Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an. Regelwerk |
Handlungsanleitung für den Einsatz rechtlicher und technischer Instrumente zum Hochwasserschutz in der Raumordnung, in der Bauleitplanung und bei der Zulassung von Einzelbauvorhaben
Stand: 6. März 2008
(ARGEBAU 2008aufgehoben)
Die immer wiederkehrenden Hochwasserereignisse haben vielfältige Reaktionen, aber auch Forderungen zum Schutz vor Hochwassergefahren hervorgerufen. Vor dem Hintergrund der Diskussion über die Auswirkungen des Klimawandels sowie über vorbeugende und anpassende Maßnahmen rücken auch Fragen des Hochwasserschutzes wieder verstärkt in den Fokus. Es bedarf daher weiterer Anstrengungen, um sowohl Konsequenzen aus fehlerhaften Entwicklungen der Vergangenheit zu ziehen als auch noch bestehende Mängel zu beheben und weitere vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Sicher leisten dabei der weitere Ausbau von Deichen, die Erhaltung und Ausweitung von Retentionsflächen und die Sicherung von Talsperren sowie Rückstaubecken einen wichtigen Beitrag. Soweit Gebiete von Hochwasser überschwemmt werden, gilt es diese zu ermitteln und förmlich als Überschwemmungsgebiete festzusetzen. Bestehende Bauten und Anlagen wie Öltanks in Überschwemmungsgebieten sind zu überprüfen, inwieweit sie möglichst hochwassersicher nachgerüstet oder rückgebaut werden können. Ebenso sind ggf. bestehende Bauleitpläne, die für hochwassergefährdete Gebiete bzw. (potentielle) Überflutungsbereiche eine bauliche Nutzung vorsehen, auf die Möglichkeit ihrer Aufhebung oder Änderung zu überprüfen. Es gilt Voraussetzungen zu schaffen für die Rückgewinnung von Überflutungsräumen, die Gewässerrenaturierung sowie für die Sicherung des Hochwasserabflusses. Zur Vermeidung von Hochwasserschäden gehört auch - und das nicht nur in den von Hochwasser gefährdeten Gebieten -, ganz allgemein die Versiegelung weiterer Flächen auf das notwendige Maß zu begrenzen und überflüssige Versiegelungen weitgehend zu reduzieren. Neben weiterer Ertüchtigung der Kanalisation kommt es auf deren Entlastung durch verstärkte Nutzung der Versickerung von Regenwasser an.
Diese, nur beispielhaft aufgeführten Aufgaben zum vorbeugenden Hochwasserschutz verdeutlichen, alleine mit den Mitteln und Möglichkeiten einer Behörde oder Institution lässt sich ein nachhaltiger Hochwasserschutz kaum bewerkstelligen. Es sind komplexe Maßnahmen nötig, die eine Vernetzung aller betroffenen Handlungsfelder erforderlich machen. So können z.B. nur die Wasserbehörden den jeweiligen Planungsbehörden die Informationen zur Verfügung stellen, die sie in die Lage versetzen, die für den Abfluss von Niederschlägen und notfalls für die Ausdehnung von Hochwasser erforderlichen Flächen planerisch freizuhalten. Diese Flächen können gemeindeübergreifend durch die Raumordnung als raumordnerisches Ziel gesichert und ggf. durch die für Wasserwirtschaft zuständigen Behörden als Überschwemmungsgebiet festgesetzt werden. Die Gemeinden können wiederum mit den planungsrechtlichen Instrumentarien des Städtebaus in ihren jeweiligen Gemeindegebieten Einfluss auf eine dem Hochwasserschutz Rechnung tragende städtebauliche Entwicklung nehmen. Die Genehmigungsbehörden können entsprechende technische Nebenbestimmungen in ihre Genehmigung aufnehmen und die Bauherren beraten. Das Wasserhaushaltsgesetz sieht ausdrücklich eine Vorsorge- und Schadensminderungspflicht für von Hochwasser betroffene Personen vor. Hochwasserschutz ist daher eine Aufgabe, die nur von den betroffenen Personen, den betroffenen Planungsträgern, Behörden und Institutionen gemeinsam geleistet werden kann.
Rechtliche Instrumente und technische Möglichkeiten, Hochwasserschäden zu minimieren oder gar weitgehend zu verhindern, sind vorhanden. Hochwasser selbst ist jedoch ein natürliches Ereignis, auf das sich der Mensch noch besser als bisher einstellen muss und das niemals zu verhindern sein wird. Doch es ist in seinem Ausmaß und vor allem in seinen Wirkungen beeinflussbar.
Das Wasser-, das Raumordnungs- und das Baurecht halten wichtige Instrumente bereit, sowohl auf Planungsebene als auch bei der Vorhabengenehmigung zu verhindern, dass Menschen und ihr Vermögen, aber auch die natürlichen Lebensgrundlagen durch voraussehbare Hochwasserereignisse gefährdet werden. Dies setzt neben dem Willen zum Einsatz der zur Verfügung stehenden Instrumentarien auch die Kenntnis seiner Möglichkeiten und Grenzen voraus. Die vorliegende gemeinsame Handlungsanleitung der Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren (ARGEBAU), der Ländergemeinschaft Wasser (LAWA) sowie der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) soll den betroffenen Fachbereichen dafür Hilfe und Unterstützung geben. Dabei werden die raumordnungs-, wasser- und baurechtlichen Instrumente näher betrachtet und ihre Wechselwirkungen dargestellt.
Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass landesrechtliche Besonderheiten, insbesondere die landesrechtliche Vorschriften in der jeweils gültigen Fassung zu beachten sind.
1. Bereich der Raumordnung
1.1 Raumordnerische Aufgaben und Instrumente zum vorbeugenden Hochwasserschutz
Nach § 1 ROG besteht die Aufgabe der Raumordnung darin, den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende, übergeordnete Raumordnungspläne und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei sind unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen, und es ist Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Raumnutzungen zu treffen.
Leitvorstellung bei der Erfüllung dieser Aufgabe ist eine 'nachhaltige Raumentwicklung', welche die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt.
Im Rahmen dieser komplexen Aufgabe und Leitvorstellung ist der vorbeugende Hochwasserschutz als ein Grundsatz der Raumordnung umzusetzen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG ist "für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und überschwemmungsgefährdeten Bereichen."
Dieser bundesweite Grundsatz der Raumordnung ist in den Raumordnungsplänen der Länder zu konkretisieren. Dabei müssen die hieraus resultierenden konkreten Festlegungen räumlicher Nutzungen und Funktionen mit entsprechenden, aus anderen Grundsätzen resultierenden Belangen abgewogen und abgestimmt werden.
Mit den Entschließungen vom 08.03.1995, vom 29.03.1996 und 4.6.1998 hat die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) eine Überprüfung der bisherigen Hochwasserschutzstrategien und einen wirksamen Beitrag der Raumordnung und Landesplanung zum vorbeugenden Hochwasserschutz gefordert. In den Handlungsempfehlungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz vom 14.06.2000 (GMBl. 2000 S. 514 ff.) wurden die Entschließungen bekräftigt und konkretisiert. Inzwischen wurde in vielen Ländern entsprechend der jeweiligen Notwendigkeit und der raumordnungsrechtlichen Grundlagen in Ergänzung zu den Instrumenten der Wasserwirtschaft sowie auf der Basis wasserwirtschaftlicher Erkenntnisse mit der Umsetzung begonnen.
Nach den Handlungsempfehlungen der MKRO vom 14.06.2000 umfasst das raumordnerische Flächenmanagement zum vorbeugenden Hochwasserschutz:
Hierzu werden in Landesentwicklungsprogrammen bzw. Landesentwicklungsplänen (Raumordnungspläne für das Landesgebiet gemäß § 8 ROG) sowie in raumordnerischen Plänen für Teilräume der Länder (Regionalpläne gemäß § 9 ROG) entsprechende Ziele und Grundsätze festgelegt. Im jeweiligen Planungsmaßstab können entsprechende Vorrang- oder Vorbehaltsgebiete ausgewiesen werden. Diese raumordnerischen Instrumente sind wie folgt definiert:
Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Ziele der Raumordnung sind gemäß § 4 ROG zu beachten. Sie können in Bauleitplänen und sektoralen Fachplanungen nicht erneut abgewogen werden, sondern nur noch dem größeren Planungsmaßstab entsprechend konkretisiert werden.
Grundsätze der Raumordnung sind allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen. Grundsätze sind gemäß § 4 ROG zu berücksichtigen, d.h. ihre inhaltliche Ausrichtung ist bei weiteren, auf der Ebene der Raumordnung noch nicht abschließend vollzogenen Abwägungen mit andern örtlichen oder sektoralen Belangen zu berücksichtigen.
Für räumliche Festsetzungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz ermöglicht § 7 Abs. 4 ROG die Festlegung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten in Raumordnungsplänen:
Vorranggebiete geben bestimmten, raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen Priorität und schließen andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet aus, soweit letztere mit den vorrangigen Funktionen, Nutzungen oder Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sind.
Vorbehaltsgebiete messen in den jeweiligen Gebieten bestimmten, raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen für nachfolgende Abwägungen mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen ein besonderes Gewicht bei - schließen aber die Zulassung entgegenstehender Nutzungen nicht vollständig aus.
