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Regelwerk

LASI-Veröffentlichung (LV) 38 - Handlungsanleitung für die Beurteilung von Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre für die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder
Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)

(04/2005aufgehoben 2021)



10/2013 - zurück gezogen und ersetzt durch BGI 5162

1. Einleitung

In jüngster Vergangenheit wurden in verschiedenen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland neuartige Anlagen zur Brandverhütung installiert. Bei diesem präventiven Brandschutzkonzept soll der Entstehung von Bränden durch die permanente Reduktion von Sauerstoff in geschlossenen Räumen vorgebeugt werden.

Brandvermeidung durch Sauerstoffreduktion in Bereiche </= 15 Vol.-% ist eine überzeugende Technologie für Anlagen, in denen die Arbeitsabläufe voll automatisiert sind und keine Beschäftigten tätig werden müssen. Werden Räume mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre dennoch betreten, sind umfangreiche technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen erforderlich, um die Beschäftigten vor einer Gefährdung für ihre Gesundheit zu schützen. Erste Erfahrungen mit dieser Technologie belegen dies eindrucksvoll.

Die Arbeitsschutzverwaltungen sind hier gefordert, die Unternehmer möglichst bereits vor Einführung dieser neuen Technologie bei der Abwägung alternativer Verfahren im Hinblick auf gesundheitliche Gefährdungen qualifiziert zu beraten.

Da es bisher nur wenige praktische Erfahrungen bezüglich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beim Einsatz solcher Systeme gibt, hat der LASI seinen Unterausschuss "Medizinischer Arbeitsschutz" (Ua 5) beauftragt, eine Handlungsanleitung für die Beurteilung von Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre zu entwickeln.

Das Ziel bestand darin, der staatlichen Arbeitsschutzverwaltung ein geeignetes Konzept zur Beratung der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen, welches nicht nur die arbeitsschutzrechtlichen, sondern auch die medizinischen und arbeitsphysiologischen Hintergründe beleuchtet und damit zum Verständnis der Problematik beiträgt. Damit soll ein einheitliches Verwaltungshandeln in den Ländern ermöglicht werden.

2. Ausgangssituation

Im Unterausschuss "Medizinischer Arbeitsschutz" (Ua 5) des LASI wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt zu ermitteln, ob und in welchem Umfang gesundheitliche Gefährdungen bestehen, und ggf. welche präventiven Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu treffen sind.

Hierzu ist zunächst eine Bestandsermittlung in einigen Ländern erfolgt. In Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen wurden die für die Überwachung zuständigen Institutionen des staatlichen Arbeitsschutzes um Informationen über ihnen bekannte, bereits bestehende Anlagen gebeten.

Eine Erfassung aller derzeit in Betrieb befindlichen Anlagen ist wegen der nicht gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der staatlichen Arbeitsschutzbehörden bei der Errichtung und dem Betrieb solcher Anlagen nicht garantiert.

Derzeit sind in Deutschland Anlagen von 3 Herstellern auf dem Markt - Angaben zu den Herstellern können bei den Verfassern erfragt werden.

In den Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen wurde eine Reihe von bereits bestehenden Anlagen ermittelt, die Einsatzbereiche sind in der Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Einsatzbereiche für bestehende Anlagen

Geschützter Bereich Technische Daten Brandlast
EDV-Tresor O2-Geh. = 12,0-12,5 Vol.-% elektrische Anlagen
EDV-Räume O2-Geh. = 14,8-15,2 Vol.-% elektrische Anlagen
TK-Lager O2-Geh. = 13,0-15,0 Vol.-% Lebensmittel
TK-Lager O2-Geh. = 12,0-12,5 Vol.-% Lebensmittel
Serverraum O2-Geh. = 14,8-15,2 Vol.-% elektrische Anlagen

Nach Auffassung der Hersteller bieten die Anlagen einen wirkungsvollen und wirtschaftlichen vorbeugenden Brandschutz für Bereiche, die wenig Personenverkehr und eine hohe Dichtigkeit aufweisen bzw. für Bereiche, in denen keine ständigen Arbeitsplätze vorhanden sind bzw. sich nicht ständig Personen aufhalten.

