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DGUV Information 213-705 - Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung - Mehlstaub in Backbetrieben
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Information
(Ausgabe 06/2015aufgehoben)
Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) werden von
gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und gegebenenfalls weiteren Messstellen z.B. der Bundesländer erarbeitet.
EGU nach Gefahrstoffverordnung haben das Ziel, den Unternehmen eine Hilfe für den auf Tätigkeiten mit Gefahrstoffen bezogenen Teil der Gefährdungsbeurteilung zu geben und werden in das Sammelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unter der Bestell-Nr. DGUV Information 213-701 ff. aufgenommen.
Diese EGU wurden erarbeitet von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), Mannheim, und dem Landesgewerbearzt des Saarlandes.
1 Allgemeines
Die Gefahrstoffverordnung fordert die Unternehmen in § 6 auf, Art und Ausmaß der Exposition der Beschäftigten zu ermitteln. Dies kann durch Arbeitsplatzmessungen oder durch andere gleichwertige Beurteilungsverfahren erfolgen.
Die Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) stellen ein geeignetes Beurteilungsverfahren für die nichtmesstechnische Expositionsermittlung bei der Verarbeitung von Getreidemehl in Backbetrieben dar.
Diese EGU können entsprechend §§ 6 und 7 Gefahrstoffverordnung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sowie der daraus abzuleitenden Maßnahmen verwendet werden. Darüber hinaus können diese EGU als Hilfe bei der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 3 Betriebssicherheitsverordnung mit herangezogen werden. Die Verpflichtungen zum Einsatz von Stoffen und/oder Verfahren mit geringerem Risiko (TRGS 600), zur Beachtung der Rangfolge der Schutzmaßnahmen und zur Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten usw., bleiben bestehen.
2 Anwendungsbereich
Diese Empfehlungen gelten für staubarmes Arbeiten in Backbetrieben, Konditoreien und Herstellungsbetrieben anderer Backwaren, bei denen die Möglichkeit der Einwirkung von Mehlstaub besteht. Sie basieren auf Messungen der einatembaren Fraktion (E-Staub) in der Luft an Arbeitsplätzen und behandelt ausschließlich die inhalative Gefährdung durch Mehlstaub.
Mögliche Arbeitsbereiche sind Mehllager, Räume für die Teigherstellung und Teigaufbereitung sowie sonstige Bereiche mit relevanter Mehlstaubexposition. Getreidemühlen fallen nicht in den Geltungsbereich dieser Empfehlungen.
Es werden für die aufgeführten Tätigkeiten technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen beschrieben, bei deren Umsetzung auf eine messtechnische Überwachung verzichtet werden kann.
3 Begriffsbestimmungen
3.1 Mehlstaub
Als Mehlstaub wird im Folgenden ausschließlich Getreidemehlstaub bezeichnet, der im Backbetrieb bei Tätigkeiten mit Getreidemehl entsteht. Überwiegend handelt es sich hierbei um Weizen-, Roggen- und Dinkelmehl.
3.2 Trennmittel
Trennmittel sind Substanzen, die ein Ankleben von Teigen an Arbeitstischen oder Maschinenteilen verhindern sollen, z.B. Trennmehle, Trennöl oder Trennwachs.
3.3 Staubarme Trennmittel
Trennmittel, die eine geringe Staubentwicklung aufweisen sind:
3.4 HT- Mehle
HT-Mehle sind Weizen- und Roggenmehle, deren Staubigkeit (Fähigkeit zur Staubentwicklung) durch spezielle hydrothermische Verfahren entscheidend minimiert ist.
3.5 Backmittel
Backmittel sind Mischungen von Lebensmitteln einschließlich Zusatzstoffen, die dazu bestimmt sind, die Herstellung von Backwaren zu erleichtern oder zu vereinfachen, die wechselnden Verarbeitungseigenschaften der Rohstoffe auszugleichen und die Qualität der Backwaren zu beeinflussen. Backmittel können atemwegssensibilisierende Stoffe enthalten.