Der Einsatz der o. a. raumordnerischen Instrumente zum vorbeugenden Hochwasserschutz ist Aufgabe der Länder; entsprechende textliche Ziele und Grundsätze sowie räumliche (zeichnerische) Gebietsfestlegungen müssen in den Landes- und Regionalplänen der Länder im jeweiligen Planungsmaßstab ausgestaltet werden. Auf der Ebene der Landesplanung (Landesentwicklungsprogramme und -pläne) werden Grundsätze und Ziele als Vorgabe für eine weitere Konkretisierung auf regionalplanerischer Ebene verankert. Dabei können bereits mit Zielen der Landesebene nachfolgend zu sichernde Flächen eindeutig definiert werden (z.B. "Flächen, die bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis überschwemmt werden") und es können Abwägungsregeln für nachgeordnete Entscheidungen festgelegt werden (z.B. "In den Überschwemmungsbereichen sind die verschiedenen Raumfunktionen - Landwirtschaft/Naturschutz/Erholung - unter Beachtung der vorrangigen Belange des Hochwasserschutzes aufeinander abzustimmen".)
Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebiete, die für alle Planungsbeteiligten die räumliche Anordnung der jeweiligen Raumfunktionen und Raumnutzungen eindeutig festlegen, sind besonders effektiv. Wegen der Größe und Ausformung der hochwassergefährdeten Bereiche (langgestreckte schmale Bereiche entlang der Flüsse) sind solche Festlegungen für den vorbeugenden Hochwasserschutz i. d. R. nur auf regionalplanerischer Ebene möglich; sie sollten hier - soweit der Planungsmaßstab es zulässt - angewandt werden. Außerdem sollte in den Regionalplänen festgelegt werden, dass die Ziele auf kleinere Fließgewässer entsprechend anzuwenden sind, um auch kleinere, im regionalen Planungsmaßstab nicht darstellbare Überschwemmungsbereiche zu sichern.
Die Handlungsempfehlungen der MKRO umfassen differenzierte Angaben zur Verwendung der raumordnerischen Instrumente für bestimmte Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Im Folgenden soll auf die für die Bauleitplanung bedeutsamen Aspekte dieser raumordnerischen Vorgaben zum vorbeugenden Hochwasserschutz eingegangen werden:
1.2 Raumordnerische Sicherung (vorhandener) Überschwemmungsflächen
Die natürlichen Überschwemmungsflächen der Fließgewässer sind durch Eindeichungen, Gewässerausbau und Aufhöhung gewässernaher (Bau-)Grundstücke stark verkleinert worden. Die heute noch nicht bebauten Überschwemmungsflächen sollen deshalb möglichst vollständig für den Abfluss und die Retention von Hochwasser erhalten werden. Eine weitere Inanspruchnahme für Baugebiete soll ausgeschlossen werden, um Retentionsraum zu erhalten und keine zusätzlichen Schadenspotentiale aufzubauen.
Die vorhandenen Überschwemmungsflächen sollen deshalb durch entsprechende Ziele in Landes- und Regionalplänen gesichert werden. Bei der Bemessung soll bundeseinheitlich mindestens ein 100-jährliches Hochwasserereignis zu Grunde gelegt werden. Sofern es die (von der Wasserwirtschaft bereitzustellenden) Planungsgrundlagen und der Maßstab der Raumordnungspläne zulassen, soll eine zeichnerische Darstellung/räumliche Abgrenzung als Vorranggebiet erfolgen. (Wenn konkrete Vorschläge bzw. hinreichende Planungsgrundlagen nicht vorliegen oder eine raumordnerische Endabwägung nicht möglich ist, kommt auch eine Ausweisung als Vorbehaltsgebiet in Betracht.)
Dabei ist die raumordnerische Darstellung entsprechender "Überschwemmungsbereiche" (im Gegensatz zur wasserrechtlichen Festsetzung von "Überschwemmungsgebieten") nicht parzellenscharf. Diese Darstellungsunschärfe erleichtert es, neben wasserrechtlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten auch noch nicht festgesetzte faktische Überschwemmungsgebiete gemäß § 31b Abs. 6 WHG in die raumordnerische Ausweisung von Überschwemmungsbereichen einzubeziehen. Letztere können dann im Nachgang zur raumordnerischen Sicherung sukzessive wasserrechtlich festgesetzt werden.
Innerhalb der durch raumordnerische Ziele gesicherten Überschwemmungsbereiche ist die bauleitplanerische Ausweisung neuer Baugebiete grundsätzlich unzulässig (vgl. hierzu unten 3.1.1.1).
Da in der Vergangenheit der Erhaltung von Überschwemmungsflächen zu wenig Beachtung geschenkt wurde, sollte die raumordnerische Sicherung von Überschwemmungsbereichen mit dem Ziel verbunden werden, dass innerhalb dieser Überschwemmungsbereiche in Flächennutzungsplänen ausgewiesene Siedlungsflächen zurückzunehmen sind - soweit sie noch nicht realisiert oder in verbindlichen Bauleitplänen als Baugebiete festgesetzt sind. Weitergehende Forderungen nach Rücknahme vorhandener oder rechtsverbindlich festgesetzter Siedlungsflächen können Ersatzleistungs- bzw. Entschädigungsansprüche der Gemeinden auslösen.
Vorhandene überschwemmungsgefährdete Bebauung soll in die raumordnerische Darstellung von Überschwemmungsbereichen einbezogen werden. In zugeordneten raumordnerischen Zielen/Erläuterungen soll klargestellt werden, dass damit diese vorhandene Bebauung nicht in Frage gestellt wird; vielmehr soll das Risiko deutlich werden und zu entsprechenden Maßnahmen anregen.
1.3 Raumordnerische Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen
In die raumordnerische Sicherung von Überschwemmungsbereichen sollen auch solche Flächen einbezogen werden, die im Zuge von Deichrückverlegungen, Gewässerrenaturierungen und Verbreiterung von Abflussquerschnitten als Retentionsraum zurück gewonnen werden sollen (in der Regel ehemalige Überschwemmungsgebiete). Die Raumordnung sichert damit Optionen für entsprechende wasserwirtschaftliche Maßnahmen zur Vergrößerung von Überschwemmungsgebieten und greift räumlich über die nach Wasserrecht mögliche Festsetzung von Überschwemmungsgebieten hinaus.
Neben textlichen Zielaussagen zur Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen ist auch hierzu eine räumliche/zeichnerische Darstellung in Raumordnungsplänen anzustreben. Die Darstellung von Vorranggebieten mit dem Ziel der Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen bzw. die Einbeziehung in entsprechende Überschwemmungsbereiche erfordert konkrete Forderungen der Wasserwirtschaft, die bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen mit anderen Ansprüchen an den Raum abschließend abgewogen werden können.
Wenn solche konkreten Vorschläge zur Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen noch nicht vorliegen, können ggf. erkennbare Rückgewinnungsmöglichkeiten als Vorbehaltsgebiete dargestellt werden. Bei solchen Vorbehalten ist dann eine abschließende Abwägung mit anderen Ansprüchen an den Raum in der Bauleitplanung oder in wasserrechtlichen Verfahren möglich.
Vorranggebiete, die zur Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen festgelegt werden, sind in nachgeordneten Planverfahren genauso zu beachten wie Vorranggebiete, die zur Erhaltung vorhandener Überschwemmungsflächen ausgewiesen wurden; in beiden Fällen entfalten die Vorranggebiete die gleichen Wirkungen bezüglich der bauleitplanerischen Anpassung/Ausweisung von Bauflächen.
Um bisherige (landwirtschaftliche) Nutzungen weiterhin zu gewährleisten und die Akzeptanz anderer Planungsbeteiligter zu gewinnen, sollte nicht jede Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen mit der Forderung nach Naturentwicklung verbunden werden. Selten überschwemmte Flächen können weiterhin landwirtschaftlich bzw. ackerbaulich genutzt werden. Naturentwicklung ist nur für solche Auen anzustreben, die im Abstand von weniger als fünf Jahren überschwemmt werden (< HQ5).
1.4 Raumordnerische Risikovorsorge in potentiellen Überflutungsbereichen
In hochwassergefährdeten Bereichen historisch gewachsene Siedlungen sollten soweit möglich durch funktionsfähige Anlagen gegen Hochwasser geschützt werden. Hochwasserschutzanlagen können dennoch keine absolute Sicherheit garantieren. Katastrophen z.B. durch Deichbrüche oder ein Überströmen von Deichen bei extremen Hochwasserereignissen können nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Auch hinter den Deichen ist deshalb eine stärkere Berücksichtigung des Restrisikos notwendig.
Mit der raumordnerischen Ausweisung von potentiellen Überflutungsbereichen (hinter Deichen) soll das Bewusstsein für dieses "Restrisiko" in deichgeschützten Bereichen geschärft und es sollen entsprechend angepasste Raumnutzungen initiiert werden.
Geeignete Maßnahmen können sein:
Die genannten Maßnahmen machen deutlich, dass eine weitere Siedlungsentwicklung in den deichgeschützten, potentiellen Überflutungsbereichen nicht generell ausgeschlossen, sondern dem Risiko angepasst werden soll. Landes- und Regionalpläne können deshalb vor allem Grundsätze und Vorbehaltsgebiete zur Risikovorsorge festlegen; die konkrete Berücksichtigung der Risiken ist dann eine Aufgabe kommunaler Planungen und Maßnahmen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, bereits im Regionalplan für besonders gefährdete Teile von potentiellen Überflutungsbereichen eine neue Siedlungsnutzung durch entsprechende Ziele und Vorranggebiete auszuschließen.
