TOP 20 der 803. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2004
Der Bundesrat möge beschließen, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderung beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 (§ 1 Abs. 2 LeBeG)
In Artikel 1 § 1 ist Absatz 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 1 sind das Wort "Verbesserung" durch das Wort "Veränderung" zu ersetzen und die Wörter "oder des Verhaltens" zu streichen.
- b) In Satz 2 sind das Wort "Verbesserung" durch das Wort "Veränderung" und die Wörter "des Sozialverhaltens" durch die Wörter "der Sozialkompetenz" zu ersetzen.
- c) Folgender Satz ist anzufügen:
Die Vermittlung von Wissen ist nicht Lebensbewältigungshilfe oder Persönlichkeitsentwicklung im Sinne dieses Gesetzes.
Folgeänderungen:
- a) Abschnitt I der Allgemeinen ist wie folgt zu ändern:
- aa) Absatz 1 ist durch folgende Absätze zu ersetzen:
"Der Gesetzentwurf soll zum Verbraucherschutz im Bereich der gewerblich angebotenen Lebensbewältigungshilfe und Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Die von der Enquete-Kommission vorgeschlagene Bezeichnung Lebensbewältigungshilfe hat sich im Rechtsverkehr nicht durchgesetzt. Sie ist zudem missverständlich, weil sie nach der gewöhnlichen Wortbedeutung hauptsächlich Dienstleistungen erfasst, die beim Auftreten von Lebensproblemen in Anspruch genommen werden. Nicht umfasst ist hingegen die Vielzahl von Leistungen, die - ohne therapeutische Ausrichtung - dem Kunden zu einer Veränderung seiner Persönlichkeitseigenschaften, insbesondere der Sozialkompetenz, verhelfen wollen. Es ist daher zweckmäßig, zur Kennzeichnung des Marktes auch auf die Bezeichnung Persönlichkeitsentwicklung zurückzugreifen, wobei die Grenze zwischen beiden Begriffen fließend ist.
Dieser Lebensbewältigungshilfe- und Persönlichkeitsentwicklungsmarkt, der in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung zugenommen hat, ist höchst intransparent. Die Anbieter treten auf dem Markt als "Trainer", "Coaches", "Mediatoren", "Supervisoren", "Persönlichkeitsentwickler", "Persönlichkeitsberater" etc. auf und richten ihre Angebote sowohl an natürliche Personen als auch an Unternehmen mit dem Ziel, Führungskräfte oder die Belegschaft zu trainieren. Es gibt bisher keinen gemeinsamen Sprachgebrauch, der es ermöglicht, den Inhalt gleicher Angebote, die von verschiedenen Dienstleistern angeboten werden, angemessen und einheitlich zu beschreiben.
Neben vielen überwiegend seriösen Angeboten, die auf diesen Markt drängen, gibt es auch solche, deren Dienstleistungen und Aktivitäten erheblichen Anstoß erregen. Den Anbietern wird vorgeworfen, durch Einsatz bewusstseinsverändernder Psycho- oder Sozialtechniken die Verbraucher abhängig zu machen und sie wirtschaftlich auszubeuten. Eine wissenschaftliche Untersuchung hat nunmehr erneut ergeben, dass Anbieter mit rigiden Regeln und Sanktionen die Autonomie der Teilnehmer solcher Programme einschränken und diese von sich abhängig machen, ohne dass die Verbraucher dies durchschauen können (Expertise: Auswirkungen und Risiken unkonventioneller Psycho- und Sozialtechniken, erstellt von H. Küfner, N. Nedopil, H. Schöch, 2002, im Folgenden: Gutachten, Kurzfassung S. 24 f.).
Befinden sich Verbraucher in einer Lebenskrise, sind sie durch unseriöse Angebote besonders gefährdet. Es treten dann sachlich rationale und wirtschaftliche Erwägungen des Verbrauchers beim Vertragsschluss als Schutzmechanismen vor unangemessenen Vertragsbedingungen oft in den Hintergrund, weil sich das Angebot für den Verbraucher als Mittel zur Bewältigung seiner Probleme darstellt. In dieser besonderen Nachfragesituation ist typischerweise die Kritikbereitschaft und -fähigkeit eingeschränkt.
