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Regelwerk, Strahlenschutz

Ermittlung der Strahlenexposition vom 12. September 2013
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -

Vom 19. Februar 2014
(BAnz. AT vom 23.05.2014 B4)



Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 263. Sitzung der Kommission am 12. September 2013, bekannt gegeben.

1 Einleitung

In vielen Fällen übernimmt die Radioökologie die Aufgabe, die Auswirkungen von Emissionen und Freisetzungen von Radionukliden auf Mensch und Umwelt zu beschreiben und Strahlenexpositionen durch Modellierung zu quantifizieren. In allen Fällen, in denen Strahlenexpositionen nicht direkt gemessen werden können, müssen sie mit Methoden der Radioökologie bestimmt werden.

Dazu gehören die Rekonstruktion vergangener Expositionen, die Bestimmung aktueller Expositionen und die Voraussage zukünftiger oder auch nur potenzieller Expositionen. Gegenstand radioökologischer Modellierung können Einzelpersonen oder Gruppen der Beschäftigten oder der allgemeinen Bevölkerung, ganze Populationen oder Referenzpersonen sein. Die Zielstellungen radioökologischer Expositionsermittlungen sind so vielfältig wie die möglichen methodischen Ansätze.

Ein grundsätzliches Problem der methodischen Ansätze ist der Grad der Konservativität oder des Realismus, der in den radioökologischen Expositionsermittlungen zur Anwendung kommt. Die Europäische Kommission (EC) hat in Artikel 45 der Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (EURATOM-Grundnormen) (EC 1996) gefordert, dass die aus Tätigkeiten herrührenden Strahlenexpositionen für die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit und für Bevölkerungsgruppen so realistisch wie möglich ermittelt werden sollen, ohne jedoch festzulegen, wie dies praktisch zu geschehen hat. Im Gegensatz dazu werden in Deutschland in Genehmigungsverfahren bei der Anwendung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zu § 47 StrlSchV (BMU 2012a) im Sinne der Vorsorge extrem konservative Annahmen zur Abschätzung der potenziellen Strahlenexpositionen gemacht.

Dieser anscheinende Gegensatz führt immer wieder zu kontroversen Diskussionen, wenn übersehen wird, dass verschiedene Zielstellungen unterschiedliche methodische Ansätze erfordern. Die Frage, für welche Zielstellung welcher Grad der Konservativität oder des Realismus erforderlich ist, ist bis heute im deutschen Regelwerk weitgehend unbeantwortet.

Kompliziert wird die Diskussion durch unklare Begrifflichkeiten, wenn synonym von Ermittlung, Schätzung und Abschätzung der Strahlenexposition gesprochen wird. Zur Klärung ist es sinnvoll, auf den englischen Text der EURATOM-Grundnormen zurückzugreifen. Dort heißt es: "The competent authorities shall: (a) ensure that dose estimates from practices referred to in Article 44 are made as realistic as possible for the population as a whole and for reference groups of the population in all places where such groups may occur; (b) ...".

Auch die International Commission on Radiological Protection (ICRP) hat sich in der Empfehlung 103 (ICRP 2007) zur Ermittlung der Strahlenexposition geäußert. Dort heißt es in Kapitel 6.6.5. Compliance with the intended standard of protection: "(320) The measurement or assessment of radiation doses is fundamental to the practice of radiological protection. Neither the equivalent dose in an organ nor the effective dose can be measured directly. Values of these quantities must be inferred with the aid of models, usually involving environmental, metabolic, and dosimetric components, ldeally, these models and the values chosen for their parameters should be realistic, so that the results they give can be described as 'best estimates'. Where practicable, estimates and discussion should be made of the uncertainties inherent in these results (see Section 4.4)". Dieser Satz war wörtlich bereits in der Empfehlung 60 der ICRP (1991) in Paragraph 264 im Kapitel 7.5 Assessment of doses enthalten.

In den deutschen Versionen der EURATOM-Grundnormen und der Empfehlung 103 der ICRP wurde das Wort estimate missdeutig mit Abschätzung übersetzt. Speziell der Begriff best estimate, der mit bester Schätzwert zu übersetzen ist, ist mit bester Abschätzung im deutschen Sprachgebrauch nicht üblich.

In der Strahlenschutzverordnung (BMU 2012b) werden die Begriffe Ermittlung und Abschätzung voneinander abgegrenzt benutzt, allerdings in den Begriffsbestimmungen nicht näher definiert.

Am deutlichsten wird die Unterscheidung von Ermittlung und Abschätzung im deutschen Regelwerk in der "Richtlinie für die Überwachung der Strahlenexposition bei Arbeiten nach Teil 3 Kapitel 2 Strahlenschutzverordnung (Richtlinie Arbeiten)" vom 15. Dezember 2003 (BMU 2003). Dort heißt es zu Abschätzung: "Die Abschätzung der Strahlenexposition muss repräsentativ für die durchgeführten Arbeiten der Person sein. Die der Abschätzung zu Grunde liegenden Annahmen müssen konservativ in Bezug auf die tatsächlich vorliegenden Expositionsbedingungen sein." Der Begriff Ermittlung der Strahlenexposition geht in dieser Richtlinie von Messwerten stationärer oder personengetragener Messgeräte aus, die "repräsentativ für die Aufenthaltszeiten der Person an dem oder den Arbeitsorten sind."

Die Strahlenschutzkommission (SSK) benutzt in dieser Empfehlung die Begriffe Ermittlung und Abschätzung, sofern nicht in Zitaten anders genannt, in dem Sinne, dass unter Ermittlung die Bestimmung eines (besten) Schätzwertes 1englisch (best) estimate, und unter Abschätzung die Angabe einer oberen (oder unteren) Schranke verstanden wird. In diesem Sinne versteht sie unter dem "dose estimates" der EURATOM-Grundnormen Ermittlungen von Strahlenexpositionen.

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