Tabelle 2: Anlagen, die sich laut Hersteller für eine Sauerstoffabsenkung in den Bereich von 15 bis 12 Vol.-% eignen

Einsatzgebiete
Lebensmittel-, Saisonwarenlager
Gefahrstofflager
Automatische Parksysteme
Automatisierte Hochregallager
Schiffslagerräume
Silos und Mischer
EDV-Bereiche
Tresore
Tiefkühllager, Kühlhäuser
Telekommunikationsanlagen
Bibliotheken
IT-Sicherheitsräume
Archive mit Kleinladungsträgern
Archive jeder Art
Bibliotheks- und Museumsmagazine
Elektrische und elektronische Anlagen

Erste Ermittlungen in bereits bestehenden Anlagen haben gezeigt, dass in Bereichen, in denen die Sauerstoffkonzentration auf Werte um 15 Vol.-% abgesenkt wurde, regelmäßig Beschäftigte Kontroll-, Reparatur- und Wartungsarbeiten vornehmen. Dabei werden die sauerstoffreduzierten Räume zum Teil mehrmals täglich begangen, die Aufenthaltsdauer reicht von wenigen Minuten bis zu 6 Stunden, in Ausnahmefällen (Havarien) auch mehr als 6 Stunden.

In Anlehnung an die Stellungnahmen des AK Feuerschutz und der BG Feinmechanik und Elektrotechnik wurden die Beschäftigten in der Regel nach der von Nowak und Angerer empfohlenen Methode 1 arbeitsmedizinisch untersucht.

3. Beschreibung der Technologie

Je höher der Sauerstoffgehalt der Luft ist, desto höher ist auch die Brandgefahr. Bei einem "normalen" O2-Anteil von ca. 21 Vol.-% sind die meisten oxidierbaren Stoffe (nach Zufuhr der entsprechenden Zündenergie) brennbar. Vermindert man den O2-Anteil, so verringert sich die Brandgefahr. Das Funktionsprinzip der Anlagen besteht darin, den Sauerstoffgehalt durch die Erhöhung des Stickstoffanteils in der Umgebungsluft abzusenken (Verdrängung bzw. Auswaschung des Sauerstoffs).

Bei gleichbleibendem Umgebungsdruck wird durch solche Anlagen der Sauerstoffanteil der Raumluft durch Einbringung von Stickstoff abgesenkt. Dazu müssen die betroffenen Arbeitsbereiche von der Umgebungsatmosphäre abgeschlossen werden. Mit Hilfe unterschiedlicher technischer Verfahren wird der Stickstoffgehalt der Raumluft auf Kosten des Sauerstoffanteils in dem abgeschlossenen (Arbeits-)bereich angehoben. O2-Sensoren Oberwachen permanent die voreingestellte Sauerstoffkonzentration. Die Sauerstoffkonzentration wird durch eine Steuerzentrale konstant gehalten. Erfahrungsgemäß erfolgt dies mit einer Regelhysterese von +/- 0,2 bis 0,4 Vol.-% Sauerstoff.

Die Kontrolle erfolgt über Sauerstoffsensoren, die üblicherweise an 2 bis 3 Messpunkten installiert sind. Eine Überprüfung der gleichmäßigen Sauerstoff- und Stickstoffdurchmischung im Raum mittels Rasteruntersuchung vor Aufnahme des Betriebes wird nicht vorgenommen. Die homogene Durchmischung von zugeführtem Stickstoff mit der vorhandenen Atmosphäre wird von den Herstellern unterstellt.

Entgegen dieser Vermutung ist eine völlig homogene Verteilung der Gase bei der aktiven Verdrängung von Sauerstoff aus der Atmosphäre durch das Einblasen von Stickstoff nicht garantiert. Das bedeutet, dass nicht sichergestellt werden kann, dass Menschen, die sich in dieser sauerstoffreduzierten Atmosphäre aufhalten, überall die Konzentration von Sauerstoff vorfinden, die vom Betreiber der Anlage mindestens vorgegeben ist.

4. Arbeitsphysiologische Grundlagen

Der Aufenthalt in sauerstoffreduzierter Atmosphäre bewirkt beim Menschen eine normobare Hypoxie. Das heißt über einen reduzierten inspiratorischen Sauerstoffpartialdruck (Sauerstoffpartialdruck in der Einatemluft) kommt es zu einer Reduktion des alveolären Sauerstoffpartialdruckes (Sauerstoffpartialdruck in den Lungenbläschen) und damit zu einer verringerten Sauerstoffaufnahme.