4 Arbeitsverfahren/ Tätigkeiten
Diese Empfehlungen beschreiben Arbeitsverfahren, bei denen Mehlstaub freigesetzt werden kann. Dazu zählen insbesondere:
In der Arbeits-Sicherheits-Information "Vermeidung von Bäckerasthma" (ASI 8.80) sind Arbeitsverfahren aufgezeigt, die in Backbetrieben angewendet werden müssen, um das Risiko des Auftretens von Bäckerasthma und Rhinitis zu minimieren.
Die dazu notwendigen Maßnahmen werden als Basismaßnahmen bezeichnet. Sie sind in jedem Backbetrieb entsprechend den betrieblichen Verhältnissen anzuwenden. Die Basismaßnahmen betreffen nicht nur die Minimierung der inhalativen Exposition von Mehlstaub/sensibilisierenden Stoffen gemäß TRGS 406, sondern auch mikrobiologische, chemische, physikalische, arbeitsorganisatorische und bauliche Einflüsse.
5 Gefahrstoffe
Für Mehlstaub besteht kein Arbeitsplatzgrenzwert. Gemäß TRGS 907 ist Mehlstaub atemwegssensibilisierend. "Bis heute lassen sich weder für die Induktion einer Allergie (Sensibilisierung) noch für die Auslösung einer allergischen Reaktion beim Sensibilisierten toxikologisch begründbare Arbeitsplatzgrenzwerte angeben. Eine Induktion ist umso eher zu befürchten, je höher die Konzentration eines Allergens bei der Exposition ist" [TRGS 900, 2.8 Arbeitsplatzgrenzwerte und sensibilisierende Stoffe].
6 Mehlstaubexposition
6.1 Expositionsmessungen
In Produktionsbereichen von 81 Betrieben wurden im Zeitraum 2009 - 2014 insgesamt 109 personenbezogene Expositionsmessungen der einatembaren Fraktion durchgeführt. Die Messungen waren gemäß TRGS 402 schichtbezogen und wurden überwiegend in der Teigmacherei bzw. bei der Teigbearbeitung durchgeführt. Diese Tätigkeiten stellen die höchste zu erwartenden Mehlstaubbelastung dar.
In allen Betrieben waren die mehlstaubrelevanten Basismaßnahmen entsprechend der ASI 8.80 umgesetzt.
6.2 Ergebnisse und Bewertung
Die Ergebnisse der personenbezogenen Messungen (Schichtmittelwerte) sind in der Tabelle 1 dargestellt:
Tabelle 1: Messergebnisse von Mehlstaub in Back- betrieben (einatembare Fraktion, Schichtmittelwerte)
Art der Expositionsmessung |
n | 50 % Perzentil (mg/m3) |
75 % Perzentil (mg/m3) |
95 % Perzentil (mg/m3) |
Personenbezogen | 109 | 1,9 | 2,7 | 3,5 |
Die Auswertung der Messungen zeigt, dass in allen Betrieben, in denen aktuelle Techniken bezüglich Mehlstaubminimierung umgesetzt werden, eine Mehlstaubkonzentration von 3,5 mg/m3 (95. Perzentil) unterschritten wird.
7 Schutzmaßnahmen
Empfehlungen zur Minimierung der Mehlstaubkonzentration
Die Mehlstaubkonzentration in Backbetrieben ist bei Realisierung folgender Schutzmaßnahmen minimiert. Diese Maßnahmen stellen einen wesentlichen Teil der in der ASI 8.80 genannten Basismaßnahmen dar. Die Basismaßnahmen werden als geeignet angesehen, das Risiko an Bäckerasthma zu erkranken, entscheidend zu senken.
7.1 Mehllagerung, Mehlaufbereitung, Mehleingabe
In den Bereichen Lagern und Fördern von Mehl müssen Anlagen so betrieben werden, dass möglichst wenig Mehlstaub entsteht.
7.2 Silobefüllung
Die beim Befüllvorgang aus den Silos in den Raum entweichende Luft muss staubarm sein.
7.3 Mehlentnahme aus dem Silo
Die verschiedenen Arten der Mehlförderung aus dem Silo in die Backstube sind z.B. Unterdruck-, Überdruckanlagen und Spiralförderer. Bei Unterdruckanlagen wird die Förderluft in die Siloanlage oder den Siloraum zurückgeführt, so dass die Atemluft am Arbeitsplatz nicht belastet wird.
