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Nr. 53: Ethen
(CAS-NR.: 74-85-1)

(BArbBl. 8/1999 S. 48)
Ausgabe: Juli 1999
Stand: Nov. 1998


Kanzerogenität:

Die MAK-Begründung vom 17.05.1993 faßt die Datenlage zur Frage der Karzinogenität von Ethylen sehr ausführlich zusammen [1]. Ebenso kann auf eine vorliegende IARC-Monographie verwiesen werden [4]. Der Stoff stellt bislang bezüglich der Beurteilung der Kanzerogenität und Mutagenität einen singulären Sonderfall dar.

Über Ethylen liegt ein negativer Langzeitversuch unter Inhalationsbedingungen an der Ratte vor [2]. Andererseits wird Ethylen bei Mensch und Tier zu einem Teil in das krebserzeugende Ethylenoxid überführt. Dieses ist ein direktes Akylans, Mutagen und Karzinogen; es ist in der MAK-Liste in Gruppe A2 eingeordnet und derzeit mit einem TRK-Wert von 1 ppm (ml/m3) versehen. Die Kinetik dieser Umwandlung ist gut untersucht [1]. Da das umwandelnde Enzymsystem bei höheren Konzentrationen von Ethylen in der Atemluft (zwischen 500 und 1000 ppm) gesättigt ist, ist erklärbar, daß auch durch sehr hohe Ethylenkonzentrationen im Tierversuch mit üblichen Tierzahlen experimentell kein statistisch signifikantes positives Tumorergebnis erzielbar ist [3].

Andererseits ist aus den vorliegenden toxikologischen Daten anhand der Bildung des daraus entstehenden Ethylenoxids ableitbar, daß äußeren Ethylenkonzentrationen trotzdem ein geringer krebserzeugender Effekt zukommt. Ethylen hat unterhalb des o.a. Sättigungsbereiches einen gentoxischen Effekt, der um einen Faktor von etwa 40 [3] bis 70 [1] niedriger liegt als der von Ethylenoxid.

Genotoxizität:

Ethylen wurde in vitro im Ames-Test an S. typhimurium TA100 mit und ohne Aktivierungssystem untersucht, mit negativem Ergebnis. Mikronukleus-Tests in vivo am Knochenmark von Ratte und Maus verliefen ebenfalls negativ (siehe Beschreibung und Diskussion in [4]).Eine erste Untersuchung zur Entstehung von DNA-Addukten bei der Maus entspricht nicht heutigen analytischen Kriterien und ist daher nicht bewertbar [6]. Neue Untersuchungen an F-344 Ratten und B6C3F1-Mäusen unter inhalatorischer Belastung mit 40, 1000 oder 3000 ppm Ethylen [7] zeigen jedoch eindeutig das dosisabhängige Entstehen des DNA-Adduktes 7-(2-Hydroxyethyl)guanin in Leber, Milz, Hirn und Lunge, wobei die dabei beobachteten supralinearen Dosis-Addukt-Kurven wiederum auf den oben angesprochenen Sachverhalt der metabolischen Sättigung der Umsetzung von Ethylen in Ethylenoxid beruhen. Eine weitere Untersuchung an Sprague-Dawley-Ratten mit wiederholter Exposition gegenüber 300 ppm Ethylen [8] bestätigt das Entstehen dieses auf den Metaboliten Ethylenoxid zurückzuführenden DNA-Adduktes in Leber und Lymphozyten der Tiere.

Bei gegenüber Ethylen exponierten Personen wurde ein erhöhter Spiegel des Hämoglobin-Adduktes von Ethylenoxid (N-Hydroxyethyl-Valim am N-Terminus des Hämoglobins) nachgewiesen [5].

Auch ohne äußere Exposition gegenüber Ethylen oder Ethylenoxid sind beim Menschen wie bei Versuchstieren Hämoglobin- und DNA-Addukte nachweisbar, die auf die endogene Produktion von Ethylen und dessen Transformation zu Ethylenoxid im Organismus zurückgeführt werden [4, 8-10].

Reproduktionstoxizität:

Keine Daten vorhanden.

Fazit:

Kanzerogenität:

Die EU-Einstufungskriterien setzen bei fehlender epidemiologischer Evidenz die experimentelle Erzeugung von Tumoren im Tierversuch voraus, die hier aus den oben genannten toxikokinetischen Gründen nicht gegeben ist.

Der Stoff ist zwar gut untersucht; die Sachlage ist prinzipiell als geklärt anzusehen. Dabei liegen insofern Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung vor, als die experimentelle Adduktbildung (Hydroxyethylvalin in Hämoglobin und 7-(2-Hydroxyethyl)guanin in der DNa verschiedener Organe) durch Ethylen tierexperimentell klar dokumentiert ist, und daß die Kanzerogenität des diese Addukte erzeugenden Metaboliten (Ethylenoxid) ebenfalls tierexperimentell nachgewiesen wurde. Eine detaillierte Diskussion der Sachlage findet sich in der vorliegenden MAK-Begründung [1]. Da die EU-Kriterien der Eingruppierung in die Kategorien 2 oder 3 jedoch in der gegenwärtig gültigen Fassung jeweils eine experimentelle Tumorerzeugung voraussetzen, kommt eine Einstufung bezüglich der Karzinogenität nicht in Frage (C: -).

Genotoxizität:

Eine Einstufung in die Kategorie 1 kommt nicht in Betracht, da entsprechende Humanbefunde fehlen. Es liegen jedoch positive experimentelle Befunde über das Auftreten von DNA-Addukten (kovalente Bindung des Mutagens an die DNA) in verschiedenen Somazellen vor.

Diese Datenlage ist nach den Einstufungskriterien hinreichend, um den Stoff bezüglich erbgutverändernder Wirkung in die Kategorie 3 (M: 3). einzustufen.

Reproduktionstoxizität:

Aufgrund fehlender Daten ist keine Einstufung möglich (RF,E: -).

Literatur:

[1] Greim, H. (Hrsg.): Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten: Ethylen. VCH, Weinheim (1996)

[2] Hamm, T.E., Guest, D., Dent, J.G.: Chronic toxicity and oncogenicity bioassay of inhaled ethylene in Fischer-344 rats. Fund. Appl. Toxicol. 4: 473-478 (1984)

[3] Bolt, H.M., Filser, J.G.: Kinetics and disposition in toxicology. Example: carcinogenic risk estimate for ethylene. Arch. Toxicol. 60: 73-76 (1987)

[4] WHO/IARC: IARC Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans. Vol. 60: Some Industrial Chemicals., Ethylene, pp. 45-71, Lyon (1994)

[5] Granath; F., Rohlen, O., Hansson, L., Magnusson, A.L., Törnqvist, M.: Relationship between dose in vivo of ethylene oxide and exposure to ethene studies in exposed workers. Hum. Exp. Toxicol. 15: 825-833 (1996)

[6] Segerbäck, D.: Alkylation of DNa and hemoglobin in the mouse following exposure to ethene and ethene oxide. Chem.-biol. Interactions 45: 139-151 (1983)

[7] Wu, K.Y.: Molecular dosimetry of N7-(2-hydroxyethyl)guanine: Exposure assessment, mechanistic study, and potential for risk assessment. Dissertation Abstracts International 58, no. 4, p. 1848-B (1997)

[8] Zhao, C.Y., Kumar, R., Zahlsen, K., Sundmark, H.B., Hemminski, K., Eide, I.: Persistence of 7-(2-hydroxyethyl)guanine-DNA-adducts in rats exposed to ethene by inhalation. Biomarkers 2: 355-359 (1997)

[9] Föst, U., Marczynski, M., Kasemann, R., Peter, H.: Determination of 7-(2-hydroxy-ethyl)guanine with gas chromatography/mass spectrometry as a parameter for genotoxicity of ethylene oxide. Arch. Toxicol., Suppl. 13: 250-253 (1989)

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