Der Organismus reagiert unmittelbar auf diese Situation mit Umstellungsreaktionen. Es erfolgt eine Adaptation an den Sauerstoffmangel über die Ventilation, das Herz-Kreislauf-System und die Volumenregulation. Damit kann das verringerte Sauerstoffangebot im Blut teilweise ausgeglichen werden.

Dieses Phänomen findet sich als hypobare Hypoxie zum Beispiel beim Aufstieg in größere Höhen. Hier sinkt entsprechend den physikalischen Gasgesetzen der atmosphärische Druck und damit der Sauerstoffpartialdruck (wie alle anderen Partialdrücke auch).

Bei der hypobaren Hypoxie spielen Adaptationsmechanismen des Organismus eine Rolle; eine Akklimatisation benötigt jedenfalls in Abhängigkeit vom Sauerstoffdefizit (gegenüber der normobaren Atmosphäre) Tage bis Wochen. Diese lange Adaptationszeit wird auch in der hyperbaren Umgebung (Tauchen, Druckluft) benötigt. Inwieweit durch repetitive Exposition ebenfalls Adaptationsvorgänge ausgelöst werden, ist nur von der hyperbaren Umgebung literaturmäßig belegt. Jedoch gilt auch hier, dass die Adaptation schon nach relativ kurzer Zeit ohne Wiederholungsexposition verloren geht.

Ein grundsätzliches Problem bezogen auf die in Frage stehende Thematik liegt in der Tatsache begründet, dass die Literatur nur hypobare Verhältnisse betrachtet, nicht jedoch normobare Umgebungen, die mit vermindertem Sauerstoffpartialdruck arbeiten. Ob hierbei vergleichbare Bedingungen vorliegen oder nicht, kann mangels geeigneter Untersuchungen nicht beurteilt werden. Gleichzeitig bleibt offen, inwieweit sich die organspezifischen Wirkungen eines erniedrigten Sauerstoffpartialdruckes in der Einatemluft durch Arbeitsbedingungen (leichte, mittelschwere oder schwere Arbeit) verstärken.

Die Untersuchungen, die in der Literatur beschrieben sind, betreffen jedenfalls Expositionen in körperlicher Ruhe bzw. bei relativ langsamer Veränderung der Umgebungsbedingungen (z.B. Bergsteigen).

Auf jeden Fall führt ein Absinken des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes zu einer vermehrten Ventilation, dies insbesondere oberhalb von ca. 3.200 m Höhe bzw. bei einem dieser Höhe entsprechenden Absinken des inspiratorischen Sauerstoffpartialdruckes unter 13 kPa und des alveolären Sauerstoffpartialdruckes unter 8 kPa.

Tabelle 3: Partialdrücke des Sauerstoffs der Inspirationsluft (PIO2) und des alveolären Gasgemisches (PAO2) in Abhängigkeit von der Höhe (Papenfuß: Luftfahrtmedizin; Brandenburger Verlagshaus, Berlin 1990)

Höhe in m PIO2 in kPa PAO2 in kPa
0 20,02 13,35
2000 15,35 10,14
3000 13,35 8,14
4000 11,61 6,67
5000 10,01 5,60
6000 8,54 5,07
7000 7,34 4,67
8000 6,14 4,27

In Höhen von ca. 6.000 m (= 5 kPa alveolär) verdoppelt sich das Ruhe-Herzminutenvolumen, es verändert sich jedoch nicht proportional zum Absinken des Partialdruckes.

Eine gleichzeitige Erh6hung der Atemfrequenz (Hyperventilation) zieht zwangsläufig eine vermehrte Abatmung von CO2 mit Verschiebung des pH-Wertes im Blut in den alkalischen Bereich (respiratorische Alkalose) nach sich.

Die Herzfrequenz nimmt bis zu einer Höhe von ca. 6.000 m um ca. 6 - 8 / min je 1.000 Höhenmeter zu, bei physischer Belastung deutlich mehr, ohne dass dies jedoch signifikante Auswirkungen auf das Herzminutenvolumen hätte.