Werden Überdruckanlagen eingesetzt, ist auf ein staubarmes Betreiben der Anlage zu achten. Bei diesen Anlagen entweicht die Transportluft aus der Silowaage über ein Filtertuch in die Backstubenatmosphäre. Durch Leckagen in der Anlage oder im Filtertuch kann die Atemluft in dem Bereich der Silowaage mit Mehlstäuben angereichert werden. Deshalb ist der Bereich oberhalb der Silowaage regelmäßig zu kontrollieren und zu reinigen. Werden Leckagen festgestellt, sind diese sofort zu beheben. Filtersysteme mit automatischer Reinigung funktionieren ohne Filtertuch.
7.4 Mehlentnahme aus Säcken
Bei der offenen Eingabe von Mehl aus Säcken in Behälter, z.B. in Knetbottiche oder Vorratswagen, sind in jedem Fall staubmindernde Maßnahmen erforderlich. Eine entsprechende Arbeitsweise vermeidet die Staubaufwirbelung weitgehend, z.B.:
7.5 Mehlentnahme aus der Silowaage
Die Zugabe von Mehl aus der Silowaage in einen Kneterbottich bzw. anderen Behälter hat staubarm zu erfolgen. Dies kann dadurch geschehen, indem
7.6 Teigherstellung
Die Knetmaschinen für die Teigherstellung müssen so beschaffen sein und so betrieben werden, dass der Mehlstaubaustritt möglichst gering ist.
Grundsätzlich sind Bottiche von Knetmaschinen mit einem dicht schließenden Deckel auszurüsten.
Im Deckel sind eine Arbeitsöffnung und zusätzlich, je nach Art der Knetmaschine, eine Öffnung für das Knetwerkzeug gestattet. In diesem Fall ist nur im kleinsten Gang anzukneten.
Backmittel sind staubarm zuzuführen, z.B. in granulierter, flüssiger oder pastöser Form, damit die Atemluft nicht mit Backmittelstaub angereichert wird.
7.7 Teigaufbereitung
7.7.1 Manuelle Teigaufarbeitung
Bei der manuellen Teigaufbereitung sind staubarme Trennmittel einzusetzen. Stärke ist als Trennmittel aufgrund der starken Staubentwicklung nicht zu empfehlen.
Mehl darf als Trennmittel nur folgendermaßen verwendet werden:
Das Einstauben durch Handwurf von Mehl ist zu unterlassen.
7.7.2 Maschinelle Teigaufarbeitung
Auch bei der maschinellen Teigaufarbeitung ist die Staubentwicklung zu minimieren.
Dies kann erfolgen durch:
Beim Aufsprühen von Trennölen ist darauf zu achten, dass möglichst keine Aerosole in die Atemwege gelangen können.
7.8 Gärgutträger
Durch die Verwendung von Gärgutträgern mit geeigneten Oberflächen kann weitgehend auf den Einsatz von Trennmittel verzichtet werden.
Beispiele sind:
7.9 Empfehlungen zur Vermeidung sonstiger Gefährdungen
7.9.1 Räume
Bereiche, in denen Mehlstaub auftritt, müssen von anderen Bereichen räumlich getrennt werden.
Mehlsilo- und Lagerräume müssen so eingerichtet werden, dass
7.9.2 Reinigung
Der Fußboden muss für die im Betrieb vorkommenden Verunreinigungen leicht zu reinigen sein.
Das Reinigen von Maschinen, Geräten, Einrichtungen und Räumen, insbesondere der Fußböden, ist staubarm mit geeigneten Reinigungsgeräten durchzuführen. Geeignete Reinigungsgeräte sind z.B.:
Das Reinigen mit Druckluft ist unzulässig.
7.10 Unterweisung
Für alle Arbeitsbereiche sind Betriebsanweisungen zu erstellen. In der Betriebsanweisung sind auch Art und Häufigkeit der Reinigungsarbeiten und der Einsatz persönlicher Schutzausrüstung festzulegen.
Die Beschäftigten sind mindestens einmal jährlich arbeitsplatzbezogen anhand der Betriebsanweisung in einer für sie verständlichen Form und Sprache zu unterweisen.
