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4,4'-Methylendiphenyldiisocyanat (MDI)
(CAS-Nr.: 101-68-8) und
technisches (sog. "Polymeres") MDI (pMDI)
(CAS-Nr.: 9016-87-9)
als atembare Aerosole
Ausgabe: Oktober 2000
Stand: Mai 2000
Einleitung:
Im Zusammenhang mit dem beruflichen Umgang mit Isocyanaten steht die Prävalenz der obstruktiventzündlichen Atemwegserkrankungen (Asthma) an erster Stelle. Die Lungenschädigungen sind zum überwiegenden Teil irritativtoxisch und nur zu einem deutlich geringen Teil (etwa 14%) durch IgE-Reagine vermittelt (Baur, 1990; Marek et al., 1992). Sowohl bei der akuten wie auch der chronischen Toxizität steht die lokale Einwirkung auf den Respirationstrakt ganz im Vordergrund. Nach einmaliger und vor allem wiederholter Exposition gegenüber erhöhten Konzentrationen kann es zu langanhaltenden Atemwegsentzündungen mit entsprechenden reaktiven Veränderungen innerhalb des Atemtraktes kommen. Die Empfindlichkeit des Bronchialsystems gegenüber spezifischen und unspezifischen Stimuli spielt dabei eine herausragende Rolle.
Allen Isocyanaten ist die R-N=C=O-Gruppe gemeinsam, die durch ihre besondere Reaktionsfreudigkeit gegenüber nukleophilen Biopolymeren prädestiniert ist Proteinkonjugate auszubilden, funktionelle Zentren von Enzymen zu inhibieren, transmembranäre Transportprozesse zu beeinflussen oder in höheren Konzentrationen Zellen zu zerstören. Obwohl dieser allgemeine Wirkungs-Charakter allen Isocyanaten gemeinsam ist, bestimmen vornehmlich auch die unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften der Isocyanate den Depositions- und Schädigungsort im Respirationstrakt und die Art und Weise wie die jeweilige biologische Struktur auf die Schädigung reagiert, so dass innerhalb des gemeinsamen Wirkungsspektrums einzelne Aspekte quantitativ unterschiedlich zwischen den verschiedenen Isocyanatklassen (Aryl-, Alkyl- oder alicyclische Mono-, Di- bzw. Polyisocyanate) ausgeprägt sein können.
Für die Bewertung des toxischen Potentials der Isocyanate spielen somit die folgenden Aspekte die zentrale Rolle:
Die durch chronische Gewebsirritation ausgelösten entzündlichen lokalen Veränderungen innerhalb des Respirationstraktes spielen bei der Beurteilung von Befunden aus chronischen Onkogenitäts-Inhalationsstudien eine entscheidende Rolle. Konventionelle Kriterien bezüglich der Definition der ,maximal tolerierbaren Dosis', z.B. Körpergewichtsveränderungen, sind für Lungenreizstoffe oft nur von eingeschränkter Relevanz. Beim Design wie auch der Interpretation von chronischen Inhalationsstudien sollten daher pathologisch veränderte funktionelle Endpunkte sowie die jeweiligen Speziesspezifischen, adaptativen Kompensations- oder Dekompensationsmechanismen immer in Beziehung gebracht werden.
Für das respirable MDI-Aerosol läßt sich bezüglich des akuten Atemtraktreizpotentials feststellen, dass die isocyanatinduzierte Schädigung des Respirationstraktes sich im allgemeinen als ein nicht kumulatives, sondern als schwellenkonzentrationsabhängiges Phänomen darstellt (vide supra). Chronische Onkogenitätsuntersuchungen mit Partikelkonzentrationen im deutlich irritativen Bereich, können besonders an der Rattenlunge eine kompensatorisch gesteigerte, autokrine Wachstumsdynamik spezifischer Zellpopulationen zur Folge haben, so dass eine eindeutige Differenzierung von ,mitogenen' und ,mutagenen' Effekten eine wissenschaftliche Herausforderung darstellt. Die vergleichende Bewertung von Testergebnissen mit Isocyanaten aus in vivo und in vitro Untersuchungen wird zudem auch dadurch erschwert, dass die für diese Substanzklasse spezifischen chemischen Reaktionsabläufe milieuspezifisch stattfinden. D.h., manche Testsysteme begünstigen die hydrolytische Zersetzung des Isocyanats, in anderen hingegen wird die Isocanatfunktionalität milieuspezifisch stabilisiert oder durch spezifische Scavengerreaktionen (Konjugation) im Sinne einer nichtenzymatischen Detoxifikationsreaktion eliminiert. Welches System letztendlich die für den Menschen relevanteste Aussage generiert, bedarf einer sehr kritischen, fachlich ausgewogenen Beurteilung und Bewertung.
Diphenylmethan-4,4'-diisocyanat (MDI) - Allgemeine Aspekte:
Monomeres Diphenylmethan-4,4'-diisocyanat (Synonym: Methylendiphenyldiisocyanat; MDI) stellt nur ca, 5 Gew.% der insgesamt produzierten MDI - Mengen weltweit dar. Es wird durch Destillation zusammen mit den monomeren 2,4'- und wenig 2,2'-MDI-Isomeren aus technischem MDI erhalten. Die Isolierung einzelner Isomere aus dem Gemisch ist technisch aufwendig. Das monomere 4,4'-MDI ist bis zum Schmelzpunkt von ca. 39 °C von wachsartiger Konsistenz.
Von erheblicher großtechnischer Bedeutung ist das technische MDI, umgangssprachlich und daher auch hier im weiteren als ,polymeres' MDI, (pMDI) bezeichnet. Es stellt ca. 95 Gew.-% der weltweit verbrauchten MDI-Mengen dar. Mit einem mittleren Molekulargewicht von 350 - 450 Da setzt es sich aus unterschiedlichen Anteilen an monomerem MDI (30 - 80 Gew.%) und dessen oligomeren Homologen zusammen. Die oligomeren Homologen stellen in der Regel 3- bis 6- kernige Verbindungen von über CH2 -Gruppen verknüpften Phenylisocyanatgruppen dar. Eine Rückspaltung von Oligomeren in die Monomeren ist weder in biotischen noch in abiotischen Systemen möglich. pMDI stellt bei Raumtemperatur eine viskose Flüssigkeit dar, die etwa im Bereich von 0 °C zu einem Feststoff mit ebenfalls wachsartiger Konsistenz erstarrt. Der Sättigungsdampfdruck wird im wesentlichen von den monomeren Anteilen bestimmt und wird mit < 0,005 Pa (20 °C) angegeben. Unter diesen Bedingungen ist die Dampfsättigungskonzentration < 50 µg/m3
(Stand: 20.08.2018)
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