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Regelwerk, Technische Regeln, TRGS, Chemikalien

TRGS 400 - Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)

Ausgabe: Januar 2008
(GMBl. Nr. 11/12 vom 13.03.2008 S. 210)



Zur aktuellen Fassung

Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, wieder. Sie werden vom

Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS)

aufgestellt und von ihm der Entwicklung entsprechend angepasst. Die TRGS werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt gegeben.

1 Anwendungsbereich

(1) Die TRGS 400 beschreibt Vorgehensweisen zur Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung nach § 7 GefStoffV. Sie bindet die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung in den durch das Arbeitsschutzgesetz (§§ 5 und 6 ArbSchG) vorgegebenen Rahmen ein.

(2) Die TRGS 400 ermöglicht auch ein vereinfachtes Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung, wenn für eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen Maßnahmen als standardisierte Arbeitsverfahren vorgegeben sind. Dies ist der Fall, wenn

  1. eine mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung des Herstellers oder Inverkehrbringers nach § 7 Abs. 7 GefStoffV vorliegt,
  2. verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) nach TRGS 420 beschrieben sind,
  3. stoff- oder tätigkeitsbezogene TRGS aufgestellt wurden, oder
  4. branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen vorliegen, deren Qualität einer mitgelieferten Gefährdungsbeurteilung entspricht.

(3) Die TRGS 400 wird insbesondere ergänzt durch die

  1. TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt - Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen" und
  2. TRGS 402 1 "Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition".

(4) Die TRGS 400 ist nach § 3 Abs. 5 GefStoffV auch von Unternehmern ohne Beschäftigte zu beachten, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, um die aufgrund der Gefahrstoffverordnung notwendigen Maßnahmen zum Schutz Dritter festlegen zu können. Darüber hinausgehend wird Unternehmern ohne Beschäftigte empfohlen, anhand dieser TRGS auch Maßnahmen für die persönliche Sicherheit und den Schutz der eigenen Gesundheit zu treffen.

(5) Informationsanforderungen für nachgeschaltete Anwender in der Verantwortungskette nach der Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) sind in der TRGS 400 nicht berücksichtigt.

2 Begriffsbestimmungen

In dieser TRGS sind die Begriffe so verwendet, wie sie im "Begriffsglossar zu den Regelwerken der Betriebssicherheitsverordnung ( BetrSichV), Biostoffverordnung ( BioStoffV) und der Gefahrstoffverordnung ( GefStoffV)" 2 des ABAS, ABS und AGS bestimmt sind. Dies gilt insbesondere für die Begriffe: Arbeitsbedingungen, Arbeitsstoff, Branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen, chemische Arbeitsstoffe, Exposition, Fachkundige für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, Gefährdung, Gefährdungsbeurteilung, Gefahrstoffverzeichnis, Hautkontakt, mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung, physikalischchemische Einwirkung, Schutzmaßnahmen, Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen.

3 Grundsätze zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

3.1 Organisation und Verantwortung

(1) Die Gefährdungsbeurteilung ist die systematische Ermittlung und Bewertung relevanter Gefährdungen der Beschäftigten mit dem Ziel, erforderliche Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit festzulegen. Grundlage ist eine Beurteilung der mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen (durch Einatmen), dermalen (durch Hautkontakt) und physikalischchemischen Gefährdungen (Brand- und Explosionsgefahren) und sonstigen durch Gefahrstoffe bedingten Gefährdungen.

(2) Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Eine systematische Vorgehensweise ist in Anlage 1 dargestellt.

(3) Die Gefährdungsbeurteilung muss bei maßgeblichen Änderungen der Tätigkeit erneut durchgeführt werden. Anlässe hierzu können sein:

  1. Einführung neuer Gefahrstoffe in Arbeitsbereiche,
  2. Änderungen von Tätigkeiten, Arbeitsverfahren oder Schutzmaßnahmen,
  3. neue Erkenntnissen zu gefährlichen Stoffeigenschaften (z.B. Kennzeichnung, Sicherheitsdatenblatt, TRGS 905 "Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe", TRGS 906 "Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV" und TRGS 907 "Verzeichnis sensibilisierender Stoffe"),
  4. Ergebnisse aus der regelmäßigen Wirksamkeitsüberprüfung von Schutzmaßnahmen nach Nummer 7,
  5. Änderungen der Gefahrstoffverordnung und des Technischen Regelwerkes (z.B. Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten in der TRGS 900) und
  6. Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge.

(4) Die Gesamtverantwortung für die Gefährdungsbeurteilung liegt beim Arbeitgeber.

(5) Der Arbeitgeber kann die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung an eine oder mehrere fachkundige Personen delegieren oder sich fachkundig beraten lassen. Er muss sicherstellen, dass die für ihn tätig werdenden Personen über die notwendige Kenntnisse verfügen. Der Arbeitgeber muss alle für die Gefährdungsbeurteilung erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen.

(6) Fachkundige nach § 7 Abs. 7 GefStoffV für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sind Personen, die aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung oder Erfahrung ausreichende Kenntnisse über Tätigkeiten mit Gefahrstoffen haben und mit den Vorschriften soweit vertraut sind, dass sie die Arbeitsbedingungen vor Beginn der Tätigkeit beurteilen und die festgelegten Schutzmaßnahmen bei der Ausführung der Tätigkeiten bewerten oder überprüfen können. Umfang und Tiefe der notwendigen Kenntnisse können in Abhängigkeit von der zu beurteilenden Tätigkeit unterschiedlich sein und müssen nicht in einer Person vereinigt sein. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Fachkenntnisse, hat er sich durch fachkundige Personen, wie dem Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit beraten zu lassen. Die Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten, für die Vorsorgeuntersuchungen nach Anhang V GefStoffV anzubieten oder zu veranlassen sind, erfordert besondere arbeitsmedizinische Kenntnisse (z.B. zum Biomonitoring, zum Metabolismus, zur Wirkung, zur Deposition von Gefahrstoffen) über die der Arbeitgeber in der Regel nicht verfügt.

(7) Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen verlangt Kenntnisse

  1. zu den für die Beurteilung notwendigen Informationsquellen nach Nummer 4.1,
  2. zu den verwendeten Gefahrstoffen und ihren gefährlichen Eigenschaften nach Nummer 4.2,
  3. zu den mit den Gefahrstoffen im Betrieb durchgeführten Tätigkeiten,
  4. zum Vorgehen bei der Beurteilung inhalativer, dermaler und physikalischchemischer Gefährdungen nach den Nummern 5 und 6,
  5. zu Substitution, technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen,
  6. zur Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen nach Nummer 7 und
  7. zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung nach Nummer 8.

(8) Besondere Anforderungen an die notwendige Fachkunde und die erforderlichen Einrichtungen können nach § 9 Abs. 6 GefStoffV für bestimmte Verfahren zur Beurteilung der inhalativen Exposition, insbesondere für Arbeitsplatzmessungen, erforderlich sein. Diese Anforderungen beschreibt die TRGS 402.

(9) Werden für die Durchführung von Arbeiten in einem Betrieb Fremdfirmen beauftragt und besteht die Möglichkeit einer gegenseitigen Gefährdung durch Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, haben alle Arbeitgeber, Auftraggeber und Auftragnehmer bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuwirken und sich abzustimmen (§ 17 GefStoffV).

3.2 Gleichartige Arbeitsbedingungen

(1) Grundsätzlich muss der Arbeitgeber für alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen eine eigene Gefährdungsbeurteilung durchführen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen reicht die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit aus (§ 5 Abs. 2 ArbSchG).