In Höhen von 1.500 bis 2.000 m ist bereits die Entstehung einer pulmonalen Hypertension (erhöhter Blutdruck im Lungenkreislauf) m6glich. Die diesbezügliche Wirkung repetitiver kurzfristiger Expositionen kann derzeit nicht bewertet werden.

Die verschiedenen pathophysiologischen Mechanismen

Herzfrequenzsteigerung

Vasokonstriktion (Blutgefäßverengung)

Vasodilatation (Blutgefäßerweiterung)

Hyperventilation (übermäßig gesteigerte Atmung)

Hyperkapnie (Erhöhung des arteriellen CO2-Partialdruckes)

überlagern sich teilweise.

Eine langsame Absenkung des Sauerstoffpartialdruckes geht ab ca. 1.500 m Höhe mit einer Reihe von Anpassungsvorgängen einher, die bis zu einer Höhe von 4.000 - 5.000 m durchaus als normale Höhenanpassung bezeichnet werden können.

Obwohl der "indifferente" Bereich mit einer Sauerstoffsättigung von 98 - 86 % von einigen Autoren bis auf eine Höhe von 2.000 - 3.000 m (= ca. 15,3 - 13,3 kPa inspiratorischer Sauerstoffpartialdruck) beschrieben wird, können bereits unterhalb von 2.000 m Höhe akute Veränderungen der Leistungsfähigkeit auftreten. Die Sehfunktionen scheinen dabei die frühesten Indikatoren für eintretende Veränderungen zu sein, namentlich die Lichtempfindlichkeit spielt hier eine Rolle.

Andere Symptome sind Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit oder Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Schlafst6rungen und periphere Ödeme.

Tabelle 4: Symptome des Zentralnervensystems in verschiedenen Höhen (Draeger, Kriebel: Praktische Flugmedizin; Ecomed 2002)

Aufenthaltshöhe Hypoxiegrad O2-Sättigung des Hämoglobins (%) Symptome
(ft) (m)
0 - 5.000 0 - 1.823 indifferent 90 - 98
  • Abnahme der Nachtsehtauglichkeit
5.000 - 10.000 1.823 - 3.647 kompensierbar 80 - 90
  • Schläfrigkeit
  • Urteilsschwäche
  • verschlechterte Koordination
  • verringerte Leistungsfähigkeit
10.000 - 15.000 3.647 - 5.470
15.000 - 20.000 5.470 - 7.293 nicht voll kompensierbar 70 - 80
  • verschlechterte Flugkontrolle
  • verschlechterte Handschrift
  • verschlechtertes Sprechvermögen
  • verminderte Koordination
20.000 - 25.000 7.293 - 9.117 kritisch 60 - 70
  • Kreislaufversagen
  • Versagen des ZNS
  • Krämpfe
  • kardiovaskulärer Kollaps

Abbildung 1: Sauerstoffsättigung in Abhängigkeit von der Höhe über dem Meeresspiegel bzw. dem alveolären Sauerstoffpartialdruck (Papenfuß: Luftfahrtmedizin; Brandenburger Verlagshaus, Berlin 1990)

Bedeutsam ist, dass sich ein inspiratorischer Sauerstoffpartialdruck von 13,3 kPa entsprechend einem alveolären Sauerstoffpartialdruck von 8,1 kPa am Übergang zum steil abfallenden Schenkel der s-förmigen Sauerstoffbindungskurve befindet, d.h. es gibt hier keinerlei Reserven mehr für den Fall akuter oder chronischer Gesundheitsstörungen kardiozirkulatorischer einschließlich pulmonaler Art.

5. Rechtliche Situation

Das moderne Arbeitsschutzrecht geht von dem Grundsatz aus, dass die Arbeit so zu gestalten ist, dass eine Gefahrdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefahrdung möglichst gering gehalten wird, insbesondere sind individuelle Schutzmallnahmen nachrangig zu anderen Mallnahmen (§§ 3 und 4 ArbSchG).

Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Räumen, in denen der Sauerstoffgehalt planmäßig aus Gründen des Brandschutzes gesenkt wird, stellt eine Abweichung von diesem Grundsatz dar.

