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Möglichkeiten epidemiologischer Studien zum Zusammenhang von Kinderleukämien und natürlicher Radon-Exposition
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -
Vom 21. November 2007
(BAnz. Nr. 21a vom 07.02.2008 S. 1)
Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK) "Möglichkeiten epidemiologischer Studien zum Zusammenhang von Kinderleukämien und natürlicher Radon-Exposition", verabschiedet in der 217. Sitzung der Kommission am 20./21. September 2007, bekannt gegeben.
1 Hintergrund
Ausgelöst durch eine französische Studie [1], in der regionale Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Kinderleukämien und der natürlichen Hintergrundstrahlung untersucht worden waren, wurde die Frage aufgeworfen, ob die Durchführung einer entsprechenden Studie auch für Deutschland sinnvoll sei. In der französischen Studie wurden 5330 Fälle kindlicher akuter Leukämien (ALL und AML) aus dem französischen Kinderkrebsregister der Jahre 1990 bis 2001 in einem ökologischen Studiendesign (geographische Korrelationsstudie) mit Daten zur mittleren häuslichen Radon-Konzentration in den einzelnen Regionen sowie mit Daten zur kosmischen und terrestrischen Gamma-Strahlung in Verbindung gebracht. Es konnte kein Hinweis auf eine Assoziation zwischen der Gamma-Exposition und den Leukämie-Erkrankungsraten festgestellt werden. Allerdings erwies sich eine positive Korrelation zwischen der häuslichen Radon-Exposition und der AML-Inzidenzrate als statistisch signifikant. Das Standardisierte Inzidenzverhältnis (SIR) bei einem Unterschied der Radon-Konzentration von 100 Bq/m3 wurde für diesen Fall mit 1,29 (95%KI: 1,09-1,53) angegeben.
Die Frage nach der Zweckmäßigkeit einer Studie mit ähnlicher Zielsetzung für Deutschland betrifft sowohl die Durchführbarkeit selbst, d. h. insbesondere die Frage nach dem notwendigen Studienumfang und der Verfügbarkeit und Qualität von Datenquellen, als auch die Aussagekraft der zu erwartenden Ergebnisse aufgrund des Studienansatzes.
2 Methodik und Ergebnisse der Studie
Die Untersuchung von Evrard et al. [1] ist als geographische (ökologische) Studie konzipiert. Es werden die Standardisierten Inzidenzverhältnisse SIR für Akute Leukämien (Akute Lymphatische Leukämie, ALL, und Akute Myeloische Leukämie, AML) bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren in den 95 französischen Departements als Verhältnis von beobachteten zu erwarteten Fallzahlen bestimmt. Die Inzidenzzahlen entstammen dem französischen Kinderkrebsregister der Jahre 1990 bis 2001 (12 Beobachtungsjahre). Die mittlere Inzidenzrate beträgt 4,0 × 10-5/a.
Für jedes Departement werden Expositionsdaten für terrestrische und kosmische Strahlung sowie für Radon in Innenräumen herangezogen. Die Daten zur gesamten externen Gamma-Exposition (arithmetischer Mittelwert: 0,77 mSv/a) und zur Radon-Aktivitätskonzentration in Wohnräumen (arithmetischer Mittelwert: 88 Bq/m3) entstammen verschiedenen nationalen Überwachungsnetzen und Messprogrammen. Die kosmische Strahlungskomponente wird errechnet (arithmetischer Mittelwert: 0,28 mSv/a). Aus den Expositionsdaten werden Organdosen für das rote Knochenmark (RBM) als das für die Leukämieinduktion relevante Organ bestimmt. Dabei wird die terrestrische Gamma-Dosisleistung (TGR) für das Knochenmark (arithmetischer Mittelwert: 0,49 mSv/a) aus der Gesamt-Gamma-Dosisleistung durch Subtraktion der kosmischen Strahlungskomponente ermittelt und mit der effektiven Dosisleistung gleichgesetzt.
Die Umrechnung aus der Radon-Aktivitätskonzentration in die RBM-Organdosisleistung erfolgt mit dem aus [2] zitierten Dosiskoeffizienten von 0,55 mSv/a pro 100 Bq/m3 und resultiert in einer mittleren Dosisleistung für das Knochenmark von 0,48 mSv/a.
Die Verteilungen sowohl der Radon-Konzentrationen als auch der TGR über alle 95 französischen (Mutterlands-) Departements werden jeweils in Quintile (d. h. 5 Fraktile bzw. Quantile der Verteilung) eingeteilt. Die für das jeweilige 1. Quintil ermittelten SIR (beobachtete zur erwarteten Fallzahl) werden als Referenz SIRREFfür die SIR aller anderen Quintile definiert. Die Klassenbildung über die Quintile soll dabei das jeweilige Expositionsmaß darstellen.
In der Auswertung ergibt sich kein Hinweis auf eine Assoziation der Kindheits-Inzidenz für ALL, AML und alle akuten Leukämien zusammen (AL) mit der terrestrischen Gamma-Strahlung (TGR). Ebenso tritt keine Assoziation für ALL und AL mit der Radon-Aktivitätskonzentration auf. Für AML ist allerdings für einen Unterschied der Radonkonzentration von 100 Bq/m3 eine schwache, statistisch signifikante Assoziation mit der Radon-Konzentration festzustellen (SIR = 1,19; KI: 1,03-1,38). In einer multivariaten Analyse unter Berücksichtigung von 3 Klassen (Tertile) für die TGR verstärkt sich die Assoziation mit SIR = 1,29 (KI: 1,09-1,53). In der entsprechenden multivariaten Analyse für TGR mit Tertilen für die Radon-Konzentration tritt weiterhin keine Assoziation auf.
3 Bewertung der Studie
Ein Zusammenhang zwischen der Radon-Exposition in Wohnungen und der Lungenkrebsrate ist epidemiologisch zweifelsfrei nachgewiesen und biologisch begründbar (z.B. [16]). Ob Radon ein relevanter Risikofaktor auch für Leukämie ist, ist jedoch weniger klar. In biokinetischen Modellen erscheint ein solcher Zusammenhang für sehr hohe Radonexpositionen als durchaus plausibel (z.B. [3, 15]). Epidemiologische Studien erbrachten dagegen ein eher uneinheitliches Bild [4-12].
(Stand: 16.06.2018)
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