(2) Gleichartige Arbeitsbedingungen können für räumlich zusammen liegende oder räumlich getrennte Tätigkeiten (z.B. Probenahmen) ausgewählt werden und ein oder mehrere Gefahrstoffe abdecken. Andere Gefährdungen, z.B. durch Arbeitsmittel, biologische Arbeitsstoffe oder Lärm, sollten im Sinne des Arbeitschutzgesetzes bei der Festlegung berücksichtigt werden. Die Tätigkeiten müssen hierzu hinsichtlich der Gefährdungen, Expositionsbedingungen, Arbeitsabläufe, Verfahren und Umgebungsbedingungen vergleichbar sein.

(3) Tätigkeiten, bei denen die Gefährdung durch besonders gefährliche Eigenschaften oder eine hohe Exposition maßgeblich bestimmt wird, sollten nicht pauschal, sondern stets im Einzelfall beurteilt werden. Dies gilt auch für nicht regelmäßig durchgeführte Tätigkeiten, wie z.B. bei Wartung oder Instandhaltung.

(4) Die für die Gefährdungsbeurteilung als gleichartige Arbeitsbedingungen ausgewählten Tätigkeiten müssen aus der Dokumentation nach Nummer 8 ersichtlich sein.

4 Informationsermittlung

4.1 Informationsquellen

(1) Der Arbeitgeber hat zunächst zu ermitteln, ob Beschäftigte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen oder ob Gefahrstoffe, bei diesen Tätigkeiten entstehen oder freigesetzt werden. Hierzu müssen Informationen beschafft werden

  1. über die verwendeten chemischen Arbeitsstoffe,
  2. über die Tätigkeiten,
  3. zu den Möglichkeiten einer Substitution (ausgenommen bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung),
  4. über mögliche und vorhandene Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeit und
  5. zu Schlussfolgerungen aus durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen.

(2) Die wichtigsten Informationsquellen für die Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sind das Etikett mit der Kennzeichnung der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen, das Sicherheitsdatenblatt und eine möglicherweise mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung.

(3) Das Sicherheitsdatenblatt enthält u.a. Angaben zu:

  1. Bezeichnung des Gefahrstoffes, Hersteller bzw. Inverkehrbringer,
  2. gefährliche Bestandteile von Zubereitungen,
  3. Einstufung: gefährliche Eigenschaften und R-Sätze (Abschnitt "Mögliche Gefahren"),
  4. Erste-Hilfe-Maßnahmen und Brandbekämpfung,
  5. Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung,
  6. Maßnahmen für Handhabung und Lagerung,
  7. Arbeitsplatzgrenzwerten nach TRGS 900, Biologischen Grenzwerten nach TRGS 903 (Abschnitt "Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstungen"),
  8. Begrenzung und Überwachung der Exposition, z.B. Hinweise auf TRGS bzw. stoff- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen,
  9. Art und Qualität notwendiger persönlicher Schutzausrüstungen,
  10. physikalische und chemische Eigenschaften,
  11. Toxikologische Angaben, u.a. Hinweise auf noch nicht geprüfte gefährliche Eigenschaften und
  12. Kennzeichnung nach EG-Recht und einschlägige Schutzvorschriften, u.a. TRGS 905 (Abschnitt "Vorschriften").

Auf die Bekanntmachung zu Gefahrstoffen 220 "Sicherheitsdatenblatt" wird hingewiesen.

(4) Das Sicherheitsdatenblatt ist auf offensichtlich unvollständige oder fehlerhafte Angaben zu überprüfen, insbesondere in den Abschnitten "mögliche Gefahren" "Handhabung und Lagerung", "Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstungen" sowie "Vorschriften". Erforderlichenfalls müssen beim Inverkehrbringer fehlende Informationen angefordert und von diesem geliefert werden. Sicherheitsdatenblätter werden nur während eines Jahres nach der letztmaligen Lieferung des Produkts und nur im Fall einer gefährdungsrelevanten Änderung vom Lieferanten automatisch nachgeliefert. Zur Gefährdungsbeurteilung ist eine aktuelle Fassung zu verwenden. Erhält der Arbeitgeber die erforderlichen Informationen nicht, muss er sich diese Informationen selbst beschaffen oder die Gefährdungen, zu denen keine Informationen vorhanden sind, als vorhanden unterstellen und die entsprechenden Maßnahmen festlegen. Alternativ wird empfohlen, Produkte zu verwenden, für die der Hersteller vollständige Informationen liefert.

(5) Bei nicht mit Gefahrensymbolen gekennzeichneten Zubereitungen, die auf dem Etikett den Hinweis " Sicherheitsdatenblatt auf Anfrage für berufsmäßige Verwender erhältlich" enthalten, muss eine Beschaffung der Informationen veranlasst werden. Auch für Stoffe und Zubereitungen, für die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben kein Sicherheitsdatenblatt mitgeliefert werden muss, können vom Inverkehrbringer die unter Absatz 3 aufgeführten Informationen verlangt werden, wenn sie für die Gefährdungsbeurteilung erforderlich sind.

(6) Für den Arbeitgeber ohne weiteres zugängliche Informationen sind:

  1. Technische Regeln für Gefahrstoffe (Übersicht unter www.baua.de),
  2. Angaben auf der Verpackung, Gebrauchsanweisungen, Technische Merkblätter, die aus Melde-, Risikobewertungs- oder Zulassungsverfahren gewonnene Erkenntnisse beschreiben,
  3. branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen (z.B. Regeln und Informationen der Unfallversicherungsträger, Handlungsanleitungen zur guten Arbeitspraxis, Schutzleitfäden),
  4. branchenbezogene Gefahrstoff- und Produktbewertungen der Unfallversicherungsträger (z.B. GISBAU Gefahrstoffinformationssystem der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, GisChem Gefahrstoffinformationssystem der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie),
  5. Stoffinformationen der Bundesländer und der Unfallversicherungsträger (z.B. Gefahrstoffdatenbank der Länder (GDL), BGIA-Stoffdatenbank (GESTIS), Informationssystem für gefährliche Stoffe (IGS) des Landes Nordrhein-Westfalen,
  6. Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

4.2 Gefahrstoffe

(1) Die Kriterien, ob ein chemischer Arbeitsstoff als Gefahrstoff zu behandeln ist, sind unter § 3 Abs. 3 der Gefahrstoffverordnung beschrieben. Die nachfolgenden Absätze erläutern diese Begriffsbestimmung.

(2) Vom Hersteller oder Inverkehrbringer als gefährlich eingestufte und gekennzeichnete Stoffe und Zubereitungen sind Gefahrstoffe. Hierzu gehören auch chemische Stoffe und Zubereitungen, die nicht mit Gefahrensymbolen gekennzeichnet sind, aber einen oder mehren Gefährlichkeitsmerkmalen nach § 4 GefStoffV zugeordnet werden können, z.B. mit dem R-Satz 10 gekennzeichnete entzündliche Stoffe und Zubereitungen.

(3) Selbst hergestellte Stoffe, Zubereitungen oder Zwischenprodukte muss der Arbeitgeber mit Hilfe der TRGS 200 selbst einstufen.

(4) Kosmetische Mittel, Lebensmittel und -zusatzstoffe, Futtermittel und -zusatzstoffe, Arzneimittel, Medizinprodukte, Tabakerzeugnisse, Abfälle zur Beseitigung und Altöle sowie Abwässer sind in der Regel nicht als gefährliche Stoffe oder Zubereitungen gekennzeichnet, aber trotzdem Gefahrstoffe, wenn sie gefährliche Eigenschaften im Sinne der Gefahrstoffverordnung haben. Zu den Gefahrstoffen gehören auch Bestandteile von Pflanzen und Tieren, wenn sie gefährliche Eigenschaften aufweisen (z.B. sensibilisierend nach TRGS 907).

(5) Gefahrstoffe sind auch alle Stoffe mit Arbeitsplatzgrenzwerten (TRGS 900) oder Biologischen Grenzwerten (TRGS 903).