In Verantwortung des Arbeitgebers ist zu prüfen, ob sich die Notwendigkeit der Anwendung dieser Technologie dennoch ausreichend begründen lasst. Dazu ist eine offene Abwagung sämtlicher Vor- und Nachteile einschließlich der ernsthaften Erwagung und Prüfung von Alternativen erforderlich.

Arbeitsräume

Gemäß Punkt 3.6 des Anhanges der Arbeitsstättenverordnung muss in umschlossenen Arbeitsräumen ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein. Das heißt, die Luftqualität in Arbeitsräumen muss im Wesentlichen der Außenluftqualität in ihrer natürlichen Zusammensetzung entsprechen.

Damit sind der Anwendung von sauerstoffreduzierter Atmosphäre enge Grenzen gesetzt.

Nach § 2 Arbeitsstättenverordnung ist ein Raum als Arbeitsraum anzusehen, wenn dort mindestens ein Arbeitsplatz innerhalb von Gebäuden dauerhaft eingerichtet ist. Arbeitsplätze sind dort, wo Beschäftigte regelmäßig oder über einen längeren Zeitraum oder im Verlauf der täglichen Arbeitszeit nicht nur kurzfristig tätig sind. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe werden so interpretiert, dass von einem Arbeitsplatz ausgegangen wird, wenn Beschäftigte dort über einen Zeitraum von mindestens 30 Tagen im Kalenderjahr oder (an weniger als 30 Tagen) aber mindestens 2 Stunden pro Tag tätig sind.

Kein Arbeitsplatz liegt jedenfalls dann vor, wenn sich Beschäftigte in dem betreffenden Bereich sehr gelegentlich ohne systematische Folge und jeweils deutlich unter 2 Stunden aufzuhalten haben (Taeger, Rose, Wehmeier. Die neue Arbeitsstättenverordnung, 1. Auflage 2004).

Andere Räume

In Räumen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre befinden sich laut Aussage von Herstellern und Betreibern keine ständigen Arbeitsplätze.

Die genannten Raume werden zwecks Kontrolle, Wartung und Reparatur begangen. Die Aufenthaltsdauer für die Beschäftigten liegt zwischen 5 Minuten und bis zu 8 Stunden im Ausnahmefall.

Gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefahrdung zu ermitteln, welche Mallnahmen des Arbeitschutzes erforderlich sind.

Problematisch ist, dass es für diesen Bereich im staatlichen Arbeitsschutzrecht keinen festgelegten Grenzwert für den Sauerstoffgehalt in der Atemluft gibt, unterhalb dessen es für den Beschäftigten zu einer gesundheitlichen Gefahrdung kommen kann.

Jedoch wurde bisher übereinstimmend davon ausgegangen:

Entsprechende Aussagen finden sich in verschiedenen Berufsgenossenschaftlichen Regeln (z.B. BGR 117 "Arbeiten in engen Räumen und Behältern ", BGR 190 "Benutzung von Atemschutzgeräten ") sowie in Sicherheitshinweisen von Herstellern von Druckgasen.

6. Arbeitsschutzmaßnahmen

Vor Einführung einer neuen Technologie ist zu prüfen, ob das Schutzziel nicht auch mit anderen, weniger die Gesundheit der Beschäftigten gefährdenden Maßnahmen erreicht werden kann.

Ist dies nicht der Fall hat der Arbeitgeber die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnah men bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern in sauerstoffreduzierter Atmosphäre durch die Beurteilung der Gefahrdung zu ermitteln (§ 5 Abs. 1 ArbSchG).

Gefahr besteht durch den Sauerstoffmangel. Diese Gefahrdung wird durch drei Größen wesentlich bestimmt:

  1. die erniedrigte Sauerstoffkonzentration,
  2. die Dauer der Einwirkung und
  3. die Art der Tätigkeit (Arbeitsschwere, Arbeitsaufgabe und Umgebungsbedingungen).

Gegenwärtig kann anhand der bestehenden Datenlage keine Empfehlung zur Abweichung von der Sauerstoffkonzentration von 17 Vol.-% als untere Grenze für die Tätigkeit in Arbeitsräumen gegeben werden. Eine wissenschaftliche Evaluation dieses Wertes mit Lieferung belastbarer Daten mit Unterstützung durch die Hersteller wäre wünschenswert.