1.5 Raumordnerische Darstellungen zum Rückhalt des Wassers in den Einzugsgebieten der Flüsse
Der im Sinne des vorbeugenden Hochwasserschutzes anzustrebende Rückhalt des Wassers in der Fläche des gesamten Einzugsgebietes deckt sich mit traditionellen raumordnerischen Zielen zur Sicherung von Freiräumen und Freiraumfunktionen; insbesondere der Sicherung von Wald- und Agrarbereichen mit ggf. überlagernden weiteren Schutzfunktionen (Schutz von Natur und Landschaft, Grundwasserschutz, Sicherung und Entwicklung regionaler Grünzüge etc.). Ihre Sicherung ist nunmehr auch unter dem Gesichtspunkt der positiven, ausgleichenden Wirkungen für den Wasserhaushalt bzw. Wasserabfluss fortzuführen.
Die raumordnerische Sicherung von Freiräumen erfolgt über Ziele und Grundsätze sowie Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die jeweiligen Freiraumfunktionen und -nutzungen. Sie sind von der Bauleitplanung im Sinne der primär gesicherten Funktionen und Nutzungen zu beachten bzw. zu berücksichtigen; der Wasserrückhalt ist dabei i. d. R. nur mittelbar von Bedeutung.
Ergänzend können zum Wasserrückhalt Standorte vorhandener und zusätzlicher Talsperren und Rückhaltebecken mit ihren jeweiligen Einzugsgebieten raumordnerisch gesichert werden.
Vorhandene und geplante Talsperren und Rückhaltebecken werden raumordnerisch i. d. R. durch konkrete Ziele und Darstellung von Standorten bzw. Vorranggebieten gesichert und sind dann von der Bauleitplanung zu beachten.
Außerdem können in Raumordnungspläne Grundsätze zum Wasserrückhalt in Siedlungsbereichen aufgenommen werden. Maßstabbedingt werden dabei aber keine konkreten Flächen oder Maßnahmen festgelegt; die Umsetzung in planerische Festlegungen zur Versickerung und Bewirtschaftung von Niederschlagswasser müsste im Rahmen der Bauleitplanung, durch wasserwirtschaftliche Pläne oder durch Satzungen nach Landesrecht erfolgen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen zum Rückhalt des Wassers in den Einzugsgebieten der Flüsse vor allem für kleine und mittlere Hochwasserereignisse von Bedeutung sind. Im Hinblick auf extreme Hochwasserereignisse steht beim raumordnerischen Flächenmanagement die Sicherung und Rückgewinnung von natürlichen Überschwemmungsflächen und die Risikovorsorge in potentiell überflutungsgefährdeten Bereichen im Vordergrund.
In den Gewässerauen selbst kann durch Entwicklung von Auewäldern und andere Renaturierungsmaßnahmen auf einen verzögerten Wasserabfluss hingewirkt werden. Solche Maßnahmen können am Ort des Rückstaus höhere Wasserstände bewirken und bedürfen deshalb einer einzelfallbezogenen Bewertung.
1.6 Bindung der Bauleitplanung durch Ziele der Raumordnung
Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Wie bereits dargelegt, können in der Landesplanung durch die Festlegung von Vorranggebieten überschwemmungsgefährdete Flächen und rückgewinnbare Retentionsräume gegen Planungen abgesichert werden, die ihre Funktion für den Hochwasserabfluss und -rückhalt beeinträchtigen. In Vorranggebieten sind andere raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen, die mit den Funktionen, Nutzungen und Zielen des Vorranggebiets nicht vereinbar sind. Vorranggebiete stellen Ziele der Raumordnung dar und sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten (§ 4 Abs. 1 ROG). Soweit daher in Vorranggebieten für den Hochwasserabfluss und - rückhalt Darstellungen eines Flächennutzungsplans oder Festsetzungen eines Bebauungsplans darauf gerichtet sind, eine bauliche Entwicklung vorzubereiten, die den Hochwasserabfluss und -rückhalt beeinträchtigt, ist der Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB nicht Rechnung getragen. Ein gemeindlicher Abwägungsspielraum besteht insoweit nicht. Vorranggebiete für den Hochwasserschutz sind damit einer auf die Ausweisung von Bauflächen gerichteten Bauleitplanung grundsätzlich entzogen.
Demgegenüber verbleibt bei der landesplanerischen Ausweisung von Vorbehaltsgebieten für den Hochwasserschutz der Gemeinde ein Abwägungsspielraum erhalten. In Vorbehaltsgebieten für den Hochwasserschutz wird dieser Nutzung für nachfolgende Abwägungen ein besonderes Gewicht beigemessen; eine dieser Nutzung entgegenstehende Planung ist damit aber nicht von vorneherein ausgeschlossen.
Abbildung Veranschaulichung wasserwirtschaftlicher und raumordnerischer Begriffe zum vorbeugenden Hochwasserschutz
2. Bereich des Wasserrechts
Das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 03.05.2005 (BGBl I S. 1224) hat einige Neuregelungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) mit sich gebracht, insbesondere das Verhältnis zwischen der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und der Bauleitplanung auf neue rechtliche Grundlagen gestellt (s. hierzu im Einzelnen u. 3.1)..
Das WHG in dieser Fassung enthält u. a. folgende rechtliche Instrumente des vorsorgenden Hochwasserschutzes:
2.1 Erhaltungsgebot des § 31b Abs. 6 WHG
Festgesetzte, nicht festgesetzte und vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete sind in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. Nur soweit der Erhaltung überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen, sind rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen (§ 31b Abs. 6 Satz 1 WHG).
Das in § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG enthaltene Erhaltungsgebot entspricht weitestgehend der Bestimmung des § 32 Abs. 2 Satz 1 WHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.08.2002 (BGBl I S. 3245), wobei die Funktion des Überschwemmungsgebiets als Rückhaltefläche und nicht mehr nur als natürliche Rückhaltefläche geschützt ist.
Da dem Erhaltungsgebot insbesondere Bedeutung im Rahmen der Bauleitplanung und bei der Zulassung von Einzelbauvorhaben zukommt, wird es in diesem Zusammenhang erläutert (vgl. unten 3.1 und 3.2.4).
2.2 Festsetzung von Überschwemmungsgebieten nach § 31b Abs. 2 WHG
Überschwemmungsgebiete sind nach § 31b Abs. 1 WHG die Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt (überflutet) oder durchflossen oder für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden.
2.2.1 Festzusetzende Fläche
Die Länder sind nach § 31b Abs. 2 Satz 1 WHG verpflichtet, diejenigen Gewässer und Gewässerabschnitte, bei denen durch Hochwasser nicht nur geringfügige Schäden entstanden oder zu erwarten sind, zu bestimmen. An diesen Gewässern und Gewässerabschnitten sind nach § 31b Abs. 2 Satz 3 WHG mindestens die Bereiche, in denen statistisch einmal in 100 Jahre ein Hochwasserereignis zu erwarten ist, als Überschwemmungsgebiet festzusetzen. Die Festsetzung muss für Überschwemmungsgebiete, in denen ein hohes Schadenspotential besteht, also insbesondere Siedlungsgebiete, bis zum 10. Mai 2010 erfolgen, im übrigen bis zum 10. Mai 2012 (§ 31b Abs. 2 Sätze 3 und 4 WHG.)
Bei der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten können je nach Erfordernis im konkreten Überschwemmungsgebiet nach § 31b Abs. 2 Satz 6 WHG alternativ oder kumulativ Regelungen getroffen werden
Die Verfahren zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten werden durch Landesrecht geregelt. Überschwemmungsgebiete werden ermittelt und durch Rechtsverordnung festgesetzt. Einige Landeswassergesetze setzen Überschwemmungsgebiete selbst fest.
Überschwemmungsgebiete können bedarfsweise in Hochwasserabflussflächen, Hochwasserrückhalteflächen sowie auch in für den Wasserabfluss und Wasserrückhalt besonders zu beachtende Flächen, wie z.B. den Rückstaubereich, unterteilt werden.
§ 31b Abs. 5 WHG regelt im Vorfeld der Festsetzung die Pflicht, noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern. Für diese vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete gelten die gesetzlichen Regelungen für Überschwemmungsgebiete entsprechend.
2.2.2 Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und baurechtliche
Qualifikation von Gebieten nach den §§ 30 ff. BauGB
Die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten erfolgt unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Qualifizierung der Fläche. Überschwemmungsgebiete können daher nicht nur im Außenbereich nach § 35 BauGB, sondern auch in Bereichen festgesetzt werden, die mit qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplänen überplant oder dem im Zusammenhang bebauter Innenbereich zuzuordnen sind
Mit der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes ist für Einzelbauvorhaben kein generelles Bauverbot verbunden. Im festgesetzten Überschwemmungsgebiet sind nach § 31b Abs. 4 Sätze 3 und 4 WHG die Errichtung und die Erweiterung einer baulichen Anlagen nach den §§ 30, 34 und 35 BauGB genehmigungspflichtig. Die einzelnen Voraussetzungen für eine Genehmigung sind § 31b Abs. 4 Satz 4 WHG zu entnehmen. Im Einzelfall kann die Regelung zu einem Bauverbot führen..
