozessvertretung leisten muss.

Absatz 4 stellt sicher, dass den Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts in den Verfahren nach § 184 Abs. 1 lediglich die Gerichtsgebühr zu erstatten ist. Für Unternehmen der privaten Pflegeversicherung gilt dies nicht, da diese nach § 166 Abs. 1 nicht berechtigt sind, sich vor dem Bundessozialgericht selbst zu vertreten (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 08.07.2002 - B 3 P 3/02 R -).

Absatz 5 Satz 1 entspricht dem bisherigen § 197a Abs. 2 Satz 1.

Mit Satz 2 werden die Gerichtskosten für beigeladene Personen auf die pauschalen Gerichtsgebühren nach § 184 Abs. 2 begrenzt.

§ 185

Die Vorschrift ermöglicht die zusätzliche Erhebung einer Gerichtsgebühr in den Fällen, in denen vom Richter in einem Termin auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit und eine mögliche Kostentragungspflicht hingewiesen worden ist. In anderen Fällen, etwa der verschuldeten Prozessverschleppung, findet § 34 GKG Anwendung. Die Entscheidung über die Auferlegung der besonderen Gebühr ist endgültig; eine Aufhebung kann nur durch eine Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren erfolgen.

§ 186

Die Vorschrift ersetzt den bisherigen § 73a, ermöglicht jedoch die Einbeziehung von Bevollmächtigten, die Mitglieder oder Angestellte von Verbänden und Gewerkschaften sind.

§ 187

Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 191.

§ 188

Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 194.

§ 189

Die Vorschrift, die den bisherigen § 195 ersetzt, berücksichtigt, dass nunmehr auch Gerichtskosten anfallen, die der Erledigungsart angemessen von jedem Teil zur Hälfte zu tragen sind.

Die Regelung entspricht inhaltlich § 160 VwGO.

§ 190

Diese Vorschrift übernimmt weitestgehend den bisherigen § 197.

Zu Artikel 2 (Änderung des Gerichtskostengesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 1)

Durch die Neufassung des § 1 Abs. 1 Buchstabe d wird das Gerichtskostengesetz nunmehr grundsätzlich auch für die Verfahren vor den Sozialgerichten anwendbar. Durch den Zusatz "soweit darin nichts anderes bestimmt ist" wird sichergestellt, dass in den Fällen des § 183 Abs. 1 SGG die besonderen Gebühren- und Auslagenregelungen des SGG zur Grundlage der Gerichtskostenerhebung gemacht werden.

Zu Nummer 2 (Anlage I - Kostenverzeichnis)

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die Streichung des § 197a SGG.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten. Satz 2 bestimmt dabei im Interesse der Rechtssicherheit, dass bereits anhängige Verfahren nach den alten Kostenregelungen abgeschlossen werden. Dies gilt jedoch nur für den jeweiligen Instanzenzug.

C. Finanzielle Auswirkungen

Die Auswirkung der Gebührenpflicht auf die Zahl der anhängig gemachten Gerichtsverfahren kann nicht präzise vorausgesagt werden. Es steht aber eine nicht unerhebliche Reduktion der Streitsachen und ein damit korrespondierendes Einsparpotenzial an Arbeitskraft bei den Gerichten zu erwarten.

Auch die Sozialversicherungsträger werden durch eine Abnahme der gerichtlichen Verfahren hinsichtlich des damit verbundenen Personalaufwandes entsprechend entlastet. Insbesondere ist hier aber eine deutliche finanzielle Einsparung durch den Wegfall der Pauschgebührenpflicht auch im Falle des Obsiegens zu erwarten.

Alleine für die erstinstanzlichen Verfahren im Land Baden-Württemberg ergibt sich daraus bei Zugrundelegung der Statistik des Jahres 2001 ein Einsparpotenzial für die Sozialversicherungsträger von rund 2 Millionen Euro pro Jahr.