Da es sich bei den hier betrachteten Tätigkeiten in Räumen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre nicht um Tätigkeiten an ständigen Arbeitsplätzen handelt, dürfen Raume, in denen die Sauerstoffkonzentration < 17 bis 15 Vol.-% betragt, unter folgenden Voraussetzungen betreten werden:

Technische und organisatorische Maßnahmen

  1. Die Mindestsauerstoffkonzentration ist festzulegen.
    Durch technische Maßnahmen ist sicher zu stellen, dass die festgelegte Mindestsauerstoffkonzentration an keiner Stelle des Raumes unterschritten wird. Die homogene Konzentrationsverteilung von Stickstoff und Sauerstoff ist zu gewährleisten (§ 4 Nr. 1 ArbSchG, § 4 Abs. 1 BetrSichV).
  2. Die Aufenthaltsdauer in sauerstoffreduzierter Atmosphäre ist auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen (§ 4 Nr. 1 ArbSchG, § 4 Abs. 1 BetrSichV).
  3. Für planbare und langer dauernde Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten ist die Sauerstoffkonzentration auf mindestens 17 Vol.-% anzuheben.
  4. Der Aufenthalt von Beschäftigten ist nur für kurzzeitige und leichte Kontroll-, Reparatur- und Instandhaltungstätigkeiten zulässig (Punkt 3.6 des Anhangs zur ArbStättV).
  5. Eine kontinuierliche redundante Überwachung der Sauerstoffkonzentration mit optischer und akustischer Alarmierung bei Unterschreiten der festgelegten Mindestsauerstoffkonzentration ist zu gewährleisten (§ 4 Nr. 1 und § 9 Abs. 2 ArbSchG).
    Regel- und Schutzkreislauf sind voneinander abzukoppeln.
  6. Der Verlauf der Sauerstoffkonzentration ist nicht manipulierbar aufzuzeichnen. Der Aufenthalt der Beschäftigten ist mit Angabe von Zeitpunkt und Dauer des Aufenthaltes zu dokumentieren und aufzubewahren. Ein Verantwortlicher, der vom Hersteller der Anlage fachkundig unterwiesen wurde, ist schriftlich zu benennen (§ 4 Abs. 1 BetrSichV).
  7. Der Zugang zu Bereichen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre ist auf befugte Personen zu begrenzen. Alle Zugenge zu Bereichen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre sind durch Angabe der aktuellen Sauerstoffkonzentration und die damit verbundene Gefahr zu kennzeichnen (§ 9 Abs. 1 und 2 ArbSchG, § 8 BetrSichV).
  8. Bereiche mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre sind umgehend zu verlassen, wenn die festgelegte Mindestsauerstoffkonzentration unterschritten wird oder wehrend des Aufenthaltes gesundheitliche Beschwerden eintreten (§ 9 Abs. 2 und 3 ArbSchG).
  9. Beschäftigte müssen in sauerstoffreduzierten Bereichen geeignete Kommunikationsmittel mitführen, die eine Kontaktaufnahme zu Personen außerhalb der Bereiche ermöglichen (§ 10 Abs. 1 ArbSchG).
  10. Den Beschäftigten müssen Betriebsanweisungen für Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre zur Verfügung stehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BetrSichV).
  11. Beschäftigte, die in sauerstoffreduzierter Atmosphäre tätig werden, müssen über die damit verbundenen Gefahren und die Arbeitschutzmaßnah men einschließlich Notfallmaßnahmen und Erste Hilfe unterwiesen werden (§ 12 Abs. 1 ArbSchG, § 9 Abs. 2 BetrSichV).
  12. Anlagen zur Herstellung sauerstoffreduzierter Atmosphäre sind vor der ersten Inbetriebnahme und wiederkehrend wehrend des Betriebes von einer befähigten Person zu prüfen. Die Prüfung hat insbesondere das Ziel festzustellen, ob die Überwachung der Sauerstoffkonzentration einschließlich der Alarmierung funktionsfähig ist (§ 3 Abs. 3 und § 10 BetrSichV).