Zum Hochwasserschutz in der Bauleitplanung, insbesondere zu den Anforderungen an die Abwägung, vgl. 3.3.2.
3. Hochwasserschutz in der Bauleitplanung
3.1 Hochwasserschutz als Aufgabe der Bauleitplanung
Hochwasserschutz ist eine Aufgabe der Planungsträger auf allen Planungs- ebenen. Hochwasser an Flussläufen ist in Ursprung und Auswirkungen ein gemeindeübergreifendes Geschehen. Daher ist auch der Schutz vor Hochwasser zunächst gemeindeübergreifend zu leisten und eine Aufgabe der Raumordnung und Landesplanung. Wie in Abschnitt 1 dargestellt, stellt das Raumordnungsrecht hierfür wirksame Instrumente zur Verfügung. Daneben stehen die Instrumente des Wasserrechts. Die Bestimmungen des § 31b Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 WHG mit den Regelungen zur Bauleitplanung in festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten sowie des § 31b Abs. 6 WHG mit dem Gebot der Erhaltung von Überschwemmungsgebieten in ihrer Funktion als Rückhalteflächen haben erhebliche Auswirkungen auf die gemeindliche Bauleitplanung (zu den einschlägigen Bestimmungen des WHG s. 3.2). .
Abgesehen davon kann die kommunale Bauleitplanung - sei es auf der Ebene der Flächennutzungsplanung, sei es auf der Ebene der Bebauungsplanung - durch die bestehenden bauplanungsrechtlichen Instrumentarien ihren Beitrag zum Hochwasserschutz leisten. Da der Städtebau und sein rechtliches Instrumentarium auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränkt sind, kommt der Bauleitplanung insoweit in erster Linie eine die überörtliche Planung und das wasserrechtliche Instrumentarium ergänzende Funktion zu. In der bauleitplanerischen Abwägung ist der Hochwasserschutz als Belang zu berücksichtigen (3.3).
3.2 Regelungen des WHG zur Bauleitplanung
Durch die Neuregelungen im WHG 2005 (s. o. 2.1) ist das Verhältnis zwischen Überschwemmungsgebieten und der Bauleitplanung auf neue rechtliche Grundlagen gestellt worden. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelungen in
Die Bestimmungen zur Bauleitplanung in festgesetzten Überschwemmungsgebieten (§ 31b Abs. 4 Satz 1 und 2 WHG) bzw. in vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (§ 31b Abs. 5 WHG) sind im Bundesrecht neu. Bislang regelten die Landeswassergesetze diese Materie.
3.2.1 Grundsätzliches Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in festgesetzten Überschwemmungsgebiete (§ 31b Abs. 4 WHG)
Frühere Rechtslage:
Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes galten für die Bauleitplanung in förmlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten im Wesentlichen folgende Grundsätze:
Soweit nach den jeweiligen wasserrechtlichen Vorschriften des Landesrechts in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet grundsätzlich keine baulichen Anlagen errichtet werden durften, verstieß ein Bebauungsplan, der dennoch generell Bauten im festgesetzten Überschwemmungsgebiet zuließ, gegen höherrangiges Recht in Gestalt der jeweiligen landesrechtlichen Vorschrift und war damit nichtig (vgl. BayVGH, Urteil vom 24.11.1994, NVwZ 1995, 924 = BayVBl. 1995, 561 = NuR 1995, 411 = BRS 56 Nr. 18). Soweit die Vorschriften des Landeswasserrechts für festgesetzte Überschwemmungsgebiete kein generelles Bauverbot, sondern nur einen Genehmigungsvorbehalt vorsahen, widersprach die Ausweisung von Bauflächen im Flächennutzungsplan und von Baugebieten im Bebauungsplan nicht zwingend Vorschriften des Wasserrechts, weil der wasserrechtliche Genehmigungsvorbehalt unberührt blieb (§ 29 Abs. 2 BauGB). Allerdings bildeten die allgemeinen Grundsätze einer rechtmäßigen Bauleitplanung wie das Anpassungsgebot nach § 1 Abs. 4 BauGB, das Erforderlichkeitsgebot nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sowie die Anforderungen an eine sachgerechte Abwägung nach § 1 Abs. 6 und 7 BauGB insoweit Schranken gegenüber der Ausweisung von Baugebieten in festgesetzten Überschwemmungsgebieten.
Aktuelle Rechtslage:
§ 31b Abs. 4 Satz 1 WHG bestimmt nunmehr, dass in Überschwemmungsgebieten nach § 31b Abs. 2 Satz 3 und 4 WHG durch Bauleitpläne keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden dürfen; ausgenommen sind Bauleitpläne für Häfen und Werften. Unter den im Einzelnen in § 31b Abs. 4 Satz 2 WHG genannten Voraussetzungen kann die zuständige Behörde allerdings die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen.
Das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in § 31b Abs. 4 Satz 1 WHG bezieht sich auf festgesetzte Überschwemmungsgebiete. Die Regelung gilt auch für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete.
§ 31b Abs. 4 Satz 1 WHG bezieht sich auf die Ausweisung neuer Baugebiete. Damit sind jedenfalls Baugebiete auf bisher unbebauten Flächen gemeint. Ob die Vorschrift auch Überplanung oder Umplanung bereits bebauter Bereiche und die Änderung eines bereits bestehenden Bebauungsplans erfasst, ist umstritten1.
Die Vorschrift bezieht sich auf die Ausweisung neuer Baugebiete durch Bauleitpläne. Bauleitpläne sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 BauGB der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan. Demnach sind von § 31b Abs. 4 Satz 1 WHG die Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 - 3 BauGB und die Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB nicht erfasst. Allerdings unterliegen diese Satzungen den Beschränkungen durch das Erhaltungsgebot (§ 31b Abs. 6 WHG, s. o. 2.2). Einige Landeswassergesetze, enthalten im Übrigen Regelungen zu Satzungen.
Baugebiete sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 BauNVO Flächen, die die für die Bebauung vorgesehenen sind und in einem Bauleitplan nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung dargestellt sind (wie z.B. Wohngebiete, Mischgebiete oder Gewerbegebiete).
Die Art der baulichen Nutzung kann im Bebauungsplan außer durch Baugebietsfestsetzungen nach Maßgabe der BauNVO auch durch anderweitige Flächenfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB bestimmt werden. In Betracht kommt etwa die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Wird mit einer Gemeinbedarfsfläche die planungsrechtliche Grundlage für die Errichtung von Gebäuden (z.B. von Schulen) geschaffen, besteht im Hinblick auf die Belange des Hochwasserschutzes ohne weiteres eine Vergleichbarkeit mit Baugebieten im Sinn von § 1 Abs. 2 BauNVO, so dass - vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des Gesetzes - bei einer entsprechenden Bauleitplanung § 31b Abs. 4 Satz 1 WHG ebenso Anwendung findet.
Im Übrigen wird auch die erstmalige Darstellung von Bauflächen (§ 1 Abs. 1 BauNVO) im bisherigen planungsrechtlichen Außenbereich in einem Flächennutzungsplan von § 31b Abs. 4 Satz 1 WHG erfasst. Dies ergibt sich daraus, dass bereits bei der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, um das im Flächennutzungsplan zum Ausdruck kommende gesamträumliche Entwicklungskonzept der Gemeinde in Bebauungsplänen umsetzen zu können (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 21.10.1999, NVwZ 2000, 1045 = DVBl 2000, 794 = DÖV 2000, 423).
Ausgenommen von dem Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete sind Bauleitpläne für Häfen und Werften (§ 31b Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz WHG). Hintergrund dieser Ausnahmeregelung ist, dass solche Anlagen nur unmittelbar am Gewässer errichtet oder fortentwickelt werden können. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an ein "Hafengebiet" als Sondergebiet im Sinn von § 11 Abs. 2 BauNVO.
1 Im Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 15/3510 vom 01.07.2004) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksachen 15/3168, 15/3214) "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes" wird hierzu Bezug nehmend auf einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen folgendes ausgeführt:
"Die Neuregelungen des § 31b Abs. 4 WHG stünden der Überplanung zusammenhängend bebauter Ortsteile im Sinne des § 34 BauGB nicht entgegen. Das Planungsverbot in Satz 1 richte sich vielmehr gegen die Planung von neuen Baugebieten. Damit seien nur solche Baugebiete gemeint, die festgesetzt würden, um erstmals eine zusammenhängende Bebauung zu ermöglichen. Erstmalige Überplanung und Umplanung würden keine neuen Baugebiete schaffen, sondern lediglich eine bestimmte Nutzung des Baubestandes festsetzen. Vor diesem Hintergrund wären auch künftig sowohl erstmalige Überplanung, z.B. historischer Altstädte, als auch Umplanungen zur Brachflächennutzung nach Aufgabe der früheren Nutzung zulässig."
3.2.2 Ausnahmsweise Zulassung neuer Baugebiete (§ 31b Abs. 4 Satz 2 WHG)
Nach § 31b Abs. 4 Satz 2 WHG kann die zuständige Behörde die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen, wenn die in der Vorschrift genannten Ausnahmevoraussetzungen kumulativ vorliegen.
