Die Belange aus § 1 Abs. 5 Satz 2 und aus § 1a sind jetzt im neuen § 1 Abs. 6 in einem einheitlichen Katalog zusammengefasst. Mit der formalen Gleichstellung aller Belange betont der Gesetzgeber, dass die Belange im Grundsatz gleichwertig und gleichgewichtig sind; eine unterschiedliche Bewertung und das konkrete Gewicht ergibt sich erst aus den Umständen des jeweiligen Planungsfalls. Der Katalog ist nicht abschließend. Insoweit besteht keine Änderung gegenüber dem bisherigen Recht.
Der Katalog ist aber unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten fortentwickelt worden mit folgenden Änderungen:
In Nummer 2 wird die Vermeidung einseitiger Bevölkerungsstrukturen ersetzt durch die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen. Die bisherige Fassung war missverständlich. Auch eine homogene Bewohnerstruktur kann eine städtebaulich sachgerechte Lösung sein und ausgewogenen Wohnverhältnissen in der Gemeinde insgesamt dienen. Die Formulierung deckt sich mit § 6 Satz 2 Nr. 3 Wohnraumförderungsgesetz (allgemeine Förderungsgrundsätze).
Beim Kosten sparenden Bauen ist die "Förderung" durch die "Anforderungen" ersetzt worden. Damit wird klargestellt, dass es sich nicht um die Bereitstellung von Finanzmitteln handelt, sondern um planerische Maßnahmen zugunsten des kostengünstigen Bauens.
In Nummer 3 sind die unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen (Gender Mainstreaming) eingefügt worden. Gegebenenfalls sollen unterschiedliche Auswirkungen einer Planung auf Männer und Frauen im Planungsprozess berücksichtigt werden. Zu denken ist etwa an die Übersichtlichkeit bei einer Wegeführung, die Vermeidung von Angsträumen, die Nutzungsmischung und die Stadt der kurzen Wege.
In Nummer 4 sind die Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile eingefügt worden. Dies nimmt die neuen §§ 171a ff (vgl. Nummer 6.4) als Belang auf.
In Nummer 5 sind die Belange der Baukultur eingefügt worden (vgl. Nummer 3.2.1).
Nummer 7 enthält jetzt die Belange des Umweltschutzes aus dem bisherigen § 1a. Dazu wird auf Nummer 2.4.2.1 verwiesen.
In Nummer 8 sind die einzelnen Belange aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Buchstaben aufgegliedert worden. Dabei ist der Begriff des Fernmeldewesens an die allgemeine Terminologie Telekommunikation angepasst und in Übereinstimmung mit dem Telekommunikationsgesetz gebracht worden.
Die Belange des Verkehrs sind in einer eigenen Nummer 9 neu formuliert worden. Anknüpfend an das geltende Recht werden nunmehr auch die Belange des Personen- und Güterverkehrs, der Mobilität der Bevölkerung und des nicht motorisierten Verkehrs genannt. Das bereits in § 2 Abs. 2 Nr. 12 ROG verankerte Anliegen, Verkehr zu vermeiden und zu verringern, ist nun auch in der Bauleitplanung besonders zu berücksichtigen. Diese differenzierte Aufzählung verkehrlicher Belange ist Ausdruck des allgemeinen Ziels der Nachhaltigkeit. Es kann verwirk-licht werden z.B. durch Nutzungsmischung und kompakte Zuordnung der Nutzungen zueinander ("Stadt der kurzen Wege"), durch Verdichtung in bestehenden Strukturen, durch eine Dimensionierung des Straßennetzes, die keinen Anreiz zu motorisiertem Individualverkehr gibt.
In Nummer 10 sind die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes ergänzt worden um die zivile Anschlussnutzung von Militärliegenschaften. Sie macht deutlich, dass die Klärung, welche Nutzung einer aufgegebenen oder aufzugebenden Militäranlage folgen soll, nicht dem Bund überlassen ist; die Gemeinden müssen sich aus ihrer Planungshoheit heraus im eigenen Interesse an der städtebaulichen Entwicklung der Flächen beteiligen. Die Ermöglichung einer zivilen Anschlussnutzung vorrangig vor der Inanspruchnahme von Freiflächen entspricht auch dem Ziel einer nachhaltigen und flächensparenden Siedlungsentwicklung.
In Nummer 11 werden bei den sog. informellen Planungen nun auch beschlossene städtebauliche Entwicklungskonzepte genannt. Hierdurch wird die Bedeutung dieser Konzepte sowohl für die Bauleitplanung wie auch für die Regelungen zum Stadtumbau ( §§ 171a bis 171d) hervorgehoben.
Das gemeindenachbarliche Abstimmungsgebot in § 2 Abs. 2 wird ergänzt um ein Abwehrrecht aus der Raumordnung. Das Abstimmungsgebot ist Teil der Bauleitplanung, es kann sich deshalb nur auf städtebauliche Belange beziehen. Mit dem neuen Satz 2 erhält die Gemeinde ein Abwehrrecht, wenn ihr durch Ziele der Raumordnung bestimmte Funktionen zugewiesen wurden und eine Nachbargemeinde diese unterlaufen will. Das Abwehrrecht ergänzt die Anpassungspflicht aus § 1 Abs. 4. Eine Gemeinde ist berechtigt, die ihr zugewiesenen Funktionen gegen störende raumordnungswidrige Planungen einer anderen Gemeinde zu verteidigen. Die zugewiesene Funktion ist Bestandteil der Planungshoheit.
Die durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen werden in erster Linie die Stellung im zentralörtlichen Gefüge betreffen, sie können sich aber auch auf die Siedlungserweiterung oder zentrale Einrichtungen beziehen. Die Gemeinde muss für ihr Betroffensein nicht mehr im Einzelnen belegen, welche konkreten Nachteile für sie z.B. durch Kaufkraftabzug oder Abwerbung von Gewerbebetrieben entstehen. Der Verstoß als solcher reicht aus, die Rechtslage entspricht der bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften. Die entscheidende Frage ist nunmehr, ob das Handeln der Nachbargemeinde ein Verstoß gegen das Ziel der Raumordnung ist. Das bedeutet auch, dass die Ziele eindeutig formuliert sein müssen.
Neben den Zielen der Raumordnung werden die "Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche" ausdrücklich genannt. Zum Begriff der zentralen Versorgungsbereiche vgl. Nummer 4.2.1. Die Art der Auswirkungen muss die Nachbargemeinde allerdings geltend machen.
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(Stand: 16.06.2018)
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