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Die Beschäftigten sind vor Aufnahme der Tätigkeit in sauerstoffreduzierter Atmosphäre und danach in regelmäßigen Abständen arbeitsmedizinisch im Hinblick auf die Tätigkeit zu untersuchen und ausführlich über die Gefährdung zu beraten, dazu ist die Kenntnis des Arbeitsplatzes Voraussetzung.
Darüber hinaus gilt für
Bereiche < 17 bis 15 Vol.-%
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung in Anlehnung an den berufsgenossenschaftlichen Grundsatz 26.2
Bereiche < 15 Vol.-%
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung in Anlehnung an den berufsgenossenschaftlichen Grundsatz 26.3 unter Berücksichtigung der Arbeitsschwere

Sind diese Maßnahmen nicht gewährleistet, ist in Bereichen mit einer Sauerstoffkonzentration < 17 Vol.-% Umgebungsluft unabhängiger Atemschutz zu tragen.

Bereiche mit einer Sauerstoffkonzentration von < 15 Vol.-% dürfen in keinem Fall ohne Umgebungsluft unabhängigen Atemschutz betreten werden.

Schwangere und Jugendliche dürfen nicht mit Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre beauftragt werden, wenn der Sauerstoffgehalt 17 Vol.-% unterschreitet.

7. Rechtsgrundlagen

Arbeitschutzgesetz ( ArbSchG)

§ 2 Abs. 1 Mallnahmen des Arbeitsschutzes schließen Mallnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit ein (Anpassung der Arbeit an den Menschen und nicht Anpassung des Menschen an die Arbeit).

§ 3 Abs. 1 Arbeitgeber muss die erforderlichen Mallnahmen des Arbeitsschutzes treffen, überprüfen, anpassen und eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz anstreben.

§ 4 Grundsatze für Mallnahmen des Arbeitsschutzes
Nr. 1 Gefährdungen möglichst vermeiden, Restgefährdungen möglichst gering halten
Nr. 3 Stand von Technik, Arbeitsmedizin, Hygiene und sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen
Nr. 5 individuelle Schutzmallnahmen sind nachrangig zu anderen Mallnahmen

§ 5 Abs. 1 Ermittlung der erforderlichen Mallnahmen des Arbeitsschutzes durch Gefahrdungsbeurteilung

§ 9 Abs. 1 Zugang zu besonders gefährlichen Arbeitsbereichen nur für unterwiesene Beschäftigte

§ 9 Abs. 3 Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr muss das sofortige Verlassen der Arbeitsplätze möglich sein.

§ 12 Abs. 1 Beschäftigte sind über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitplatz zu unterweisen.

§ 15 Abs. 1 und 2 Pflicht der Beschäftigten für ihre Sicherheit und Gesundheit entsprechend der Unterweisung Sorge zu tragen und zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung bestimmungsgemäß zu verwenden.

Betriebssicherheitsverordnung ( BetrSichV)

§ 3 Abs. 1 Ermittlung der mit der Benutzung von Arbeitsmitteln verbundenen Gefahren

§ 3 Abs. 3 Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen festlegen

§ 8 Benutzung von Arbeitsmitteln, die mit einer besonderen Gefahrdung verbunden sind, muss beauftragten Beschäftigten vorbehalten bleiben.

§ 9 Abs. 1 Betriebsanweisungen müssen vorhanden sein

§ 10 Prüfung durch befähigte Personen

Arbeitsstättenverordnung ( ArbStättV)

Punkt 3.6 des Anhangs zur ArbStättV fordert ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft in Arbeitsräumen

Ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft wird durch ASR 5 definiert als "dann vorhanden, wenn die Luftqualität im Wesentlichen der Außenluftqualität entspricht".

§ 2 Abs. 2 und 3 definieren Arbeitsraume und Arbeitsplätze

Mutterschutzgesetz ( MuSchG)

§ 2 Gestaltung des Arbeitsplatzes

§ 4 Weitere Beschäftigungsverbote

Mutterschutz-Richtlinien-Verordnung ( MuSchRiV)

§ 1 Beurteilung der Arbeitsbedingungen

§ 4 Verbot der Beschäftigung

Jugendarbeitsschutzgesetz ( JArbSchG)

§ 22 Gefährliche Arbeiten

§ 28 Menschengerechte Gestaltung der Arbeit

1) Entwurf einer speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin Klinikum Innenstadt der LMU München

ENDE

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