Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk, Arbeitsschutz, BKV

BKV Nr. 4116 - Lungenkrebs nach langjähriger und intensiver Passivrauchexposition am Arbeitsplatz bei Versicherten, die selbst nie oder maximal bis zu 400 Zigarettenäquivalente aktiv geraucht haben
Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten"

Vom 11. Juli 2019
(GMBl. Nr. 20 vom 11.07.2019 S. 399, ber. S. 1294)



Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 29. März 2019 empfohlen, in die Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung folgende neue Berufskrankheit aufzunehmen:

"Lungenkrebs nach langjähriger und intensiver Passivrauchexposition am Arbeitsplatz bei Versicherten, die selbst nie oder maximal bis zu 400 Zigarettenäquivalente aktiv geraucht haben"

Die hierzu vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat erarbeitete wissenschaftliche Begründung lautet wie folgt:

1. Einleitung

Unter Passivrauch wird in dieser wissenschaftlichen Begründung der sogenannte Nebenstromrauch verstanden, der von Zigaretten und anderen Tabakprodukten (Zigarren, Zigarillos und Pfeifen) zwischen den Zügen des Aktivrauchers freigesetzt wird. Ferner besteht der Passivrauch aus dem Rauch, den der Aktivraucher ausatmet (IARC 2004).

2. Vorkommen und Gefahrenquellen

Der Hauptstromrauch, der vom Raucher inhaliert wird, und der Nebenstromrauch, der von der Zigarette und anderen Tabakprodukten zwischen den Zügen freigesetzt wird, enthalten im Prinzip dieselben Gefahrstoffe, jedoch in unterschiedlicher Zusammensetzung. Tabelle 1 zeigt die Gefahrstoffmenge in Bezug auf gesichert beim Menschen krebserzeugend wirkende Gefahrstoffe, sogenannte Gruppe 1-Stoffe nach der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), die beim maschinellen Rauchen einer Zigarette im Haupt- und Nebenstromrauch emittiert wird, sowie das Verhältnis der Gefahrstoffmenge im Haupt- und Nebenstromrauch.

Tabelle 1: Gruppe 1 - Kanzerogene nach IARC, die beim Rauchen einer Zigarette im Haupt- und Nebenstromrauch freigesetzt werden (nach Borgerding et al. 2000 1)

Gefahrstoff Einheit freigesetzte
Gefahrstoffmenge
Gefahrstoffmenge, die im Nebenstromrauch
emittiert wird, dividiert durch die Menge,
die im Hauptstromrauch freigesetzt wird
4-Aminobiphenyl ng/Zigarette 20,8-31,8 5,41
Arsen ng/Zigarette 3,5-26,5 1,51
Benzo(a)pyren ng/Zigarette 51,8-94,5 3,22
Benzol µg/Zigarette 70,7-134,3 1,07
1,3-Butadien µg/Zigarette 81,3-134,7 1,30
Cadmium ng/Zigarette 122-265 1,47
Formaldehyd µg/Zigarette 540,4-967,5 14,78
NNK 2 ng/Zigarette 50,7-75,7 0,40
1) Ergebnisse der Massachusetts-Benchmark Study

2) 4-(N-Nitrosmethylamin)-1-(3-Pyridyl)-1-Butanon

Es zeigt sich, dass mit Ausnahme des tabakspezifischen Nitrosamins NNK beim Rauchen einer Zigarette die Menge krebserzeugender Gefahrstoffe der Gruppe 1, die über den Nebenstrom emittiert wird, größer ist als die Menge, die über den Hauptstromrauch freigesetzt wird. Besondere Bedeutung für den in diesem Positionspapier diskutierten Lungenkrebs haben die nach IARC als krebserzeugend im Bereich der Lunge eingestuften Gefahrstoffe Arsen, Benzo(a)pyren, Cadmium und das tabakspezifische Nitrosamin NNK.

2.1 Exposition mit Benzo(a)pyren (BaP) und anderen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) durch Passivrauchen

In Tabelle 2 ist die BaP-Konzentration in verrauchten Räumen dargestellt. Die Maximalwerte streuen zwischen drei und 214 ng/m3. Die Messwerte sind im Vergleich zur ehemaligen technischen Richtkonzentration (TRK) in Höhe von zwei µg/m3 verhältnismäßig niedrig. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der TRK-Wert technisch und nicht medizinisch begründet war. Die Werte liegen im Bereich der Akzeptanzkonzentration für BaP in Höhe von 70 ng/m3 nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe 910 " Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen". Die Toleranzkonzentration nach dieser technischen Regel liegt bei 700 ng/m3.

Merlo et al. (1998) veröffentlichten eine Studie bei 94 Beschäftigten in Italien, bei denen die Konzentration des Metaboliten 1-Hydroxypyren, der bei beruflicher Exposition gegenüber PAK vermehrt ausgeschieden wird, in Abhängigkeit unter anderem von der Passivrauchexposition dargestellt wurde. Es zeigte sich eine signifikante Abhängigkeit zwischen der Dauer der Passivrauchexposition pro Tag und der Konzentration von 1-Hydroxypyren im Harn, die bei einer über vierstündigen Exposition um den Faktor 1,69 über der von Beschäftigten ohne Passivrauchexposition lag. Die Studie leidet darunter, dass auch 43 Aktivraucher von Zigaretten, die Passivrauch exponiert waren, einbezogen wurden und der Einfluss der Passivrauchexposition nicht separat für Raucher und Nichtraucher dargestellt wurde.

umwelt-online - Demo-Version


(Stand: 13.08.2021)

Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)

(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)

Preise & Bestellung

Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt

? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion