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Regelwerk

SVStVoIIzG SH - Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe bei Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein

Vom 15.Mai 2013
(GVOBl. Sch.H. Nr. 7 vom 30.05.2013 S. 169; 21.07.2016 S. 618 16aufgehoben)
Gl. Nr. 312-17



§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz gilt in Ergänzung zum Strafvollzugsgesetz für Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe, bei denen das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten hat.

§ 2 Ziel des Strafvollzugs bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung

Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dient der Vollzug der Freiheitsstrafe auch dem Ziel, die Gefährlichkeit der Gefangenen für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich wird.

§ 3 Gestaltung des Strafvollzugs bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung

(1) Der Vollzug ist therapiegerichtet auszugestalten. Die Gefangenen sind individuell und intensiv zu betreuen. Fähigkeiten, die sie für ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung benötigen, sind zu erhalten und zu fördern.

(2) Die Bereitschaft der Gefangenen, an der Erreichung der Vollzugsziele mitzuwirken, ist fortwährend zu wecken und zu fördern. Die Motivationsmaßnahmen sind zu dokumentieren.

§ 4 Behandlungsuntersuchung

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugsplanung unverzüglich eine umfassende Behandlungsuntersuchung an.

(2) Die Behandlungsuntersuchung muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen und von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchgeführt werden.

(3) Die Behandlungsuntersuchung erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die sozialen Bezüge sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Gefährlichkeit der Gefangenen, eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung notwendig erscheint. Erkenntnisse und Unterlagen aus vorangegangenen Freiheitsentziehungen werden herangezogen.

(4) In der Behandlungsuntersuchung werden die im Einzelfall die Gefährlichkeit begründenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten der Gefangenen ermittelt werden, deren Stärkung der Gefährlichkeit entgegenwirken kann.

(5) Das Ergebnis der Behandlungsuntersuchung wird mit den Gefangenen erörtert.

§ 5 Vollzugsplan

(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses der Behandlungsuntersuchung wird ein Vollzugsplan erstellt. Er zeigt den Gefangenen bereits zu Beginn der Haft die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. Daneben enthält er weitere Angebote und Empfehlungen zur sinnvollen Gestaltung des Lebens im Vollzug. Den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Gefangenen ist Rechnung zu tragen.

(2) Der Vollzugsplan wird unverzüglich, regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen nach der Aufnahme, erstellt.

(3) Der Vollzugsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden regelmäßig alle sechs Monate überprüft und fortgeschrieben. Die Entwicklung der Gefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.

(4) Der Vollzugsplan wird mit den Gefangenen erörtert. Dabei werden deren Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.

(5) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans führt die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. Die im Vollzug einer vorangegangenen Freiheitsentziehung an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten können an der Konferenz beteiligt werden. Standen die Gefangenen vor dem Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bewährung oder Führungsaufsicht, kann auch die oder der für sie bislang zuständige Bewährungshelferin oder Bewährungshelfer an der Konferenz beteiligt werden. Den Gefangenen wird der Vollzugsplan in der Konferenz eröffnet und erläutert. Sie können auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.

(6) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen. Sie können mit Zustimmung der Gefangenen auch an der Konferenz beteiligt werden.

(7) Rechtzeitig vor einer voraussichtlichen Entlassung soll die künftig zuständigen Bewährungshelferin oder der zukünftig zuständige Bewährungshelfer an der Konferenz teilnehmen. Ihr oder ihm ist der Vollzugsplan und seine Fortschreibungen zu übersenden.

(8) Der Vollzugsplan und seine Fortschreibungen werden den Gefangenen ausgehändigt.

§ 6 Inhalt des Vollzugsplans

(1) Der Vollzugsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 2 Satz 2 insbesondere folgende Angaben:

  1. Zusammenfassung der für die Vollzugsplanung maßgeblichen Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung,
  2. Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
  3. Teilnahme an psychiatrischen, psychotherapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen,
  4. Teilnahme an anderen einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen,
  5. Unterbringung in einer Wohngruppe und Teilnahme am Wohngruppenvollzug,
  6. Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch,
  7. Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz,
  8. Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
  9. Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
  10. Arbeit,
  11. freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
  12. Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
  13. Lockerungen und Urlaub,
  14. Unterbringung im offenen Vollzug,
  15. Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
  16. Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
  17. Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge und
  18. Frist zur Fortschreibung des Vollzugsplans.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 3, 4, 6 bis 9, die nach dem Ergebnis des Diagnoseverfahrens als zur Erreichung des Vollzugsziels zwingend erforderlich erachtet werden, sind als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. Andere Maßnahmen können versagt werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach Satz 1 beeinträchtigen würden. Dies gilt nicht für Maßnahmen nach Nr. 10 und 11.

