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4. Abschätzung der kanzerogenen Potenz von Faserstäuben

Die umfangreichsten Daten über die Kanzerogenität von künstlichen Mineralfasem wurden mit i.p.-Tests an Ratten erhoben. Dabei ergeben sich folgende Relationen; Zum Kanzerogenitätsnachweis von UICC-Krokydolith reichen in der Regel ca. 107 Fasern aus (11, 13). Belastbare Erfahrungen mit wesentlich anderen Krokydolithproben liegen nicht vor. Tremolitproben waren aus bisher ungeklärten Gründen zum Teil bis über den Faktor 10 hinaus schwächer wirksam (13,23).

Bei den bisher geprüften Präparationen der Glasmikrofasern und bei den Faserstäuben aus handelsüblichen Mineralwollen, außer einer Schlackenwolle, lag die für eine tumorigene Wirkung erforderliche Dosis im Mittel rund 20mal höher als beim UICC-Krokydolith, unterschied sich aber nur unwesentlich von einigen Tremolitproben (13,23).

Unter Berücksichtigung von Faserdosen, Faserdimensionen und den resultierenden Tumorinzidenzen ist es angenähert möglich, die Stärke der krebserzeugenden Wirkung im i.p.-Test abzuschätzen und eine Rangfolge zu bilden. In Tabelle 1 sind solche i.p.-Versuche aufgenommen worden, für die Angaben zu applizierten Faserzahlen und medianen Faserdimensionen vorliegen. Die jeweils niedrigste Faserdosis wurde berücksichtigt, die zu einer statistisch signifikant erhöhten Tumorinzidenz führte. Bei den Faserarten B-20-2,0 und M-Stein liegen Ergebnisse an männlichen und weiblichen Ratten vor.

Für diese beiden Faserarten wurde die Faserdosis berücksichtigt, die bei beiden Geschlechtern eine signifikant erhöhte Tumorrate ergab.

Für Krokydolith werden bei identischen Dosen unterschiedliche Tumorinzidenzen bei verschiedenen Versuchsgruppen angegeben. Hier wurde die Versuchsgruppe mit der höchsten Tierzahl berücksichtigt

Die in Tabelle 1 aufgeführten Faserproben besitzen abweichende mediane Längen und Durchmesser und ergaben unterschiedliche Tumor.. raten. Um den Vergleich der kanzerogenen Potenzen zu erleichtern, wurde für die jeweilige Faserart die Faserzahl berechnet, die zur Erzeugung einer Tumorinzidenz von 25 % erforderlich ist (TD25; linearen Extrapolation bei Tumorinzidenzen von weniger als 50 % und Berechnung nach dem Ein-Treffer-Modell bei Tumorinzidenzen von mehr als 50 %).

Aus den Angaben der Tabelle 1 ist ersichtlich, daß die aufgeführten Faserarten vier Gruppen zugeordnet werden können:

Gruppe A: Die Faserarten sind kurz und dünn. Der TD25-Wert beträgt ca. 107 Fasern. Neben verschiedenen Asbestarten enthält diese Gruppe auch Aluminiumsilikat und Siliziumkarbid. Letztere haben sich auch nach Inhalation (6,22) bzw. intratrachealer Instillation (24) als kanzerogen erwiesen und sollten wie Asbest den Regelungen des § 15a GefStoffV unterworfen werden.
  (Aufgrund von Überlegungen zur Biobeständigkeit ist auch bei anderen Faserstäuben aus sogenannten Hochleistungskeramiken wie Borkarbid, Siliziumnitrid, Aluminiumoxid u.a. eine ähnliche Wirkungsstärke begründet anzunehmen. Daher sollten auch für diese Faserstäube die Regelungen des § 15a GefStoffV angewendet werden.)
Gruppe B: Wie bei Gruppe a sind die Fasern kurz und dünn. Der TD25-Wert beträgt ca. 108 Fasern
Gruppe C: Diese Faserarten sind vergleichsweise lang und dick. Die TD25-Werte reichen von ca. 107 bis zu ca. 109 Fasern
Gruppe D: Auch diese Faserarten sind im Vergleich zu denen der Gruppen a und B lang und dick. Die TD25-Werte betragen mehr als 109 Fasern.

Innerhalb der Gruppen a und B bzw. C und D ergibt sich angenähert eine Rangfolge der kanzerogenen Potenz, die entsprechend den aufgeführten TD25-Werten von oben nach unten abnimmt. Da hierbei Länge und Durchmesser der Faserarten schon berücksichtigt worden sind, spiegelt diese Ordnung den Einfluß der dritten wesentlichen Determinanten, der Biobeständigkeit wider. Diese ist, insbesondere bei glasigen Fasern, wiederum wesentlich abhängig von der jeweiligen chemischen Zusammensetzung. Sofern weitere Fasermerkmale die kanzerogene Potenz mitbestimmen wird davon ausgegangen, daß ein i.p.Testergebnis diesen Einfluß beinhaltet.

Tabelle 2 enthält die Hauptkomponenten verschiedener glasiger Fasertypen und, soweit vorhanden, das Ergebnis nach Injektion von 1 x 109Fasern. Semiempirisch wurde geprüft, wie die chemische Zusammensetzung des jeweiligen Fasertyps dessen in Tabelle 1 abgeschätzte kanzerogene Potenz widerspiegelt.

Eine befriedigende Beschreibung liefert die Kennzahl, die sich aus der

ergibt. Dies führt zu folgender Formel:

Ein hoher KI-Wert weist auf eine geringe kanzerogene Potenz aufgrund geringer Biobeständigkeit hin und umgekehrt. Ein hoher (niedriger) KI-West liegt vor, wenn die Oxid-Anteile von Natrium, Kalium. Bor, Calcium, Magnesium und Barium groß (klein) sind und der Oxid Anteil von Aluminium klein (groß) ist.

Eine derartige Beeinflussung der Beständigkeit ist im Prinzip schon lange aus der Chemie der silikatischen Gläser bekannt (viele künstliche Mineralfasern sind silikatische Gläser). Sie wird durch in-vitro Untersuchungen von mehreren Fasertypen in physiologischen Modellflüssigkeiten gestützt.

Danach vermindert der Aluminiumoxidgehalt die Auflösungsgeschwindigkeit von glasigen Fasern ungefähr doppelt so stark im Vergleich zur Erhöhung der Auflösungsgeschwindigkeiten durch die Oxide von Bor, Barium, Natrium, Calcium und Magnesium. Letztere besitzen ungefähr die gleiche Wirksamkeit (16).

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(Stand: 20.08.2018)

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