(6) Zu den Gefahrstoffen zählen auch nicht als gefährlich eingestufte chemische Arbeitsstoffe, die zu Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten bei der Arbeit führen können, z.B. durch

  1. Hautkontakt (s. TRGS 401),
  2. Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre, z.B. durch aufgewirbelte brennbare Stäube,
  3. tiefkalte oder heiße Flüssigkeiten, Dämpfe und Gase oder
  4. erstickende oder narkotisierende Gase.

(7) Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind Stoffe wie Gefahrstoffe zu behandeln, wenn grundlegende Prüfungen oder Bewertungen von gefährlichen Eigenschaften nicht oder nur teilweise vorliegen:

  1. Prüfung auf akute Toxizität,
  2. Prüfung auf Hautreizung, Schleimhautreizung,
  3. Prüfung auf erbgutveränderndes Potenzial,
  4. Prüfung auf Hautsensibilisierung und
  5. Bewertung der Toxizität bei wiederholter Applikation (Prüfung oder qualifizierte Bewertung).

Ob die Prüfungen oder Bewertungen durchgeführt wurden, kann anhand des Sicherheitsdatenblattes (Abschnitt "Toxikologische Angaben") festgestellt werden oder muss anderweitig, insbesondere durch Nachfrage beim Lieferanten ermittelt werden.

(8) Können die Informationen nach Absatz 7 nicht ermittelt werden, so sind für diese Stoffe bei der Gefährdungsbeurteilung mindestens die Schutzmaßnahmen aufgrund der Eigenschaft

  1. gesundheitsgefährlich (R20, 21 oder 22),
  2. hautreizend (R38),
  3. Verdacht auf Erbgutveränderung (R68) und
  4. hautsensibilisierend (R43)

festzulegen. Dies gilt auch für Zubereitungen, wenn das Sicherheitsdatenblatt keine qualifizierten Aussagen zu den gefährlichen Eigenschaften macht (s. Bekanntmachung 220 "Sicherheitsdatenblatt" Nummer 6.11 Abs. 9).

(9) Neue Stoffe, die in wissenschaftlichen Laboratorien oder für wissenschaftliche sowie produkt- und verfahrensorientierte Forschung und Entwicklung (nach Artikel 3 Nr. 22 der Verordnung (EG) 1907/2006) verwendet werden, sind über die Vorgaben des Absatz 8 hinaus in der Gefährdungsbeurteilung wie giftige Gefahrstoffe zu behandeln, wenn keine Erkenntnisse zu den gefährlichen Eigenschaften vorliegen.

(10) Gefahrstoffe können auch bei Tätigkeiten freigesetzte Stäube (einschließlich Rauche), Gase, Dämpfe oder Nebel sein, die z.B. durch Wechselwirkungen mit Arbeitsmitteln (TRBS 2210) oder durch Stör- und Unfälle entstehen. Beispiele für das Freisetzen oder Entstehen von Gefahrstoffen sind:

  1. aus einer Schweißelektrode entstehende Schweißrauche,
  2. beim Schleifen freigesetzter Holzstaub,
  3. aus Reinigern freigesetzte Lösemittel,
  4. beim Bohren in Betondecken entstehende silikogene Stäube,
  5. Sanierungsarbeiten in kontaminierten Bereichen,
  6. bei Tätigkeiten entstehende Pyrolyseprodukte,
  7. die spanabhebende Metallbearbeitung mit Kühlschmierstoffen.

(11) Liegen für Gefahrstoffe nach Absatz 10 keine oder nur unvollständige Informationen über die gefährlichen Eigenschaften vor, so hat der Arbeitgeber die Inhaltsstoffe und deren gefährliche Eigenschaften zumindest mit Hilfe folgender Informationsquellen zu ermitteln:

  1. Liste der gefährlichen Stoffe, die nach Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG als gefährlich eingestuft sind ("Legaleinstufungen"),
  2. TRGS 905 "Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe",
  3. TRGS 906 " Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 N r. 3 GefStoffV",
  4. TRGS 907 "Verzeichnis sensibilisierender Stoffe",
  5. TRGS 900 "Arbeitsplatzgrenzwerte",
  6. TRGS 903 "Biologische Grenzwerte" und
  7. Quellen mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, z.B. die aktuelle Liste der Senatskommission der DFG zur Bewertung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe ("MAK-Liste").

Darüber hinaus sollten auch die Informationsquellen nach Nummer 4.1 Abs. 6 zur Bewertung herangezogen werden. Oft kann auch der Hersteller oder Lieferant von chemischen Produkten oder Arbeitsmitteln im Rahmen seiner Kundenbetreuung Unterstützung leisten.

(12) Können für die bei Tätigkeiten freigesetzten Stäube (einschließlich Rauche), Gase, Dämpfe oder Nebel keine ausreichenden Informationen ermittelt werden, so sollten mindestens die gefährlichen Eigenschaften nach Absatz 8 für die Gefährdungsbeurteilung als vorhanden unterstellt werden.

(13) Sind Dritte an Entscheidungen um die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsstoffen beteiligt, sollten sie an der Informationsermittlung mitwirken. Dies gilt u.a. für

  1. den Einsatz von Bau-Produkten: Architekten, Bauherren und Planer,
  2. vorgeschriebene Wartungen im Kfz-Bereich: Automobilhersteller,
  3. die Sanierung von kontaminierten Bereichen: Auftraggeber,
  4. den Einsatz von Desinfektionsmitteln: Auftraggeber, Gesundheitsbehörden.

Die Mitwirkung entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner Verantwortung für die Gefährdungsbeurteilung.

(14) Neben der Einstufung können für die Gefährdungsbeurteilung folgende stoffbezogenen Informationen relevant sein:

  1. das Freisetzungsvermögen des Gefahrstoffes (Staubungsverhalten, Dampfdruck),
  2. die hautresorptiven Eigenschaften von Gefahrstoffen (TRGS 900, TRGS 401, "MAK-Liste"),
  3. neue gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu gefährlichen Eigenschaften eines Gefahrstoffes, die noch nicht zu einer Änderung der Einstufung im Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG geführt haben,
  4. Hinweise, dass toxikologische oder arbeitsmedizinische Kenntnisse zu wesentlichen gefährlichen Eigenschaften für einen Gefahrstoff fehlen ("Datenlücken"),
  5. Eigenschaften des Gefahrstoffes, die zu einer Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten bei der Arbeit führen können, aber nicht zu einer Einstufung (z.B. Wirkung als Katalysator für die Brandentstehung),
  6. belästigende Eigenschaften, die bei der Maßnahmenfestlegung zu berücksichtigen sind, z.B. starke Geruchsbildung,
  7. bestehende Kontaminationen, z.B. Informationen des Bauherrn oder des Auftraggebers im Falle bei Sanierung von Grundstücken oder Gebäuden,
  8. Informationen über physikalischchemische bzw. sicherheitstechnische Kenngrößen, z.B. Explosionsgrenzen, Flammpunkt, Zündtemperatur, maximaler Explosionsdruck, Druckanstiegsgeschwindigkeit, Abbrandgeschwindigkeit, selbstbeschleunigende Zersetzungstemperatur (SADT Seif Accelerating Decomposition Temperature), Thermische Stabilität (Tonset) Zersetzungstemperatur, Selbstentzündungstemperatur, Korngrößenverteilung.

4.3 Tätigkeiten

(1) Bei den Tätigkeiten sind alle Arbeitsvorgänge und Betriebszustände zu berücksichtigen, insbesondere auch An- und Abfahrvorgänge von Prozessen, Reinigungs-, Wartungs-, Instandsetzungs-, Aufräum- und Abbrucharbeiten, Lagerung, Beförderung, Entsorgung sowie mögliche Betriebsstörungen. Bedien- und Überwachungstätigkeiten sind ebenfalls zu berücksichtigen, sofern sie zu einer Gefährdung von Beschäftigten durch Gefahrstoffe bei der Arbeit führen können.

