Beschluss (GASP) 2019/1720 des Rates vom 14. Oktober 2019 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Nicaragua
(ABl. L 262 vom 15.10.2019 S. 58;
Beschl. (GASP) 2020/607 - ABl. LI 139 vom 04.05.2020 S. 4)
Der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 29,
auf Vorschlag der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Am 21. Januar 2019 hat der Rat Schlussfolgerungen angenommen, in denen er die Repressionen gegen die Presse und die Zivilgesellschaft sowie die Nutzung von Antiterrorgesetzen zur Unterdrückung Andersdenkender in Nicaragua entschieden verurteilt. Der Rat betonte, dass in Nicaragua seit April 2018 Demonstrationen durch Sicherheitskräfte und bewaffnete regierungsnahe Gruppen brutal unterdrückt werden, was zu mehreren Hundert Toten und Verletzten und zur Festnahme von Hunderten von Bürgerinnen und Bürgern mit erheblichen Unregelmäßigkeiten und Willkür bei der Inhaftierung und den Gerichtsverfahren geführt hat. Er wies darauf hin, dass die Rechenschaftspflicht für alle seit April 2018 begangenen Straftaten - unabhängig davon, wer sie begangen hat - gewährleistet werden muss. Ferner forderte er die nicaraguanische Regierung nachdrücklich auf, einen wirkungsvollen und ergebnisorientierten nationalen Dialog wiederaufzunehmen, einschließlich über die Verabschiedung von Wahlreformen.
(2) In den Schlussfolgerungen des Rates wurde die Bereitschaft der Union betont, sämtliche ihr zur Verfügung stehenden politischen Instrumente zu nutzen, um zu einer friedlich verhandelten Beilegung der gegenwärtigen Krise beizutragen und auf eine weitere Beeinträchtigung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Nicaragua zu reagieren.
(3) Der Rat ist nach wie vor tief besorgt über die anhaltende Beeinträchtigung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Nicaragua.
(4) In diesem Zusammenhang sollten gezielte restriktive Maßnahmen gegen Personen oder Organisationen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen oder -verstöße oder für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Nicaragua verantwortlich sind, sowie gegen Personen oder Organisationen, deren Handlungen, politische Maßnahmen oder Tätigkeiten auf andere Weise die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Nicaragua untergraben, und gegen Personen, die mit solchen in Verbindung stehen, verhängt werden.
(5) Für die Durchführung bestimmter Maßnahmen ist ein weiteres Tätigwerden der Union erforderlich
- hat folgenden Beschluss erlassen:
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um zu verhindern, dass folgende natürlichen Personen in ihr Hoheitsgebiet einreisen oder durch ihr Hoheitsgebiet durchreisen:
und die im Anhang aufgeführt sind.
(2) Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, ihren eigenen Staatsangehörigen die Einreise in ihr Hoheitsgebiet zu verweigern.
(3) Absatz 1 lässt die Fälle unberührt, in denen für einen Mitgliedstaat eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, und zwar
(4) Absatz 3 gilt auch in den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat Gastland der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist.
(5) Ein Mitgliedstaat, der eine Ausnahme aufgrund des Absatzes 3 oder 4 gewährt, unterrichtet den Rat in einem solchen Fall ordnungsgemäß.
(6) Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen von den Maßnahmen nach Absatz 1 in den Fällen zulassen, in denen die Reise aufgrund einer humanitären Notlage oder aufgrund der Teilnahme an Tagungen auf zwischenstaatlicher Ebene sowie an Tagungen, die von der Union unterstützt oder ausgerichtet werden oder aber von einem Mitgliedstaat, der zu dem Zeitpunkt den OSZE-Vorsitz innehat, ausgerichtet werden, gerechtfertigt ist, wenn dort ein politischer Dialog geführt wird, der die Politikziele der restriktiven Maßnahmen, einschließlich der Förderung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit, in Nicaragua unmittelbar fördert.
(7) Ein Mitgliedstaat, der Ausnahmen nach Absatz 6 zulassen möchte, unterrichtet den Rat schriftlich hiervon. Die Ausnahme gilt als gewährt, wenn nicht von einem Mitglied oder mehreren Mitgliedern des Rates innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Mitteilung über die vorgeschlagene Ausnahme schriftlich ein Einwand erhoben wird. Sollte von einem oder mehreren Mitgliedern des Rates ein Einwand erhoben werden, so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, die vorgeschlagene Ausnahme zu gewähren.
(8) In den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat aufgrund des Absatzes 3, 4, 6 oder 7 den im Anhang aufgeführten Personen die Einreise in oder die Durchreise durch sein Hoheitsgebiet genehmigt, gilt die Genehmigung ausschließlich für den Zweck, für den sie erteilt wurde, und für die davon unmittelbar betroffenen Personen.