(3) Rechtzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 18 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zur

  1. Unterbringung im offenen Vollzug, Aufenthalt in einer Übergangseinrichtung,
  2. Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
  3. Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente,
  4. Beteiligung der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanzen,
  5. Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlasenenhilfe,
  6. Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
  7. Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht,
  8. Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen,
  9. nachgehenden Betreuung durch Vollzugsbedienstete.

§ 7 Ausgestaltung des Vollzugs

(1) Der Vollzug ist auf der Grundlage des Lebens in einer Gemeinschaft therapeutisch auszugestalten. Er bedient sich sozial- und psychotherapeutischer, psychiatrischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.

(2) Den Gefangenen sind die zur Erreichung des Vollzugsziels im Einzelfall erforderlichen Behandlungsmaßnahmen anzubieten. Soweit standardisierte Angebote nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuell zugeschnittene Behandlungsangebote zu unterbreiten.

(3) Bei der behandlerischen Ausgestaltung des Vollzugs wirken Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in enger Abstimmung zusammen. Soweit es erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen. Den Gefangenen sollen Bedienstete als feste Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

§ 8 Unterbringung

Gefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung können in einer baulich abgegrenzten Abteilung untergebracht werden, zu der neben den Hafträumen weitere Zimmer und Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung gehören. Sie sollen von fest zugeordneten Bediensteten betreut werden, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen mit abgestimmten Vollzugsmaßnahmen eingehen können.

§ 9 Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung

(1) Die Gefangenen sind bereits während des Vollzugs der Freiheitsstrafe in eine sozialtherapeutische Abteilung oder Anstalt zu verlegen, wenn ihre Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit angezeigt ist.

(2) Die Verlegung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung während des Vollzugs der Freiheitsstrafe erwarten lässt.

§ 10 Urlaub zur Vorbereitung der Entlassung

(1) Die Justizvollzugsanstalt kann den Gefangenen nach Anhörung der Vollstreckungsbehörde zur Vorbereitung der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Monaten gewähren. § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 5 des Strafvollzugsgesetzes vom 14. März 1976 (BGBl. I S. 581), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274), gelten entsprechend.

(2) Den Beurlaubten sollen für den Urlaub Weisungen erteilt werden. Sie können insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Justizvollzugsanstalt bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und jeweils für kurze Zeit in die Justizvollzugsanstalt zurückzukehren.

(3) § 14 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes gilt entsprechend. Der Urlaub wird widerrufen, wenn dies für die Behandlung der oder die Gefangenen notwendig ist.

§ 11 Nachgehende Betreuung

(1) Die Justizvollzugsanstalt kann Entlassenen auf Antrag Hilfestellung gewähren, soweit diese nicht anderweitig zur Verfügung steht und der Erfolg der Behandlung gefährdet erscheint.

(2) Mit Zustimmung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters können Bedienstete an der nachgehenden Betreuung Entlassener mit deren Einverständnis mitwirken, wenn ansonsten die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung kann auch außerhalb der Justizvollzugsanstalt erfolgen.

§ 12 Verbleib oder Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Frühere Gefangene können auf ihren Antrag vorübergehend in einer Einrichtung des Justizvollzugs verbleiben oder wiederaufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in der Einrichtung aus diesem Grunde gerechtfertigt ist. Der Verbleib und die Aufnahme sind jederzeit widerruflich.

(2) Gegen verbliebene oder aufgenommene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.

(3) Auf ihren Antrag sind die verbliebenen oder aufgenommenen Personen unverzüglich zu entlassen.

§ 13 Bedienstete

Für die Betreuung von Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist besonders qualifiziertes Personal vorzusehen. Alle in der Justizvollzugsanstalt Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, das Vollzugsziel zu erreichen.

ENDE

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