Regelwerk, Allgemein, Sanktionen

LStVollzG SH - Landesstrafvollzugsgesetz Schleswig-Holstein
Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Schleswig-Holstein

- Schleswig-Holstein -

Vom 21. Juli 2016
(GVOBl. Schl.-H. Nr. 13 vom 25.08.2016 S. 618; 23.06.2020 S. 358 20; 23.09.2021 S. 1170 21)
Gl.-Nr.: 312-19



Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe (Vollzug) und des Strafarrests in Justizvollzugsanstalten (Anstalten).

§ 2 Ziel des Vollzuges 21

Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen

§ 3 Grundsätze der Vollzugsgestaltung 21

(1) Der Vollzug ist auf die Auseinandersetzung der Gefangenen mit ihren Straftaten und deren Folgen auszurichten.

(2) Der Vollzug wirkt von Beginn an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hin. Sämtliche Maßnahmen sind auf einen frühzeitigen Entlassungszeitpunkt hin auszurichten. Der Vollzug ermittelt zusammen mit der oder dem Gefangenen die für die Eingliederung bestehenden Hilfebedarfe, prüft die Leistungsansprüche und unterstützt die oder den Gefangenen dabei, bei den zuständigen Leistungsträgern eine Leistungsgewährung möglichst mit dem Tag der Entlassung zu erreichen.

(3) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Selbständigkeit in der Lebensgestaltung ist zu fördern.

(4) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Insbesondere bei Gefangenen mit langjährigen Freiheitsstrafen ist ihre Lebenstüchtigkeit aktiv zu erhalten.

(5) Die unterschiedlichen individuellen Erfordernisse und Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Sprache, Religion, Weltanschauung, Behinderung und sexuelle Identität, werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt. Kein Mensch darf im Rahmen des Strafvollzugs aufgrund dieser Merkmale, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung oder des sozialen Status diskriminiert werden.

(6) Die Belange der Familienangehörigen der Gefangenen sind bei der Vollzugsgestaltung zu berücksichtigen. Der Erhalt familiärer und sozialer Bindungen der Gefangenen soll gefördert werden.

(7) Der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzuges sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Den Gefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren. Therapien und Beratungen werden auch durch externe Fachkräfte durchgeführt.

(8) Alle in der Anstalt Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, das Vollzugsziel zu erreichen.

§ 4 Stellung der Gefangenen, Mitwirkung

(1) Die Persönlichkeit der Gefangenen ist zu achten. Ihre Selbständigkeit im Vollzugsalltag ist soweit wie möglich zu erhalten und zu fördern.

(2) Die Gefangenen werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sollen ihnen erläutert werden.

(3) Zur Erreichung des Vollzugsziels bedarf es der Mitwirkung der Gefangenen. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. Sie sollen fortwährend an die gebotenen Behandlungsmaßnahmen herangeführt und während ihrer Durchführung begleitet und unterstützt werden.

(4) Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind.

§ 5 Sicherheit

(1) Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

(2) Die Sicherheit der Bevölkerung, der Bediensteten und der übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Gefangenen wird erreicht durch

  1. baulichtechnische Vorkehrungen,
  2. organisatorische Regelungen und deren Umsetzung und
  3. soziale und behandlungsfördernde Strukturen.

Die Sicherheitsmaßnahmen haben sich an den jeweiligen Aufgaben der Anstalten zu orientieren.

(3) Die Sicherheit in den Anstalten soll ein gewaltfreies Klima fördern und die Gefangenen vor Übergriffen Mitgefangener schützen. Ihre Fähigkeit zu gewaltfreier Konfliktlösung ist zu entwickeln und zu stärken.

Abschnitt 2
Aufnahme, Diagnose und Vollzugsplanung

§ 6 Aufnahmeverfahren 21

(1) Mit den Gefangenen wird unmittelbar nach dem Eintreffen in der Anstalt im Rahmen der Erstaufnahme ein Gespräch geführt, in dem Feststellungen über Sofortmaßnahmen getroffen werden (Sofortgespräch). Mit jeder Gefangenen und jedem Gefangenen soll spätestens drei Tage nach dem Zugang ein Gespräch geführt werden, in dem ihre oder seine gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie oder er über ihre oder seine Rechte und Pflichten informiert wird (Zugangsgespräch). Ihnen wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Gefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.

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