(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Besitz oder im Eigentum, in der Verfügungsgewalt oder unter der Kontrolle von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen befinden:
und die im Anhang aufgeführt sind, werden eingefroren.
(2) Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.
(3) Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats kann unter den ihr angemessen erscheinenden Bedingungen die Freigabe oder die Zurverfügungstellung bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen genehmigen, nachdem sie festgestellt hat, dass diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen
Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission von den Genehmigungen, die er nach Maßgabe dieses Absatzes erteilt hat.
(4) Abweichend von Absatz 1 können die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen genehmigen, wenn die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission von den Genehmigungen, die er nach Maßgabe dieses Absatzes erteilt hat.
(5) Absatz 1 hindert eine im Anhang aufgeführte natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung nicht daran, Zahlungen aufgrund eines Vertrags, einer Vereinbarung oder einer Verpflichtung zu leisten, der bzw. die vor dem Zeitpunkt eingegangen wurde bzw. entstanden ist, zu dem eine solche natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung in den Anhang aufgenommen wurde, sofern der jeweilige Mitgliedstaat festgestellt hat, dass die Zahlung weder unmittelbar noch mittelbar von einer natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung im Sinne von Absatz 1 entgegengenommen wird.
(6) Absatz 2 gilt nicht für eine auf eingefrorenen Konten erfolgte Gutschrift von
sofern diese Zinsen, sonstigen Erträge und Zahlungen weiterhin den Maßnahmen nach Absatz 1 unterliegen.
Abweichend von Artikel 2 Absätze 1 und 2 können die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats unter ihnen geeignet erscheinenden Bedingungen die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen, die einer im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung gehören, oder die Zurverfügungstellung bestimmter Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen für eine im Anhang aufgeführte natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung genehmigen, wenn sie festgestellt haben, dass die Bereitstellung dieser Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen für humanitäre Zwecke wie die Durchführung oder Erleichterung von Hilfeleistungen, einschließlich medizinischer Versorgung, Nahrungsmittellieferungen oder des Transports humanitärer Helfer und damit verbundener Hilfe, oder für Evakuierungen aus Nicaragua erforderlich ist.
(1) Auf Vorschlag eines Mitgliedstaats oder des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden "Hoher Vertreter") erstellt und ändert der Rat einstimmig die Liste gemäß Anhang.
(2) Der Rat setzt die betreffende natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung entweder auf direktem Weg, falls ihre Anschrift bekannt ist, oder durch die Veröffentlichung einer Bekanntmachung von dem in Absatz 1 genannten Beschluss und den Gründen für die Aufnahme in die Liste in Kenntnis, und gibt dabei dieser Person, Organisation oder Einrichtung Gelegenheit zur Stellungnahme.
(3) Wird eine Stellungnahme unterbreitet oder werden wesentliche neue Beweise vorgelegt, so überprüft der Rat den in Absatz 1 genannten Beschluss und unterrichtet die betreffende natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung entsprechend.
(1) Im Anhang werden die Gründe angegeben, aus denen die natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 in die Liste aufgenommen worden sind.
(2) Der Anhang enthält ferner die verfügbaren Angaben, die zur Identifizierung der betreffenden natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen erforderlich sind. Bei natürlichen Personen können diese Angaben Namen und Aliasnamen, Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Reisepass- und Personalausweisnummern, Geschlecht, Anschrift, soweit bekannt, sowie Funktion oder Beruf umfassen. Bei juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen können diese Angaben Namen, Ort und Datum der Registrierung, Registriernummer und Geschäftssitz umfassen.
(1) Der Rat und der Hohe Vertreter verarbeiten personenbezogene Daten, um ihre Aufgaben nach diesem Beschluss zu erfüllen, insbesondere
(2) Der Rat und der Hohe Vertreter dürfen gegebenenfalls Daten, die Straftaten der in der Liste geführten natürlichen Personen sowie strafrechtliche Verurteilungen oder Sicherungsmaßregeln im Zusammenhang mit diesen Personen betreffen, nur in dem Umfang verarbeiten, in dem dies für die Ausarbeitung des Anhangs erforderlich ist.
(3) Für die Zwecke dieses Beschlusses werden der Rat und der Hohe Vertreter jeweils zu einem "Verantwortlichen" im Sinne von Artikel 3 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2018/1725 der Europäischen Parlament und des Rates 1 bestimmt, um sicherzustellen, dass die betreffenden natürlichen Personen ihre Rechte gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725 ausüben können.
Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen und Transaktionen, deren Erfüllung bzw. Durchführung von den mit diesem Beschluss verhängten Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise berührt wird, einschließlich Schadensersatzansprüchen oder ähnlichen Ansprüchen, wie etwa Entschädigungsansprüche oder Garantieansprüche, vor allem Ansprüche auf Verlängerung oder Zahlung einer Obligation, einer Garantie oder eines Schadensersatzanspruchs, insbesondere einer finanziellen Garantie oder eines finanziellen Schadensersatzanspruchs in jeder Form, werden nicht erfüllt, sofern sie von einer der folgenden Personen, Organisationen oder Einrichtungen geltend gemacht werden:
Damit die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen größtmögliche Wirkung entfalten können, empfiehlt die Union Drittstaaten, restriktive Maßnahmen zu ergreifen, die den in diesem Beschluss vorgesehenen restriktiven Maßnahmen vergleichbar sind.
Dieser Beschluss gilt bis zum 15. Oktober 2020 und wird fortlaufend überprüft. Er wird gegebenenfalls verlängert oder geändert, wenn der Rat der Auffassung ist, dass seine Ziele nicht erreicht wurden.
Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Liste der in den Artikeln 1 und 2 genannten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen | Anhang20 |
Name | Angaben zur Identität | Gründe | Datum der Aufnahme in die Liste | |
1. | Ramón Antonio AVELLÁN MEDAL | Geburtsdatum: 11. November 1954
Geburtsort: Jinotepe, Nicaragua Reisepass-Nr.: A0008696 ausgestellt am: 17. Oktober 2011 läuft ab am: 17. Oktober 2021 Geschlecht: männlich |
Stellvertretender Generaldirektor der nicaraguanischen Nationalpolizei (NNP) und ehemaliger Polizeichef in Masaya. Verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen und Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Nicaragua, unter anderem durch Koordinierung der Repressionen gegen Demonstranten in Masaya im Jahr 2018. | 4.5.2020 |
2. | Sonia CASTRO GONZÁLEZ | Geburtsdatum: 29. September 1967
Geburtsort: Carazo, Nicaragua Reisepass-Nr.: A00001526 ausgestellt am: 19. November 2019 läuft ab am: 19. November 2028 Identitätsnummer: 0422909670000N Geschlecht: weiblich |
Sonderberaterin des Präsidenten Nicaraguas in Gesundheitsfragen und ehemalige Gesundheitsministerin. Verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen und Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Nicaragua, unter anderem durch die Behinderung des Zugangs verletzter Zivilisten, die an Demonstrationen teilgenommen hatten, zu notärztlicher Versorgung und durch die Anweisung an das Krankenhauspersonal, Demonstranten zu melden, die von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht wurden. | 4.5.2020 |
3. | Francisco Javier DÍAZ MADRIZ | Geburtsdatum: 3. August 1961
Geschlecht: männlich |
Seit dem 23. August 2018 Generaldirektor der nicaraguanischen Nationalpolizei (NNP) und ehemaliger stellvertretender Generaldirektor der NNP. Verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen und Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Nicaragua, auch als Befehlshaber über Polizeikräfte, die Gewalt gegen Zivilisten begangen haben, einschließlich übermäßiger Gewaltanwendung, willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen sowie Folter. | 4.5.2020 |
4. | Néstor MONCADa LAU | Geburtsdatum: 2. März 1954
Geschlecht: männlich |
Persönlicher Berater des Präsidenten Nicaraguas in Fragen der nationalen Sicherheit. In dieser Eigenschaft war er seit April 2018 unmittelbar an der Entscheidungsfindung in Fragen der nationalen Sicherheit und an der Einführung der Unterdrückungspolitik des Staates Nicaragua gegen Teilnehmer an Demonstrationen, Oppositionsvertretern und Journalisten in Nicaragua beteiligt und dafür verantwortlich. | 4.5.2020 |
5. | Luís PÉREZ OLIVAS | Geburtsdatum: 8. Januar 1956
Geschlecht: männlich |
Generalkommissar und Hauptbeamter für Rechtshilfe (DAEJ) im Strafvollzugszentrum "El Chipote". Verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen einschließlich Folter, Ausübung erheblicher Gewalt, Misshandlung von Häftlingen und anderer Formen erniedrigender Behandlung. | 4.5.2020 |
6. | Justo PASTOR URBINA | Geburtsdatum: 29. Januar 1956
Geschlecht: männlich |
Leiter der Abteilung für Sondereinsätze der Polizei (DOEP). Er war unmittelbar an der Umsetzung der Unterdrückungspolitik gegen Demonstranten und Oppositionelle in Nicaragua, insbesondere in Managua, beteiligt. In diesem Zusammenhang ist er verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen und für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Nicaragua. | 4.5.2020 |
ENDE |
(Stand: 15.10.2020)
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