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45. Phenylhydrazin und Phenylhydrazin-HCl
(CAS-NR.: 100-63-0), (CAS-NR.: 59-88-1)

(BArbBl. 5/98 S. 80)
(Stand: November 1997)


Grundlage für die Bewertung sind die MAK-Begründung von 1995 [1] sowie der BUA-Stoffbericht von 1994 [2].

Phenylhydrazin und sein Hydrochlorid werden sowohl oral als auch dermal und inhalativ gut resorbiert, sind starke Methämoglobinbildner und wirken reizend an Haut und Auge.

Genotoxizität:

Phenylhydrazin und Phenylhydrazin-HCL zeigen in einer Vielzahl von in vitro-Testsystemen (Ames-Test, mitotische Rekombination/Hefe, Punktmutationstest/V 79-Zellen, Mikronucleus-Test in vitro, UDS-Test) eine genotoxische Wirkung, zum Teil auch ohne Zusatz eines metabolisierenden Systems.

Auch unter in vivo-Bedingungen wirkt Phenylhydrazin/Phenylhydrazin-HCL genotoxisch. Nach i.p.-Applikation kommt es bei Mäusen zu DNA-Strangbrüchen. Nach oraler Gabe sind bei Ratten DNA-Addukte in der Leber nachweisbar (N7-Methylguanin, O6-Methylguanin); der CBI liegt dabei in der gleichen Größenordnung wie für Hydrazin.

Demgegenüber verliefen 2 Mikronucleus-Teste an Mäusen (Zielorgan Knochenmark bzw. periphere Erythrozyten) mit einmaliger i.p.-Gabe von 50 bzw. 100 mg/kg KGW negativ.

Kanzerogenität:

Zur Frage der kanzerogenen Wirkung von Phenylhydrazin/Phenylhydrazin-HCl liegen insgesamt 4 Studien älteren Datums vor, die alle nicht den heutigen Anforderungen genügen.

Die 8-malige Applikation von einmal wöchentlich ca. 145 mg Phenylhydrazin-HCl/kg KGW oral bzw. von ca. 72 mg/kg KGW i.p. führte bei CDF1-Mäusen zu einer nur marginal erhöhten Lungentumor-Rate.

Die Aussagekraft dieser Studie ist gering bedingt durch die hohe Mortalität im Schlundsondenversuch, die Verwendung nur einer Dosis und eines Geschlechts einer Spezies pro Versuch sowie durch die kurze Applikationsdauer.

Die 40-wöchige Schlundsonden-Applikation von ca. 18 mg/kg KGW/ Tag hatte bei Swiss-Mäusen keine Bildung von Lungentumoren zur Folge. Aufgrund hoher Mortalität zu Studienbeginn und wegen der kurzen Versuchsdauer ist die Aussagekraft der Studie sehr limitiert.

Die Schlundsonden-Applikation von ca. 50 mg Phenylhydrazin-HCl/ kg KGW/Tag über einen Zeitraum von 42 Wochen (Gesamtdosis: 200 mg/Tier) führte bei 30 Swiss-Mäusen beiderlei Geschlechts zu einer signifikant erhöhten Inzidenz an Lungentumoren (53,3 %; Kontrolle: 13,3 %), wobei der Anteil an malignen Lungentumoren mit 58,3 % höher war als bei anderen untersuchten Hydrazinderivaten. Die Aussagekraft der Studie ist limitiert wegen der geringen Tierzahl und der Verwendung nur einer einzigen Dosierung.

Es liegt auch eine Studie an je 49 männlichen und weiblichen Swiss-Mäusen mit Applikation von 0,01 % Phenylhydrazin-HCl im Trinkwasser (ca. 40 mg/kg KGW/Tag) über einen Zeitraum von 110 Wochen vor. Die Inzidenz für Tumoren der Blutgefäße war bei beiden Geschlechtern signifikant erhöht gegenüber der Kontrolle (20 und 22 % gegenüber 6 und 5 %). Aufgrund der aufgetretenen Verkürzung der Lebenszeit der Tiere ist zu vermuten, daß die kanzerogene Potenz der Substanz anhand des Ergebnisses dieser Studie eher unterschätzt wird.