(2) Folgende Informationen sind zu berücksichtigen:

  1. Erkenntnisse aus der Begehung des Arbeitsplatzes und aus der Anhörung der Beschäftigten bzw. des Betriebs- oder Personalrates,
  2. den angewendeten Verfahren, Arbeitsmitteln und Arbeitstechniken,
  3. Menge der am Arbeitsplatz gelagerten oder verwendeten Gefahrstoffe,
  4. Art, Ausmaß, Dauer und Verlauf der Exposition gegenüber Gefahrstoffen durch Einatmen oder Hautkontakt, ggf. auch zur unbewussten oralen Aufnahme bei mangelnder Hygiene,
  5. vorhandenen Schutzmaßnahmen, z.B. technische Schutzeinrichtungen wie Kapselung, Quellenabsaugung, Lüftungseinrichtungen, organisatorische Schutzmaßnahmen, persönliche Schutzausrüstung wie Atemschutz, Chemikalienschutzhandschuhe, Schutzbrille und
  6. möglichen Störungen des Betriebsablaufes, die zu erhöhten Expositionen gegenüber Gefahrstoffen führen können.

(3) Darüber hinaus können weitere Informationen erforderlich sein:

  1. Arbeitsumfeld und -bedingungen, z.B. Raumgröße, Lüftungsverhältnisse, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lärm, schwere körperliche Arbeit, belastende persönliche Schutzausrüstung,
  2. Gefahrstoffquellen in der Umgebung mit Zeitpunkt und Dauer einer möglichen Freisetzung (im Arbeitsbereich oder von angrenzenden Anlagen),
  3. Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Gefahrstoffen, die zu Brand- und Explosionsgefahren führen können (TRGS 720, TRGS 721) und
  4. Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins oder der Entstehung und des Wirksamwerdens von Zündquellen einschließlich elektrostatischer Entladungen.

(4) Treten bei Tätigkeiten mehrere Gefahrstoffe gleichzeitig auf, so sind anhand der Informationsquellen nach Nummer 4.1 bekannte Wechsel- oder Kombinationswirkungen mit Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Beispiele für bekannte Wechsel- und Kombinationswirkungen sind z.B.:

  1. Lösemittelgemische, die zu Erkrankungen des Nervensystems (Polyneuropathien, Enzephalopathien) führen können,
  2. Asbest und Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bzw. Rauchen (Verstärkung der krebserzeugenden Wirkung) oder
  3. Stoffe, z.B. bestimmte Lösemittel, die die Aufnahme anderer Gefahrstoffe über die Haut erhöhen (Carriereffekt).

Wechsel- und Kombinationswirkungen können auch physikalischchemische Gefährdungen betreffen (s. Nummer 6.5)

4.4 Informationen über Substitutionsmöglichkeiten

Der Arbeitgeber muss ermitteln, ob Stoffe oder Verfahren mit einer geringeren gesundheitlichen Gefährdung als die von ihm in Aussicht genommenen verfügbar sind (s. Nummer 6 und TRGS 600 "Substitution" 3).

4.5 Informationen über Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeit

Informationen zu möglichen Schutzmaßnahmen und Erkenntnisse aus der Überprüfung der Wirksamkeit bereits vorhandener Schutzmaßnahmen sind bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Sie können gewonnen werden aus:

  1. Arbeitsplatzmessungen oder anderen Methoden zur Wirksamkeitsprüfung nach Nummer 7 (innerbetrieblich durchgeführt oder veröffentlichte Beispiele vergleichbarer Arbeitsplätze ) oder
  2. Aufzeichnungen über Unfälle, Störungen des Betriebsablaufes und "Beinahe-Unfälle" (innerbetrieblich oder aus einschlägigen Veröffentlichungen).

Nähere Hinweise enthalten die TRGS 401, 402 und 500.

4.6 Schlussfolgerungen aus durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten, für die Vorsorgeuntersuchungen nach Anhang V GefStoffV anzubieten oder zu veranlassen sind, den untersuchenden Arzt an der Gefährdungsbeurteilung zu beteiligen. Dies ist erforderlich, da der Arbeitgeber aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht über die Erkenntnisse und in der Regel auch nicht über das Fachwissen verfügt, Schlussfolgerungen aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu ziehen 4.

4.7 Gefahrstoffverzeichnis

(1) Über die ermittelten Gefahrstoffe ist ein Verzeichnis zu führen. Es soll einen Überblick über die im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe geben und muss auf die zugehörigen Sicherheitsdatenblätter verweisen. Gefahrstoffe, die nur zu einer geringen Gefährdung nach Nummer 6.2 führen, brauchen nicht in das Gefahrstoffverzeichnis aufgenommen werden.

(2) Das Verzeichnis ist auf dem aktuellen Stand zu halten und mit dem Verweis auf die Sicherheitsdatenblätter allen betroffenen Beschäftigten und ihren Vertretern zugänglich zu machen. Es empfiehlt sich, das Verzeichnis nach der betriebsspezifischen Organisationsstruktur aufzugliedern. Das Gefahrstoffverzeichnis kann in Papierform oder elektronisch geführt werden.

(3) Bei Vorliegen eines Sicherheitsdatenblattes sind im Gefahrstoffverzeichnis folgende Angaben ausreichend:

  1. Bezeichnung des Gefahrstoffes (z.B. Produkt- oder Handelsname aus dem Sicherheitsdatenblatt) und
  2. Hinweis auf den Aufbewahrungsort des Sicherheitsdatenblattes.

Dies gilt auch für nicht kennzeichnungspflichtige Gefahrstoffe nach Nummer 4.2 Abs. 4, wenn Informationen zu Gefährdung und Schutzmaßnahmen in Umfang und Qualität eines Sicherheitsdatenblattes vorliegen. Die Informationen sollten in die Sammlung der Sicherheitsdatenblätter aufgenommen werden.

(4) Für Gefahrstoffe ohne Sicherheitsdatenblatt oder vergleichbare Informationen wird empfohlen, folgende Angaben aufzunehmen:

  1. Bezeichnung des Gefahrstoffes und
  2. Angabe der gefährlichen Eigenschaften von relevanten Inhaltsstoffen (Gesundheitsgefährdung unter besonderer Berücksichtigung krebserzeugender, erbgutverändernder und fortpflanzungsgefährdender Eigenschaften (TRGS 905, TRGS 906) sowie Brand- und Explosionsgefahren).

(5) Die Mindestangaben im Gefahrstoffverzeichnis reichen in der Regel für eine Gefährdungsbeurteilung nicht aus. Es wird daher empfohlen, dieses um dafür notwendige Informationen zu erweitern, z.B.

  1. verwendete chemische Arbeitsstoffe (unabhängig von der Bewertung als Gefahrstoff),
  2. Einstufung (gefährliche Eigenschaften, R-Sätze),
  3. Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW),
  4. betroffene Arbeitsplätze, -bereiche oder Tätigkeiten,
  5. Angaben zu Gefahrstoffmengen.

Das Gefahrstoffverzeichnis kann als Bestandteil der Dokumentation nach Nummer 8 dienen.

5 Gefährdungsbeurteilung bei vorgegebenen Maßnahmen (standardisierte Arbeitsverfahren)

5.1 Grundsätze

(1) Die Gefährdungsbeurteilung vereinfacht sich, wenn

  1. eine mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung des Herstellers oder Inverkehrbringers vorliegt,
  2. eine stoff- oder tätigkeitsspezifische TRGS bekanntgemacht ist, insbesondere verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) nach TRGS 420 und
  3. die konkreten Maßnahmen oder Verfahren einer branchen- oder tätigkeitsspezifischen Hilfestellung nach Nummer 5.4 zu entnehmen sind.