Die mangelnde Markttransparenz einerseits und das Auftreten unseriöser Anbieter andererseits erfordern es, dem Verbraucher durch besondere Regelungen die Bedingungen des abzuschließenden Vertrages vor Augen zu führen transparent zu machen und ihn vor voreiligen Vertragsabschlüssen zu schützen. Hierfür sollen künftig folgende Instrumente zur Verfügung stehen: Schriftform des Vertrages, Aushändigung einer detaillierten Leistungsbeschreibung, Widerrufsrecht innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss und ein unabdingbares Kündigungsrecht für den Verbraucher."
- bb) Dem Absatz 4 ist folgender Satz anzufügen:
Dem gleichen Zweck dient die Ausnahme der bloßen Wissensvermittlung aus dem Begriff der Lebensbewältigungshilfe bzw. Persönlichkeitsentwicklung.
- aa) Absatz 1 ist durch folgende Absätze zu ersetzen:
- b) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 § 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 Satz 3 sind die Wörter "des kommunikativen und interaktiven Sozialverhaltens" durch die Wörter "der sozialen Kompetenz" zu ersetzen.
- bb) Dem Absatz 2 ist folgender Satz anzufügen:
So unterfallen beispielsweise Verträge über "mentales Training" im Rahmen des Sports nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes, da sie vor allem auf eine Verbesserung der sportlichen Leistung des Trainierten abzielen.
- cc) Nach Absatz 2 sind folgende Absätze einzufügen:
"Der Wortlaut des Absatz 2 Satz 1 stellt zudem sicher, dass nicht jedweder Vertrag, der eine irgendwie geartete Änderung des persönlichen Befindens bezweckt bereits als Lebensbewältigungshilfe anzusehen ist. Ein Vertrag über die Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes durch kosmetische Behandlung etwa mag zwar das Wohlbefinden des Behandelten verbessern, nicht aber seine seelische Befindlichkeit. Auch Verträge, die, wie etwa Kurse zur Vermittlung von Umgangformen, lediglich das äußere Verhalten einer Person zum Gegenstand haben, erfasst das Gesetz nicht.
Schließlich dient auch die in Absatz 2 Satz 2 normierte Ausnahme bloßer Wissensvermittlung der sachgerechten Begrenzung des gesetzlichen Anwendungsbereichs."
Begründung (nur für das Plenum):
- - Im Interesse der Eingrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs des Gesetzes sowie zur besseren Abgrenzbarkeit der Begriffe Lebensbewältigungshilfe und Persönlichkeitsentwicklung soll in § 1 Abs. 2 LeBeG-E die Alternative "...oder des Verhaltens" (Lebensbewältigungshilfe) gestrichen und der Zusatz ".., insbesondere des Sozialverhaltens" (Persönlichkeitsentwicklung) durch den Begriff Sozialkompetenz ersetzt werden. Die bloße Änderung des äußeren Verhaltens ohne Eingriff in die Befindlichkeit oder gar die Persönlichkeitseigenschaften wie beispielsweise Kurse zur Vermittlung von Umgangsformen werden dadurch vom Anwendungsbereich des Gesetzes nicht mehr erfasst. Andererseits soll bereits die behauptete Veränderung der seelischen Befindlichkeit bzw. der Persönlichkeitseigenschaften den Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnen, um möglichen Umgehungsversuchen der Anbieter vorzubeugen.
- - Zur weiteren Präzisierung des sachlichen Anwendungsbereichs soll in § 1 Abs. 2 Satz 2 LeBeG-E klargestellt werden, dass die Vermittlung von Wissen allein nicht Lebensbewältigungshilfe oder Persönlichkeitsentwicklung ist. Umfasst ein komplexer Vertrag sowohl Elemente der Wissensvermittlung als auch solche der Lebensbewältigungshilfe oder Persönlichkeitsentwicklung, bleibt für die Frage der Anwendbarkeit des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 LeBeG-E zu prüfen, ob die Lebensbewältigungshilfe bzw. Persönlichkeitsentwicklung das überwiegende Ziel des Vertrages darstellt.