Die Bestimmung der zuständigen Behörde im Sinne der Vorschrift obliegt dem Landesrecht.
Die zuständige Behörde hat vor der Zulassung der Ausweisung eines neuen Baugebietes im festgesetzten Überschwemmungsgebiet das Vorliegen aller in § 31b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 9 WHG geregelten Ausnahmetatbestände zu prüfen. Die Darlegungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen liegt beim Planungsträger (Gemeinde). Liegen die Ausnahmevoraussetzungen sämtlich vor, hat die Behörde nach den Grundsätzen sachgerechter Ermessensausübung über die Zulassung der Baugebietsausweisung zu entscheiden.
Das Gesetz führt folgende Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulassung auf:
Im Einzelfall sind die Anforderungen an eine hochwasserangepasste Bausausführung den Festsetzungen oder der Begründung des Bebauungsplans zu entnehmen. Welche Anforderungen bei der Bauausführung im Einzelnen zu beachten sind, bestimmt sich darüber hinaus naturgemäß nach den konkreten örtlichen Erfordernissen. Empfehlungen für das Bauen in hochwassergefährdeten Bereichen enthält die Anlage.
3.2.3 Neue Baugebiete in vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (§ 31b Abs. 5 WHG)
Durch Landesrecht wird geregelt, dass noch nicht nach § 31b Abs. 2 Satz 3 und 4 WHG festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern sind (§ 31b Abs. 5 Satz 1 WHG; vgl. hierzu bereits oben 2.2).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gelten für die Bauleitplanung die Bestimmungen des § 31b Abs. 4 Satz 1 und 2 WHG entsprechend (§ 31b Abs. 5 Satz 2 WHG). Auch in solchen Überschwemmungsgebieten dürfen folglich grundsätzlich keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden; Ausnahmen sind nur unter den Voraussetzungen des § 31b Abs. 4 Satz 2 möglich.
3.2.4 Erhaltungsgebot in nicht festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten
Das Erhaltungsgebot des 31b Abs. 6 WHG (s.o. 2.2) gilt insbesondere in nicht festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten. Gerade Überschwemmungsgebiete, die weder festgesetzt noch im Sinn von § 31b Abs. 5 WHG vorläufig gesichert sind, sind in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. Das Erhaltungsgebot tritt zurück, soweit ihm überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen; in diesem Fall sind rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen (§ 31b Abs. 6 Satz 1 WHG).
Die Regelung des § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG greift - wie auch die Vorgängerregelung des § 32 Abs. 2 Satz 1 WHG a. F. - nach Inkrafttreten eines Bebauungsplans nur noch eingeschränkt, wenn es sich dabei um einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan handelt, der die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben abschließend bestimmt. Sofern die Aspekte des Hochwasserschutzes bei der Aufstellung des Bebauungsplans sachgerecht behandelt wurden, kann dem Bauvorhaben im Geltungsbereich des Bebauungsplans nicht neuerlich das Erhaltungsgebot entgegenstehen.
Für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer bauleitplanerischen Maßnahme kommt es auf eine Abwägung zwischen den für die Bauleitplanung sprechenden Interessen und den im Erhaltungsgebot zum Ausdruck kommenden Belangen des Hochwasserschutzes an. Das Interesse des Hochwasserschutzes an der Freihaltung hat erst dann zurückzustehen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit für die Maßnahme sprechen. In diesem Fall sind Ausgleichsmaßnahmen zu treffen.
Die Frage von Ausgleichsmaßnahmen stellt sich also nicht, wenn es bereits an überwiegenden Gründen des Wohls der Allgemeinheit fehlt. Folglich ist der Belang des § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG zunächst mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen (vgl. unten unter 3.1.1.3). Ob Gründe des Wohls der Allgemeinheit vorliegen, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls feststellen. Jedenfalls müssen dies Gründe sein, die im Einzelfall diejenigen des Hochwasserschutzes an Bedeutung noch übertreffen. Die Entscheidung, welchen der im Einzelfall miteinander in Konflikt stehenden öffentlichen Interessen der Vorrang zu geben ist, setzt auf Seiten der planenden Gemeinde eine Interessenabwägung voraus. (Zu Einzelfällen vgl. BayVGH, Urteil vom 27.04.2004, 26 N 02.2437, NuR 2005, 109 zu einem Bebauungsplan für ein Wohngebiet und BayVGH, Beschluss vom 29.09.2004, 15 ZB 02.2958, DÖV 2005, 164 = BauR 2005, 66 zur Darstellung von Gewerbe- und Mischgebietsflächen in einem Flächennutzungsplan, jeweils in faktischen Überschwemmungsgebieten.) Die Vorschrift verleiht dem Hochwasserschutz dadurch ein besonderes Gewicht, dass Überschwemmungsgebiete nicht schon dann in ihrer Funktion beseitigt werden dürfen, wenn andernfalls das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt ist, sondern nur dann, wenn einem Erhalt des Überschwemmungsgebiets überwiegende Allgemeinwohlgründe entgegenstehen (BayVGH, Beschluss vom 29.09.2004, a. a. O.).
Die Gemeinde ist - sofern überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit für die Planung bestehen - bei der Überplanung von Überschwemmungsgebieten verpflichtet, die sich daraus ergebenden Konsequenzen (u. a. den Verlust an Retentionsraum) zu bewältigen (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15.05.2003, BauR 2003, 1524). Bei kleineren Maßnahmen ist zu berücksichtigen, dass diese für sich genommen zwar nur zu einer geringen Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses führen mögen, aber sich derartige Maßnahmen addieren können. Die Frage, ob es alternative Standorte für die Planung oder das Vorhaben gibt, ist für die Abwägung besonders relevant.
Soweit der Erhaltung von Überschwemmungsgebieten als Rückhalteflächen überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen - also eine entsprechende Bauleitplanung möglich ist -, sind nach § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Beim Ausgleich muss berücksichtigt werden, dass die Unterlieger und ggf. auch die Oberlieger geschützt werden sollen. Ein Ausgleich ist auch dann notwendig, wenn die Maßnahme im Verhältnis zum gesamten Überschwemmungsraum gering ist.
Der Begriff "notwendige Ausgleichsmaßnahmen" hat nicht zwingend zur Folge, dass gleiche Flächen wieder hergestellt werden müssen. Der Ausgleich muss vielmehr funktional von gleicher Qualität sein, d.h. der Ausgleich muss geeignet sein, das verloren gegangene Rückhaltevolumen zumindest zeitgleich und vollständig zu ersetzen. Im Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan ist zu ermitteln, in welchem Umfang eine durch einen Bebauungsplan ermöglichte Bebauung den Verlust an Retentionsraum zur Folge hat und durch welche Maßnahmen dies ausgeglichen werden kann (Niedersächsisches OVG, a. a. O.). Auch bei der Flächennutzungsplanung wird hier regelmäßig zu fordern sein, dass die Gemeinde die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen bereits im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans vorsieht (vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 29.09.2004, a. a. O.).
3.3 Hochwasserschutz in der bauleitplanerischen Abwägung
3.3.1 In der Bauleitplanung zu berücksichtigende Belange im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz
Auch außerhalb von landesplanerischen Vorranggebieten und von Überschwemmungsgebieten sind die Belange des Hochwasserschutzes bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen. Durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes hat der Gesetzgeber die Belange des Hochwasserschutzes ausdrücklich in den Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB aufgenommen. § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB hebt den Stellenwert der Erfordernisse des Hochwasserschutzes in der Bauleitplanung hervor (Amtliche Begründung, BR-Drs. 268/04, S. 14).
Da sich bei den Hochwasserkatastrophen der vergangenen Jahre gezeigt hat, dass insbesondere gravierende Schäden bei Bauten in hochwassergefährdeten Bereichen eingetreten sind, ist bei der Aufstellung von Bauleitplänen besonderes Augenmerk auf einen vorbeugenden Hochwasserschutz zu richten (Amtliche Begründung, a. a. O., Seite 32). Die Gemeinden haben den Belangen des Hochwasserschutzes damit nicht nur in Überschwemmungsgebieten, sondern auch in überschwemmungsgefährdeten Gebieten in der bauleitplanerischen Abwägung das erforderliche Gewicht einzuräumen. Dies entspricht auch der Gewährleistung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung als Ziel der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB).
Zu den Belangen des Hochwasserschutzes gehört auch das Ziel der Erhaltung und Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen, dem der Gesetzgeber in § 31b Abs. 6 WHG besonderen Stellenwert insoweit eingeräumt hat, als nur überwiegende Gründe des Allgemeinwohls eine Abweichung von dem Erhaltungsgebot rechtfertigen (vgl. hierzu oben 2.2. und 3.2.4).
Im Übrigen können im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz insbesondere folgende Belange Bedeutung für die bauleitplanerische Abwägung erlangen:
3.3.2 Maßstäbe für die Abwägung
Über den konkreten Stellenwert der genannten mit dem Hochwasserschutz in Zusammenhang stehenden Belange entscheidet die Gemeinde anhand der Maßstäbe einer gerechten Abwägung im Sinn von § 1 Abs. 7 BauGB.