Diese Vorgaben werden als standardisierte Arbeitsverfahren bezeichnet und müssen unmittelbar auf die zu beurteilende Tätigkeit übertragbar sein.

(2) Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu prüfen, ob die standardisierten Arbeitsverfahren bei der zu beurteilenden Tätigkeit mit Gefahrstoffen bereits angewendet werden. Ansonsten müssen die fehlenden Maßnahmen nach dem standardisierten Arbeitsverfahren vor Aufnahme der Tätigkeit festgelegt und umgesetzt werden.

(3) Die Anwendung der Gefährdungsbeurteilung bei standardisierten Arbeitsverfahren entbindet nicht

  1. vom Führen des Gefahrstoffverzeichnisses und der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung,
  2. von der Erstellung einer Betriebsanweisung, der Unterweisung und der arbeitsmedizinischtoxikologischen Beratung,
  3. von den erforderlichen Vorkehrungen für Unfälle, Stör- und Notfälle,
  4. von Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge und
  5. von der Festlegung und Durchführung einer Wirksamkeitsprüfung nach Nummer 7.

Ausnahmen gelten für Tätigkeiten geringer Gefährdung nach Nummer 6.2.

5.2 Mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung

(1) Nach § 7 Abs. 7 GefStoffV kann der Arbeitgeber mitgelieferte Gefährdungsbeurteilungen des Herstellers oder Inverkehrbringers übernehmen. Anlage 2 enthält eine Checkliste zur Anwendung mitgelieferter Gefährdungsbeurteilungen.

(2) Für eine mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung gelten folgende Rahmenbedingungen:

  1. sie bezieht sich auf eine vom Hersteller oder Inverkehrbringer beschriebene Verwendung,
  2. sie ist, auch in Art und Umfang, eine freiwillige Leistung des Herstellers oder Inverkehrbringers,
  3. sie enthält Hinweise auf Informationen nach Nummer 4, die der Arbeitgeber für die Gefährdungsbeurteilung noch eigenständig zu ermitteln hat und
  4. sie enthält neben der Beschreibung der Verwendung mindestens Aussagen zu der Nummer 2 Buchstabe a bis e der Anlage 2 unter Angabe der angenommenen Anwendungsbedingungen und der zugehörigen, konkreten Schutzmaßnahmen. Hierbei kann auf branchen- und tätigkeitsspezifische Hilfestellungen verwiesen werden.

(3) Ein Sicherheitsdatenblatt kann als mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung verwendet werden, wenn die Angaben den Vorgaben dieser Nummer 5.2 und der Anlage 2 entsprechen. Dies gilt auch für ein einschlägiges Expositionsszenario auf Grundlage einer Stoffsicherheitsbeurteilung nach Artikel 14 oder 37 der Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) vom Hersteller oder Importeur eines chemischen Stoffes oder einer Zubereitung, das z.B. als Anhang zum Sicherheitsdatenblatt vorliegt. Die Anforderung ist auch erfüllt, wenn im Sicherheitsdatenblatt unter Angabe der Fundstelle Maßnahmen aus stoff- oder tätigkeitsbezogenen TRGS nach Nummer 5.3 oder aus branchen- oder tätigkeitsspezifischen Hilfestellungen nach Nummer 5.4 empfohlen sind. Bei der Verwendung von zugelassenen Biozid-Produkten und Pflanzenschutzmitteln sind außerdem zusätzliche Herstellerangaben (Kennzeichnung, Gebrauchsanweisung) zu berücksichtigen.

(4) Übernimmt der Arbeitgeber eine mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung, so hat er

  1. zu prüfen, ob er seine Tätigkeit entsprechend den vom Hersteller oder Inverkehrbringer gemachten Angaben und Festlegungen durchführt und
  2. zur Vervollständigung seiner Gefährdungsbeurteilung ggf. weitere ihm vorliegende Informationen zu berücksichtigen (z.B. Ergebnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, eingesetzte Produktmenge, Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen). Hierbei sind die Vorgaben zur Informationsermittlung nach Nummer 4 zu beachten (s. auch Anlage 2).

(5) Bei Anwendung einer mitgelieferten Gefährdungsbeurteilung bleibt der Arbeitgeber in jedem Fall verantwortlich für die Gefährdungsbeurteilung der jeweiligen Tätigkeit.

5.3 Anwendung einer stoff- oder tätigkeitsbezogenen TRGS

(1) Werden stoff- und tätigkeitsbezogene Vorgaben einer TRGS zu Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen angewendet, so kann der Arbeitgeber in diesen Punkten von einer Einhaltung der Vorgaben der Gefahrstoffverordnung ausgehen.

(2) Sind für eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen in einer TRGS verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) auf Grundlage der TRGS 420 bekannt gemacht, so kann der Arbeitgeber die dort beschrieben Maßnahmen ohne weitere Prüfung unmittelbar übernehmen. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen sind die Vorgaben der VSK anzuwenden, Gefahrstoffmessungen zur Wirksamkeitsprüfung nach Nummer 7 sind nicht erforderlich.

(3) Wird von den Vorgaben einer TRGS abgewichen, so ist dies in der Gefährdungsbeurteilung zu begründen und zu dokumentieren. Die vorgenommenen Maßnahmen müssen in vergleichbarer Weise den Schutz und die Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten.

(4) Für eine Reihe von chemischen Stoffen oder Stoffgruppen mit gefährlichen physikalischchemischen Eigenschaften (z.B. Explosivstoffe, organische Peroxide, brandfördernde Stoffe, Ammoniumnitrat, Gase allgemein, Sauerstoff), sowie für bestimmte Gefährdungsbereiche (z.B. gefährliche explosionsfähige Atmosphäre), gibt es detaillierte Vorgaben zu Schutzmaßnahmen in anderen Regelwerken, insbesondere in den Technischen Regeln für Betriebssicherheit ( TRBS) sowie in den Vorschriften des Sprengstoffrechtes.

5.4 Branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen

(1) Branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen können für die Beurteilung von Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen herangezogen werden. Sie müssen aktuell sein, d.h. sich auf die geltende Fassung des Arbeitsschutzgesetzes und der Gefahrstoffverordnung beziehen.

(2) Branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen können wie eine mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung des Herstellers oder Inverkehrbringers nach § 7 Abs. 7 GefStoffV angewendet werden, wenn sie den unter Nummer 5.2 und in der Anlage 2 beschriebenen Vorgaben entsprechen.

6 Gefährdungsbeurteilung ohne vorgegebene Maßnahmen

6.1 Vorgehen

(1) Sind für eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen keine Maßnahmen als standardisierte Arbeitsverfahren nach Nummer 5 vorgegeben oder sind diese nicht anwendbar, so müssen sie im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung abgeleitet und festgelegt werden. Grundlage ist die Beurteilung der mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen (Einatmen), dermalen (Hautkontakt) und physikalischchemischen (Brand- und Explosionsgefahren) und sonstigen durch den Gefahrstoff bedingten Gefährdungen.

(2) Bei der Beurteilung der Gefährdung sind auch Gefährdungen durch das Verschlucken von Gefahrstoffen (orale Aufnahme) zu berücksichtigen, wenn diese Möglichkeit bei der zu beurteilenden Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Dies ist z.B. der Fall, wenn mit Schutzhandschuhen gearbeitet und mit diesen unbewusst in das Gesicht gegriffen wird. Zu berücksichtigen ist auch eine mögliche Kontamination von Pausenverpflegung und verwendeten Arbeitsmitteln durch unzureichende Hygiene.

(3) Die Beurteilung der Gefährdungen erfolgt mit Hilfe der unter Nummer 4 ermittelten Informationen. Sie ist Grundlage für die Festlegung von Schutzmaßnahmen, die die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei allen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen gewährleisten müssen.