8 Anwendungshinweise
Diese EGU geben dem Betrieb praxisgerechte Hinweise darauf, wie die inhalative Gefährdung gegenüber Mehlstaub nach dem Stand der Technik minimiert werden kann.
Wird entsprechend den hier vorgegebenen Empfehlungen gearbeitet, wird eine Mehlstaubkonzentration bis zu 3,5 mg/m3 (E-Staub) erreicht.
Die Anwenderin oder der Anwender dieser Empfehlungen muss bei Verfahrensänderungen und ansonsten regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, die Gültigkeit der Voraussetzungen überprüfen und das Ergebnis dokumentieren.
Bei Anwendung dieser Empfehlungen bleiben andere Anforderungen der Gefahrstoffverordnung, insbesondere die Informationsermittlung (§ 6) und die Verpflichtung zur Beachtung der Rangordnung der Schutzmaßnahmen (§ 7) bestehen.
9 Überprüfung
Diese Empfehlungen wurden im März 2014 erarbeitet. Sie werden mindestens alle fünf Jahre überprüft. Soweit Änderungen notwendig werden, werden diese veröffentlicht.
Beispiele für Betriebsanweisungen | Anhang 1 |
BTa 0094 | Betriebsanweisung gemäß § 14 GefStoffV Geltungsbereich und Tätigkeiten |
Stand 10/14
Freigabe |
Gefahrstoffbezeichnung | ||
Atemwegssensibilisierende Stoffe in Backbetrieben (Mehlstäube, Backmittelstäube) |
||
Gefahren für Mensch und Umwelt | ||
Mehlstaub und Backmittelstaub können zur Sensibilisierung und zur Auslösung von allergisch bedingtem Schnupfen und Asthma führen (Berufskrankheit Nr. 4301). | ||
Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln | ||
Generell sind sensibilisierende Stoffe, hauptsächlich Stäube, in der Atemluft zu vermeiden!
Handhabung Das wird erreicht durch:
Die Reinigung der Maschinen und Fußböden mit Druckluft und Borstenbesen ist verboten! Lagerung Behälter möglichst dicht geschlossen halten. |
||
Verhalten bei erhöhtem Staubaufkommen | ||
Bei staubintensiven Arbeiten (z.B. Reinigung von Mehlsilos, Reinigung von Absaugvorrichtungen) ist die persönliche Schutzausrüstung zu tragen. Hierbei sind partikelfiltrierende Halbmasken zu verwenden, mindestens der Stufe FFP1. Bei der Auswahl ist auf einen möglichst geringen Atemwiderstand zu achten (z.B. Unterstützung durch Ausatemventil).
Unfalltelefon: |
||
Erste Hilfe | ||
Bei Atembeschwerden Backstube verlassen bzw. weitere Mehlstaubexposition (auch von verschmutzter Arbeitskleidung) unterbinden, Betroffenen beruhigen und ggf. einengende Kleidung lockern oder entfernen. Arzt aufsuchen. Bei ausgeprägter Atemnot Rettungsdienst/Notarzt verständigen.
Ersthelfer: |
||
Sachgerechte Entsorgung | ||
Mehlreste, leere Verpackungen und Reinigungsrückstände sind so zu behandeln, dass von ihnen keine neue Staubentwicklung ausgeht. | ||
Datum, Unterschrift: |
Weiterführende Literatur | Anhang 2 |
Nachstehend sind die insbesondere zu beachtenden einschlägigen Vorschriften, Regeln und Informationen zusammengestellt.
1. Gesetze, Verordnungen
Bezugsquelle:
Buchhandel und Internet: z.B. www.baua.de
2. Vorschriften, Regeln und Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
Bezugsquelle:
Bei Ihrem zuständigen Unfallversicherungsträger und unter www.dguv.de/publikationen
Unfallverhütungsvorschriften:
Regeln:
Informationen:
Bezugsquelle:
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), Dynamostraße 7-11, 68165 Mannheim
http//www.bgn.de
3. Normen/VDE-Bestimmungen
Bezugsquelle:
Beuth- Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin bzw. VDE-Verlag, Bismarckstraße 33, 10625 Berlin
4. Sonstige Informationsquellen
Bezugsquelle:
Buchhandel und Internet: z.B. www.gesetzeim-internet.de
ENDE |
(Stand: 21.08.2023)
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