Dabei hängt der gemeindliche Entscheidungsspielraum wesentlich davon ab, ob es um die Vermeidung bestehender Hochwassergefährdungen oder um allgemeine Vorsorgemaßnahmen ohne konkrete Gefährdung im Gemeindegebiet geht. Dies bedeutet, dass - so bedeutsam diese Ziele sind - etwa bei der Vermeidung von Versiegelung oder bei Regelungen über die dezentrale Niederschlagswasserentsorgung im Baugebiet ein weiterer planerischer Gestaltungsspielraum besteht als im Bereich des konkreten Schutzes vor Hochwassergefahren, also insbesondere bei einer beabsichtigten Neuausweisung eines Baugebietes in einem überschwemmungsgefährdeten Bereich. Die Belange der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse und der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung sowie der Erhaltung von Rückhalteflächen (vgl. § 31b Abs. 6 WHG) werden in der konkreten Planungssituation häufig ein hohes Gewicht haben. Nach dem Gebot gerechter Abwägung wird dann eine Ausweisung von Bauflächen regelmäßig unterbleiben oder jedenfalls nur mit entsprechenden Schutzmaßnahmen erfolgen.
Eine sachgerechte Abwägung setzt voraus, dass im Raum stehende Hochwassergefahren und gegebenenfalls auch Schutzvorkehrungen im Rahmen der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials vollständig ermittelt werden. Hierfür ist im Bauleitplanverfahren die Beteiligung der Behörden der Wasserwirtschaftsverwaltung als Träger öffentlicher Belange nach § 4 BauGB unabdingbar. Grundsätzlich können nur die Behörden der Wasserwirtschaft den Gemeinden die Informationen zur Verfügung stellen, die sie in die Lage versetzen, die für den Abfluss von Niederschlägen und für die Ausdehnung von Hochwasser erforderlichen Flächen planerisch freizuhalten. Bedarf es für die Zusammenstellung des notwendigen Abwägungsmaterials weiterer sachverständiger Untersuchungen, Gutachten oder Bestandsaufnahmen, muss die planende Gemeinde derartige Untersuchungen durchführen lassen. Ist das Abwägungsmaterial vollständig ermittelt, sind die Hochwassergefahren und Schutzmöglichkeiten im Hinblick auf ihre Bedeutung für die jeweilige Planung zu bewerten und mit dem ihnen objektiv zukommenden Gewicht in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich eine Abwägung wegen unvollständigen Abwägungsmaterials als fehlerhaft erweist, wenn keine näheren Ermittlungen angestellt werden, in welcher Häufigkeit mit Überschwemmungen zu rechnen sein wird und welche Hochwasserstände dabei voraussichtlich erreicht werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.1990, BauR 1991, 45 = BRS 50 Nr. 40) oder wenn die Gemeinde eine vom Wasserwirtschaftsamt vor Erlass des Bebauungsplans in einem Überschwemmungsgebiet geforderte fachgutachtlich abgestützte Bestandsaufnahme nicht einholt (BayVGH, Urteil vom 15.12.2000, Az. 26 N 96.2710).
3.4 Besonderheiten bei der Flächennutzungsplanung
Im Flächennutzungsplan ist für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Im Flächennutzungsplan, der das räumliche und städtebauliche Entwicklungsprogramm und damit das Bodennutzungskonzept für die gesamte Gemeinde enthält, fällt die grundlegende Entscheidung, wo innerhalb des Gemeindegebiets Bauflächen ausgewiesen werden bzw. wo eine solche Ausweisung unterbleibt. Damit enthält der Flächennutzungsplan auf der gemeindlichen Planungsebene auch die Vorentscheidung über die Sicherung der Überschwemmungsbereiche. Daher kommt auf der Planungsstufe der Flächennutzungsplanung einer sorgfältigen Bestandsaufnahme der Hochwasserereignisse in der Vergangenheit und der Abschätzung künftiger Hochwassergefahren wesentliche Bedeutung zu. Zu den Bindungen des Flächennutzungsplans an die Ziele der Raumordnung und an wasserrechtliche Vorschriften vgl. oben 3.1.1.1 und 3.1.1.2.
3.4.1 Darstellungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz
Im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz können verschiedene Darstellungsmöglichkeiten im Flächennutzungsplan Anwendung finden.
Dem Hochwasserschutz wird zunächst grundlegend dadurch Rechnung getragen, dass die Gemeinden auf die Darstellung von Bauflächen im Flächennutzungsplan in Überschwemmungsgebieten und überschwemmungsgefährdeten Gebieten verzichten und an deren Stelle im Vergleich zu Bauflächen weniger hochwasserempfindliche Nutzungen wie etwa Flächen für die Landwirtschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 9a BauGB), für den Wald (§ 5 Abs. 2 Nr. 9b BauGB; zu denken ist etwa an Auwälder) oder Grünflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB; gegebenenfalls auch mit besonderer Zweckbestimmung wie z.B. "Überschwemmungswiesen") darstellen.
Eine Darstellung von Baugebieten und Bauflächen im Flächennutzungsplan in förmlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten kommt nur unter den Voraussetzungen des § 31b Abs. 4 Satz 1 und 2 WHG in Betracht (vgl. oben 3.1.1.2.1). Aber auch außerhalb förmlich festgesetzter Überschwemmungsgebiete ist eine Darstellung von Bauflächen und Baugebieten im Flächennutzungsplan in Überschwemmungsgebieten oder überschwemmungsgefährdeten Gebieten nicht allgemein mit dem Hinweis zu rechtfertigen, dass das nachfolgende Bebauungsplanverfahren noch eine planerische Bewältigung der Überflutungs-, Abfluss- und Retentionsproblematik erwarten lasse. Da die Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB), müssen grundsätzlich bereits bei der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein, um das gewollte gesamträumliche Entwicklungskonzept in den abgeleiteten verbindlichen Bebauungsplänen umsetzen zu können (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 21.10.1999, NVwZ 2000, 1045 = DVBl. 2000, 794 = DÖV 2000, 423). Damit muss auf der Ebene der Flächennutzungsplanung bereits geklärt sein, ob eine künftige bauliche Entwicklung insbesondere mit dem Erhaltungsgebot des § 31b Abs. 6 WHG sowie den sonstigen Belangen des Hochwasserschutzes und der Sicherheit des Wohn- und Arbeitsbevölkerung hinreichend vereinbar ist.
Unbeschadet dessen kommt im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz insbesondere folgenden Darstellungsmöglichkeiten im Flächennutzungsplan Bedeutung zu:
3.4.2 Kennzeichnungen und nachrichtliche Übernahmen
Neben den planerischen Darstellungsmöglichkeiten bestehen bei der Aufstellung und Änderung von Flächennutzungsplänen auch Kennzeichnungspflichten und Pflichten zu nachrichtlicher Übernahme:
3.4.3 Bestehende Bauflächendarstellungen in Überschwemmungsgebieten und überschwemmungsgefährdeten Gebieten
Ist nach neueren Erkenntnissen davon auszugehen, dass im Flächennutzungsplan dargestellte Bauflächen überflutungsgefährdet sind, sind die Gemeinden zur Überprüfung dieser Darstellungen aufgerufen.
Dies gilt auch für solche Bauflächen, für die noch kein Baurecht über Bebauungspläne oder andere städtebauliche Satzungen geschaffen wurde und die im bisherigen bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB liegen. Gerade dort geben die aufgrund jüngerer Hochwasserereignisse und neuer wasserwirtschaftlicher Feststellungen gewonnen Erkenntnisse den Gemeinden Anlass, die vorgesehene Bauleitplanung zu überprüfen und gegebenenfalls von ihr Abstand zu nehmen. Im Einzelfall kann dies ergeben, dass eine Änderung des Flächenutzungsplans zur Herausnahme oder Reduzierung einer solchen Baufläche im Sinn vom § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist.
Im Zusammenhang mit einer Rücknahme von Bauflächendarstellungen im Flächennutzungsplan ist zu beachten, dass der Flächennutzungsplan keinen Planungsschaden nach §§ 40 und 42 BauGB auslösen kann. Auch die Vertrauensschadensentschädigung nach § 39 BauGB kann nicht auf Änderungen oder Ergänzungen des Flächennutzungsplans gestützt werden. Im Übrigen sind bei Änderungen des Flächennutzungsplans die allgemeinen Anforderungen an eine gerechte Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange im Sinn von § 1 Abs. 7 BauGB zu beachten.
3.5 Besonderheiten bei der Bebauungsplanung
Der Bebauungsplan enthält als Rechtsnorm (§ 10 Abs. 1 BauGB) und verbindlicher Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB) die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung.
Der Inhalt möglicher Festsetzungen des Bebauungsplans ergibt sich aus § 9 Abs. 1 bis 4 BauGB. Im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz können in der Bebauungsplanung eine Reihe von Festsetzungsmöglichkeiten nutzbar gemacht werden. Ob und in welchem Umfang von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, hängt von der planerischen Konzeption der Gemeinde ab. Aus den von der jeweiligen Planung betroffenen öffentlichen Belangen nach § 1 Abs. 6 BauGB und § 1a BauGB sowie aus dem Gebot einer gerechten Abwägung der betroffenen Belange kann sich dabei allerdings im Einzelfall auch das Erfordernis bestimmter Festsetzungen ergeben.