(4) Die Beurteilung muss so durchgeführt und dokumentiert werden, dass die auf ihrer Grundlage getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar sind.

6.2 Tätigkeiten mit geringer Gefährdung

(1) Tätigkeiten mit geringer Gefährdung sind Tätigkeiten, bei denen aufgrund der Arbeitsbedingungen, einer nur geringen verwendeten Stoffmenge und einer nach Höhe und Dauer niedrigen Exposition Maßnahmen nach § 8 GefStoffV zum Schutz der Beschäftigen ausreichen. Sind für Tätigkeiten weitergehende Maßnahmen nach den §§ 9 bis 12 GefStoffV notwendig, so liegen keine Tätigkeiten mit geringer Gefährdung vor.

(2) Für eine Tätigkeit geringer Gefährdung im Sinne von § 7 Gefahrstoffverordnung müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein:

  1. Der verwendete Gefahrstoff ist nicht als giftig, sehr giftig, bzw. krebserzeugend, erbgutverändernd oder fruchtbarkeitsgefährdend (Kategorie 1 oder 2) eingestuft. Hierbei sind die TRGS 905 und die TRGS 906 zu beachten.
  2. Die bei der Tätigkeit verwendete Stoffmenge muss gering sein. Ein eindeutiger Maßstab für "geringe Menge" lässt sich allgemein nicht angeben, da hierzu auch die gefährlichen Stoffeigenschaften, das Freisetzungsvermögen des Gefahrstoffes und die konkrete Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Dabei muss die Exposition nach Höhe und Dauer niedrig sein. Hierbei sind inhalative und dermale Anteile zu berücksichtigen. So liegt z.B. bei Feststoffen eine niedrige inhalative Exposition im Regelfall bei emissionsarmen Verwendungsformen wie Pasten, Wachse, Granulate, Pellets, Masterbatches vor.

(3) Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in engen Räumen und Behältern sind grundsätzlich keine Tätigkeiten mit geringer Gefährdung.

(4) Die Beurteilung, ob hinsichtlich einer dermalen Exposition die Bedingungen für Tätigkeiten geringer Gefährdung erfüllt sind, kann mit Hilfe der TRGS 401 erfolgen. Aufgrund dieser Vorgaben kann bei Gefahrstoffen, die das Symbol "ätzend" (R34, R35) tragen, eine Tätigkeit geringer Gefährdung nicht vorliegen, wenn ein Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden kann.

(5) Beispiele für Tätigkeiten geringer Gefährdung sind:

  1. Verwendung von Gefahrstoffen, die für den privaten Endverbraucher im Einzelhandel in Selbstbedienung erhältlich sind ("Haushaltsprodukte"), wenn sie unter für Haushalte üblichen Bedingungen (geringe Menge und kurze Expositionsdauer) verwendet werden,
  2. Ausbesserung kleiner Lackschäden mit Lackstiften oder
  3. Verwendung und Aufbewahrung haushaltsüblicher Mengen von Klebstoffen.

(6) Auch wenn bei einer Tätigkeit nicht alle Bedingungen nach Absatz 2 erfüllt sind, so kann die Gefährdungsbeurteilung trotzdem zu einer Festlegung von Maßnahmen führen, die weitgehend dem § 8 GefStoffV entsprechen. In diesen Fällen sind jedoch weitere organisatorische Anforderungen zu beachten, insbesondere zum Führen eines Gefahrstoffverzeichnisses, der Erstellung einer Betriebsanweisung, der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung und zur arbeitsmedizinischen Vorsorge.

6.3 Dermale Gefährdung
(Gefährdung durch Hautkontakt mit Gefahrstoffen)

Die Vorgehensweise zur Beurteilung der dermalen Gefährdung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und zur Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen beschreibt die TRGS 401.

6.4 Inhalative Gefährdung
(Gefährdung durch Einatmen von Gefahrstoffen)

(1) Methoden und Vorgehensweisen zur Beurteilung der inhalativen Gefährdung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und zur Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen durch Gefahrstoffmessungen und qualifizierte Expositionsabschätzungen beschreibt die TRGS 402.

(2) Bei Gefahrstoffen, für die in der TRGS 900 ein Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) aufgestellt ist, entscheidet ein Vergleich der Expositionshöhe mit dem AGW über die Notwendigkeit zusätzlicher Schutzmaßnahmen. Hierbei ist auch die Dauer der Exposition zu berücksichtigen (z.B. Kurzzeitbedingungen). Zur Ermittlung der Expositionshöhe können Ergebnisse aus Arbeitsplatzmessungen bei vergleichbaren Tätigkeiten und qualifizierte Expositionsabschätzungen herangezogen werden.

(3) Werden Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchgeführt, für die in der TRGS 900 kein Arbeitsplatzgrenzwert festgelegt ist, so müssen geeignete Beurteilungsmaßstäbe für die Luftbelastung am Arbeitsplatz festgelegt werden. Hierzu können Berechnungen oder Arbeitsplatzmessungen erforderlich sein (vgl. TRGS 402).

(4) Besondere Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung und Festlegung von Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die zu einer Sensibilisierung beim Einatmen führen können (z.B. Kennzeichnung mit R42) gibt die TRGS/TRBa 406. 5

6.5 Physikalischchemische und sonstige durch Gefahrstoffe bedingte Gefährdungen

(1) Bei der Beurteilung physikalischchemischer Gefährdungen sind Brand- und Explosionsgefahren sowie sonstige durch Gefahrstoffe bedingte Gefährdungen zu berücksichtigen.

(2) Brand- und Explosionsgefahren können z.B. entstehen durch

  1. explosionsgefährliche oder explosionsfähige Stoffe,
  2. brennbare Gase, feste Stoffe und Flüssigkeiten (auch wassermischbare, die entzündlich sind), insbesondere hochentzündliche, leichtentzündliche oder entzündliche im Sinne von § 4 Nr. 3 bis 5 der Gefahrstoffverordnung,
  3. selbstentzündliche Stoffe (pyrophore und selbsterhitzungsfähige Stoffe),
  4. Stoffe, die in Berührung mit Wasser oder feuchter Luft hochentzündliche Gase in gefährlicher Menge entwickeln,
  5. aufgewirbelte brennbare Stäube,
  6. Stoffe mit brandfördernden Eigenschaften,
  7. chemisch oder thermisch instabile Stoffe (z.B. selbstzersetzliche Stoffe und organische Peroxide) oder
  8. gefährliche exotherme Reaktionen.

(3) Hinweise zur Beurteilung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphären und zu entsprechenden Schutzmaßnahmen geben die TRGS 720, 721 und 722.

(4) Sonstige durch Gefahrstoffe bedingte Gefährdungen können z.B. entstehen bei Tätigkeiten mit

  1. erstickenden oder narkotisierenden Gasen, insbesondere beim Einsteigen in enge Behälter, Gärkeller ("Kohlendioxidsee"),
  2. tiefkalten oder heißen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen, z.B. Metallschmelzen, Flüssigstickstoff,
  3. die Haut verfärbenden Arbeitsstoffen oder
  4. Klebstoffen (z.B. Zusammenkleben der Finger durch "Sekundenkleber").

Zu berücksichtigen ist auch die erhöhte Aufnahme von Gefahrstoffen als Folge von Stich- oder Schnittverletzungen an kontaminierten Apparateteilen (z.B. Nadeln oder Kanülen an Laborautomaten). Erforderlichenfalls sind die Gefährdungen im Einzelfall mit Hilfe der Informationen nach Nummer 4 fachkundig zu beurteilen.

6.6 Festlegung von Schutzmaßnahmen

(1) Im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen. Die Grundsätze für die Verhütung von Gefährdungen nach § 8 GefStoffV sind unabhängig von der Gefährdungsbeurteilung immer anzuwenden. Sie sind in der TRGS 500 näher beschrieben.

