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Auswertung der vorliegenden Gesundheitsstudien zum Radon
- Stellungnahme der Strahlenschutzkommission -

Vom 14. Juli 2004
(BAnz. Nr. 141 vom 30.06.2004 S. 16 881)

Stellungnahme der Strahlenschutzkommission zur Wirkung des Radons Verabschiedet in der 192. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 24. Juni 2004

Die Strahlenschutzkommission hatte zuletzt im Jahr 2000 zu den bis dahin veröffentlichten epidemiologischen Studien zum Lungenkrebsrisiko durch Radon und seine Zerfallsprodukte in Innenräumen (Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien) Stellung genommen (Stellungnahme auf der 169. Sitzung vom 31. Oktober 2000).

In dieser Stellungnahme wurde zusammenfassend festgestellt: "Die Ergebnisse bisheriger epidemiologischer Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen der Radonexposition und dem Lungenkrebsrisiko und sind mit einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ohne Schwellenwert (sog. LNT-Hypothese) konsistent. Auf Grundlage der Fallzahlen aller bisherigen Studien kann von einer statistisch signifikanten Erhöhung oberhalb von 250 Bq/m³ausgegangen werden."

Inzwischen wurden die Ergebnisse weiterer epidemiologischer Studien in Schweden [Lagarde et al. 2001], in der Tschechischen Republik [Tomásek et al. 2001], in Österreich [Oberaigner et al. 2002], in China [Wang et al. 2002] und in Spanien [Barros-Dios et al. 2002] publiziert. Des Weiteren wurde der Abschlussbericht für das Forschungsvorhaben "Bewertung des Lungenkrebsrisikos durch Radon in Wohnungen in Deutschland mit Hilfe statistischepidemiologischer Modelle" (Schaffrath et al. 2004) vorgelegt. Dieser Bericht beinhaltet eine gemeinsame Auswertung der beiden großen Fall-Kontroll-Studien in Deutschland West und Ost.

Diese zusätzlichen epidemiologischen Ergebnisse und Auswertungen bestätigen die bisherigen Feststellungen zum Radonrisiko, wie sie von UNSCEAR im Bericht des Jahres 2000, von der WHO [Regional Office for Europe, Copenhagen, 2000] in ihrem Bericht zur Luftqualität und von der SSK im Jahr 2000 getroffen wurden. Grundsätzlich lassen sich folgende Aussagen zum Radonrisiko aus den vorliegenden Untersuchungen treffen:

• Epidemiologische Studien bei der Bevölkerung zeigen, dass sich durch Radonexpositionen das Risiko für Lungenkrebs erhöht.
• Der Zusammenhang von Lungenkrebs und Radonexposition wurde in vielen verschiedenen Studien und auch für unterschiedliche Expositionsbedingungen untersucht, und es wurde übereinstimmend eine Assoziation zwischen Radonexposition und Lungenkrebs gefunden.
• Ein statistisch signifikantes zusätzliches Lungenkrebsrisiko ist bei Radonkonzentrationen von 150 Bq/m³ nachweisbar (siehe z.B. [Lubin et al. 2004] ). Die deutschen Radonstudien zeigen eine signifikante Erhöhung des Lungenkrebsrisikos ab der Kategorie größer 140 Bq/m³.
• Das zusätzliche relative Lungenkrebsrisiko durch Radon liegt unter Annahme einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert ("LNT-Hypothese") nach den bisher vorliegenden epidemiologischen Studien bei etwa 10% pro 100 Bq/m³ Radonkonzentration.
• Es zeigt sich eine Abhängigkeit des abgeschätzten Risikos von der Genauigkeit der Expositionsermittlung: Je genauer und vollständiger die retrospektiv ermittelten Expositionsangaben sind, desto höher sind die daraus ermittelten Risikoabschätzungen. Dies ist auch bei den deutschen epidemiologischen Studien festzustellen. Daher liegt das zusätzliche Risiko eher höher als die vorliegenden Abschätzungen.
• In Deutschland ist der Anteil der Bevölkerung mit häuslichen Radonexpositionen über 250 Bq/m³ weniger als 1% (800.000 Personen). Für die betroffene Bevölkerungsgruppe muss mit einer relativen Erhöhung des Lungenkrebsrisikos von mehr als 20% gerechnet werden. Allerdings ist bereits bei Radonkonzentrationen von 150 Bq/m³eine signifikante Erhöhung der Lungenkrebsmortalität festgestellt worden. Es wird erwartet, dass mit der gepoolten europäischen Studie auch konkrete Aussagen zu niedrigeren Konzentrationen gemacht werden können.

Literatur

Barros-Dios JM, Barreiro MA, Ruano-Ravina A, Figueiras a (2002) Exposure to residential radon and lung cancer in Spain: a population-based case-control study. Am J Ei 156:548-555

Lagarde F, Axelsson G, Damber L, Mellander H, Nyberg F, Pershagen G (2001) Residential radon and lung cancer among neversmokers in Sweden. Epidemiology 12:396-404

Lubin J. H et al. (2004) Lung cancer and residential radon in Gansu and Shenyang summary of two case control studies. International J. Cancer 109:132-137

Oberaigner W, Kreienbrock L, Schaffrath Rosario A, Kreuzer M, Wellmann J, Keller G, Gerken M, Langer B, Wichmann HE (2002) Radon und Lungenkrebs im Bezirk Imst/Österreich. Fortschritte in der Umweltmedizin. Ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg am Lech

Schaffrath Rosario A, Heid IM, Kreienbrock L, Heinrich J, Wellmann J, Gerken M, Kreuzer M, Steinwachs A, Langer B, Brüske-Hohlfeld I, Wichmann HE (2004) Bewertung des Lungenkrebsrisikos durch Radon in Wohnungen in Deutschland mit Hilfe statistisch-epidemiologischer Modelle. Abschlußbericht an das Bundesamt für Strahlenschutz und den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Vorhaben St Sch 4237, Neuherberg/Hannover

SSK-Stellungnahme (2000) Epidemiologische Untersuchungen zum Lungenkrebsrisiko nach Exposition gegenüber Radon. Empfehlungen und Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission 1999-2000, Urban & Fischer, München/Jena, 65-81

Tomásek L, Müller T, Kunz E, Heribanová A, Matzner J, Placek V, Burian 1, Hole ek J (2001) Study of lung cancer and residential radon in the Czech Republic. Centr Eur J Publ Health 9:150-153 UNSCEAR (2000) Sources and Effects of Ionizing Radiations. United Nations, New York

Wang Z, Lubin JH, Wang L, Zhang S, Boice JD Jr, Cui H, Zhang S, Conrath S, Xia Y, Shang B, Brenner A, Lei S, Metayer C, Cao J, Chen KW, Lei S, Kleinerman Ra (2002) Residential radon and lung cancer risk in a high-exposure area of Gansu Province, China. Am J Epi 155:554-564