  Reproduktionstoxizität:

Es liegen keine validen gezielten Untersuchungen zur Reproduktionstoxizität vor. Bei Wistar-Ratten war nach i.p.-Gabe von je 20 mg Phenylhydrazin-HCl/kg KGW/Tag vom 18.- 19. Tag der Trächtigkeit der Serum-Bilirubinspiegel bei den Feten und Jungtieren im Vergleich zum Muttertier erhöht. Das Körpergewicht der an Gelbsucht leidenden Jungtiere war während des Säugens durch unbehandelte Weibchen für 1 - 2 Wochen nach der Geburt niedriger als bei den Kontrolltieren und die meisten der unter starker Gelbsucht leidenden Jungtiere starben während der 1. Woche p.p. [3].

Die i.p.-Gabe von je 10 bzw. 20 mg Phenylhydrazin-HCl/kg KGW/ Tag vom 17. - 19. bzw. vom 18 - 19. Tag der Trächtigkeit führte bei den neugeborenen Jungtieren von Wistar-Ratten zu Anämie und Gelbsucht. Die Jungtiere wiesen hinsichtlich der allgemeinen Reflexe und der Spontanmotilität abgesehen von einigen wenigen Abweichungen von der Norm keine signifikanten Unterschiede zur Kontrolle auf. Bei den bedingten Reflexen war die Erlernung einer aktiven Vermeidung (Lichtvermeidung) signifikant verzögert und das erlernte Verhalten wurde wieder schneller vergessen im Vergleich zu den Kontrolltieren [4].

Die zweimalige subkutane Injektion von je 20 - 40 mg Phenylhydrazin/ kg KGW/Tag hatte bei dem jeweils einen getesteten Beagle-Hund eine deutlich reduzierte Spermatogenese zur Folge; die Nebenhoden enthielten keine Spermien. Die eingesetzten Dosierungen wirkten stark toxisch (Methämoglobinbildung mit Begleitsymptomen).

Fazit:

Genotoxizität:

Phenylhydrazin und Phenylhydrazin-HCl wirken genotoxisch in vitro. In vivo kommt es nach oraler Gabe zur DNA-Adduktbildung (Methylierung am Guanin) und nach i.p.-Gabe zur Bildung von DNA-Strangbrüchen in der Leber; 2 Mikronucleus-Teste verlaufen jedoch negativ.

Insgesamt ergeben sich damit Hinweise für eine genotoxische Wirkung von Phenylhydrazin und Phenylhydrazin-HCl in vivo. Gemäß den EU-Einstufungskritenen erfolgt daher eine Einstufung als erbgutverändernd Kategorie 3 (M:3).

Kanzerogenität:

Phenylhydrazin-HCl führte in einer chronischen Studie an Mäusen mit Trinkwasserapplikation zu einer deutlich erhöhten Inzidenz an Blutgefäßtumoren. In einer Schlundsonden-Studie ebenfalls an Mäusen war die Lungentumor-Inzidenz erhöht. Beide Studien entsprechen nicht den heutigen Anforderungen. Insbesondere fehlt die Prüfung weiterer Dosierungen zur Ableitung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung sowie die Prüfung an einer 2. Spezies.

Insgesamt ergeben sich experimentelle Hinweise auf eine mögliche kanzerogene Wirkung von Phenylhydrazin und Phenylhydrazin-HCl, basierend auf den Kanzerogenesestudien an nur einer Spezies (Maus) sowie auf den Daten zur Genotoxizität in vivo. Gemäß den EU-Einstufungskriterien erfolgt daher eine Einstufung als krebserzeugend Kategorie 3 (K:3)

Reproduktionstoxizität/Fertilität:

Zur Frage der möglichen Beeinträchtigung der Fertilität durch Phenylhydrazin und Phenylhydrazin-HCl liegen keine validen Daten vor. Die Ergebnisse des Versuchs am Beagle-Hund bleiben wegen des irrelevanten Applikationsweges und der hohen systemischen Toxizität der eingesetzten Dosierungen außer Betracht. Daher kommt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung in Betracht (RF:-).

Reproduktionstoxizität/Entwicklungsschädigung:

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(Stand: 20.08.2018)

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