(2) Die §§ 9 bis 11 der Gefahrstoffverordnung beschreiben Schutzmaßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch Gefahrstoffe. Die Einstufung und Kennzeichnung des Gefahrstoffes weisen auf diejenigen Schutzmaßnahmen hin, die bei der Festlegung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zum Schutz vor dermalen und inhalativen Gefährdungen geprüft werden müssen. Die endgültige Festlegung der konkreten Schutzmaßnahme ist das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung im Einzelfall. Es wird daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Festlegung der "Schutzstufe" nur ein Hilfsinstrument zur Ableitung geeigneter Maßnahmen, nicht jedoch das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ist. Die Festlegung von Schutzstufen ist nicht obligatorisch."

(3) Für Gefahrstoffe mit der Kennzeichnung Xn (gesundheitsschädlich), Xi (reizend) und C (ätzend) sind Maßnahmen nach § 9 GefStoffV festzulegen. Dies gilt nicht für Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Nummer 6.2. Ergibt die Beurteilung

  1. der dermalen Gefährdung nach Nummer 6.3 (TRGS 401) eine hohe Gefährdung, oder
  2. der inhalativen Gefährdung nach Nummer 6.4 (TRGS 402 und TRGS/TRBa 406), dass die Maßnahmen nach § 9 GefStoffV nicht ausreichen,

so sind zusätzliche Maßnahmen festzulegen, ggf. auch Maßnahmen nach § 10 GefStoffV.

(4) Für Gefahrstoffe mit der Kennzeichnung T (giftig) und T+ (sehr giftig) sind Maßnahmen der §§ 9 und 10 GefStoffV festzulegen. Unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Betriebs, wie Produktionsverfahren, Anlagentechnik und Produktqualität ist insbesondere zu prüfen, ob sich eine Substitution oder die Verwendung eines geschlossenen Systems durchführen lässt (vgl. TRGS 500, TRGS 600). Sind weder eine Substitution noch ein geschlossenes System technisch möglich, so müssen Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik getroffen werden, die die Gefährdung ausschließen bzw. falls dies nicht möglich ist, so weit wie möglich verringern.

(5) Für krebserzeugende, erbgutverändernde oder fruchtbarkeitsgefährdende Gefahrstoffe der Kategorie 1 oder 2 sind zusätzlich Maßnahmen nach § 11 GefStoffV festzulegen, wenn der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) nicht eingehalten ist oder nicht nach verfahrens- und stoffspezifischen Kriterien (VSK) gearbeitet wird. Für eine Reihe von krebserzeugenden Gefahrstoffen gibt es in Technischen Regeln konkrete Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung und zur Festlegung von Maßnahmen.

(6) Bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen ist der Vorrang der Substitution vor technischen und organisatorischen Maßnahmen und vor der Anwendung von Persönlicher Schutzausrüstung zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn eine Kombination aus technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen festgelegt wird. Die Schutzmaßnahmen müssen dem Stand der Technik entsprechen.

(7) Die persönliche Schutzausrüstung ist auf Eignung für den jeweiligen Gefahrstoff und die Tätigkeit zu überprüfen. Sind im Sicherheitsdatenblatt oder anderen Informationsquellen keine konkreten Fabrikate für die notwendigen Schutzhandschuhe genannt, so müssen diese aus den vorliegenden Angaben (Material, Schichtdicke etc.) selbst ermittelt werden. Nähere Hinweise enthält die TRGS 401.

(8) Bei physikalischchemischen Gefährdungen, u.a. bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, bei denen Brand- und Explosionsgefahren entstehen können (siehe Nummer 6.5 Abs. 2) sind zur Vermeidung von Brand- und Explosionsgefahren ergänzende Schutzmaßnahmen nach § 12 und Anhang III Nr. 1 GefStoffV festzulegen.

(9) Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die nicht gekennzeichnet sind oder keinem Gefährlichkeitsmerkmal zugeordnet werden können, aber dennoch eine Gefährdung für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten darstellen können, müssen diejenigen Maßnahmen der §§ 8 bis 10 und 12 GefStoffV ergriffen werden, die zum Schutz der Beschäftigten notwendig sind.

7 Festlegungen zur Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen

(1) Als Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind auch Methoden und Fristen zur Überprüfung für die Wirksamkeit der bestehenden und der zu treffenden Schutzmaßnahmen festzulegen.

(2) Technische Schutzmaßnahmen, z.B. Lüftungs- und Absaugeinrichtungen, müssen regelmäßig auf ihre ausreichende Funktion und Wirksamkeit überprüft werden. Dieses muss mindestens jedes dritte Jahr erfolgen. Für technische Einrichtungen zum Schutz vor einatembaren Stäuben gilt nach Anhang III Nr. 2.3 Abs. 7 GefStoffV eine Höchstfrist von einem Jahr. Der Arbeitgeber hat innerhalb dieser Vorgaben (bei Arbeitsmitteln unter Berücksichtigung der Betriebssicherheitsverordnung) Art, Umfang und Prüffristen eigenverantwortlich festzulegen. Das Ergebnis der Prüfung ist zu dokumentieren.

(3) Bei Gefahrstoffen, für die in der TRGS 900 ein Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) aufgestellt ist, ist die Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen durch Arbeitsplatzmessungen oder durch andere gleichwertige Beurteilungsverfahren (§ 9 GefStoffV) bzw. gleichwertige Nachweismethoden (§ 10 GefStoffV) nachzuweisen. Dies ist nicht erforderlich bei Anwendung verfahrens- und stoffspezifischer Kriterien (VSK) nach TRGS 420.

(4) Bei Arbeitsplatzmessungen wird unmittelbar die Luftkonzentration des zu überwachenden Gefahrstoffes ermittelt (s. TRGS 402). Gleichwertige Beurteilungsverfahren oder Nachweismethoden ermöglichen eine alternative Wirksamkeitsüberprüfung mit Hilfe von

  1. Berechnungen der Gefahrstoffkonzentration (qualifizierte Expositionsabschätzung) oder Messungen, die einen indirekten Schluss auf die Gefahrstoffbelastung ermöglichen, z.B. mit Hilfe von Leitkomponenten (s. TRGS 402) oder
  2. technischen und organisatorischen Prüfvorgaben, die sich auf die festgelegten Maßnahmen beziehen (s. TRGS 500).

(5) Für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, für die kein Arbeitsplatzgrenzwert vorliegt, kann die Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen durch geeignete Beurteilungsmethoden nachgewiesen werden. Geeignete Beurteilungsmethoden beschreiben eine gute Arbeitspraxis und die hiermit verbundene (maximale) Höhe der Exposition. Sie enthalten auch Aussagen, wie die Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen überprüft werden kann. Hierzu gehören auch technische Leistungskriterien, die durch Wirksamkeitsmessungen überprüft werden können, z.B. Prüfung technisch geschlossener Anlagenteile, Funktionselemente und Tätigkeiten nach TRGS 500.

(6) Liegen geeignete Beurteilungsmethoden nicht vor, ist eine Messung erforderlich, mit der die Exposition in Verbindung mit den getroffenen Maßnahmen beurteilt werden kann. Dies kann eine Messung des Gefahrstoffes, von Stoffgruppen oder von Leitkomponenten sein.

(7) Führt die Wirksamkeitsüberprüfung zum Ergebnis, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen nicht ausreichend wirksam sind, so sind zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen und die Gefährdungsbeurteilung neu durchzuführen. Dies gilt auch bei Anwendung standardisierter Arbeitsverfahren nach Nummer 5.

8 Dokumentation

(1) Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen muss der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten dokumentieren.