Neben den Festsetzungen sind - wie beim Flächennutzungsplan - abhängig von den konkreten Umständen auch Kennzeichnungen und nachrichtliche Übernahmen Inhalt des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 5 - 6a BauGB).
3.5.1 Festsetzungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz
Die Festsetzungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz unterscheiden zwischen Festsetzungen, die den Hochwasserschutz im Gemeindegebiet unmittelbar betreffen, und Festsetzungen, die vorbeugend zur Verringerung von Hochwassergefahren beitragen. Bei letzteren kommt insbesondere Festsetzungsmöglichkeiten mit dem Ziel einer flächen- sparenden Bauleitplanung Bedeutung zu oder auch Festsetzungen, die auf eine natürliche Versickerung des Niederschlagswassers gerichtet sind.
Hierbei sind auch zu nennen Flächen für die Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser (§ 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB), für die Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 18a BauGB), für den Wald (§ 9 Abs. 1 Nr. 18b BauGB), Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) oder Flächen zum Schutz, zur Pflege oder zur Entwicklung von Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB). Es wurde oben (3.1.2.1) bereits darauf hingewiesen, dass die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Bauleitplanung auch im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz Anwendung finden kann.
Im Übrigen bestehen insbesondere folgende Festsetzungsmöglichkeiten mit Bezügen zum unmittelbaren Schutz vor Hochwassergefahren:
Wie bereits dargelegt, kann insbesondere auch eine flächensparende Bauleitplanung einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten (vgl. oben 3.1.1).
Das BauGB stellt den Gemeinden zahlreiche Instrumente zur Umsetzung einer flächensparenden Bauleitplanung zur Verfügung. Dem Ziel einer Verminderung des Flächenverbrauchs kann insbesondere über folgende Festsetzungen Rechnung getragen werden:
Auch die natürliche Versickerung von Regenwasser im Baugebiet kann eine gemeindliche Maßnahme der Hochwasservorsorge darstellen. Im Bebauungsplan können Flächen für die Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser festgesetzt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB). Dabei ist etwa an eine zentrale Regenwasserrückhaltung zu denken, bei der das Niederschlagswasser eines bestimmten Bereichs zu einem größeren öffentlichen Rückhaltebecken geführt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann grundsätzlich auch ein dezentrales System privater Versickerungsmulden und Grünflächen zur Sammlung, Versickerung und Verdunstung des Niederschlagswassers am Ort des Anfalls im Baugebiet durch die Verbindung der Festsetzungsmöglichkeiten von § 9 Abs. 1 Nr. 14, 15 und 20 BauGB festgesetzt werden, wenn die Vollzugsfähigkeit des Plans dauerhaft gesichert ist (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil vom 30.08.2001, NVwZ 2002, 202 = DVBl. 2002, 269 = DÖV 2002, 296 = UPR 2002, 108).
3.5.2 Kennzeichnungen und nachrichtliche Übernahmen
Wie im Flächennutzungsplan sollen auch im Bebauungsplan Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkun- gen oder besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind, gekennzeichnet werden (§ 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB). Im Einzelnen wird auf die Ausführungen zum Flächennutzungsplan verwiesen (vgl. oben 3.1.2.2).
Entsprechend den Regelungen für den Flächennutzungsplan sollen auch im Bebauungsplan festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinn des § 31b Abs. 2 Satz 3 und 4 WHG nachrichtlich übernommen und noch nicht festgesetzte, aber gesicherte Überschwemmungsgebiete im Sinn des § 31b Abs. 5 WHG sowie überschwemmungsgefährdete Gebiete im Sinn des § 31c WHG vermerkt werden (§ 9 Abs. 6a BauGB). Diese Verpflichtungen stellen im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz eine spezielle Regelung gegenüber der allgemeinen Pflicht zu nachrichtlichen Übernahmen von nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffenen Festsetzungen in § 9 Abs. 6 BauGB dar.
3.5.3 Maßnahmen bei bereits durch Bebauungsplan überplanten festgesetzten oder vorläufig gesicherten oder sonstigen überschwemmungsgefährdeten Flächen
Stellt sich nach Inkrafttreten eines Bebauungsplans heraus, dass die von ihm festgesetzten überbaubaren Flächen einer Überschwemmungsgefahr ausgesetzt sind, ist die Gemeinde gehalten, ihre planerischen Festsetzungen zu überprüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es bereits zu einer Überflutung des Baugebiets gekommen ist. Im Einzelfall kann sich als Ergebnis der Prüfung für Gemeinden die Verpflichtung ergeben, Bebauungspläne zu ändern oder aufzuheben. Eine solche Verpflichtung kann sich auch aus der nachträglichen Aufstellung von Raumordnungszielen sowie aus dem Erlass wasserrechtlicher Vorschriften ergeben.
3.5.3.1 Anpassung an Ziele der Raumordnung
Auf die Ausführungen zur Verpflichtung der Gemeinde zur Änderung oder Aufhebung eines Bebauungsplanes gem. § 1 Abs. 4 BauGB, wird verwiesen. Wenn daher in einem Raumordnungsplan ein Vorranggebiet "Überschwemmungsbereich" (1.2.) oder ein Vorranggebiet zur Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen (1.3.) festgelegt wurde, soweit im Raumordnungsplan diese Verpflichtung nicht begrenzt wurde, ist der Bebauungsplan anzupassen. Sind im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes noch keine Gebäude vorhanden oder würden bei Wegfall des Bebauungsplanes vorhandene Gebäude als Außenbereichsbebauung zu qualifizieren sein, ist die Anpassungspflicht mit der bloßen Aufhebung des Bebauungsplans erfüllt. Sind jedoch im Geltungsbereich des Bebauungsplans bereits so viele Gebäude errichtet worden, dass die so entstandene (zusammenhängende) Bebauung bei Wegfall des Bebauungsplanes als Innenbereich zu qualifizieren wäre, reicht eine bloße Aufhebung des Bebauungsplanes nicht aus, um der aus § 1 Abs. 4 BauGB resultierenden Anpassungspflicht zu genügen. Denn die Ziele der Raumordnung sind im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB kein Zulässigkeitskriterium, so dass bei Vorliegen der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 34 BauGB (s. u. 4.2.) in den bestehenden Baulücken noch Gebäude errichtet werden könnten bzw. nach dem Abriss vorhandener Gebäude Ersatzbauten errichtet werden könnten. In solchen Fällen erfüllt daher die Gemeinde ihre Anpassungspflichten nur dadurch, dass sie den Bebauungsplan nicht aufhebt, sondern in der Weise ändert, dass eine künftige Bebauung ausgeschlossen wird. Insoweit wird auf die in 3.5.1 genannten Festsetzungsmöglichkeiten verwiesen.
3.5.3.2 Anpassung an wasserrechtliche Vorschriften
Eine Pflicht zur Aufhebung oder Änderung eines Bebauungsplans kann sich für eine Gemeinde auch dann ergeben, wenn nach Inkrafttreten des Bebauungsplans ein Überschwemmungsgebiet festgesetzt wird. Es können entschädigungsrechtliche Fragestellungen nach §§ 39 ff BauGB auftreten.
3.5.3.3 Sonstige Aufhebungs- und Änderungsgründe
Soweit für einen Bebauungsplan kein Vorranggebiet als Ziel der Raumordnung festgelegt wurde und auch kein Überschwemmungsgebiet festgesetzt wurde, richten sich die planerischen Konsequenzen ebenfalls nach § 1 Abs. 3 BauGB sowie dem Gebot der gerechten Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Hier ist entscheidend, wie aufgrund der neueren Erkenntnisse die Gefährdung durch Überschwemmungen einzuschätzen ist und in welchem Umfang nachträgliche Schutzvorkehrungen dagegen möglich sind. Steht fest, dass gesunde und sichere Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht geschaffen werden können, wird als Ergebnis einer gerechten Abwägung nur die Aufhebung des Bebauungsplans bzw. seine Änderung mit dem Ziel, weitere Bebauung zu verhindern, in Betracht kommen.
3.5.3.4 Verfahren
Nach § 2 Abs. 4 BauGB gelten die Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung. Das bedeutet insbesondere, dass auch die Entscheidung über die Aufhebung eines Bauleitplans eine Abwägungsentscheidung im Sinn von § 1 Abs. 7 BauGB ist.
3.5.3.5 Rückbau
Hat die Gemeinde den Bebauungsplan entsprechend geändert (3.1.4.1 bis 3.1.4.3), kann sie nach Maßgabe von § 175 BauGB den Eigentümer zur Duldung der vollständigen oder teilweisen Beseitigung einer baulichen Anlage verpflichten, wenn diese den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entspricht und ihnen nicht angepasst werden kann (§ 179 Abs. 1 BauGB). Insbesondere wenn der Bebauungsplan zur Schaffung von Retentionsflächen geändert wurde, lässt sich dies nur erreichen, wenn auch Gebäude wieder beseitigt werden. Sofern nicht bereits die Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde erfolgt oder eine vertragliche Grundlage für den Rückbau geschaffen wurde, kann die Gemeinde die Duldung des Rückbaus notfalls mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen. Bei Wohnraum darf der Rückbau nur vollzogen werden, wenn im Zeitpunkt der Beseitigung angemessener Ersatzwohnraum für die Bewohner unter zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht. Gewerbetreibenden ist Gelegenheit zur anderweitigen Unterbringung einzuräumen (§ 179 Abs. 2 BauGB). Die dem Eigentümer, Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten durch die Beseitigung entstehenden Vermögensnachteile hat die Gemeinde in Geld zu ersetzen (§ 179 Abs. 3 BauGB).