(2) Die Dokumentation zu Tätigkeiten mit Gefahrstoffen muss als Bestandteil der Dokumentation nach § 6 ArbSchG mindestens Angaben enthalten zu

  1. Zeitpunkt und Personen, die die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt haben oder daran beteiligt waren,
  2. Arbeitsbereich und Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
  3. den am Arbeitsplatz auftretenden inhalativen, dermalen oder physikalischchemischen Gefährdungen,
  4. Häufigkeit der Tätigkeiten, Dauer der Exposition sowie zusätzliche Belastungsfaktoren, die relevant für eine erhöhte Aufnahme von Gefahrstoffen in den Körper sind (schwere körperliche Arbeit, hohe Temperatur, ...),
  5. den zur Beseitigung oder Verringerung erforderlichen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen und die Wirksamkeitsprüfung der technischen Maßnahmen,
  6. der durchgeführten Unterweisung der Beschäftigten und
  7. dem Ergebnis der Prüfung auf Möglichkeiten zur Substitution (s. TRGS 600). Ergibt diese Prüfung bei Tätigkeiten, für die ergänzende Schutzmaßnahmen nach § 10 GefStoffV zu treffen sind, dass sich eine Substitution unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht durchführen lässt, so sind auch die bei der Prüfung zu Grunde gelegten Erwägungen nachprüfbar zu dokumentieren.

Darüber hinaus können Informationen zu den bei den Tätigkeiten verwendeten Stoffmengen sinnvoll sein. Ferner wird auch die Dokumentation der zuständigen Personen sowie von Umsetzungs- und Überprüfungsfristen empfohlen.

(3) Die Form der Dokumentation ist dem Arbeitgeber frei gestellt. Es können auch vorhandene Dokumente genutzt werden, aus denen die o. a. Informationen hervorgehen. Die Dokumentation kann auch elektronisch erfolgen. Es können vorhandene betriebliche Unterlagen als Bestandteil genutzt werden, z.B. Gefahrstoffverzeichnis, Messprotokolle von Arbeitsplatzmessungen, Betriebs- und Herstellvorschriften, Betriebsanweisungen, Bestätigung der erfolgten Unterweisung.

(4) Eine detaillierte Dokumentation ist nicht erforderlich, wenn Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Nummer 6.2 durchgeführt werden. Auf die Angaben nach Absatz 2 Nr. 3 bis 7 kann in diesen Fällen verzichtet werden. Es ist zu dokumentieren, dass eine geringe Gefährdung festgestellt wurde.

(5) Eine Dokumentation der Schutzstufe ist nicht erforderlich.

(6) Bei einer Gefährdungsbeurteilung mit vorgegebenen Maßnahmen (standardisierte Arbeitsverfahren) nach Nummer 5 sind für die Dokumentation das Gefahrstoffverzeichnis und bereits vorhandene Unterlagen ausreichend, wenn aus diesen die notwendigen Angaben nach Absatz 2 hervorgehen.

(7) Es wird empfohlen, die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung langfristig aufzubewahren, insbesondere bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Gefahrstoffen der Kategorie 1 oder 2.

(8) Es wird darauf hingewiesen, dass Sicherheitsdatenblätter nach Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 35 auch bei den Verwendern (nachgeschalteten Anwendern) mindestens zehn Jahre nach der letzten Verwendung der Stoffe oder Zubereitungen zur Verfügung gehalten werden müssen.

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Vorschlag für eine Vorgehensweise bei der Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen  Anlage 1
zu TRGS 400


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  Checkliste zur Anwendung mitgelieferter Gefährdungsbeurteilungen nach § 7 Abs. 7 GefStoffV Anlage 2
zu TRGS 400

Die Nummern 1 und 2 Buchstabe a bis e müssen mindestens alle mit "ja" beantwortet sein, um die mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung als standardisiertes Arbeitsverfahren nach Nummer 5.2 anwenden zu können. Für die übrigen ggf. mit "nein" beantworteten Nummern muss der Arbeitgeber eigenständig Informationen nach Nummer 4 dieser TRGS ermitteln und bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen berücksichtigen.

    ja nein Bemerkungen
1 Werden Tätigkeiten entsprechend den vom Hersteller/Inverkehrbringer gemachten Angaben und Festlegungen durchführt?     Falls nein, muss eine eigenständige Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber durchgeführt werden.
2 Sind in der mitgelieferten Gefährdungsbeurteilung Angaben zu den folgenden Punkten enthalten:      
a gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Zubereitungen     Werden Angaben zur Einstufung und Kennzeichnung (R-/S-Sätze und Gefahrensymbol) des Produktes und der Inhaltsstoffe gemacht? Sind Hinweise enthalten, ob über die Kennzeichnung hinausgehende Gefährdungen zu erwarten sind? Nummer 4.2 Abs. 7 gilt entsprechend. Sind bei fehlenden Prüfungen oder Bewertungen die gefährlichen Eigenschaften für die Empfehlung der Schutzmaßnahmen Nummer 4.2 Abs. 8 unterstellt worden?
b. Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) und Biologische Grenzwerte (BGW)     Werden die Grenzwerte der TRGS 900 bzw. 903 genannt ( Sicherheitsdatenblatt)? Für Gefahrstoffe ohne AGW oder BGW ist dieser Punkt nicht relevant.
c. Informationen des Herstellers/Inverkehrbringers zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit     Liegt das Sicherheitsdatenblatt vor? Werden Angaben zu den Rahmenbedingungen für einen sicheren Einsatz des Produktes gemacht (z.B. konkrete Angaben zu persönlicher Schutzausrüstung, Lüftung)? Anmerkung: Werden bei Notwendigkeit des Einsatzes von Schutzhandschuhen keine Fabrikate genannt, muss der Arbeitgeber diese selbst ermitteln.
d. Ausmaß, Art und Dauer der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege     Ist die inhalative Exposition am Arbeitsplatz und ggf. die Hautbelastung beschrieben?
e. physikalisch-chemische Wirkungen     Werden Angaben zu Flammpunkt und ggf. Explosionsgrenzen etc. gemacht?
f. Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge     Werden konkrete Angaben zu den Arbeitsbedingungen und zum Verfahren, in dem das Produkt eingesetzt wird, gemacht? Ggf. sind Informationen z.B. zur eingesetzten Produktmenge vom Arbeitgeber zu ergänzen.
g. Möglichkeiten einer Substitution     Werden Angaben gemacht, warum keine nicht oder weniger gefährlichen Produkte bzw. Verfahren eingesetzt werden können? Ist dies nicht der Fall, so muss der Arbeitgeber die Prüfung von Möglichkeiten der Substitution selbst vorzunehmen.
h. Wirksamkeit der getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen     Werden Hilfestellungen zur Überprüfung der Wirksamkeit der beschriebenen Schutzmaßnahmen unter den in der mitgelieferten Gefährdungsbeurteilung gemachten Angaben und Festlegungen gegeben (z.B. Einhaltung der Grenzwerte)? Die Wirksamkeit der betrieblich eingesetzten Schutzmaßnahmen muss vom Arbeitgeber überprüft werden.
i Schlussfolgerungen aus durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen     In der Regel sind diese Informationen nicht Inhalt der mitgelieferten Gefährdungsbeurteilung, sondern müssen vom Arbeitgeber eigenständig ermittelt werden (s. Nummer 4.7).

1) Die Verweise in dieser TRGS beziehen sich bereits auf die Neufassung der TRGS 402, die zzt. erarbeitet wird.
2) www.baua.de/nn_57220/de/Themenvon-A-Z/Gefahrstoffe/Glossar/Begriffsglossar.pdf
3) Wird zZt. erarbeitet.
4) Eine Technische Regel "Arbeitsmedizinische Vorsorge", die diese Vorgaben weiter konkretisiert wird zzt. erarbeitet.
5) Eine TRGS/TRBa 406 "Sensibilisierende Stoffe für die Atemwege" wird z. Z. erarbeitet.
ENDE

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