3.6 Vorkaufsrecht (§ 24 Abs. 1 Nr. 7 BauGB)
Durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 03.05.2005 wurden die Regelungen über das allgemeine Vorkaufsrecht in § 24 Abs. 1 Satz 1 BauGB in dem Sinn erweitert, dass der Gemeinde nunmehr auch in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsgebeten, ein Vorkaufsrecht zusteht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Wie auch in den sonstigen Fällen des Vorkaufsrechts setzt dessen Ausübung voraus, dass das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (§ 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Die Freihaltung von Grundstücken von Bebauung im Hinblick auf den vorbeugenden Hochwasserschutz dient allerdings regelmäßig auch dem Wohl der Allgemeinheit.
4. Hochwasserschutz bei der Zulassung von Einzelbauvorhaben
Das Wasserhaushaltsgesetz regelt in § 31b Abs. 4 Satz 3 WHG ein Genehmigungsverfahren für die Errichtung und die Erweiterung einer baulichen Anlage nach den §§ 30, 34 und 35 des BauGB in Überschwemmungsgebieten.
§ 31b Abs. 4 Satz 4 1. HS WHG gibt vier Genehmigungsvoraussetzungen vor:
Alternativ hierzu können nach § 31b Abs. 4 Satz 4 2. HS WHG nachteilige Auswirkungen durch Auflagen und Bedingungen ausgeglichen werden. Die wasserrechtliche Genehmigung steht im Ermessen der zuständigen Behörde.
4.1 Planbereich
4.1.1 Qualifizierter Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB)
Im Geltungsbereich eines rechtswirksamen qualifizierten Bebauungsplans ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dessen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Dies bedeutet, dass Belange des Hochwasserschutzes bereits im Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans Berücksichtigung und Eingang in seine Festsetzungen (3.1.3.1) finden müssen, um bei der Vorhabenzulassung zum Tragen zu kommen. Weitere bauplanungsrechtliche Zulassungsschranken bestehen grundsätzlich nicht. Ob ausnahmsweise im Einzelfall über § 15 BauNVO Gesichtspunkte des Hochwasserschutzes in die Vorhabenzulassung einfließen können, hängt davon ab, inwieweit mit der - an sich zulässigen - Errichtung eines Gebäudes unzumutbare Störungen in der Umgebung des Baugrundstücks verbunden sind. Dies kann der Fall sein, wenn das Gebäude aufgrund seiner Lage oder seines Umfangs die Abflussverhältnisse so zum Nachteil der Nachbargrundstücke verändern würde, dass diese überflutet würden. Dabei kann es allerdings nur darum gehen, Lage und Umfang des Gebäudes über § 15 BauNVO zu steuern. Führt jedwede Gebäudeerrichtung zu Überflutungen der Nachbargrundstücke, dürfte die Festsetzung einer Baufläche an dieser Stelle abwägungsfehlerhaft sein.
4.1.2 Vorhabenbezogener Bebauungsplan (§ 30 Abs. 2 BauGB)
Die vorstehenden Ausführungen gelten grundsätzlich auch, wenn es um die Zulassung eines Vorhabens geht, das sich im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 12 BauGB) befindet. Maßgeblich ist auch hier allein die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem (abschließenden) Inhalt des Vorhaben- und Erschließungsplans. Der Inhalt eines Vorhaben- und Erschließungsplans ist allerdings nicht an den Festsetzungskatalog des § 9 BauGB und der BauNVO gebunden, sondern kann auch darüber hinaus gehende und detailliertere Bestimmungen (z.B. für den Hochwasserschutz) enthalten.
4.1.3 Einfacher Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB)
Im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplan richtet sich die Zulässigkeit eines Vorhabens zunächst nach den Festsetzungen dieses Bebauungsplans und im Übrigen, d. h. soweit diese Festsetzungen nicht vorgehen, nach den §§ 34 oder 35 BauGB. Soweit Belange des Hochwasserschutzes nicht Eingang in die Festsetzungen des Bebauungsplans gefunden haben, sind sie bei der Vorhabenzulassung nur im Rahmen des § 34 oder § 35 BauGB zu beachten (3.2.2. und 3.2.3.)
4.2 Innenbereich (§ 34 BauGB)
Im Innenbereich bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens danach, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Außerdem müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben, und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
Belange des Hochwasserschutzes gehören nicht zu den für die Frage des Einfügens eines Vorhabens in die maßgebliche Umgebungsbebauung relevanten Prüfkriterien des § 34 Abs. 1 BauGB, nämlich Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und zu überbauende Grundstücksfläche (siehe BayVGH, Beschluss vom 06.06.2002 BauR 2003, 683=NVwZ-RR 2003, 478=BayVBl 2003, 342).
Die Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB über die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse verfolgt - wie das Einfügungsgebot - die Abwehr städtebaulicher Missstände. Im Innenbereich kann wegen der hier stets vorhandenen Bebauung den Gesichtspunkten des Rückhalts von Hochwasser und der Gefährdung eines schadlosen Wasserabflusses keine (eigenständige) Bedeutung nach dieser Vorschrift zukommen (Söfker in Ernst-Zinkahn Bielenberg-Krautzberger, BauGB-Kommentar, März 2007, Rdn. 67 zu § 34 BauGB). Die praktische Bedeutung der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB neben dem Einfügungsgebot wird in Frage gestellt und auf wenige Fallkonstellationen in Gemengelagen und in sonstigen sehr dicht bebauten Gebieten beschränkt, wenn eine Fortsetzung und Verfestigung einer überholten Form der Bodennutzung im Hinblick auf moderne Vorstellungen von gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnissen nicht mehr (städtebaulich) vertretbar ist (so Dürr in Brügelmann, Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, Rdn. 77 zu § 34).
Im Allgemeinen kann angenommen werden, dass der Hochwasserschutz im nichtbeplanten Innenbereich die Bebaubarkeit z.B. von Baulücken oder die Wiedererrichtung baulicher Anlagen unter dem Gesichtspunkt der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nicht in Frage stellen kann (Söfker a. a. O.). Im Einzelfall kann es das Gebot der Rücksichtnahme jedoch gebieten, dass eine bestimmte Nutzung nicht verwirklicht werden kann, weil sie durch Hochwasser gefährdet wäre (Söfker a. a. O.). Die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse kann auch verneint werden, wenn jedoch nach Einschätzung der Fachbehörden bei Lage des Baugrundstücks in der unmittelbaren Nähe eines Gewässers die konkrete Gefahr besteht, dass das Gebäude im Falle plötzlich auftretenden Hochwassers von den Wassermassen weggespült wird
4.3 Außenbereich (§ 35 BauGB)
Im Außenbereich ist der Hochwasserschutz bei der Zulassung des Vorhabens in überschwemmungsgefährdeten Bereichen als öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 6 BauGB zu berücksichtigen.
Sofern das Vorhaben raumbedeutsam ist und in einem Bereich liegt, der als Vorranggebiet "Überschwemmungsbereich" in einem Raumordnungsplan festgelegt wurde, ist das Vorhaben nach § 35 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz BauGB unzulässig. Die Verbotsvorschriften einer Verordnung nach § 32 Abs. 1 WHG und entsprechenden Vorschriften der Landeswassergesetze stellen nicht nur öffentliche Belange dar, sondern eine eigenständige normative Zulassungsschranke (BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 4 C 5.00 -, NVwZ 2001, 1048 zu einer Wasserschutzgebietsverordnung). Liegt das Vorhaben in einem nicht festgesetzten Überschwemmungsgebiet gilt § 31b Abs. 6 WHG. Dann ist bei sonstigen Vorhaben regelmäßig eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 6 BauGB gegeben.
Diese Belange können auch privilegierten Vorhaben entgegenstehen. Eine Zulassung kommt nur dann in Betracht, wenn keine Verringerung des Retentionsraumes zu befürchten ist und das Vorhaben den Wasserabfluss nicht stört. Nach § 31b Abs. 6 WHG müssen unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes überwiegende Gründe des Allgemeinwohls für das Außenbereichsvorhaben sprechen, wobei rechtzeitig die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen sind (3.2). Werden Gebäude im Außenbereich zerstört, können einer Wiedererrichtung des Gebäudes die genannten Belange des Hochwasserschutzes entgegen gehalten werden. Die Begünstigungsvorschrift des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB blendet nur gewisse andere öffentliche Belange aus (Darstellungen des Flächennutzungs- und Landschaftsplans, Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft, Entstehung, Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung), verlangt aber im Übrigen die Außenbereichsverträglichkeit des Vorhabens, so dass die Belange des Hochwasserschutzes voll zum Tragen kommen.
________________________________
1. Hochwasserschutzfibel - Planen und Bauen von Gebäuden in hochwassergefährdeten Gebieten, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stand Februar 2006, abrufbar unter "www.bmvbs.de/Bauwesen/Arbeitshilfen
ENDE . |
(Stand: 31.01.2022)
Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)
(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)
Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt
? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion